21 Das Ei

Die ultraharten Röntgenstrahlen, die künstlichen Gammastrahlen des Betatrons, töten die Zellen, Aber was für uns tödlich ist, kann für andere Lebewesen erträglich sein, es kann sogar notwendig sein, um den Lebensfunken zu entfachen.

Die Strahlung fehlte auf der Erde, aber sie wußten sich zu helfen. Sie hatten einen sauber durchdachten Plan. Die Zeiteinteilung war so gut überlegt, daß sie eine Minute gewannen. Aber eben dadurch wurde ihr Werkzeug frei.

Was im Koffer war, wußte ich nicht. Aber ich wußte, was ich zu tun hatte. Ich hatte einen Plan – alles andere war völlig unwichtig. Wer ich war, hatte ich vergessen. Vergessen hatte ich, was ich vorher getan hatte. Vergessen, warum ich es tat. Glasklar aber war jede Einzelheit meines Plans, jeder Schritt, der dazu nötig war. Innerhalb von zwanzig Minuten mußte alles erledigt sein. Ich hatte keine Zeit zu langen Vorbereitungen. Mir blieb nur die Forschungsstation der Luftwaffe. Es war mir auch gleichgültig, was nachher mit mir geschehen würde. Ich nahm ein Taxi und war in zwölf Minuten vor dem Eingang zum Versuchsgelände. Mir blieben noch acht Minuten. Ich konnte nicht erst mit dem Posten verhandeln, einen Bluff versuchen. Als er einem Offizier das Gittertor öffnete, stieß ich diesen beiseite und lief quer durch die Anlage, auf das Institut für Strahlenforschung zu.

Der Posten rief mich dreimal an, dann rannte er hinter mir her und schoß. Er schoß im Laufen und schoß schlecht. Obwohl ich mich nahe an die Büsche hielt, hatte das Kommando des Wachtturms manchmal freie Sicht auf mich. Von ihm stammt die Kugel in der Hüfte.

Ich konnte noch laufen, und die Wunde war mir gleichgültig. Mir blieben noch sieben Minuten, da ertönten die Alarmsirenen. Viele sahen mich in das Gebäude hineinrennen, aber sie kamen zu spät, um festzustellen, wohin ich verschwunden war. Ein Soldat trat mir entgegen. Ich stieß ihn die Treppe hinunter. Noch im Fallen stellte er mir ein Bein, und beim Sturz kegelte ich mir den Arm aus. Ich stand wieder auf, aber er blieb liegen. Als ich schon im Keller war, hörte ich die andern oben die Stiegen hinaufstürmen.

Mir blieben noch fünf Minuten. Ich wußte, wo das Betatron stand, und verlor keine Sekunde. Im Apparatraum arbeitete eine Assistentin. Ich schlug ihr die Faust ins Genick, und sie rührte sich nicht mehr. Drei Griffe: Wasserkühlung, Vorwahlschalter, Spannung. Während der einen Minute Anheizzeit betrat ich den Strahlenbunker. An meinem Bein hinunter lief Blut, doch ich spürte nichts. Ich stellte den Koffer ab und öffnete ihn. Eine watteartige Masse quoll mir entgegen, darin eingebettet ein eiähnlicher Körper mit mattglänzender grauer Oberfläche. Vorsichtig legte ich ihn in den Wirkungsbereich der ringförmigen Vakuumröhre. Fünf Schritte hinaus. Laut ließ ich den Hauptschalter herumschnappen. Das Kontrollicht flammte auf, die beiden Räume waren durch die elektronische Automatik hermetisch abgeschlossen. Die Röhre spuckte ultraharte Röntgenstrahlung. Noch drei Minuten, dann war alles erledigt. Eine Minute hatte ich sogar gewonnen.

Ich stand neben der Strahlenquelle und starrte auf den grauen Körper. Was kümmerte mich die Strahlung. Ich hatte alles richtig erledigt. Wie ein Film war mein Plan abgewickelt. Was vorbei war, war vergessen. Nichts blieb. Ich war leer. Mir war, als ob ich langsam erwachte. Plötzlich schmerzte mein Arm, und meine Hüfte brannte, ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten. Wie ein einem Traum Entronnener sah ich das ellipsoidische Gebilde vor mir liegen, wie etwas Beängstigendes, etwas Ungeheures. Zwei Minuten lag es schon da. Ich stieß es aus dem Strahlengang. Bevor mir schwarz vor den Augen wurde, hörte ich noch ein schwaches Kratzen herausdringen. Aber die Schale zerbrach nicht.

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