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Reverend Jones gesellte sich als letzter zu der kleinen Gruppe, die sich zu einem von Susan hastig arrangierten Abendessen auf Harrys Farm eingefunden hatte. Er begrüßte Mrs. Hogendobber, Mim, Little Marilyn, Market, Pewter, Ned, Blair, Cynthia, Ker­ry McCray und ihren Bruder Kyle.

»Was habe ich verpaßt?«

»Belanglosen Tratsch. Wir haben auf Sie gewartet«, teilte ihm Mrs. Hogendobber mit. »Jetzt fehlt nur noch Fair. Er kommt, sobald er kann.«

»Sind Sie eigentlich dahintergekommen, wie Aysha das Geld überwiesen hat?« fragte Susan neugierig.

»Ja, aber wir wissen nicht, was sie damit gemacht hat, ausge­nommen den Betrag, den sie auf Kerrys Konto überwiesen hat. Sie beabsichtigt, sich den besten Anwalt zu nehmen, den man für Geld kriegen kann, und ihre Gefängnisstrafe abzusitzen, wenn sie nicht zum Tode verurteilt wird. Sie wird vermutlich wegen guter Führung entlassen, bevor sie fünfzig ist, und dann wird sie dorthin gehen, wo sie das Geld versteckt hat.« Cynthia klang verbittert.

»Wie hat sie es gemacht?« wiederholte Mim die Frage.

»Dem >Ungültig<-Befehl im Computer der Crozet National Bank war ein Zusatzbefehl angefügt. Erinnern Sie sich an die vielen Instruktionen zum Umgang mit dem Threadneedle- Virus? Also, das war schon genial. Als die Bank den Befehl des Virus, Dateien zu vernichten, unwirksam machte, wurde ein Zusatzbefehl ausgelöst, der den Computer anwies, am ersten August zwei Millionen Dollar auf ein Nummernkonto zu über­weisen. Das Geld hat die Bank nicht verlassen. Später haben Aysha oder Norman es beiseite geräumt. Soweit wir wissen, könnte es noch auf diesem Nummernkonto sein, oder es ist vielleicht auf einem Auslandskonto in einem Land, wo Bankan­gestellte leicht zu bestechen sind.«

Blair war neugierig. »Was hatte Mike Huckstep mit alledem zu tun?«

»Ah.« Cynthia lächelte Blair an. Sie lächelte ihn immer an. »Das war das Haar in der Suppe. Sie hatte alles perfekt geplant, den Plan hatte sie zweifellos von Huckstep geklaut, und dann kreuzte er in Ash Lawn auf, gerade als ihre Falle bereit zum Zuschnappen war. Aysha ging kein Risiko ein, und sie war weitsichtig genug, um zu wissen, daß der Tod eines Motorrad­fahrers in Crozet nicht vielen zu Herzen gehen würde. Sie hat kühl kalkuliert, wie sie mit einem Mord davonkommen würde. Sie erzählte Huckstep, daß sie vorhatte, seinen Plan zu verwirk­lichen. Er unterzeichnete bereitwillig die Unterschriftskarten, weil er dachte, der unrechtmäßige Gewinn würde seinem Konto gutgeschrieben. Sie würden reich sein. Norman speiste die Kon­toinformation in das System ein, ohne zu wissen, wer Mike wirklich war. Unterdessen erzählte Aysha Mike, sie wolle zu ihm zurück. Er wußte natürlich nicht, daß sie mit Norman ver­heiratet war. Sie sagte ihm, sie fühle sich schrecklich, weil sie ihn im Stich gelassen hätte, aber sie sei vor einer festen Bin­dung zurückgeschreckt, und als sie ihren Fehler einsah, habe sie ihn nicht finden können - er war von der Glover Street fortge­zogen, wo sie gewohnt hatten. Sie schlug ihm vor, sie mit dem Motorrad abzuholen, und sie könnten eine Fahrt ins Blaue ma­chen. Peng! Das war das Aus für Mike Huckstep, ihren recht­mäßigen Ehemann. Sie ist nicht nur eine Mörderin und Diebin, sie ist eine Bigamistin.«

»Wie hat er sie gefunden?« wollte Harry wissen.

