Man weiß noch nicht, ob sie existieren, aber man sucht sie – die Gehirnwellen, die die unmittelbare Verständigung zwischen Menschen, die Telepathie, möglich machen. Ist man erst so weit, dann ist es auch möglich, solche Wellen durch einen Sender auszuschicken. Dann ließe sich das Fühlen und Handeln der Menschen von einer zentralen Stelle aus steuern.
Wie kommt es dazu, daß du etwas willst? Wer entscheidet, wenn du im Zweifel bist? Was bringt die Ströme in deinem Gehirn zum Laufen, wer steuert das Denken? Wer ist schuld, wenn du etwas tust, was du gar nicht willst?
Du weißt es nicht. Auch ich wüßte es nicht, wenn ich mich nicht der letzten Expedition des Kapitäns Cox angeschlossen hätte, die uns in die Mondberge des Haemus führte. Aus der Geschichte der Menschheit kennen wir Kulte, die dem Mond galten, und heute noch rankt sich mancher alte Aberglaube um den alten Erdtrabanten. Aber was ahnen wir vom Ursprung solcher Gebräuche!
Welchen Grund Cox hatte, gerade in die kürzlich entdeckten Höhlen des Gebirges einzudringen, weiß ich nicht. Er sagte nie etwas darüber. Von jenem Versturz, vor dem unsere Vorgänger umgekehrt waren, gruben wir uns mit einem Excavator weiter. Unser elektronischer Diener Aeschylus steuerte, ich saß hinter ihm und sah über seine Schulter dem Arbeiten der Spanturbinen zu. Es fesselte mich stets, wie das Hartmetall streifenweise das Gestein abhob und seltsame Felsmuster freilegte. Cox trug Notizen in sein Taschenbuch ein.
Es schien ihn nicht zu wundern, daß wir bald wieder in offene Räume kamen. Es war aber kein natürlicher Höhlengang, sondern ein künstlicher Tunnel. Hinter uns ertönte ein eigentümliches Pfeifen, Staub wirbelte auf. Wir merkten, daß wir uns in einer dichten Atmosphäre von Luft befanden, die durch das von uns gebohrte Loch nach außen entwich.
Wir folgten der schnurgeraden, horizontalen Strecke etwa eine Stunde lang. Dann hob sich die Decke über uns, und wir befanden uns in einem riesigen Raum. Im Hintergrund stand eine Maschine, die an eine riesige Telefonzentrale erinnerte, vorne dehnten sich unzählige Reihen einer Art Schaltelemente, jedes von einem Stäbchen gekrönt, das einer Autoantenne glich. Von diesen Teilen liefen Verbindungen zum großen hinteren Aufbau.
Gleich beim Eintritt spürte ich einen seltsamen Eindruck im Kopf, etwas, das keinem bekannten Gefühl glich. Auffällig war die deutliche Richtungswahrnehmung, der ich folgte. Ähnlich schien es Cox zu gehen, auch er ging in eine bestimmte Richtung.
Schließlich stand ich vor einem der Schaltblöcke. Die Ausstrahlung war jetzt so stark, daß mein Gehirn wie unter einem Strom von Impulsen stand. Mir war so, als erfolgte mein Denken mit ungewohnter Bewußtheit. Ich spürte, wie schon von allem, was ich tat, ein Anstoß kam, und er wirkte noch – wenn auch schwächer –, wenn die Handlung vorbei war.
Ich schaute zu Cox hinüber und beobachtete, wie er seine Hand zum Antennenstäbchen bewegte. Kaum hatte er es berührt, als die Spitze abbrach. Cox hielt in seiner Bewegung inne. Es war, als lauschte er. Ein verwunderter Zug lag in seinem Gesicht. Ich wollte rufen, aber ich konnte nicht.
Plötzlich drehte er sich um und setzte sich mit schleppenden Schritten in Bewegung. Er ging in wirren Kurven, verschwand in der Finsternis, tauchte wieder auf. Und dann spielte sich in meinem Gehirn etwas ab, was ich schon gelegentlich ähnlich, aber nie so deutlich, erlebt hatte:... ihn holen... unheimliches Dunkel... ihm helfen... Angst... weg von hier... ihn holen... Angst, Angst...
Aber alles ohne Worte, ein abstraktes Widerspiel verschiedener Antriebe.
Mich durchlief ein Ruck – ich schritt gegen den Ausgang zu, erst langsamer, dann schneller, schließlich hastete, lief, rannte ich. Bis ich erschöpft im Excavator saß und mich wieder ein wenig in Sicherheit fühlte...
Ein Geräusch klang auf, ein Lichtschein huschte. Dann trat Aeschylus aus dem Dunkel. Er führte einen taumelnden, lallenden Cox neben sich. Er bettete ihn sorgfältig auf den Hintersitz. Er setzte sich ans Steuer, wendete, fuhr los. Er ist der einzige von uns, der frei ist.