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Cynthia Cooper hatte nicht damit gerechnet, daß Frank Kenton ein gutaussehender Mann war. Sie wartete in der Ankunftshalle des Flughafens und hielt ein Schild mit seinem Namen hoch. Als ein großer, eleganter Mann auf sie zukam, einen Ohrring im linken Ohr, dachte sie, er wolle sie um eine Auskunft bitten.

»Deputy Cooper?«

»Mr. Kenton?«

»Der bin ich.«

»Ah - haben Sie Gepäck?«

»Nein. Nur meine Tasche hier.«

Als sie zum Streifenwagen gingen, entschuldigte er sich dafür, daß er so gereizt war, als sie ihn das erste Mal angerufen hatte. Er sei barsch gewesen, aber sein Zorn habe nicht ihr gegolten. Sie erwiderte, sie habe vollstes Verständnis.

Als erstes fuhr sie mit ihm zu Kerry McCray s Haus. Rick Shaw erwartete sie, und als die drei zur Haustür gingen, kam Kerry, unmittelbar gefolgt von Kyle, herausgeeilt, um sie zu begrüßen.

Frank lächelte sie an. »Ich habe Sie noch nie im Leben gese­hen.«

»Danke. Danke.« Tränen traten ihr in die Augen.

»Lady, ich habe doch gar nichts getan.«

Als Frank und Cynthia in den Streifenwagen stiegen, atmete Cynthia aus. »Teils bin ich froh, daß Kerry nicht Malibu ist, und teils bin ich enttäuscht. Man erhofft sich immer einen ein­fachen Fall - haben Sie Hunger? Vielleicht sollten wir eine Essenspause einlegen, bevor wir weitermachen.«

»Gute Idee.«

Mrs. Hogendobber winkte, als Cynthia am Postamt vorbei­fuhr. Die Polizistin wendete und hielt an. Sie rannte ins Post­amt.

Miranda lächelte. »Hi, wie geht's Ihnen heute morgen?«

»Gut. Und selbst?«

»Ein bißchen müde.«

»Wo sind Harry und der Zoo?« »Sie ist mit Little Marilyn, Aysha und Ottoline in Ash Lawn.«

»Herrje, was macht sie da, und was macht Aysha dort? Nor­man ist kaum unter der Erde.«

Mrs. Hogendobber runzelte die Stirn. »Sicher, aber Aysha sagt, sie wird verrückt, wenn sie bloß zu Hause rumsitzt, des­wegen ist sie hingefahren, um ihre Sachen zusammenzupacken und auch die von Laura Freely. Marilyn hat zwei Fremdenfüh­rerinnen verloren, sie ist in Verlegenheit. Deswegen bat sie Harry, ihr für einen Tag auszuhelfen, weil sie sich dort so gut auskennt. Harry hat mich gefragt, und ich sagte, das geht in Ordnung. Natürlich ist sie keine William-and-Mary- Absolventin, aber zur Not tut's auch eine vom Smith College. Little Marilyn muß ganz schnell eine Handvoll neuer Fremden­führerinnen anlernen.«

Cynthia stand mitten im Postamt. Sie sah aus dem Fenster zu Frank in dem klimatisierten Wagen, dann wieder zu Mrs. Ho­gendobber. »Mrs. Hogendobber, ich muß Sie um einen Gefallen bitten.«

»Selbstverständlich.«

»Rufen Sie Little Marilyn an. Sprechen Sie mit niemandem außer ihr. Sie muß Aysha dort festhalten, bis ich komme.«

»Ach du liebe Zeit. Kerry ist gegen Kaution draußen. Daran habe ich gar nicht gedacht.« Ihre Hand, heute mit mattglänzen­dem mokkafarbenem Nagellack geschmückt, fuhr an ihr Ge­sicht. »Das erledige ich sofort.«

Dann flitzte Cynthia in Market Shifletts Laden, kaufte zwei hausgemachte Sandwiches, Getränke und Mirandas Pfirsichpa­stete.

Sie sprang in den Streifenwagen. »Hier, Frank. Wir haben un­sere Pläne geändert. Halten Sie sich fest.« Sie schaltete die Si­rene ein und raste die 240 entlang, schoß über die Kreuzung und bog rechts ab auf die 250, um nach ein paar Kilometern auf die I-64 zu stoßen.

»Die Pfirsichpastete wird Ihnen schmecken«, erklärte sie Frank, dem die Augen aus dem Kopf quollen.

»Bestimmt - aber ich warte lieber.« Er lächelte matt.

