Schwingungen liegen in der Luft und suchen das Gehirn, das sie empfängt. Stimmen flüstern, drängen, locken, jedem passen sie sich an.
»Komm!« wisperten die Stimmen. »Komm zu uns! Zögere nicht! Deine Wünsche werden in Erfüllung gehen. Versäum dein Glück nicht! Das Schönste, was es für dich gibt, erwartet dich...«
Ben wälzte sich unruhig im Halbschlaf. Was ist das Schönste für mich? fragte er sich. Was anderes als ein Mädchen, ein junges, zärtliches, erwartungsvolles Mädchen?
»Komm«, flüsterte es wieder, »es ist ein Mädchen, das auf dich wartet, versäum dein Glück nicht...«
Blond müßte es sein, dachte Ben, blond, und dunkle Augen müßte es haben.
»Beeil dich«, klang es, »... Mädchen wartet. Wenn du dich bemühst, siehst du es: Es ist blond und hat dunkle Augen...«
Xaver, der Hund, winselte. Kai, der im Nebenraum lag, erwachte und hörte das Ächzen und Murmeln von Ben. Er träumt, dachte er und schlief wieder ein.
»Myra«, stöhnte Ben, »Myra, wenn ich dich wiedersehen könnte, mit dir sprechen, dich in die Arme schließen!«
»Myra ist hier«, raunten die Stimmen. Sie kamen von allen Seiten. »Myra ist hier! Ich bin Myra. Beeil dich. Myra erwartet dich. Laß mich nicht allein. Ich bin Myra. Ich rufe dich. Komm, komm, komm...« Es summte, tönte, sang: »Komm! Komm!«
Ben erhob sich. Er schlüpfte leise in Kleider und Schuhe. Seine Augen waren halb geschlossen. Er schlich zur Tür hinaus. Drei von den zwölf Monden standen am Himmel und verbreiteten trübes Licht, das wie glänzender Staub auf den Moosfeldern lag.
Ben lief in den Farnwald, zwischen den haushohen Stämmen hindurch. Immer deutlicher rief es in seinem Kopf: »Beeil dich, Myra wartet!« Immer lauter lockte es, forderte es, befahl es.
Um ihn eine Lichtung. Jetzt dröhnten die Stimmen, verwirrten, betäubten ihn. Vor ihm bewegte sich eine Gestalt. »Myra!« schrie er. Etwas Weiches umfing ihn, schmiegte sich an, hielt ihn fest. Er spürte Wärme, er schloß die Augen. Schwäche kam über ihn...
Ein harter Knall peitschte auf. Er fühlte das Wesen unter seinen Händen schlaff werden, eine laue, faulig riechende Flüssigkeit rann an ihm herunter...
Kai steckte die Pistole ein. Er tätschelte Xaver, der ihn geweckt und hergeführt hatte. Sein Freund war nicht der erste, den die riesigen Wanderkraken in eine Falle gelockt hatten.
Ben starrte traumverloren vor sich hin. Die Saugmale begannen zu schmerzen. Er war sehr schwach, hatte wohl viel Blut verloren. Wieder einmal war Kai zu seinem Retter geworden. Aber in das Gefühl der Dankbarkeit mischte sich seltsamerweise ein nicht unterdrückbares Bedauern darüber, daß ein wunderbarer Traum zerstört war.