13

Ein bewachter Parkplatz bildete das Entree zu Mims Party. Auf den Einladungen hatte sie eine Western-Party angekündigt, komplett mit Square dance und Barbecue. Die Parkwächter, Susan Tuckers Sohn Danny und seine Schulfreunde, hatten karierte Hemden mit spitz zulaufenden Passen an, dazu Jeans und Cowboystiefel.

Mim prunkte mit edlen Cowboystiefeln aus Straußenleder in der Farbe von Erdnußkrokant. Ihre weißen Lederjeans waren maßgeschneidert und saßen wie angegossen. Sie trug ein weißes Hemd mit türkisfarbener Passe. Ihr Schal war von Hermes und ihr Stetson ein 20prozentiger Biber. Der Hut allein mußte 300 Dollar gekostet haben; die meisten Cowboyhüte hatten nur 2 Prozent, höchstens 4 Prozent Biberanteil. Der Hut war selbst­verständlich rein weiß.

Ihr Ehemann hatte eine alte Jeans angezogen, abgetragene Stiefel und ein ordentlich gebügeltes Wrangler-Westernhemd. Seine Gürtelschnalle, ein großes, schön gearbeitetes silbernes Oval mit goldenen Initialen in der Mitte, ließ den Wohlstand der Familie erkennen.

Ganz Crozet fand sich zu dem Western-Tanzvergnügen ein.

Harry hatte sich ein Rehlederhemd mit Fransen an der vorde­ren und hinteren Passe und langen Fransen an den Ärmeln ge­liehen. Sie trug ihr einziges Paar Toni-Lama-Stiefel, die Susan ihr vor drei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Blair sah aus wie ein jüngerer, stattlicherer Marlboro-Mann, komplett mit Überhosen. Fair kochte innerlich, als er seinen Rivalen erblick­te. Nicht, daß Fair schlecht aussah, beileibe nicht, aber irgend­wie kriegte er es nie hin, daß seine Kleidungsstücke zusammen­paßten. Aber da er groß gebaut war, stand ihm die Cowboykluft gut, und er sah besser aus als gewöhnlich.

Mrs. Hogendobber, die sich mit Unmengen Kostümschmuck behängt hatte, stolzierte in einem weiten roten Rock und einer mexikanischen Bluse umher. Ihr blauer Cowboyhut hing auf ihrem Rücken, die schmale Seidenkordel hatte sich wie ein Halsband um ihre Kehle gelegt.

Reverend Jones hatte eine alte Kavallerie-Uniform ausgegra­ben. Er wollte niemandem verraten, wo er sie gefunden hatte. Er hätte direkt aus dem Jahre 1880 eingeritten sein können.

Die Musik, das Essen und der nie versiegende Alkohol ver­setzten die Anwesenden in eine Bombenstimmung.

Kerry McCray war früh und allein gekommen. Sie sagte, ihre Verabredung, der Opernsänger, käme nach seiner Vorstellung in Ash Lawn zu ihnen. Das hinderte sie nicht daran, zu Norman Cramer zu tänzeln, während Aysha mit einem anderen Partner auf der Tanzfläche herumhüpfte.

»Norman.«

Beim Klang der vertrauten und einst geliebten Stimme drehte er sich um. »Kerry.«

»Darf ich dich was fragen?«

»Sicher.« Sein Ton war zögernd.

»Bist du glücklich?«

Es folgte eine sehr, sehr lange Pause. Er sah mit seinen lang bewimperten blauen Augen tief in die ihren. »Es gibt Tage, da glaube ich, daß ich glücklich bin, und es gibt Tage, da glaube ich, daß ich den größten Fehler meines Lebens gemacht habe. Und du?«

»Nein. Ich bin alles andere als glücklich.« Sie deutete ein Lä­cheln an. »Norman, wir können trotz allem ehrlich zueinander sein.«

Ein gequälter Ausdruck huschte über sein Gesicht, dann sah er über Kerrys Schulter, weil die Musik aufgehört hatte. »Herrje, da kommt Aysha.« Er flüsterte: »Wir sehen uns bei der Arbeit. Vielleicht können wir mal zusammen Mittag essen - irgend­wo.«

Sie sah ihm nach, als er sich beeilte, den Arm seiner Frau zu nehmen und sie zurück auf die Tanzfläche zu bugsieren. Kerry traten die Tränen in die Augen. Little Marilyn hatte die Unter­haltung beobachtet. Sie kam herüber.

