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Neunter Tag Fort Smith, Kanada

Fort Smith in den Northwest Territories ist eine florierende Kleinstadt mit 2000 Einwohnern — Farmern, Viehzüchtern und einigen Geschäftsleuten. Die langen, sehr strengen Winter stellen die Menschen vor große Herausforderungen. Daher bietet die Stadt hervorragendes Anschauungsmaterial für Darwins These, daß sich nur die ihrer Umwelt am besten angepaßten Wesen im Kampf ums Dasein durchsetzen werden.

William Mann gehörte zu den Begünstigten, die stets überleben würden. Er stammte eigentlich aus Michigan, war jedoch mit Anfang Dreißig auf einem Angelausflug nach Fort Smith gekommen und hatte erkannt, daß die Kleinstadt eine weitere Bank brauchen konnte. Diese Gelegenheit hatte er sich nicht entgehen lassen. In Fort Smith gab es damals nur eine weitere

Bank, und William Mann brauchte keine zwei Jahre, um seinen Konkurrenten zu schlucken.

Im Laufe der Jahre machten zahlreiche kanadische und amerikanische Banken Pleite, aber Manns Bank war besser im Geschäft als je zuvor. Seine Philosophie war einfach: Keine Darlehen für neugegründete Firmen, keine Darlehen für Nachbarn, deren Kinder vielleicht dringend eine Operation brauchten.

Da Manns Respekt vor dem Schweizer Bankensystem fast an Ehrfurcht grenzte, war er nach Zürich gereist, um sich vor Ort darüber zu informieren. Sehr viel Neues hatte er jedoch nicht erfahren.

Am letzten Tag seines Aufenthalts gönnte er sich eine Busrundfahrt durch die Alpen, aber die Tour war ziemlich langweilig. Sicher, die Landschaft war ganz reizvoll, aber Berge gab es auch in Kanada. Einer der Mitfahrer, ein Texaner, hatte Mann um ein Darlehen gebeten, mit dem er seine vom Konkurs bedrohte Ranch retten wollte. Er hatte ihm ins Gesicht gelacht.

Das einzig Interessante an der Rundfahrt war der Absturz einer sogenannten Fliegenden Untertasse gewesen. Allerdings war Mann sich sicher, daß die Sache vom Schweizer Fremdenverkehrsamt arrangiert worden war, um Touristen zu beeindrucken. Aber da er in Disneyland gewesen war, konnte man ihn mit solchen Effekten nicht beeindrucken.

Man verpaßte also nichts Wesentliches, wenn man zu Hause in Nordamerika blieb. Daher war William Mann sehr zufrieden, als er alles erledigt hatte und die Heimreise antreten konnte.

Jede Minute von Manns Arbeitstag war verplant, und als seine Sekretärin hereinkam und sagte, ein Robert Bellamy wünsche ihn zu sprechen, runzelte der Bankier zunächst abweisend die Stirn.»Was will er denn?«

«Er möchte Sie interviewen. Für einen Artikel über erfolgreiche Bankiers.«

Das war natürlich etwas anderes. Die richtige Art Publicity war außerordentlich wichtig fürs Geschäft. William Mann zog sein Jackett an, fuhr sich mit einer Hand übers Haar und sagte:»Schicken Sie ihn rein.«

Manns Besucher war Amerikaner. Er war gut angezogen, was darauf schließen ließ, daß er für eine der besseren Zeitungen oder Zeitschriften arbeitete.

«Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Bellamy. Meine Sekretärin sagt, daß Sie einen Artikel über mich schreiben wollen. Darf ich fragen, für welche Zeitung Sie arbeiten?«

«Für das Wall Street Journal.«

Donnerwetter!

