5 Der Auftrag

Das Ungewöhnliche erscheint immer glaubhaft. Das Unglaubhafte ist selten wahr.

Ein Kranker phantasiert. Seinem Bericht liegt ein wahrer Kern zugrunde. Aber seine Deutung ist Halluzination – das meinen die Ärzte.

Kein Geschehen verläuft ohne Ursache. Keines ohne Wirkung. Manches hat unbedeutende Ursachen, aber die Wirkungen können weltumspannend sein.

Wo aber lassen sich Ursachen vollkommen feststellen?

Der Arzt setzte sich ans Bett des Kranken und ergriff begütigend seine Hand: »... erzählen Sie uns Ihre Geschichte noch einmal, aber ganz ruhig, bitte! Wir glauben Ihnen doch.«

Der Patient lehnte sich erschöpft in die Kissen zurück. Leise begann er zu sprechen, seine bläulich angelaufenen Lippen zitterten.

»... habe ganz klein angefangen. Heute ist meine Werbeagentur ein Weltunternehmen. Die besten Firmen gaben mir Aufträge – Propagandafeldzüge, Meinungsforschung, public relations. Den größten Auftrag bekam ich aber von einem Unbekannten. Meine Aufgabe war etwas seltsam – aber es steckte Geld dahinter. Seit Jahren sind meine Firma und ihre Filialen auf der ganzen Welt hauptsächlich damit beschäftigt. Aber es sollte geheim bleiben.

Meine Aufgabe? Ich dürfte nicht darüber reden. Aber heute muß ich es wohl. Ich sollte der Menschheit das interstellare Denken beibringen. Sie sollte vertraut werden mit den Fragen der Raumfahrt, sie sollte auf das vorbereitet werden, was Expeditionen ins Weltall ergeben könnten, sie sollte sich an den Gedanken gewöhnen, daß der Mensch nur eine intelligente Lebensform unter vielen andern im Sternenraum ist.

Ich fragte nicht nach dem Grund. Der Mann bezahlte. Zuerst testete ich die öffentliche Meinung – die meisten Kreise standen solchen Ideen verständnislos gegenüber, nur wenige beschäftigten sich mit ähnlichen Problemen. Es gab wohl einige Schriftsteller, die aus diesem Gebiet ihre Themen holten, aber wer las sie schon? Hier griff ich ein, und jeder kennt jetzt Science Fiction. Ich spannte meine europäischen Filialen ein. Mit Erfolg, meine Herren! Ich habe auch Verbindungen nach Rußland.

Wissen Sie, welche Literatur dort in der letzten Zeit den größten Aufschwung genommen hat? Ich tat noch viel mehr. Ich finanzierte Filme und Vortragsreisen, ich brachte Interessierte zusammen und sorgte dafür, daß sie sich in Clubs vereinigten.

Sie haben keine Ahnung, wie schwer es ist, neue Gedanken zu verbreiten! Aber ich hatte Erfolg.

Vor einer Woche rief mich mein Auftraggeber zu sich. Das erste Mal. Er wohnte draußen vor der Stadt in einem einsamen Haus. Schien ein Privatgelehrter zu sein. In einem komfortabel eingerichteten Salon empfing er mich. Er war sichtlich nervös.

›Es geht zu langsam‹, rief er mir zu. ›Sie tun zu wenig!‹ ›Entschuldigung‹, sagte ich, ›die Zeitschrift ‘Galaxy’ erscheint heute in zehn Sprachen, der erste europäische Science-Fiction-Club ist gegründet worden, in den östlichen Ländern haben wir staatliche Unterstützung —‹

Er unterbrach mich.

›Alles zu wenig!‹ rief er. ›Wie konnte es heute zu einer Panik kommen, als fliegende Untertassen über Sydney kreisten?‹

Ich hatte nichts davon gehört, obwohl ich stets gut informiert bin. Woher wußte das der Mann?

Die Angelegenheit kam mir immer merkwürdiger vor. Mein Auftraggeber rannte hin und her, als habe er Angst. Ja, das ist das richtige Wort – Angst! Und dann erscholl das seltsame Knarren aus dem Nebenzimmer. Er lief zur Tür, trat hindurch, ohne sie einen Zoll weiter zu öffnen als notwendig. Trotzdem aber spürte ich die feuchte Hitze und den säuerlichen Geruch, der aus dem Nebenraum ins Zimmer kam. Da schlich ich mich hin und warf einen Blick durchs Schlüsselloch... ich hätte es nicht tun sollen...

Als er wiederkam, versprach ich ihm alles, was er verlangte. Ich wollte nichts als fort, und er entließ mich auch bald. Im Auto wurde mir dann schwarz vor den Augen. Mein Chauffeur hat mich wohl hierhergebracht.

Was ich im Nebenraum gesehen habe? In einem Lehnsessel saß eine Gestalt, größer als ein Mann, aber kein Mensch – sein Leib bestand aus einer weißen Masse von verschlungenen Schläuchen, die Gliedmaßen sahen wie Krebsscheren aus, und der Kopf war ein glockenförmiger Körper mit einem Saugnapf und einer Reihe glotzender Augen rundherum. Es war kein Wesen von dieser Welt...«

Der Kranke schloß die Augen. Obwohl er schwieg, zitterten seine Lippen noch immer. Aber er reagierte auf keine Frage mehr.

»Lassen wir ihn ruhn!« meinte der Oberarzt. »... typische Erschöpfungszustand nach einem nervösen Herzinfarkt. Oder, um verständlich zu reden, Managerkrankheit. Ungewöhnlich sind lediglich die Halluzinationen. Er wird nicht wieder auf den Posten kommen. Wie gut, daß sein Sohn sein Lebenswerk weiterführt! Im Getriebe der Firma ist nicht die leiseste Stockung eingetreten!«

Die Herren verließen das Krankenzimmer und wandten sich dem nächsten Patienten zu.

Загрузка...