Sobald sie auf der I-64 in östlicher Richtung fuhr, sagte sie: »Es geht ungefähr fünfundzwanzig Kilometer geradeaus, dann kommen wir wieder auf kurvige Straßen. Ich weiß nicht, wie stabil Ihr Magen ist. Wenn er aus Eisen ist, dann essen Sie.«

»Ich warte lieber. Wo fahren wir hin?«

»Ash Lawn, Wohnsitz von James Monroe. Wir biegen auf die Route 20 nach Süden ab, dann nach links auf die Straße, die an Monticello vorbeiführt. Ich habe fast hundertfünfzig drauf, aber auf der Bergstraße kann ich nicht viel schneller als fünfund­sechzig fahren. In fünfzehn, zwanzig Minuten sind wir da.« Sie griff nach ihrem Piepser und sagte auf dem Revier Bescheid, wohin sie fuhr. Sie bat um Verstärkung - nur für alle Fälle.

»Sie ist eine richtige Giftschlange.«

»Ich weiß.«

Drei Kilometer vor Ash Lawn stellte Cynthia die Sirene ab. Sie fuhr die kurvige, von Bäumen gesäumte Zufahrt hinauf, bog nach links auf den Parkplatz und hielt direkt vor dem Anden­kenladen. »Fertig?«

»Ja.« Frank war beglückt, dem Wagen zu entkommen.

Harry fiel auf, daß Little Marilyn außerordentlich angespannt war. Sie hoffte, der Grund war nicht, daß sie von ihr als Frem­denführerin enttäuscht war. Harry führte ihre Gruppe durchs Haus, sagte den Leuten, wo sie auf eine Stufe achten und wo sie den Kopf einziehen mußten. Sie wies auf Möbelstücke hin und gab Anekdoten aus Monroes Amtszeit zum besten.

Mrs. Murphy und Tucker hatten sich unter den großen Buchs­baumsträuchern verkrochen. Die Erde war kühler als die Luft.

Aysha war im Untergeschoß des Hauses und suchte die Reste von Laura Freelys historischen Kostümen sowie ihre eigenen Sachen zusammen. Ottoline half ihr.

Cynthia und Frank gingen so nonchalant wie möglich zum Vordereingang. Harry öffnete im selben Moment den Neben­eingang, um ihre Gruppe herauszulassen, als Cynthia und Frank durch die Vordertür eintraten.

Da es Mittagszeit war, hatten sich die Besucher von Ash Lawn, die für den nächsten, von Marilyn geführten Rundgang vorgesehen waren, unter die herrlichen ausladenden Bäume gesetzt und labten sich an eiskalten Getränken.

Harry war überrascht, Cynthia dort zu sehen.

»Dies ist Frank Kenton aus San Francisco.«

Harry streckte die Hand aus. »Willkommen in Ash Lawn.«

»Schon gut, Harry, Sie brauchen ihn nicht herumzuführen.« Cynthia lächelte verkrampft.

Little Marilyn, von Miranda vorgewarnt, zügelte ihre Nervosi­tät, so gut sie konnte. »Soll ich sie jetzt rufen?«

»Ja«, antwortete Cynthia.

Die Kerzenständer zitterten in ihren Halterungen, als Little Marilyn vorbeiging. Nach wenigen Minuten kam sie mit Aysha und Ottoline zurück.

Aysha erstarrte bei Franks Anblick.

»Das ist Malibu«, sagte er leise.

»Nein!« kreischte Ottoline.

Aysha drehte sich blitzschnell um, packte Harry und zerrte sie ins Wohnzimmer. Ottoline knallte die Tür zu. Als Cynthia ihr folgen wollte, durchschlug eine Kugel die Tür und verfehlte knapp Cynthias Kopf.

»Raus hier, alle!« befahl Cynthia.

Marilyn und Frank eilten nach draußen. Pflichtbewußt scheuchte Marilyn rasch die Besucher zum Parkplatz. Das Heu­len einer Sirene verkündete, daß Verstärkung unterwegs war.

Mrs. Murphy sprang auf. »Mom, Mom, alles in Ordnung?«

Tucker flitzte geräuschlos unter dem Buchsbaum hervor und stürmte zum Haus.

Mrs. Murphy quetschte sich durch die Vordertür, die leicht angelehnt war. Tucker tat sich schwerer, aber sie schaffte es.

