Unsere Welt ist nicht klar, nicht rein, nicht gut. Muß das so sein? Irgend etwas schwebt uns vor – etwas friedliches, schuldloses. Aber es liegt ungreifbar fern. Das Böse ist integrierender Faktor im logischen System unserer Welt, in unserem Leben, das uns oft wie ein chaotischer Traum vorkommt.
Vorbemerkung: Natürlich ist es schwer, Bilder zu finden, die das einigermaßen verständlich machen, was ich ausdrücken will. Die meisten Versuche führen zu Entstellungen, oft sogar zu Blasphemien. Ich glaube aber, man muß den Versuch wagen. Die es angeht, sollen wissen, wie es zu allem gekommen ist. Die die Frage gestellt haben, sollen die Antwort erfahren.
»... glaube, dieser Plan könnte der richtige sein«, meinte Odt. »Alles ist berücksichtigt, was wir uns wünschten.«
»Es sieht so aus«, antwortete Per, »aber bedenke, wie groß die Verantwortung ist. Daß wir keinen Einfluß mehr haben, wenn die Keime gelegt sind.«
»... schon«, gab Odt zurück, »doch arbeiten wir doch schon lange genug daran. Wir haben die Grundsubstanz, die einfachen Gesetzen gehorcht und die doch so wandlungsfähig ist, um alles weitere aufzubauen – sogar die freien Aggregate. Der Übergang zu ihnen erfolgt zwanglos und führt doch zu verhältnismäßig hoch organisierten Systemen. Und das alles in drei Dimensionen!«
»Warten wir noch bis morgen!« bat Per. »... will es mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen.«
»Aber gern«, stimmte Odt zu. »Also bis morgen!«
Per schloß sich von der Umgebung ab. Er brauchte Konzentration, um die Entwicklung von Anfang bis Ende verfolgen zu können. Allmählich formten sich die Bilder... Im endlosen Gleichmaß bildeten sich Wirbel. Energie und Masse trennten sich, ballten sich zusammen, strömten. Feurige Kugeln teilten sich, ordneten sich zu Gruppen. Stoffe entstanden und wirkten aufeinander ein. Licht strahlte, Gase verbanden sich mit Wasser. Etwas regte sich, es wuchs, es entzog der Umgebung ungefügte Materie und ordnete sie. Amorphe Massen differenzierten sich, gewannen Gestalt, wurden größer, eins nährte sich vom andern. Immer mehr paßten sie sich ihrer Umgebung an, und immer wieder fraßen sie einander. Gefühle erwachten – und das erste Gefühl war Furcht. Gedanken begannen sich zu regen – und der erste Gedanke war Töten. Sie begannen Werkzeuge zu formen – das erste Werkzeug diente dem Mord. Die Großen brachten die Kleinen um, und die Kleinen stürzten sich zu Tausenden auf Große. Die Werkzeuge wurden Waffen, und die Waffen wurden immer zerstörender. Sie wandten sie nicht mehr an, um sich zu verteidigen – die sie töteten, waren keine Feinde. Feuerbälle stiegen zum Himmel, zuerst vereinzelt, klein, dann häufiger und riesengroß. Radioaktive Schwaden breiteten sich aus. Irgendwo begann ein Brand, weiß und erbarmungslos, die Materie verlor den Zusammenhalt, riesige Energien wurden frei, Fackeln schossen durch den Raum und trugen den zündenden Funken hinaus in fernste Fernen, ein Inferno begann, alles wirbelte, stürzte ineinander, versank...
Als Odt eintrat, erschrak er. Per sah bleich und angegriffen aus.
»... ist mit dir?« fragte er.
»Unser System...«, stammelte Per. »Es ist unbrauchbar. Es hat einen Fehler!«
Odt wollte widersprechen, aber er blickte auf das erschöpfte Gesicht Pers und erfaßte ohne Worte die Erkenntnisse des anderen. Er sagte: »Da das System, das wir ausgearbeitet haben, einen grundlegenden Fehler hat, werden wir eben ein neues finden!«
Per antwortete nicht.
»... gebe zu«, sprach wieder Odt, »du hattest gestern recht mit deinen Bedenken. Unser Plan hätte zu einem grauenhaften Chaos geführt. Du hast es aber rechtzeitig gemerkt!«
Noch immer reagierte Per nicht.
»... es dich so sehr angegriffen?« fragte Odt. »Jetzt beruhige dich doch endlich! Dieser Irrsinn ist ein böser Traum. Wir suchen jetzt etwas Neues! Es wird noch ein wenig auf sich warten lassen. Aber zum Schluß kommt stets das Richtige!«
Per atmete tief auf.
»Natürlich«, stimmte er bei. »Es war nicht mehr als ein böser Traum. Niemand kann auf den Gedanken kommen, daß Derartiges Wirklichkeit ist. Komm! Wir bauen etwas Neues auf! Etwas, was ganz anders wird, als wir bisher gedacht haben. Etwas Gutes, Schönes und Friedliches!«