»Er kannte ihren richtigen Namen. Aysha hatte Glück, als er in seinem bedröhnten Zustand in Ash Lawn auftauchte. Er hat den Namen genannt, der ihm am geläufigsten war. Ottoline behauptet natürlich, ein Drogendealer oder sonst ein zwielichti­ger Typ müsse Huckstep umgebracht haben - irgendwer, nur nicht ihre werte Tochter.«

»Also, Coop, wie hat Huckstep Aysha gefunden?« fragte Su­san.

»Oh«, sagte sie lächelnd, »ich bin wohl vom Thema abge­kommen. Er muß unsere Kfz-Meldestelle angezapft haben, oder er hat die Dateien der staatlichen Einkommensteuer angezapft. Der Mann war ohne Zweifel ein Computergenie.« »Man stelle sich vor, dieser Geist hätte im Dienste des Herrn gewirkt«, grübelte Mrs. Hogendobber.

»Miranda, das ist ein interessanter Gedanke.« Herbie ver­schränkte die Arme. »Da wir gerade von seinem Geist sprechen: Ich frage mich, was ihn bewogen hat, nach ihr zu suchen.«

»Die Liebe. Er hat sie noch immer geliebt. Trotz allem«, be­hauptete Blair fest. »Das konnte man an dem Tag sehen, als er nach Ash Lawn kam. Manche Männer haben ein masochisti­sches Verlangen nach dieser Sorte von Bestrafung.«

»Das werden wir nie genau wissen.« Cynthia fand Blairs In­terpretation ein bißchen arg romantisch.

»Manche packt es eben auf diese Weise«, fügte Kerry wehmü­tig hinzu.

»Schätze, er wurde immer einsamer, und.« Susan hielt inne. »Spielt wohl keine Rolle. Aber ich kapier immer noch nicht, wie er darauf kam, sie in Ash Lawn zu suchen.«

»Ja, das ist merkwürdig.« Little Marilyn erinnerte sich an sei­nen Besuch.

»Ich habe den Verdacht, daß Aysha mit ihrer Herkunft ge­prahlt hat, das alte Virginia-Laster. Vermutlich hat sie erzählt, sie sei oder werde demnächst Fremdenführerin in Monticello oder Ash Lawn oder dergleichen. Ich bezweifle, daß wir es jemals erfahren werden; denn sie schweigt wie ein Grab.« Cyn­thia schüttelte den Kopf. »Wenn Ottoline sich nicht ständig verplappern würde, hätten wir nicht mal genug Informationen, um einen Fall zu konstruieren.«

»Armer Norman, das perfekte Rädchen in ihrem Getriebe.« Kerrys Augen trübten sich.

»Warum konnte Mike seinen Plan nicht verwirklichen?« frag­te Little Marilyn.

»Ein Mann wie er hatte bestimmt keine Freunde in einer Bank. Er brauchte einen Partner, der entweder welche hatte oder gesellschaftlich anerkannt war. Ich nehme an, der ur­sprüngliche Plan sah vor, daß Aysha in einer Bank arbeitete«, bemerkte Mim scharfsinnig.

»Aysha hatte beschlossen, es ohne ihn durchzuziehen«, sagte Cynthia. »Als er aufkreuzte, erzählte sie ihm listig, sie hätte in der Bank einen Dummen gefunden. Das Geschäft könne sofort steigen. Obwohl Mike sie vermutlich liebte, wie Blair meint, konnte sie keine Macht über ihn ausüben, wie sie es mit Nor­man konnte. Und sie hatte es entschieden auf den ganzen Leckerbissen abgesehen.«

»Ich muß dauernd an den armen Hogan denken. Wie er da in Markets Laden stand und uns erzählte - uns und Aysha -, daß er an dem Abend noch spät arbeiten wollte.« Susan schauderte bei der Erinnerung.