«Unsere Redaktion findet, daß die meisten Bankiers zu wenig Auslandserfahrung haben. Sie reisen selten; sie interessieren sich nicht genug für die Verhältnisse in anderen Ländern. Sie dagegen stehen in dem Ruf, ein weitgereister Mann zu sein.«

«Das könnte man sagen«, antwortete Mann bescheiden.»Tatsächlich bin ich erst letzte Woche von einer Reise durch die Schweiz zurückgekommen.«

«Wirklich? Ist sie informativ gewesen?«

«Ja. Ich bin mit mehreren Kollegen zusammengetroffen. Wir haben über die Weltwirtschaftslage gesprochen.«

Robert hatte ein Notizbuch aufgeschlagen und schrieb mit.»Haben Sie auch Zeit für Privates gehabt?«

«Eigentlich nicht. Ich habe lediglich eine kleine Busrundfahrt mitgemacht, um die Alpen zu sehen.«

Robert notierte sich auch dieses Stichwort.»Genau solche Einzelheiten interessieren uns«, sagte er aufmunternd.»Ich nehme an, daß Sie im Bus eine Menge interessanter Leute kennengelernt haben.«

«Interessant?«Mann dachte an den Texaner, der versucht hatte, ihn anzuschnorren.»Eigentlich nicht.«

«Wirklich nicht?«

William Mann warf ihm einen prüfenden Blick zu. Der Journalist wollte offenbar mehr hören.»In unserem Bus ist eine Russin mitgefahren.«

Robert schrieb diese Information nieder.»Tatsächlich? Erzählen Sie mir von ihr.«

«Nun, wir sind ins Gespräch gekommen, und ich habe ihr erklärt, wie rückständig ihr Land ist und welche großen Schwierigkeiten ihm bevorstehen, wenn es seine Wirtschaft nicht umkrempelt.«

«Das hat sie bestimmt sehr beeindruckt«, meinte Robert.

«Und wie! Sie hat einen recht intelligenten Eindruck gemacht. Für ‘ne Russin, meine ich. Diese Leute sind nicht gerade weltoffen, wissen Sie.«

«Hat sie ihren Namen genannt?«

«Nein. Augenblick… Sie hat Olga Sowieso geheißen.«

«Hat sie zufällig gesagt, woher sie kommt?«

«Ja. Sie arbeitet als Bibliothekarin in der Stadtbücherei Kiew. Dies ist ihre erste Auslandsreise gewesen — wahrscheinlich ein Ergebnis von Gorbatschows Perestrojka. Wenn Sie meine Meinung hören wollen…«Er machte eine Pause, um sicherzugehen, daß Robert mitschrieb.»Gorbatschow ruiniert Rußland systematisch. Bonn hat Ostdeutschland praktisch ohne Gegenleistung bekommen. Auf politischem Gebiet bewegt Gorbatschow sich zu schnell — und auf wirtschaftlichem Gebiet ist er zu langsam.«

Robert Bellamy tat, als sei er von dieser nicht gerade neuen oder originellen Einschätzung seines Gegenübers tief beeindruckt. Er hörte sich eine halbe Stunde lang geduldig Manns von Vorurteilen geprägte Kommentare über die Abrüstungsverhandlungen und die Europäische Gemeinschaft an, doch es gelang ihm nicht, dem Bankier weitere Informationen über die Mitreisenden bei der Busrundfahrt in der Schweiz zu entlok-ken.

«General, ich habe einen weiteren Zeugen aufgespürt.«

«Sein Name?«

«William Mann. Ihm gehört eine Bank in Fort Smith in Kanada.«

«Danke. Ich veranlasse sofort, daß die kanadischen Behörden mit ihm sprechen.«

«Übrigens hat er mir einen weiteren Tip gegeben. Ich muß in die Sowjetunion fliegen. Dazu brauche ich einen Reisepaß mit Besuchervisum.«

«Von woher telefonieren Sie?«

«Aus Fort Smith.«

«Schauen Sie im Stockholmer Hotel Visgoth vorbei. An der Reception wird ein Umschlag für Sie deponiert werden.«

«Danke, Sir.«

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7. WILLIAM MANN — FORT SMITH TEXTENDE

Um 19 Uhr an diesem Abend klingelte es an William Manns Haustür. Er war allein zu Hause, da seine Frau sich auf einer Kur befand. Übellaunig öffnete der Bankier die Haustür, nachdem er zunächst durch den Spion geblickt hatte. Immerhin wirkten die beiden Männer in ihren dunklen Geschäftsanzügen höchst seriös.

