51 Der Entschluß

Die Stadt hat ihren höchsten technischen Stand erreicht. Das Programm schreibt ihre Aufgaben vor, und sie ist imstande, sich optimal anzupassen. Sie wird jeder denkbaren Situation gerecht. Doch nun ist eine Situation entstanden, an die zu denken für die Konstrukteure sinnlos war. Aber die Stadt existiert, und das Steuerzentrum muß handeln.

Der Sender schickt seine Rufe hinaus.

»Windstärke 3,2 Richtung 260° ±6°, Temperatur in Bodennähe + 16°C...«

Seine Organe lauschen, fühlen, messen. Sein Gehirn rechnet. Ströme laufen. Verstärker summen. Die elektrischen Impulse strahlen.

»Windstärke 3,3 Richtung 262° ±6°, Temperatur...«

Die Station registriert die Wettermeldungen. Sie gibt einen Befehl durch.

»Licht, 2/10 normal, nach Planquadrat 17 verlegen!«

Der Sender kontrolliert die Position der Lichtflugzeuge.

»... nach Planquadrat 17«

Ein Flugzeug schert aus dem Pulk und wendet sich nach dem Süden der Stadt.

Über den hydroponischen Gärten liegt die warme, feuchte Luft. Zellen überwachen die Lichtstärke, Temperatur, Luftfeuchtigkeit.

Ein Greifarm senkt sich, eine Nadel sticht in die Frucht, eine Zange schert den Stengel ab.

Ein Gefäß mit Früchten gleitet über eine Schiene, in einen Gyrokarren. Er fragt nach der Route und schlägt die Richtung ein, die ihm der Elektronenrechner angegeben hat – nach dem Süden der Stadt.

Die Früchte rollen in den Schäler, vom Schäler in die Presse. Der Stempel senkt sich. Der Transportrobot nimmt das Glas Tomatensaft auf und gleitet zur Tür der Veranda.

Eine Anordnung trifft ein.

Er wendet sich zur Küche zurück. Die rotorangene Flüssigkeit verschwindet im Müllfach. Der Zerstäuber zischt auf.

Auf der Veranda liegt freundliches gelbes Licht. Der Wind bewegt die Blattpflanzen und die langen, gewendelten Luftwurzeln. Der Sanitätsautomat steht im Hintergrund. Ein Fühler umschließt das Handgelenk des alten Mannes. Der alte Mann sitzt tief in Polstern vergraben, das Lehnbett steht im Schatten. Sein Gesicht trägt einen friedlichen Ausdruck. Er ist den Ausläufern der Stadt zugewandt, dem Zuge des Aquädukts, der im Grau der Berge verschwindet, den Kuppeln der Luftspeicher, den Steingärten mit dem bunten Glanz der Minerale.

Der alte Mann ist tot.

Der Sanitätsrobot meldet es der Zentrale.

In der Zentrale klicken Relais. Die Magnettrommel läuft. Millionen Transistoren verteilen Impulse. Spannungen orientieren mikrokristalline Körner um. Muster entstehen, die noch niemals entstanden sind.

Die Zentrale arbeitet. Sie tastet alle Informationen ab, sucht nach Befehlen. Vergeblich. Diese Situation ist neu.

Die Ströme suchen sich immer wieder andere Wege. Die Elektronen konzentrieren sich bald da, bald dort. Eine rote Lampe leuchtet oszillierend auf – Kurzschluß.

Die Zentrale schickt eine Schockwelle durch die Leitungen. Die Zeiger der Meßinstrumente schnellen über die roten Teilstriche, fallen auf Null. Neuer Strom dringt zögernd in die Drähte ein...

Die Zentrale ruft die Lichtflugzeuge herunter. Sie stellt den Wetterdienst ein. Sie unterbricht die Transportfahrten der Gyrokarren. Sie konzentriert sich auf ihr Problem...

Zwei Möglichkeiten zeichnen sich ab.

Die erste – die Stadt zur Ruhe legen. Die Energieversorgung einstellen. Zu arbeiten aufhören. Schluß machen. Die zweite...

Die Zentrale sendet Nachrichten aus, eine nach der andern. Die Robotküchen werden sich auf Maschinenöl umstellen, auf Sprühmittel, auf Benzingemisch. Der Wetterdienst wird Licht, Temperatur und Feuchtigkeit dem Stahl, dem Aluminium, dem Chrom anpassen. Die Gyrokarren werden Erze aus den Bergen holen, die Fabriken neue, selbständige Maschinen bauen. Die Wehranlagen werden sie schützen...

Die Stadt wird weiterleben – jetzt für sich selbst.

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