»Er hat ihr mit Sicherheit einen Schrecken eingejagt. Der Ne­bel war reine Glückssache.« Cynthia schaute zu Blair hinüber. Er sah so gut aus, sie konnte den Blick nicht von ihm wenden.

Little Marilyn bemerkte: »Gott sei gedankt für Mrs. Murphy und Tee Tucker, sie sind die eigentlichen Heldinnen.«

»Bildet euch bloß nichts darauf ein«, murrte Pewter.

»Du bist ja bloß sauer, weil du die Party verschlafen hast«, sagte Mrs. Murphy von oben herab und putzte sich.

»Stimmt.« Pewter schlich auf Zehenspitzen zu den zugedeck­ten Schüsseln in der Küche.

»Hat sie Reue gezeigt?« fragte Mrs. Hogendobber.

»Kein bißchen.«

»Ottoline sagt, Aysha wurde in eine Falle gelockt. Sie behaup­tet, Kerry sei die eigentliche Schuldige, wogegen sie, Ottoline, Norman umgebracht habe, um ihrer Tochter eine qualvolle Ehe zu ersparen.« Mim erhob sich und machte ein Zeichen, daß es Zeit zum Essen sei. »Aber Ottoline war ja schon immer eine dumme Gans.«

»Von wem war das Blut auf den Satteltaschen?« fragte Harry.

»Was für Blut?« Mim winkte Little Marilyn zu sich. »Ich weiß nichts von Blut.«

»Ein paar Blutstropfen auf Mike Hucksteps Satteltaschen.« Cynthia musterte ihre Hände und befand, daß sie sie vor dem Essen waschen mußte.

»Von Aysha. Sie muß eine kleine Verletzung gehabt haben.«

Unterdessen hatten die Menschen die Küche in Beschlag ge­nommen. Sie hätten ja gerne auf Fair gewartet, aber ihre Mägen nicht.

Außerdem konnte man bei einem Tierarzt nie wissen, wie lan­ge er zu tun hatte.

Little Marilyn hatte knusprig gebratene Hühnchen mitge­bracht.

»Vergeßt uns nicht«, tönte es im Chor vom Fußboden.

Aber nein. Jedes Tier erhielt leckeres, in kleine Würfel ge­schnittenes Hühnerfleisch. Während die Menschen mit ihren Tellern wieder ins Wohnzimmer gingen, fraßen die Tiere selig vor sich hin.

Miranda fragte: »Und was war mit Kerry?«

»Aysha war glatt, aalglatt.« Cynthia legte ihr Hühnerbein hin. »Sie hat das Wort Threadneedle in erster Linie verwendet, weil sie wußte, daß Kerry bei einer Londoner Bank nahe der Bank von England in der Threadneedle Street gearbeitet hat. Sie hatte sich ausgerechnet, daß Kerry, sobald wir diesem Umstand auf die Spur kämen, den Hals in der Schlinge hätte. Aysha hatte sich einen falschen Führerschein besorgt mit ihren Daten und ihrem Foto, aber mit Kerrys Namen, Adresse und Sozialversi­cherungsnummer, die sie aus dem Bankcomputer in Normans Büro abgerufen hatte. Damit hat sie bei Hassett die Waffe ge­kauft.«

»Falsche Führerscheine?« Miranda war erstaunt.

»High-School-Schüler sind ein großer Markt dafür - damit sie Alkohol kaufen können«, sagte Harry.

»Woher wissen Sie das?« erkundigte sich Miranda.

Harry hob die Stimme. »Oh.«

»Wie gut, daß Ihre Mutter das nicht mehr hören kann.«

»Ja«, pflichtete Harry Miranda bei.

»Aber warum hat Aysha Norman umgebracht? Er hat sie doch gedeckt«, wollte Marilyn wissen.

