Stepan Spalko hastete den kahlen Betonkorridor hinunter und hielt dabei Bournes Keramikpistole schussbereit. Er wusste, dass die wilde Schießerei jede Menge Sicherheitsleute in die Kellergeschosse unter dem Hauptgebäude des Hotels locken würde. Vor sich erkannte er Fahd al-Sa’ud, den Sicherheitschef der Araber, und zwei seiner Männer. Spalko wich in einen Quergang zurück. Sie hatten ihn nicht gesehen, und er nutzte das Überraschungsmoment, lauerte ihnen auf und erschoss sie, bevor sie reagieren konnten.
Einige atemlose Augenblicke lang stand er über den Zusammengebrochenen. Al-Sa’ud stöhnte laut, und Spal-ko erledigte ihn mit einem aufgesetzten Kopfschuss. Der Sicherheitschef bäumte sich noch einmal auf, dann lag er still. Spalko nahm einem der Männer den an einer dünnen Halskette getragenen Dienstausweis ab, zog die Uniform des Mannes an und nahm die farbigen Kontaktlinsen aus seinen eigenen Augen. Dabei musste er unvermeidlich wieder an Sina denken. Sie war furchtlos gewesen, das stand fest, aber ihre maßlose Loyalität zu ihm war zuletzt ihr Verderben gewesen. Sie hatte ihn vor jedermann beschützt — besonders vor Arsenow. Das hatte sie unverkennbar genossen. Aber Spalko hatte auch erkannt, dass Sinas wahre Leidenschaft ihm galt. Und gerade diese Liebe, diese von abstoßender Schwäche kündende Opferbereitschaft, hatte ihn dazu gebracht, sie zu verlassen.
Rasche Schritte hinter ihm brachten ihn in die Gegenwart zurück, und er hastete weiter. Seine schicksalhafte Begegnung mit den Arabern war nicht nur von Vorteil gewesen, denn obwohl er ihr eine gute Tarnung verdankte, hatte sie ihn doch auch aufgehalten. Als er jetzt einen Blick über die Schulter warf, sah er einen Mann im Arbeitsanzug eines Sicherheitsbeamten, und er fluchte ingrimmig. Er fühlte sich wie Kapitän Ahab, der Moby Dick verfolgt hatte, bis die Verhältnisse sich ganz unerwartet so umgekehrt hatten, dass der Jäger vom Gejagten verfolgt wurde. Der Mann in der Uniform eines US-Sicherheitsbeamten war Jason Bourne.
Bourne sah, dass Spalko — jetzt in der Uniform eines arabischen Sicherheitsbeamten — eine Stahltür aufriss und in einem Treppenhaus verschwand. Er sprang über die toten Männer hinweg und nahm die Verfolgung auf. Die Treppe führte in das in der Hotelhalle herrschende Chaos hinauf. Als sein Sohn und er vor kurzem das Hotel betreten hatten, war der weite Raum aus Stahl und Glas spannungsgeladen, aber still und fast völlig verlassen gewesen. Jetzt liefen hier Dutzende von Sicherheitsbeamten durcheinander. Manche trieben das Hotelpersonal zusammen und teilten es je nach Tätigkeit und Arbeitsbereich in Gruppen ein. Andere hatten schon mit der umständlichen und langwierigen Befragung des Personals begonnen. Wieder andere waren in die Kellergeschosse unterwegs oder wurden über Funk in andere Bereiche des Hotels beordert. Jeder hatte alle Hände voll zu tun; niemand interessierte sich für die beiden Männer, die mit einigem Abstand das Chaos in der Hotelhalle in Richtung Ausgang durchquerten.
Es war verblüffend zu beobachten, wie geschickt Spal-ko sich zwischen den anderen bewegte, sich anpasste, einer von ihnen wurde. Bourne überlegte kurz, ob er das Sicherheitspersonal in seiner Nähe alarmieren sollte, kam aber gleich wieder davon ab. Spalko hätte den Spieß sofort umgedreht und laut verkündet, Bourne sei der Mörder, nach dem die CIA international fahnde. Das wusste Spalko natürlich genau, denn schließlich war er der clevere Verursacher von Bournes gefährlicher Zwangslage. Und während er Spalko ins Freie folgte, wurde ihm noch etwas klar. Wir sind jetzt beide gleich, dachte er, zwei Chamäleons, die sich ähnlich tarnen, um ihre wahre Identität vor ihrer Umgebung zu verbergen. Die Einsicht war befremdlich und beunruhigend, dass die internationale Sicherheitstruppe im Augenblick Spalko ebenso auf den Fersen war wie ihm selbst.
