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»Das Haus ist tipptopp in Ordnung.« Mrs. Hogendobber stemmte die Hände in die Hüften. »Ich hatte keine Ahnung, daß Kerry so eine gute Hausfrau ist.«

»Lassen Sie sich bloß nie von mir nach Hause einladen.« Cyn­thia Cooper packte sorgsam ein paar Toilettensachen zusam­men.

Harry, Mrs. Hogendobber und Susan hatten Cynthia angeru­fen, bevor sie zu Kerry nach Hause gingen. Die Leute des She­riffs hatten das Haus durchkämmt, und Rick hatte dem Besuch der Damen nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß Cyn­thia sie begleitete.

Er wußte nicht, daß Mrs. Murphy, Pewter und Tee Tucker sie ebenfalls begleiteten.

Während Susan und Harry Unterwäsche, T-Shirts und Jeans sowie ein gutes Kleid in eine Reisetasche warfen, streiften die Tiere umher.

»Hier sind so viele Leute gewesen, so viele Witterungen.« Tucker schüttelte den Kopf.

Mrs. Murphy entdeckte die Klapptür zum Dachboden. Pewter reckte den Hals zu der Tür hinauf.

»Meint ihr, wir kommen da rauf?« fragte Pewter.

»Ich werde jodeln. Das haßt Mom am allermeisten.« Tucker lachte, warf den Kopf zurück und ließ ihr Hundejodeln los, das Tote auferwecken konnte.

»Mein Gott, Harry, was hat Ihr Hund bloß?« rief Cynthia aus dem Badezimmer.

Harry ging durch die Diele zu den Schlafzimmern und er­blickte Tucker, die in den gräßlichsten Tönen jaulte. Mrs.

Murphy umkreiste Harrys Beine. Pewter stand wie erstarrt un­ter der Dachbodentür.

»Wenn ich noch schneller laufe, wird mir schwindlig.« Die Katze verlangsamte ihr Tempo.

»Ihr Nervensägen. Ich hätte euch zu Hause lassen sollen.«

»Ach ja?« Murphy hakte sich mit den Krallen in Harrys Jeans ein, wackelte mit dem Hinterteil und kletterte so geschwind an Harry hoch, daß der jungen Frau kaum Zeit blieb, sich über die Krallen zu beschweren.

»Autsch« war alles, was sie sagen konnte, als Mrs. Murphy ihre Schulter erreichte, sich dann auf die Hinterbeine stellte und an die Dachbodentür schlug.

»Wenn sie das nicht kapiert, ist sie völlig vernagelt«, bemerk­te Pewter spitz.

Susan steckte den Kopf in die Diele. »Ein menschlicher Kratzbaum. Tolle Erfindung. Was sieht sie da oben?« Susan bemerkte Murphys Verrenkungen.

»Eine Klapptür, du Dummkopf«, kläffte Tucker.

»He, he, Cynthia«, riefen Pewter und Susan zugleich.

Daraufhin kamen Cynthia und Mrs. Hogendobber in die Diele. Susan zeigte auf die Klapptür. Harry legte den Kopf schief, um die Tür zu sehen, und Mrs. Murphy sprang herunter.

»Habe ich Ihnen eigentlich erzählt, daß Ihre Tiere hier waren, als wir Kerry festnahmen? Tucker ist mit dem versiegelten Pla­stikbeutel davongerannt, in dem wir die Kordel hatten, die mutmaßliche Mordwaffe. Sie hat sie aufs Feld geworfen. Mrs. Murphy hat ihre Krallen benutzt wie eine Kettensäge. So ein Schlamassel. Zum Glück habe ich das Beweisstück zurückero­bern können, bevor sie es vernichten konnte. Dabei sind wir hier bestimmt acht Kilometer von Ihrem Haus entfernt.«

»In Zukunft werde ich euch beide einschließen, hört ihr?«

»Wir hören, aber wir folgen nicht«, antwortete Murphy auf­sässig.

Pewter war beeindruckt. »Hast du das wirklich gemacht?«

»Kinderspiel«, prahlte Mrs. Murphy.

»Ohne mich hättest du es nie geschafft.« Tucker war eifer­süchtig.

Susan holte einen Stuhl aus der Küche, stellte sich darauf und öffnete die Klapptür. Ein glühendheißer Lufthauch wehte ihr ins Gesicht.

Nach einigem Suchen fanden sie im Keller eine Leiter. Cyn­thia stieg als erste hinauf, mit einer Taschenlampe aus ihrem Streifenwagen bewaffnet. »Gut. Hier ist ein Schalter.«

Mrs. Murphy, die liebend gern auf Leitern kletterte, eilte nach oben, sobald Cynthia auf den Dachboden kroch. Tucker wartete mißmutig unten. Harry stieg hinauf. Pewter folgte ihr.