Cynthia stand geduckt mit dem Rücken zur Wand neben der Tür zum Wohnzimmer. Ihre Pistole hielt sie schußbereit. »Kommen Sie raus, Aysha. Das Spiel ist aus.«

»Ich hab eine Pistole in der Hand.«

»Die wird Ihnen nichts nützen.«

Aysha lachte. »Wenn ich zuerst schieße, schon.«

Ottoline rief heraus: »Cynthia, lassen Sie sie laufen. Nehmen Sie mich an ihrer Stelle fest. Sie hat ihren Mann verloren. Sie ist nicht ganz bei sich.«

Cynthia bemerkte die Katze und den Hund. »Raus mit euch.«

Mrs. Murphy schoß zum Vordereingang hinaus. Tucker war­tete einen Moment, warf Cynthia einen schmachtenden Blick zu, dann folgte sie ihrer Katzenfreundin.

»Tucker, hintenrum. Vielleicht kann ich durch ein Fenster rein.«

Sie hörten Harrys Stimme. »Aysha, ergib dich. Vielleicht machst du es dir dadurch leichter.«

»Halt den Mund!«

Harrys geliebte Stimme spornte beide Tiere an. Mrs. Murphy raste zu dem niedrigen Sprossenfenster. Geschlossen. Ash Lawn hatte eine Klimaanlage. Katze und Hund sahen Harry mitten im Zimmer; eine Pistole war auf sie gerichtet.

Ottoline stand abseits neben der Tür.

»Tucker, diese alten Fenster sind ganz niedrig. Meinst du, du kannst da durchkrachen?«

»Ja.«

Sie rannten knapp fünfzig Meter zurück, drehten dann um und sausten auf die alte mundgeblasene Scheibe zu. Tucker hob einen Sekundenbruchteil vor Murphy vom Boden ab, zog den Kopf ein und knallte mit der Schädeldecke gegen das Glas. Mrs. Murphy, die Augen wegen des splitternden Glases fest zuge­kniffen, segelte ganz knapp hinter Tucker ins Zimmer. Glas­splitter flogen überallhin.

Aysha fuhr herum und schoß. Sie war so auf einen menschli­chen Gegner eingestellt, daß sie nicht mit den Tieren gerechnet hatte. Tucker sprang noch im Laufen hoch und traf sie mit vol­ler Wucht, und sie taumelte rückwärts.

Ottoline schrie: »Erschieß den Köter!«

Mrs. Murphy sprang hoch und grub ihre Fangzähne in Ayshas rechtes Handgelenk, während sie mit den Krallen der Vorder­- und Hinterpfoten ihren Unterarm packte. Dann schlug sie ihr die Zähne mit aller Macht ins Fleisch.

Aysha heulte auf. Harry rammte sie mit der Schulter, und sie stürzten zu Boden. Tucker schloß ihre Kinnbacken um ein Bein. Ottoline rannte herbei, um nach dem Hund zu treten.

Mrs. Murphy lockerte ihren Griff und schrie: »Die Hand, Tu­cker, schnapp dir die Hand. « Tucker setzte über die zappelnden Leiber hinweg. Ottolines Tritt kam einen Sekundenbruchteil zu spät. Aysha war gerade im Begriff, Harry auf den Kopf zu schlagen, da fiel Tucker über ihre Hand her und biß tiefe Löcher in die fleischige Handfläche. Aysha ließ die Pistole fallen. Ottoline griff geschwind danach. Tucker lief lautlos hinter sie und biß auch sie, dann schnappte sie sich die Pistole.

Harry schrie: »Coop! Hilfe!«

Mrs. Murphy krallte sich weiterhin an Aysha fest, während Tucker der entschlossenen Ottoline auswich, die es auf die Pi­stole abgesehen hatte.

Coop hielt ihre Dienstpistole mit beiden Händen und zerschoß das Türschloß. »Es ist aus, Aysha.« Sie richtete ihre Waffe auf die kämpfenden Frauen.

Harry, die unter dem linken Auge bereits eine Schwellung hat­te, ließ Aysha los und rappelte sich hoch. Sie rang nach Atem. Ottoline lief hinter Coop und umfaßte ihren Hals, doch Coop duckte sich und versetzte ihr mit dem Ellbogen einen Stoß in die Magengrube. Mit einem »hmpf« ließ Ottoline los.

Aysha wollte schnell zur Tür hinaus, aber Harry hinderte sie daran.

Coop schob Ottoline zu Aysha hinüber, die langsam aufstand.

»Du warst so gerissen, Aysha, aber ein Hund und eine Katze haben dich zur Strecke gebracht«, triumphierte Harry, als Tu­cker ihr die Pistole brachte.

»Man wird immer von dem erwischt, mit dem man nicht rechnet.« Cynthia ließ ihre Beute nicht aus den Augen.

