47 Willkommen daheim

Gedankenlesen ist etwas Wunderbares. Vielleicht aber ist es besser, die Gedanken seiner Mitmenschen nicht zu erfahren.

Unten stand eine riesige Menschenmenge. Ich sah ein Rednerpult, Girlanden. Das gute Ende einer langen Reise!

Zwei Jahre hatte der Studienaufenthalt gedauert. Was für ein Erlebnis für einen Menschen – die intergalaktische Akademie auf den Antaresplaneten! Nicht nur Naturwissenschaft und Logik standen auf dem Lehrplan, auch Geschichte der galaktischen Kulturen, autogenes Training und außersinnliche Verständigung. Außersinnliche Verständigung – das ist Gedankenlesen. Ja, ich kann Gedanken lesen!

Ich stieg erwartungsvoll aus dem Schiff. Es war eine Einmannrakete. Ich war lange Zeit allein gewesen. Endlich wieder Menschen sehen!

Der Präsident der westlichen Union kam auf mich zu; ich erkannte ihn gleich an seinem jovialen, väterlichen Lächeln. »Herzlich willkommen daheim! Das ist eine glückliche Stunde für uns alle. Wir sind aus tiefstem Herzen gerührt und freuen uns...«

Er sprach in ein Gewirr von Mikrophonen und hielt noch immer meine Hand. Die Vibration seiner negatronischen Gehirnwellen lief durch meinen Körper. Ich konnte sie jetzt wahrnehmen: ›Wenn dieses Theater doch schon vorbei wäre! Ich hätte die schwarzen Schuhe nicht anziehen sollen – sie drücken unangenehm...‹

Befremdet ließ ich die Hand los. Das Gesicht vor mir strahlte vor Wohlwollen. Die Worte glitten fließend über seine Lippen. Jetzt freute ich mich aber nicht mehr darüber.

Der zweite Gratulant war der Staatspreisträger Zoodenhuik, mein früherer Chemieprofessor.

»... bin stolz auf Sie!« sagte er – aber durch seine Hand strömte es anders: ›Du wirst mir zu stolz, Freundchen. Ich werde zu verhindern wissen, daß du den Staatspreis erhältst.‹

Alle drängten sich, um mir die Hände zu schütteln. Willenlos wurde ich von einem zum andern gereicht.

»... haben wir uns auf Ihre Rückkehr gefreut!« – ›Du hättest ruhig noch zehn Jahre bleiben können!‹ »... gut du aussiehst!« – ›Seine Zähne sind noch häßlicher geworden!‹

»... wollen so gern, daß Sie bei uns den Vorsitz übernehmen!« – ›Hoffentlich erfährt er nicht, daß ich erst vorhin gegen ihn gestimmt habe!‹

Das tat weh. Endlich war es überstanden. Ich konnte zu meiner Familie zurück. Martha erwartete mich, wie ich es mir gewünscht hatte, zu Hause. Sie stand mit Evelyn und einigen Nachbarn im Garten vor der Tür. Auch der alte Weston war da und sein Sohn, der noch überheblicher aussah als früher.

Evelyn lief mir entgegen. Bevor ich aus dem Auto steigen konnte, umarmte und küßte sie mich: »Vati, das ist schön, daß du wieder da bist!« Aber ich vernahm auch: – ›Jetzt muß ich wieder zeitig ins Bett, und das Kätzchen darf ich auch nicht mehr bei mir im Zimmer schlafen lassen. Warum ist er zurückgekommen?‹

Martha war inzwischen mit den anderen auf mich zugetreten. Sie streckte mir die Hände entgegen. Noch hielt ich mein Töchterchen an mich gedrückt. Durch die blonden Haarsträhnen hindurch sah ich die mich anstarrenden Neugierigen, sah Marthas bleiches hübsches Gesicht, daneben den jungen Weston, ich sah den Blick, den sie sich zuwarfen...

Plötzlich hatte ich abgrundtiefe Angst. Ich konnte Martha jetzt nicht berühren. Ich hob das Kind und legte es in ihre Arme. Ich drückte aufs Gaspedal und schoß in die Straße hinaus, die zum Welthafen führt.

Erst als mein Schiff in die ewige Nacht des Weltraums eintauchte, wurde ich ruhiger. Wie aber soll ich zu den Menschen zurückfinden?

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