»Er ist es nicht wert.«

Kerry schniefte und unterdrückte die Tränen. »Es ist keine Frage des Wertes, Marilyn. Entweder du liebst einen Mann oder nicht.«

Marilyn legte ihren Arm um Kerrys Taille und führte sie fort von der Tanzfläche.

Fair und Susan Tucker schwenkten sich gegenseitig herum, während die üppige Witwe Boom Boom Craycroft, die sagen­haft angezogen war, Blair umgarnte. Es schien ihm nichts aus­zumachen. Harry tanzte mit Reverend Jones. Sie liebte den Reverend von Herzen und bekam fast nichts mit von den Dra­men, die sich ringsum abspielten. Harry verschloß sich oft sol­chen Emotionsstürmen. Manchmal war das eine gute Idee, manchmal nicht.

Als das Stück zu Ende war, machte die Kapelle eine Pause. Beim Sturm auf die Bar blieben die Frauen an den Tischen sit­zen, während die Männer sich nach den Getränken drängelten, um sie »den Mädels« zu bringen.

Blair und Fair kamen beide an Harrys und Susans Tisch. Mrs. Hogendobber saß mit Herbie sowie Bob und Sally Taylor, Freunden von der Kirche, am Nebentisch. Ned unterhielt sich irgendwo mit den anderen Rechtsanwälten über Politik.

»Coca-Cola, Liebling.« Fair stellte ein Glas vor Harry hin.

Ehe sie reagieren konnte, knallte Blair einen Gin Tonic auf den Tisch. »Harry, du brauchst einen richtigen Drink.«

»Sie trinkt keinen Alkohol.« Fair lächelte und entblößte seine Fänge.

»Jetzt schon.« Auch Blair entblößte seine Fänge.

»Willst du Harry betrunken machen? Ganz schön primitiv, Blair.«

»Mach kein Theater. Du hast dich von ihr scheiden lassen, Freundchen. Zufällig halte ich sie für eine faszinierende Frau. Dein Verlust ist mein Gewinn.«

Inzwischen taten alle, als ob sie sich miteinander unterhielten, während sie in Wirklichkeit die Ohren in Richtung Auseinan­dersetzung spitzten.

»Sie ist kein Lotterielos. Ich hab sie nicht verloren, und du hast sie nicht gewonnen.« Fair straffte die mächtigen Schultern.

Blair drehte sich um und wollte sich hinsetzen. »Laß den Scheiß.«

Im Nu hatte Fair den Stuhl unter Blair weggezogen. Blair ging mit einem Plumps zu Boden.

Blair sprang auf. »Du blöder Hinterwäldler!«

Fair holte aus und traf daneben. Blair war äußerst fix auf den Beinen.

Binnen Sekunden schlugen die zwei starken Männer aufein­ander ein. Blair versetzte dem Tierarzt einen Hieb, daß er gegen den Tisch krachte, der daraufhin in sich zusammenfiel.

»Wollt ihr zwei wohl erwachsen werden!« schrie Harry. Sie war drauf und dran, auszuholen und dem, der in ihre Reichweite kam, einen Kinnhaken zu verpassen, als sich eine Hand wie ein stählerner Schraubstock um ihr Handgelenk schloß.

»Nein, Sie kommen mit mir.« Reverend Jones zerrte sie aus dem Getümmel.

Susan und Mrs. Hogendobber verzogen sich, als Hiebe und Gegenhiebe sich steigerten. Jedesmal wenn eine Faust ihr Ziel traf, erschütterte ein Boing! die Party. Die Kapelle eilte zurück aufs Podium und stimmte eine Melodie an. Jim Sanburne begab sich zu den Kämpfenden, ebenso Reverend Jones, nachdem er Harry bei der Gastgeberin abgeliefert hatte.