Rick Shaw stürmte herein. Er erfaßte die Situation und fessel­te Aysha und Ottoline mit Handschellen Rücken an Rücken zusammen, dann informierte er sie über ihre Rechte.

»Au.« Aysha zuckte zusammen, als die Handschellen die Stel­len berührten, wo Mrs. Murphy und Tucker ihre Hand aufgeris­sen hatten.

Harry hockte sich hin und streichelte ihre Freundinnen. Sie untersuchte ihre Pfoten nach Einschnitten vom Glas.

»Warum?« fragte Harry.

»Warum nicht?« gab Aysha schnippisch zurück.

»Na schön, dann wie?« fragte Cynthia.

»Ich habe das Recht zu schweigen.«

»Beantworte mir eine Frage, Aysha.« Harry wischte sich den Staub ab. »War Norman beteiligt?«

Aysha zuckte die Achseln, ohne die Frage zu beantworten.

Ottoline lachte spöttisch. »Dieser Feigling. Der hatte Angst vor seinem eigenen Schatten.« Ottoline wandte sich an Rick Shaw. »Sie machen einen großen Fehler.«

Aysha sagte, immer noch keuchend: »Mutter, das Reden wird mein Anwalt übernehmen.«

Harry nahm die schnurrende Mrs. Murphy auf den Arm.

»Aysha, deine Briefe an Marilyn aus St. Tropez und Paris und sonst woher - du hast die Poststempel gefälscht, und das war gute Arbeit. Aber die Stempelfarben zu fälschen ist viel schwie­riger.«

Ottoline murrte: »Das können Sie nicht vor Gericht beweisen. Und bloß weil ich gefälschte Postkarten verteilt habe, ist meine Tochter noch lange keine Verbrecherin.«

Ayshas Augen wurden eng, dann weit. »Mutter, alles, was du sagst, kann gegen mich verwendet werden!«

Ottoline schüttelte den Kopf. »Ich will reinen Tisch machen. Ich brauchte Geld. Eine Bank zu bestehlen ist lächerlich ein­fach. Die Crozet National Bank war sehr schlampig in puncto Sicherheitsmaßnahmen. Norman war Wachs in meinen Händen. Es war wirklich ganz leicht. Als er schwach wurde, hab ich ihn erdrosselt. Als er an der Konservenfabrik langsamer wurde, kam ich vorn Rücksitz hoch und hab ihm gesagt, er soll anhal­ten. Er war schwerer zu töten, als ich dachte, aber ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Wenigstens mußte ich mir nicht mehr sein Gejammer anhören, was passieren würde, wenn er erwischt wird.«

Mrs. Murphy streckte die Pfote mit ausgefahrenen Krallen aus. »Aysha, willst du etwa zusehen, wie deine Mutter die gan­ze Schuld auf sich nimmt?«

»Ich hasse Katzen«, fauchte Aysha die kleine Tigerkatze an, die ihre Pläne durchkreuzt hatte.

»Tja, die hier war schlau genug, Ihnen das Handwerk zu le­gen«, sagte Cynthia sarkastisch.

»Das genügt.« Rick wollte Mutter und Tochter aufs Revier bringen, um sie einzulochen. Er deutete auf den Streifenwagen. Da sie Rücken an Rücken gefesselt waren, erwies sich das Ge­hen als schwierig.

»Haben Sie Hogan Freely auch getötet?« fragte Harry Ottoli­ne.

»Ja. Erinnern Sie sich, als wir in Market Shifletts Laden wa­ren? Hogan sagte, er wolle noch spät arbeiten und auf den Computer einhämmern. Mit seinem Verstand hätte er glatt.«

»Mutter, sei still!« stieß Aysha stotternd hervor.

»Aber wenn Hogan nun hinter mein System gekommen wä­re?« sagte Ottoline mit der Betonung auf »mein«.

»Es gibt kein System, Mutter. Norman hat die Bank bestohlen. Hogan hat ihn bedroht. Er hat Hogan getötet, und seine Kom­plizin in der Bank hat ihn getötet. Kerry war seine Partnerin. Er hat mich betrogen.«

»Tatsächlich?« Ottolines Augenbrauen schnellten in die Höhe. Sie überlegte einen Moment, dann wechselte ihr Tonfall, da sie Ayshas verzweifeltem Gedankengang folgte. »So ein elender Wurm!«

»Aysha, wir wissen, daß du in der Anvil-Bar gearbeitet hast. Das kannst du nicht leugnen«, erklärte Harry, die noch immer innerlich kochte vor Wut, als sie ihnen zum Streifenwagen folg­te.

