Thekla. Neubrunn.
Thekla. (faellt der Neubrunn um den Hals)
Jetzt, gute Neubrunn, zeige mir die Liebe,
Die du mir stets gelobt, beweise dich
Als meine treue Freundin und Gefaehrtin!
-Wir muessen fort, noch diese Nacht.
Neubrunn.
Fort, und wohin?
Thekla.
Wohin? Es ist nur ein Ort in der Welt!
Wo er bestattet liegt, zu seinem Sarge!
Neubrunn.
Was koennen Sie dort wollen, teures Fraeulein?
Thekla.
Was dort, Unglueckliche! So wuerdest du
Nicht fragen, wenn du je geliebt. Dort, dort
Ist alles, was noch uebrig ist von ihm,
Der einz'ge Fleck ist mir die ganze Erde.
-O halte mich nicht auf! Komm und mach Anstalt.
Lass uns auf Mittel denken, zu entfliehen.
Neubrunn.
Bedachten Sie auch Ihres Vaters Zorn?
Thekla.
Ich fuerchte keines Menschen Zuernen mehr.
Neubrunn.
Den Hohn der Welt! des Tadels arge Zunge!
Thekla.
Ich suche einen auf, der nicht mehr ist.
Will ich denn in die Arme-o mein Gott!
Ich will ja in die Gruft nur des Geliebten.
Neubrunn.
Und wir allein, zwei hilflos schwache Weiber?
Thekla.
Wir waffnen uns, mein Arm soll dich beschuetzen.
Neubrunn.
Bei dunkler Nachtzeit?
Thekla.
Nacht wird uns verbergen.
Neubrunn.
In dieser rauhen Sturmnacht?
Thekla.
Ward ihm sanft
Gebettet, unter den Hufen seiner Rosse?
Neubrunn.
O Gott!-und dann die vielen Feindesposten!
Man wird uns nicht durchlassen.
Thekla.
Es sind Menschen,
Frei geht das Unglueck durch die ganze Erde!
Neubrunn.
Die weite Reise-
Thekla.
Zaehlt der Pilger Meilen,
Wenn er zum fernen Gnadenbilde wallt?
Neubrunn.
Die Moeglichkeit, aus dieser Stadt zu kommen?
Thekla.
Gold oeffnet uns die Tore. Geh nur, geh!
Neubrunn.
Wenn man uns kennt?
Thekla.
In einer Fluechtigen,
Verzweifelnden sucht niemand Friedlands Tochter.
Neubrunn.
Wo finden wir die Pferde zu der Flucht?
Thekla.
Mein Kavalier verschafft sie. Geh und ruf ihn.
Neubrunn.
Wagt er das ohne Wissen seines Herrn?
Thekla.
Er wird es tun. O geh nur! Zaudre nicht.
Neubrunn.
Ach! und was wird aus Ihrer Mutter werden,
Wenn Sie verschwunden sind?
Thekla. (sich besinnend und schmerzvoll vor sich hinschauend)
O meine Mutter!
Neubrunn.
So viel schon leidet sie, die gute Mutter,
Soll sie auch dieser letzte Schlag noch treffen?
Thekla.
Ich kann's Ihr nicht ersparen!-Geh nur, geh.
Neubrunn.
Bedenken Sie doch ja wohl, was Sie tun.
Thekla.
Bedacht ist schon, was zu bedenken ist.
Neubrunn.
Und sind wir dort, was soll mit Ihnen werden?
Thekla.
Dort wird's ein Gott mir in die Seele geben.
Neubrunn.
Ihr Herz ist jetzt voll Unruh, teures Fraeulein,
Das ist der Weg nicht, der zur Ruhe fuehrt.
Thekla.
Zur tiefen Ruh, wie er sie auch gefunden.
-O eile! geh! Mach keine Worte mehr!
Es zíeht mich fort, ich weiss nicht, wie ich's nenne,
Unwiderstehlich fort zu seinem Grabe!
Dort wird mir leichter werden, augenblicklich!
Das herzerstickende Band des Schmerzens wird
Sich loesen-Meine Traenen werden fliessen.
O geh, wir koennten laengst schon auf dem Weg sein.
Nicht Ruhe find ich, bis ich diesen Mauern
Entrunnen bin-sie stuerzen auf mich ein-
Fortstossend treibt mich eine dunkle Macht
Von dannen-Was ist das fuer ein Gefuehl!
Es fuellen sich mir alle Raeume dieses Hauses
Mit bleichen, hohlen Geisterbildern an-
Ich habe keinen Platz mehr-Immer neue!
Es draengt mich das entsetzliche Gewimmel
Aus diesen Waenden fort, die Lebende!
Neubrunn.
Sie setzen mich in Angst und Schrecken, Fraeulein,
Dass ich nun selber nicht zu bleiben wage.
Ich geh und rufe gleich den Rosenberg.
(Geht ab.)