Harry murmelte mit hochrotem Gesicht: »Mim, es tut mir so leid.«

»Warum wollen Sie sich für die entschuldigen? Sie können doch nichts dafür. Außerdem, seit mir die berauschten Schwäne damals meine Town-&-Country-Party verdorben haben, nehme ich alles, wie's kommt.«

Mims berühmt-berüchtigte Town-&-Country-Party hatte vor Jahren stattgefunden, mit Stars und Geschäftsgrößen aus dem ganzen Land. Sie hatte Schwäne für den in einen Lilienteich verwandelten Swimmingpool kommen lassen. Die Schwäne waren für den Anlaß mit einem Betäubungsmittel ruhiggestellt worden, aber als die Wirkung des Mittels verflog, hatten die Schwäne die Party gestürmt, waren über Alkohol und Essen hergefallen und streitsüchtig geworden. Berichte von der Party hatten die Abendnachrichten aller Sender im Land beherrscht. Der Präsidentschaftskandidat, zu dessen Ehren dieses extrava­gante Ereignis veranstaltet worden war, wurde gezeigt, wie er vor einem Schwan Reißaus nahm, der mit ausgebreiteten Flü­geln und gerecktem Hals den Schnabel nach dem dicken Präsi­dentschaftskandidatenhintern ausstreckte.

»Die Schwäne haben sich besser benommen als diese zwei Männer.«

»Harry, ich habe Ihnen gesagt, daß beide in Sie verliebt sind. Sie wollten ja nicht auf mich hören.«

»Jetzt höre ich.«

Mim kippte eine erfrischende Gin Cola hinunter. »Sie können mit Männern nicht einfach befreundet sein. Das funktioniert so nicht. Und nehmen Sie's ihnen nicht krumm, daß Sie nicht mit ihnen befreundet sein können wie mit Frauen. Wenn ein Mann daherkommt, will er mehr als Freundschaft. Das wissen Sie.«

Harry sah zu, wie Jim Sanburne und Herbie die zwei Männer, die sie für ihre Freunde hielt, endlich trennten. Fairs Nase blute­te, und Blairs Lippe war aufgeplatzt. Boom Boom Craycroft eilte zu Blair, um ihm beizustehen, aber er schüttelte sie ab.

»Ich weiß es, und ich hasse das.«

»Dann können Sie ebensogut die Männer hassen.«

»Sie wissen, daß ich sie nicht hasse.«

»Dann müssen Sie sich zwischen diesen beiden entscheiden oder ihnen sagen, was Sie für sie empfinden.« Sie hielt inne. »Was empfinden Sie für sie?«

Harry zögerte. »Ich weiß nicht. Ich habe Fair mit Leib und Seele geliebt, bedingungslos. Ich liebe ihn immer noch, aber ich weiß nicht, ob ich noch einmal so lieben kann wie früher.«

»Vielleicht ist Vertrauen das Wort, auf das es ankommt.«

»Ja.« Sie wischte sich mit der rechten Hand über die Augen. Warum war das Leben so kompliziert?

»Blair?«

»Er ist zärtlich. Äußerst sensibel, und ich habe ihn sehr gern - aber ich habe Angst. Ach, Mim, ich weiß einfach nicht, ob ich das durchhalten kann, noch einmal jemanden zu lieben.«

»Wen Sie auch lieben, er wird Ihnen weh tun. Sie werden ihm weh tun. Wenn Sie lernen, zu verzeihen, durchzuhalten - dann haben Sie etwas Reelles.« Sie befühlte ihren Hermes-Schal. »Ich wünschte, ich könnte das besser erklären. Sie wissen, daß Jim mich nach Strich und Faden betrogen hat.«

»Ach. « Harry schluckte.

»Sie brauchen nicht höflich zu sein. Er hat es getan. Und die ganze Stadt hat's gewußt. Aber Jim war ein großer, gutaussehender, wilder armer Junge, als ich ihn kennenlernte, und ich habe meinen Reichtum dazu benutzt, ihn zu beherrschen. Wei­ber vernaschen, das war seine Rache. Ich war drauf und dran, mich scheiden zu lassen, aber dann konnte ich es doch nicht. Als ich erfuhr, daß ich Brustkrebs habe, ich glaube, da habe ich Jim wiederentdeckt. Wir waren offen zueinander und haben geredet. Nach jahrzehntelanger Ehe haben wir endlich einfach geredet und uns gegenseitig verziehen und - wir sind immer noch zusammen. Und wenn eine reiche Pute wie ich sich dem Leben und der Liebe stellen kann, dann sehe ich nicht, wieso Sie das nicht können.«

Harry saß eine ganze Weile schweigend da. »Ich verstehe, was Sie meinen.«

»Sie müssen sich zwischen den beiden Männern entscheiden.«

»Blair hat seine Absichten eigentlich nie deutlich erklärt.«

»Mir geht es im Moment gar nicht um seine Gefühle. Es geht mir um Ihre. Entscheiden Sie sich.«

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