»So?«

Ottoline fuhr geschwind fort und brabbelte, als könne sie da­mit die Anwesenden von der Fährte ablenken: »Ich mußte etwas tun. Ich meine, wo meine Tochter, eine Gill, in so einem Lokal arbeitete. Sie durchlief natürlich nur eine Phase, aber denkt nur, wie das ihre Chancen auf eine gute Partie hätte ruinieren kön­nen, wenn sie wieder nach Hause käme, was sie früher oder später natürlich tun würde. Deswegen bat ich sie, Postkarten zu schreiben, als ob sie noch in Europa wäre. Den Rest habe ich besorgt. Sie hatte sich ja von Marilyn und Kerry abgesetzt, sie wußten also nicht genau, wo sie war. Gefälschte Postkarten zu verschicken war nicht weiter schwierig, und Ayshas Ruf blieb unbefleckt. Ich weiß nicht, warum junge Leute diese rebelli­schen Phasen durchlaufen müssen. Meine Generation hat das nie getan.«

»Sie hatten den Zweiten Weltkrieg. Das war Rebellion ge­nug.«

»So alt bin ich nicht«, korrigierte Ottoline Harry eisig.

»Meine Damen, das sind nette Geschichten. Fahren wir aufs Revier, da können Sie Ihre Aussagen machen und Ihren Anwalt anrufen«, drängte Rick.

Frank Kenton folgte Cynthia. Als er die Tür ihres Streifenwa­gens öffnete, bedachte er Aysha mit einem langen, eindringli­chen Blick.

Sie starrte trotzig zurück.

»Ich werde dich in der Hölle schmoren sehen.« Er lächelte.

»Das gefällt mir, Frank. Diese Ironie - du als Moralapostel.« Aysha lachte ihm ins Gesicht.

»Erniedrige dich nicht so weit, mit dem zu sprechen«, fauchte Ottoline.

»In San Francisco hat sie sich ausgiebig erniedrigt«, brüllte Frank Ottoline an. »Lady, wir wären alle besser dran gewesen, wenn Sie keine Mutter gewesen wären.«

Ottoline zögerte, ehe sie versuchte, auf den Rücksitz des Strei­fenwagens zu klettern. Rick hielt den Wagenschlag auf. So, wie den beiden Frauen die Handschellen angelegt waren, konnten sie nicht in den Wagen gelangen.

»Das ist unmöglich.« Aysha äußerte das Naheliegende.

»Sie haben recht.« Rick schloß die Handschellen auf.

Im Nu spurtete Aysha auf die Bäume zu.

»Stehenbleiben, oder ich schieße!« Rick ließ sich auf ein Knie fallen, während er seinen Revolver zog.

Cynthia ließ sich ebenfalls fallen, die Pistole schußbereit.

Tucker stieß sich ab und sprintete hinter Aysha her. Einen Menschen zu überholen war für einen so schnellen kleinen Hund nicht schwer. Sie machte vor Aysha kehrt, gerade als Rick einen Warnschuß abgab. Harry wollte den Hund zurückru­fen, hielt es jedoch für unklug, Tuckers Endspurt zu unterbre­chen. Aysha blickte eben über die Schulter, als Tucker sich vor sie hinhockte. Sie stolperte über den kleinen Hund und stürzte auf die Erde.

Cynthia, jünger und schneller als Rick, war fast bei Aysha an­gekommen, als diese sich wankend aufrappelte.

»Der verdammte Köter! «

»Nehmen Sie die Hände hinter den Kopf und gehen Sie lang­sam, ich sagte langsam, zurück zum Streifenwagen.«

Ottoline ließ sich hemmungslos weinend gegen den weißblau­en Wagen sacken. »Ich hab's getan. Wirklich. Ich bin schul­dig.«

»Sei still, Mutter! Nie hörst du auf mich.«

Ein Ausdruck von mütterlicher Autorität flackerte in Ottolines Gesicht auf. »Wenn du von vornherein auf mich gehört hättest, säßen wir jetzt nicht in der Tinte! Ich hab dir gesagt, du sollst Mike Huckstep nicht heiraten!«

»Ich kenne niemanden, der so heißt!« Ayshas ganzer Körper verrenkte sich vor Wut.

Ottolines Gesicht fiel in sich zusammen wie ein einstürzendes Gebäude. Ihr wurde klar, daß sie in ihrem verzweifelten Ver­such, ihre Tochter zu retten, die Katze aus dem Sack gelassen hatte.

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