Bourne folgte ihm ins Freie, verlor ihn aber zwischen den vielen geparkten Fahrzeugen sofort aus den Augen. Er begann zu rennen. Hinter ihm erklang ein Ruf, den er nicht beachtete. Er riss die Tür des ersten Wagens auf, den er erreichte — ein amerikanischer Jeep —, fetzte die Kunststoffverkleidung unter dem Lenkrad ab und fummelte nach den Drähten. Im nächsten Augenblick hörte er einen anderen Motor anspringen und sah Spalko mit einem Geländewagen, den er kurzgeschlossen hatte, den Parkplatz verlassen.
Nun waren mehrere laute Rufe und das Getrappel von Stiefeln auf dem Asphalt zu hören. Mehrere Schüsse fielen. Bourne konzentrierte sich darauf, was getan werden musste, und verdrillte die richtigen Drähte miteinander. Der Motor des Jeeps sprang an, und Bourne stellte den Wahlhebel des Automatikgetriebes auf D und trat das
Gaspedal durch. Er fuhr mit aufheulendem Motor und quietschenden Reifen an und raste durch die Kontrollstelle.
Die Nacht war mondlos, aber andererseits war sie keine richtige Nacht. Über Reykjavik lag eine milchige Dunkelheit, denn der Widerschein der dicht unter dem Horizont stehenden Sonne gab dem Himmel die Farbe einer Austernschale. Während Bourne Spalko auf einer Zickzackroute durch die Stadt folgte, wurde ihm klar, dass der Flüchtende nach Süden unterwegs war.
Das war eine gewisse Überraschung, denn er hatte erwartet, Spalko wolle den Flughafen erreichen. Er hatte zweifellos einen Fluchtplan, bei dem ebenso zweifellos ein Flugzeug eine Rolle spielte. Aber je länger Bourne darüber nachdachte, desto weniger war er überrascht. Er lernte seinen Gegner allmählich besser kennen. So wusste er bereits, dass Spalko in keiner schwierigen Situation den logischen Ausweg wählte. Sein abgefeimter Verstand arbeitete einzigartig raffiniert. Er war ein durchtriebener, listiger Mann, der seinen Gegner lieber erst in eine Falle lockte, als ihn gleich zu beseitigen.
Keflavik kam also nicht in Frage. Zu offensichtlich und — wie Spalko zweifellos vorausgesehen hatte — zu scharf bewacht, um ihm als Fluchtweg dienen zu können. Bourne orientierte sich in Gedanken auf der in Oszkars Notebook gespeicherten Landkarte. Was lag südlich der Hauptstadt? Hafnarfjördur, ein Fischerdorf, bei dem kein Flugzeug landen konnte, das für Spalkos Zwecke groß genug gewesen wäre. Die Küste! Schließlich befanden sie sich auf Island. Spalko wollte übers Meer entkommen!
Um diese Nachtzeit war der Verkehr vor allem außer-halb des Stadtgebiets ziemlich schwach. Die Straßen wurden schmaler, schlängelten sich durch die Hügel auf der dem Land zugewandten Seite der Felsenküste. Als Spalko eine besonders scharfe Kurve durchfuhr, ließ Bourne sich zurückfallen. Er schaltete die Scheinwerfer aus und beschleunigte erst dann um die Kurve. Vor sich konnte er die Rücklichter von Spalkos Wagen sehen, aber Spalko würde ihn hoffentlich nicht mehr im Rückspiegel erkennen. Das war gefährlich, weil Bourne riskierte, Spalko in jeder Kurve aus den Augen zu verlieren, aber er sah keine andere Möglichkeit. Er musste Spalko glauben machen, er habe seinen Verfolger abgehängt.
