62 Friedensbruch

Schreibt es das Schicksal dem Menschen vor, zu töten, selbst wenn er nicht will? Er wußte nichts, das war seine Schuld.

»... fremdes Wesen in der Kolonie.«

»Es geht auf zwei Beinen.«

»Intelligent?«

»Intelligent.«

»Woher kam es?«

»Weiß nicht.«

Um mich herum flüstert es. Von links, von rechts, von oben und unten. »Es nimmt den Weg nach Süden.« »Es trägt etwas.« Mein Transduktor übersetzt mir alle fremden Impulse.

Der Planet ist fremd, und ich bin allein. Ich habe ein wenig Angst. Jeden Moment kann mich etwas Unheimliches angreifen.

»... funktioniert es?«

»Weiß nicht.«

Und dann viel heftiger, wie ein Schrei: »Vorsicht! Gefahr!« »... Wesen verbreitet Giftgas.« »... für Gas?« »Fünf Sekunden... Kohlendioxid!« »Atmet nicht!« »Haltet den Atem an!« Ich gehe auf weichem sandigem Boden. Eine Art Straße führt zwischen Gewächsen hindurch – baumartige Pflanzen mit langen hängenden Blättern und knollenartigen Verdickungen an den Astgabeln. Etwas bewegt sich, und ich erschrecke – es ist aber nur der Wind, der durch die Kronen streicht.

Wieder starke Impulse: »... Wesen greift uns an.«

»Es schickt Bakterien aus.«

»Krankheitserreger?«

»Krankheitserreger.«

»Systematischer Angriff?«

»Weiß nicht.«

Ich kann die Wesen nicht finden, die ich höre. Der Negatronen-Strom kommt noch immer von allen Seiten. Ich beruhige mich etwas, denn sie scheinen nicht gefährlich zu sein. Da dringt ein unregelmäßiger Summton an mein Ohr: Denkäußerungen inferiorer Wesen? Oder verschlüsselte Impulsfolgen, die Gefahr bedeuten? Diesmal gelingt die Peilung. Die Erscheinung kommt von der Seite, aus dem Wald.

Ich hebe die Pistole und trete vom Weg fort, unter die Bäume. Zwischen einigen jungen Pflanzen sehe ich Bewegung. Ich breche ein Gewächs ab, das mir die Sicht versperrt... ist dort ein Mensch?

Aus dem Transduktor kommt ein Gewirr von Impulsen, sich überschlagend, mit höheren Frequenzen: »Es hat den Frieden gebrochen.«

»Hütet euch, Gefahr!«

»Es ist ein Mörder.«

»Es hat ein Junges getötet.«

Das Wesen, das im Gebüsch gekauert hat, richtet sich halb auf. Zwei erschreckte dunkle Augen sehen mich an, ein ungefügtes Gesicht, ein geschmeidiger, nackter, fast menschlicher Körper verschwindet auf allen vieren zwischen den Bäumen.

Neben mir zuckt etwas – der junge Trieb, den ich vorhin gebrochen habe. Gelbliches Harz quillt aus dem hohlen Stengel. Eine Pflanze. Wie kommt es, daß mir etwas leid tut?

Dieser Planet hat die richtige Temperatur und genügend Sauerstoff. Ich habe ihn gefunden, er wird meinen Namen tragen. Wir werden ihn besiedeln, kolonisieren, Wälder roden, Städte bauen. Aber noch immer tönt es: »Es ist ein Mörder.«

»Es hat den Frieden gebrochen.«

Noch immer windet sich die Pflanze am Boden. Ich beginne zu begreifen.

Ich kann nichts dafür, daß ich ein Mensch bin. Aber manchmal schäme ich mich.

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