61 Rettung II

Sie riefen, forderten, zwangen...

Sie waren fremd und konnten Menschen nicht voneinander unterscheiden. Die alte Dame konnte schwimmen, aber nicht Autofahren. Das war ihr Glück.

Ich bin keine junge Frau mehr. Meine Söhne sind erwachsen, mein Mann ist schon lange tot. Ich lebe von der Hühnerfarm.

Nie dachte ich, daß mir mein bißchen Schwimmen das Leben retten würde.

Es begann schon im Frühjahr. Elvis war immer ein rechtschaffener Junge gewesen. Fleißig bei der Arbeit und hilfsbereit. Geschichten mit Mädchen gab es nicht bei ihm. Und auf einmal wurde er jeden Abend unruhig, blätterte zerstreut in der Zeitung und lief nach einer Weile hinaus. Erst spät nachts kam er wieder.

Nun, Elvis ist zwanzig Jahre alt – er soll tun, was er für richtig hält. Aber schließlich macht man sich als Mutter seine Gedanken; ich bemerkte, daß er sich bedrückt fühlte und zerstreut war, und ich fragte ihn. Er aber schüttelte den Kopf. Heute noch erinnert er sich kaum. Er meint, daß sie, wenn sie ihn entließen, sein Gedächtnis irgendwie betäubt haben müssen.

Natürlich gab ich mich damit nicht zufrieden. Ich spionierte ihm ein wenig nach, bemerkte aber nur, daß er zu seinem Wagen ging – wir haben einen Chrysler –, zur Hauptstraße fuhr und dort einige Gepäckstücke einlud. Sie sahen aus wie große Milchkannen. Dann brauste er in die Nacht hinaus.

Auf meine Frage gab er nie Antwort und ließ sich auch nicht zurückhalten. Eines Tages versperrte ich das Schloß, aber er schlug mir glatt die Tür ein. Da erst dämmerte es mir: daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Am nächsten Tag mischte ich ihm ein starkes Schlafmittel in die Milch – es gibt nichts Gesünderes als Milch, und er trinkt sie jeden Abend. Ich hatte vor, selbst hinunter zur Straße zu gehen und mir die Kannen einmal anzusehen.

Elvis schlief im Sitzen ein. Als die Zeit gekommen war, trat ich vor die Tür, aber da geschah etwas Eigenartiges. Obwohl ich zu Fuß gehen wollte, setzte ich mich in den Chrysler. Obwohl ich ihn nie gesteuert hatte, ja, außer unserem alten Traktor überhaupt noch nie ein Motorfahrzeug gelenkt hatte, ließ ich den Motor an und gab Gas. Er ruckte und stieß, ich aber fuhr in die Nacht, obwohl ich sowieso schlecht sehe und noch dazu meine Brille vergessen hatte.

Ein leichter Schleier legte sich über mein Wollen und Tun. Willenlos lenkte ich zur Straße... Haarige, zylindrische Körper standen da, etwa vier Fuß groß. Mit Saugnäpfen klammerten sie sich am Asphalt fest. Ein gräßlicher Widerwille überkam mich, aber ich stieg aus, trat auf sie zu und lud die weichen Körper auf den Hintersitz des Wagens.

Jetzt verlor ich den letzten eigenen Willen. »Fahren«, befahl etwas, aber ohne Worte, nur in meinen Gedanken. Ich stieg auf den Gashebel.

»... Richtung zum Meer!« Ich drehte um und fuhr hinunter, gegen Bogners Basar.

»Warum heute so langsam! Schneller!«

Ich fuhr schneller. Die synchronisierte Schaltung funktionierte, die Meilensteine schossen aus dem Dunkel wie Gespenster. Rechter Hand das Meer.

»Schneller!« Ich fuhr so schnell, daß ich mich sogar gefürchtet hätte, wenn Elvis neben mir gesessen wäre. 80, 100 Stundenkilometer.

Ich sage ihm immer: »Fahr nicht so schnell!«

Ich fürchte mich nicht. Der weiße Mittelstreifen schlängelte sich, einmal war er links von uns, einmal rechts... Die Felswand rückte auf uns zu, dann wieder das Geländer der Steilküste. Manchmal schien der Wagen in Täler zu fallen, manchmal in den Himmel zu steigen.

Dann kam die Kurve vor der Abzweigung nach New Constantin. Ich fuhr 100. Es ging furchtbar schnell. Von Bremsen keine Rede. Das Geländer brach wie Zündhölzer. Ein Schlag – und wir trieben im Wasser.

Nie hätte ich gedacht, daß ein Auto so schnell absäuft. Das Wasser kam herein, als wären alle Wände Siebe. Ich wußte zuerst nicht, wo oben und unten war. Es bildete sich eine Luftblase, in der ich atmen konnte. Ich fand die Türklinke und stieg an die Oberfläche. Wie gut, daß ich schwimmen kann! Aber sie konnten nicht schwimmen. Seither ist der Spuk vorbei.

Ich kam gut ans Ufer. Schwimmen hat mich der alte Edgerton gelehrt. Nur Autofahren kann ich nicht. Mein Vater sagte immer: »... ist nichts für Mädchen!« Wie Sie sehen, hat er recht gehabt.

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