Das völlige Fehlen von Bäumen verlieh der Landschaft eine gewisse Herbheit, zu der die Gletscherberge im Hintergrund eine ständig winterliche Note beisteuerten, die umso schauriger wirkte, als die Straße gelegentlich durch üppig grüne Matten führte. Der Himmel war unendlich hoch und in der seltsamen Morgendämmerung mit den schwarzen Silhouetten von Meeresvögeln ausgefüllt, die vor ihnen segelten und kreisten. Bei ihrem Anblick empfand Bourne eine gewisse Befreiung von seiner Einkerkerung in den von Todesgerüchen geschwängerten Katakomben des Hotels. Obwohl die Nacht kalt war, fuhr er sein Fenster herunter und atmete die salzhaltige frische Luft tief ein. Süßer Blütenduft stieg ihm in die Nase, als er an dem leicht gewellten, mit Blumen übersäten Teppich einer Wiese vorbeiraste.
Die Straße wurde noch schmaler, als sie zur Küste hin abbog. Bourne rollte durch ein mit dichtem Buschwerk bestandenes kleines Tal und flitzte um die nächste Kurve. Die Straße fiel steiler ab, während sie in Serpentinen zum Strand hinunterführte. Er sah Spalko und verlor ihn in der nächsten Kurve wieder aus den Augen. Als er diese Kurve selbst durchfuhr, sah er den Nordatlantik nur leicht bewegt in der silbergrauen Morgendämmerung unter sich glitzern.
Spalkos Wagen verschwand um die nächste Kurve, und Bourne blieb weiter hinter ihm. Der Abstand zur übernächsten Kurve war so kurz, dass der andere Wagen bereits außer Sicht war. Trotz des erhöhten Risikos gab Bourne Gas und fuhr mit dem Jeep noch etwas schneller.
Er hatte die Vorderräder bereits wegen der Kurve eingeschlagen, als er das Geräusch hörte. Es war ein gedämpfter, vertrauter Knall, der das Rauschen des Windes übertönte: der Schussknall seiner Keramikpistole. Der linke Vorderreifen platzte, und der Jeep geriet ins Schleudern. Bourne erkannte flüchtig Spalko, der mit der Pistole in der Hand zu seinem abgestellten Wagen zurücklief. Dann veränderte sein Blickwinkel sich, und er war viel zu beschäftigt damit, den Jeep wieder unter Kontrolle zu bekommen, als der Wagen gefährlich nahe an den zum Meer hin abfallenden Straßenrand geriet.
Bourne stellte den Wahlhebel auf N, aber das genügte nicht. Er hätte die Zündung ausschalten müssen, aber das war ohne Zündschlüssel unmöglich. Die Hinterräder rutschten über den Straßenrand. Bourne schnallte sich los und hielt das Lenkrad umklammert, als der Jeep sich überschlagend von der Straße abkam. Er schien in der Luft zu schweben, überschlug sich dabei zweimal. Bourne roch den stechenden, unverkennbaren Geruch von überhitztem Metall, in den sich der beißende Gestank von brennendem Gummi und Kunststoff mischte.
Er sprang aus dem Wagen, kurz bevor der Jeep aufschlug, und rollte sich seitlich weg, als der Wagen von einem Felsvorsprung abprallte und zerplatzte. Flammen schossen hoch in die Luft, und im Feuerschein sah Bourne in der kleinen Bucht unmittelbar unter sich ein Fischerboot, das langsam auf den Strand zulief.
Spalko raste wie ein Verrückter die Straße hinunter, die am Strand der kleinen Bucht endete. Mit einem Blick auf den über ihm in Flammen stehenden Jeep sagte er sich: Zum Teufel mit Jason Bourne. Er ist tot. Aber leider würde er ihn nicht so schnell vergessen. Es war Bourne gewesen, der seine Pläne durchkreuzt hatte, und nun hatte er weder den NX 20 noch die Tschetschenen als Handlanger. So viele Monate sorgfältiger Planung zunichte gemacht!
Er stieg aus dem Wagen und stapfte über den mit Treibgut übersäten felsigen Strand. Ein Ruderboot kam, um ihn abzuholen, obwohl Flut herrschte und das Fischerboot sehr dicht an den Strand heranlaufen konnte. Er hatte den Skipper angerufen, sobald er den Kontrollposten vor dem Hotel passiert hatte. Diesmal war nur eine aus dem Skipper und seinem Maat bestehende Mindestbesatzung an Bord. Sobald der Skipper das Ruderboot auflaufen ließ, kletterte Spalko hinein, und der Maat stieß das Boot mit seinem Riemen ab.