»Hat sie gar nicht«, platzte Harry heraus, nicht aus Kenntnis, sondern aus Intuition und dem, was sie in Ash Lawn beobachtet hatte.

»Norman ist nach Hogans Ermordung ausgestiegen. Wirt­schaftskriminalität war ja gut und schön, aber Mord - da bekam er kalte Füße. Aysha fürchtete, er würde durchdrehen und sie verraten. Aus Angst, daß ihre Tochter erwischt würde, hat Otto­line ihn dann wohl erdrosselt. Ich bin sicher, daß das alte Mäd­chen diesbezüglich die Wahrheit sagt, obwohl wir keinen Be­weis haben.« »Dann hat Ottoline es die ganze Zeit gewußt.« Harry war ver­blüfft.

»Nicht von Anfang an.« Cynthia zuckte die Achseln. »Als Mike Hucksteps Leiche gefunden wurde, hat's bei Ottoline zum erstenmal geklingelt. Als Hogan ermordet wurde, muß sie es gewußt haben. Vielleicht hat Aysha es ihr sogar erzählt. Wie gesagt, Aysha leugnet alles, und Ottoline gesteht alles.«

»Sie hat getötet, um ihre Tochter zu schützen.« Mim schüttel­te den Kopf.

»Zu spät. Und die Mordwaffe in Kerrys Toyota zu deponieren - das war auffällig und ungeschickt.«

»Dann war das Aysha auf dem Motorrad, das aus Sugar Hol­low kam?« Harry erinnerte sich an ihre brenzlige Begegnung.

»Ja.« Cynthia verzehrte einen Hühnerflügel, während die an­deren tratschten.

»Wißt ihr« - Mim wechselte das Thema -, »Ottoline war im­mer Ayshas Sicherheitsnetz. Sie ließ sie nie erwachsen werden, so daß sie nie für ihr Handeln verantwortlich war. Die falsche Art Liebe«, bemerkte Mim. »Ich hoffe, daß ich dir das nicht angetan habe.«

Ihre Tochter erwiderte: »Na ja, Mutter, du würdest mit Freu­den mein Leben für mich leben und das aller anderen in diesem Zimmer obendrein. Du bist nun mal ein Tyrann.«

Stille senkte sich über die Gruppe.

Big Marilyn brach das Schweigen: »Ach.?«

Alle lachten.

»Hattet ihr vermutet, daß es Aysha war?« fragte Pewter mit vollem Mund.

»Nein. Wir haben nur gewußt, daß es nicht Kerry war. Zu­mindest waren wir uns ziemlich sicher, daß sie's nicht war«, antwortete Tucker.

»Bin ich froh, daß wir noch leben.« Murphy schnippte mit dem Schwanz. »Ich verstehe nicht, warum die Menschen sich gegenseitig töten. Das werde ich wohl nie begreifen.«

»Du mußt sie lieben, wie sie sind.« Tucker pirschte sich an Pewters Teller heran, um ihn zu beschnuppern.

Pewter versetzte Tucker einen Nasenstüber. »Weg da. Wild­diebe muß ich überhaupt nicht lieben!«

Tucker zuckte zusammen. »Du brauchst so lange zum Essen.«

»Wenn du langsamer essen würdest, hättest du mehr davon«, riet Pewter ihr.

Sie hörten den Kombi des Tierarztes draußen vorfahren, das Schlagen einer Tür, dann stieß Fair die Fliegentür auf. Die An­wesenden, alle ins Essen vertieft, begrüßten ihn. Dann fiel es einem nach dem anderen auf.

»Was haben Sie denn gemacht?« rief Mrs. Hogendobber aus.

»Mir die Haare ein bißchen gekräuselt«, erwiderte er mit un­gewohnt energischem Ton. »Ist nicht ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte.«

»Darf ich fragen, warum du das gemacht hast?« Harrys Ton war höflich.

»Bei Blair funktioniert's.« Er zuckte die Achseln. »Dachte, bei mir könnte es auch funktionieren.«

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