«William Mann?«

«Ja.«

Einer der Männer zeigte einen Dienstausweis vor.»Wir sind von der Federal Reserve Bank. Dürfen wir einen Augenblick hereinkommen?«

Mann runzelte die Stirn.»Was gibt’s denn?«

«Das würden wir lieber drinnen mit Ihnen besprechen, wenn Sie nichts dagegen haben.«

«Gut, meinetwegen. «Er führte die beiden ins Wohnzimmer.

«Sie sind vor kurzem in der Schweiz gewesen, stimmt’s?«

Diese Frage verblüffte ihn.»Wie bitte? Ja, aber was zum Teufel.«

«Während Ihrer Abwesenheit haben wir eine Buchprüfung vornehmen lassen, Mr. Mann. Sind Sie sich darüber im klaren, daß Ihre Aktiva einen Fehlbestand von einer Million Dollar aufweisen?«

William Mann sprang von seinem Sessel auf und starrte die Besucher entgeistert an.»Ausgeschlossen! Ich prüfe diese Bücher jede Woche persönlich. Bei uns hat noch nie ein Cent gefehlt!«

«Eine Million Dollar, Mr. Mann. Wir glauben, daß Sie das Geld unterschlagen und in die Schweiz gebracht haben.«

Mann lief zornrot an. Vor Wut stotterte er fast.»Wie… wie können Sie so was behaupten? Verschwinden Sie, sonst hole ich die Polizei!«

Einer der Männer zog eine Pistole.»Setzen Sie sich, Mr. Mann.«

Großer Gott, sie wollen mich berauben!» Hören Sie«, sagte Mann heiser,»nehmen Sie sich, was Sie wollen. Gewaltanwendung ist überflüssig und…«

«Bitte setzen Sie sich.«

Während der Bankier sich in einen Sessel fallen ließ, trat einer der Männer an den abgeschlossenen Barschrank, schlug mit dem Ellbogen die Glasscheibe ein und öffnete die Tür. Dann nahm er ein großes Wasserglas heraus, füllte es bis zum Rand mit Scotch und trug es zu Mann hinüber.

«Trinken Sie das. Das wird Sie beruhigen.«»Ich… ich trinke nach dem Abendessen nichts mehr. Mein Arzt.«

Der andere setzte William Mann die Pistolenmündung an die Schläfe.»Trinken Sie, sonst finden Sie Ihr Gehirn in diesem Glas wieder.«

Mann begriff jetzt, daß er zwei Wahnsinnigen in die Hände gefallen war. Er griff mit zitternder Hand nach dem Glas und nahm einen kleinen Schluck.

«Austrinken!«

Er nahm einen größeren Schluck.»Was… was wollen Sie von mir?«

«Trinken Sie das Glas aus.«

«Hören Sie, das ist nicht nötig. Ich.«

Der Pistolengriff traf ihn über dem linken Ohr. Mann stöhnte vor Schmerz.»Austrinken!«

Mann leerte das Glas mit einem Zug. Er hatte das Gefühl, daß sich ein glühender Lavastrom in seinen Magen ergoß. Dann wurde ihm schwindlig.»Mein Safe ist oben im Schlafzimmer«, murmelte er mit schwerer Zunge.