»Sogar der Dachboden ist ordentlich«, bemerkte Cynthia. »Wissen Sie was, ich glaube nicht, daß unsere Jungs hier oben gewesen sind. Sagen Sie das nicht weiter. Das läßt unsere Leute schlampig erscheinen, und ehrlich gesagt, sie waren auch schlampig.«

»Man übersieht leicht, was über einem ist.«

»Harry, wir werden dafür bezahlt, Beweisstücke nicht zu übersehen«, erklärte Cynthia ihr entschieden.

»Ich komm auch rauf«, rief Susan nach oben.

»Wirf bloß die Leiter nicht um, wenn du oben bist, Susan, sonst müssen wir uns von der Klapptür schwingen.«

»Danke für den Vertrauensbeweis.« Susan erschien auf dem Dachboden. »Wie könnt ihr hier atmen?«

»Mit Mühe.« Harry verzog das Gesicht.

»Was ist da oben?« rief Miranda von unten.

»Nicht viel. Zwei Koffer. Ein Paar alte Skier«, klärte Harry sie auf.

»Ein großes Wespennest im Dachstuhl.« Mrs. Murphy be­kämpfte den Drang, Wespen zu jagen. Das Summen zog sie magisch an. Die Folgen weniger. »Los, machen wir den Koffer auf.«

Cynthia zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche und öffnete vorsichtig den alten Überseekoffer. »Ein Brautkleid. Alt.«

Auf Knien blickten Harry und Susan in den Koffer, und Mrs. Murphy legte zierlich eine Pfote auf den Satin. Cynthia schlug ihr auf die Pfote. »Laß das.«

»Nimm das Kleid raus.« Die Katze blieb gelassen.

»Wetten, das hat Kerrys Großmutter gehört. Es ist in etwa der Jahrgang.« Susan bewunderte die Spitze.

»Harry, Sie nehmen das andere Ende, und ich nehme dieses«, verfügte Cynthia.

Sie hoben das schöne alte Kleid heraus. Darunter waren alte Familienalben und ein paar Briefe aus Übersee.

Harry nahm einen Stapel heraus, der ordentlich mit einem Band verschnürt war. Der obere Brief trug den Poststempel von Roanoke, Virginia, 1952. Der Stapel darunter war aus Übersee, von Mitte der 1980er Jahre. Sie waren an Kerrys Mutter adres­siert. »Ich glaube, dies sind die Sachen ihrer Mutter. Sie hat den Koffer vermutlich nach Barbara McCrays Tod hierhergebracht. Müssen Sie das durchsehen, die Briefe lesen und so?«

Cynthia durchwühlte den Rest des Koffers, dann legte sie alles sorgfältig wieder hinein. »Ich weiß nicht. Wenn Rick es wünscht, dann mach ich's, aber ich werde auf alle Fälle vorher fragen. Im Moment haben wir eine Menge gegen Kerry in der Hand.«

»Lediglich Indizien«, gab Susan leise zu bedenken.

»Diese 250.000 Dollar sind ein starkes Indiz.« Cynthia seufzte und schloß den Kofferdeckel.

Pewter, die auf dem zweiten Koffer saß, gab ihnen Anweisun­gen. »Beeilt euch, macht den hier auf. Es ist heiß hier oben.«

»Dann geh doch nach unten«, riet ihr Mrs. Murphy.

»Nein, dann verpaß ich vielleicht was.«

Cynthia hob Pewter sacht von dem Koffer. »Bist du aber schwer, du kleiner Schisser.«

Mrs. Murphy lachte, und Pewter kochte vor Wut.

Cynthia öffnete den Deckel. »Mann o Mann.«

Harry und Susan blickten in den Koffer. Mrs. Murphy und Pewter, auf den Hinterbeinen stehend, die Vorderpfoten auf den Koffer gelegt, sahen es auch.

»Das bricht ihr das Genick!« rief Mrs. Murphy aus.

Eine schwarze Motorradjacke, eine schwarze Lederhose und ein schwarzer Helm waren ordentlich in den Koffer gelegt.

»Wissen Sie, ich hatte gehofft, daß sie es nicht war.« Cynthia schloß leise den Deckel.

»Ich auch«, erklärte Susan betrübt.

»Es sieht schlecht aus, aber. « Harry versagte für einen Mo­ment in der Hitze die Stimme. »Aber sie wird einen fairen Pro­zeß bekommen. Wir können sie nicht wegen eines Motorrad­helms verurteilen.«

»Ich kann Ihnen sagen, der Staatsanwalt wird es mit Sicher­heit versuchen«, sagte Cynthia.

Susan klopfte Harry auf die Schulter. »Es ist schwer, sich da­mit abzufinden.«

Sie stiegen die Leiter hinunter, Mrs. Murphy voran, und in­formierten die gespannte Mrs. Hogendobber.

»Nun?« fragte Tucker.

»Motorradkluft im Koffer.« Die Katze leckte niedergeschlagen Tuckers Ohr. Wenn sie Tucker oder sogar Harry putzte, fühlte sie sich nützlich, wenn auch nicht besser.

»Oje« war alles, was Mrs. Hogendobber sagen konnte.

Pewter kletterte zu ihnen hinunter. »Kerry wird demnächst Tüten kleben.«

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