Spalko kochte vor Wut, und auf der kurzen, wenig angenehmen Rückfahrt zum Fischerboot wurde kein Wort gesprochen. Sowie Spalko an Bord war, befahl er:»Klarmachen zum Auslaufen, Captain.«
«Bitte um Entschuldigung, Sir«, sagte der Skipper,»aber was ist mit dem Rest des Teams?«
Spalko packte ihn vorn am Hemd.»Ich habe Ihnen einen Befehl gegeben, Captain. Ich erwarte, dass Sie ihn ausführen.«
«Aye, aye, Sir«, knurrte der Skipper mit bösem Glitzern im Blick.»Aber wir sind nur zu zweit, deshalb wird’s etwas länger dauern, bis wir Fahrt aufnehmen.«
«Dann macht gefälligst voran, verdammt noch mal!«, forderte Spalko ihn auf, bevor er nach unten ging.
Das Wasser war kalt wie Eis, schwarz wie der unbeleuchtete Keller des Hotels. Bourne wusste, dass er so schnell wie irgend möglich an Bord des Fischerboots gelangen musste. Schon nach einer halben Minute im Wasser fingen seine Finger und Zehen an, taub zu werden; nach einer weiteren halben Minute spürte er sie überhaupt nicht mehr.
Die zwei Minuten, die er brauchte, um zu dem Fischerboot hinauszuschwimmen, erschienen ihm wie die längsten seines Lebens. Er bekam eine ölige Trosse zu fassen und zog sich daran aus der See. Er zitterte im kalten Wind, während er Hand über Hand nach oben kletterte.
Dabei war er plötzlich auf unheimliche Weise desorientiert. Weil er Seeluft in der Nase hatte und Salzwasser auf seiner Haut spürte, erschien es ihm, als sei er nicht vor Island, als klettere er nicht an Bord eines Fischerboots, um Spalko zu verfolgen, sondern entere vor Marseille heimlich eine Jacht, um den international gesuchten Profikiller Carlos zu liquidieren. In Marseille hatte der Albtraum begonnen: Sein Zweikampf mit Carlos hatte damit geendet, dass er über Bord gestoßen worden war, wobei der Schock darüber, dass er mit Schussverletzungen fast ertrunken war, ihm sein Gedächtnis und sein ganzes früheres Leben geraubt hatte.
Als er sich über den Dollbord ans Oberdeck des Fi-scherboots wälzte, durchzuckte ihn Angst, die in ihrer Intensität fast lähmend war. In genau dieser Situation hatte er damals versagt. Er fühlte sich plötzlich exponiert, als stehe ihm sein Versagen auf die Stirn geschrieben. Fast hätte ihn der Mut verlassen, aber vor seinem inneren Auge erschien das Bild Chans, und er erinnerte sich daran, was er ihn bei ihrer ersten mit nervöser Spannung erfüllten Begegnung gefragt hatte: »Wer bist du?« Jetzt wurde ihm klar, dass Chan das nicht wusste — und es nie erfahren würde, wenn Bourne es ihm nicht sagte. Er dachte an Chan, sah ihn in der Fernwärmezentrale neben Sina knien und hatte das Gefühl, er habe nicht nur die Kalaschnikow weggelegt, sondern vielleicht auch einen Teil seiner inneren Wut überwunden.
Bourne atmete tief durch und konzentrierte sich auf das, was ihm bevorstand. Er schlich übers Deck. Der Skipper und sein Maat waren im Steuerhaus beschäftigt, und es fiel ihm nicht schwer, sie beide außer Gefecht zu setzen. Taue gab es hier mehr als genug, und er war gerade dabei, den Bewusstlosen die Hände auf dem Rücken zu fesseln, als Spalko hinter ihm sagte:»Ich denke, Sie sollten lieber ein Tau für sich selbst suchen.«
Bourne kauerte bei den Männern. Die beiden Seeleute lagen Rücken an Rücken nebeneinander. Von Spalko unbemerkt zog Bourne sein Schnappmesser. Er merkte jedoch gleich, dass er einen fatalen Fehler gemacht hatte. Der Maat kehrte ihm den Rücken zu, aber der ihm zugewandte Skipper erkannte sehr deutlich, dass er jetzt bewaffnet war. Er sah Bourne ins Gesicht, versuchte aber seltsamerweise nicht, Spalko durch einen Laut oder eine Bewegung zu warnen. Stattdessen schloss er ohne ein Wort die Augen, als sei er weiter bewusstlos.