«Wir haben’s nicht eilig«, sagte der Mann mit der Pistole.»Sie haben reichlich Zeit für einen weiteren Drink.«

Der andere Mann ging an den Barschrank und füllte das Glas erneut bis zum Rand.»Hier.«

«Nein!«protestierte Mann.»Ich will nichts mehr!«

Das Glas wurde ihm in die Hand gedrückt.»Austrinken.«

«Ich will wirklich nichts.«

Der zweite Schlag war so schmerzhaft, daß Mann das Gefühl hatte, der Pistolengriff hätte ihm die linke Schläfe zerschmettert. Fast wäre er ohnmächtig geworden.

«Austrinken.«

Wenn sie unbedingt wollenJe schneller dieser Alptraum zu Ende ist, desto besser. Mann nahm einen großen Schluck und spürte einen Brechreiz.

«Wenn ich noch mehr trinke, muß ich kotzen.«»Wenn Sie das tun, erschieße ich Sie«, sagte der Kerl mit der Pistole.

Mann stierte ihn an. Er sah jetzt alles doppelt.

«Was wollt ihr denn alle?«murmelte er.

«Wir wollen, daß Sie bereuen, Mr. Mann.«

William Mann nickte betrunken.»Okay, ich bereue.«

Der andere lächelte zufrieden.»Sehen Sie, mehr verlangen wir gar nicht. «Er drückte Mann einen Schreibblock in die Hand.»Am besten nehmen Sie Ihren eigenen Kugelschreiber. Sie brauchen nur zu schreiben: >Ich bereue alles. Verzeiht mir.<«

William Mann starrte ihn benommen an.»Das is’ alles?«

«Das ist alles. Danach gehen wir.«

Er war plötzlich in Hochstimmung. Darum geht’s also! Die beiden sind religiöse Fanatiker. Sobald sie gegangen waren, würde er die Polizei anrufen und sie verhaften lassen. Wartet nur, ich sorge dafür, daß ihr eingelocht werdet!

«Schreiben Sie, Mr. Mann.«

Der Block verschwamm vor seinen Augen.»Was soll ich also schreiben?«

«Schreiben Sie einfach: >Ich bereue alles. Verzeiht mir.<«

«Okay. «Obwohl er Mühe hatte, den Kugelschreiber zu halten, begann er zu schreiben. Ich bereue alles. Verzeiht mir.

Der andere nahm ihm den Block aus der Hand, wobei er ihn, wie bereits zuvor, nur an den Kanten anfaßte.»Ausgezeichnet, Mr. Mann. Sehen Sie, wie einfach das war?«

Das Zimmer begann sich vor seinen Augen zu drehen.»Yeah. Danke. Ich hab’ bereut. Gehen Sie jetzt bitte?«

«Wie ich sehe, sind Sie Linkshänder.«

«Was?«

«Sie sind Linkshänder.«

«Ja.«

«In letzter Zeit sind hier viele Straftaten verübt worden, Mr. Mann. Deshalb wollen wir Ihnen die Pistole dalassen.«

Mann spürte, daß ihm die Waffe in die linke Hand gedrückt wurde.

«Wissen Sie, wie man damit umgeht?«

«Nein.«

«Das ist ganz einfach. Man setzt sie so an…«Der Unbekannte hob die Pistole an William Manns Schläfe und betätigte mit Manns Zeigefinger den Abzug. Ein dumpfer Knall ließ die Gläser im Barschrank klirren. Blut spritzte auf den Schreibblock.

«Sehen Sie, so einfach ist das«, sagte einer der beiden Unbekannten.»Gute Nacht, Mr. Mann.«

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BETREFF: OPERATION DOOMSDAY

7. WILLIAM MANN — LIQUIDIERT TEXTENDE

Zehnter Tag Fort Smith, Kanada

Am nächsten Morgen meldete die Bankenaufsicht, in Manns Bank sei ein Fehlbetrag von einer Million Dollar festgestellt worden. Die Polizei kam bei ihren Ermittlungen zu dem Ergebnis, daß William Mann Selbstmord begangen hatte. Die verschwundene Million tauchte nie wieder auf.

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