«Aufstehen und umdrehen!«, befahl Spalko.
Bourne tat wie geheißen, indem er seine Rechte hinter dem Oberschenkel verborgen hielt. Spalko trug frisch gebügelte Jeans und einen schwarzen Pullover mit Zopfmuster und Rundausschnitt. Er stand breitbeinig an Deck und hielt Bournes Keramikpistole in der Hand. Und Bourne fühlte sich wieder eigenartig desorientiert. Wie vor vielen Jahren Carlos hatte ihn jetzt Spalko in seiner Gewalt. Jetzt musste Spalko nur noch abdrücken, dann würde Bourne mit einer Kugel in der Brust über Bord gehen. Diesmal jedoch in den eisigen Nordatlantik; diesmal würde es keine Rettung wie aus den lauen Wassern des Mittelmeers geben. Hier würde er rasch vor Kälte erstarren und ertrinken.
«Sie wollen einfach nicht sterben, was, Mr. Bourne?«
Bourne stürzte sich auf ihn und ließ dabei sein Messer aufschnappen. Der überraschte Spalko drückte viel zu spät ab. Der Schuss ging harmlos übers Wasser hinaus, als die Klinge sich in seine linke Seite grub. Mit einem Grunzen hämmerte er den Lauf seiner Waffe auf Bournes Backenknochen. Beide verspritzten Blut. Spalkos linkes Knie gab nach, aber Bourne krachte an Deck.
Spalko trat ihn so grausam in die gebrochenen Rippen, dass Bourne fast ohnmächtig wurde. Er riss sich das Messer aus der Seite und warf es ins Meer. Dann beugte er sich über Bourne und schleifte ihn zum Dollbord. Als Bourne sich zu bewegen begann, traf Spalko ihn mit der Handkante. Dann zerrte er ihn mehr oder weniger sitzend hoch und drückte seinen Oberkörper über das Dollbord.
Bourne war mal mehr, mal weniger bei Bewusstsein, aber der scharfe Geruch des eisigen schwarzen Wassers brachte ihn so weit zu sich, dass er die tödliche Gefahr erkannte. Alles passierte wieder wie damals vor vielen Jahren. Er hatte solche Schmerzen, dass er kaum atmen konnte, aber er musste ans Leben denken — an sein jetziges Leben, nicht das andere, das ihm weggenommen worden war. So berauben würde er sich nie wieder lassen.
Als Spalko ihn keuchend über Bord hieven wollte, trat Bourne mit aller Kraft nach ihm. Seine Stiefelsohle traf mit entsetzlich dumpfem Knacken Spalkos Unterkiefer. Spalko hielt sich den gebrochenen Kiefer mit einer Hand und torkelte rückwärts. Bourne stürzte sich auf ihn. Die Pistole konnte Spalko nicht mehr benützen, denn Bourne war schon innerhalb seiner Deckung. Er knallte den Griff auf die Schulter des Angreifers, und Bourne taumelte, als weitere Schmerzen ihn durchzuckten.
Dann griff er nach oben, vergrub seine Finger in die gebrochenen Knochen von Spalkos Unterkiefer. Spalko kreischte gellend laut, Bourne entriss ihm die Keramikpistole, rammte ihm die Mündung unters Kinn und drückte ab.
Der Schussknall war nicht sonderlich laut, aber die Wucht des Geschosses riss Spalko vom Deck hoch und schleuderte ihn über Bord. Er tauchte mit dem Kopf voraus ein.
Während Bourne ihm nachsah, trieb er einige Augenblicke mit dem Gesicht nach unten, wurde von den rastlosen Wellen hin und her bewegt. Dann ging er unter, als habe etwas Riesiges, ungeheuer Starkes ihn unter Wasser gezogen.