46


Auf dem Festplatz am Stadtrand von Viterbo erblickte er ein Dutzend riesige Ballone, deren Hüllen in allen Regenbogenfarben leuchteten. Die Bodenmannschaften waren damit beschäftigt, sie mit kalter Luft zu füllen. Jeder Ballon war durch ein Seil mit einem Fahrzeug verbunden, das ihm am Boden folgen sollte. Robert trat auf einen Mann zu, den er für den Startleiter hielt.»Die Wettfahrt findet also pünktlich statt?«erkundigte er sich.

«Richtig. Sind Sie schon mal Ballon gefahren?«

«Nein.«

Sie schwebten über dem Comersee, und er ließ den Gasballon sinken, bis sein Korb fast die Wellen streifte. Hilfe, wir ertrinken<, kreischte Susan. Er lachte. >Nein, das ist ganz ungefährliche Der Korbboden berührte bereits das Wasser, als er einen halben Sack Ballast abwarf und der Ballon wieder zu steigen begann. Susan lachte und umarmte ihn.

Der Mann sprach weiter.»Sie sollten mal eine Ballonfahrt mitmachen. Ein großartiger Sport!«

«Das kann ich mir vorstellen. Wohin geht die Wettfahrt eigentlich?«

«Nach Osten. Wir haben schönen Westwind. Der Start ist in ein paar Minuten. Ballonfahrten macht man am besten am frühen Morgen, solange es noch kühl ist.«

«Tatsächlich?«fragte Robert höflich. Vor seinem inneren Auge stand ein Sommertag in Jugoslawien. Wir haben vier Personen außer Landes zu bringen, Commander. Wir müssen warten, bis es kühler geworden ist. Ein Heißluftballon, der im Winter vier Personen tragen kann, trägt im Sommer nur drei.

Robert sah und hörte, daß die Bodenmannschaften die Hüllen mit kalter Luft gefüllt hatten und nun die leistungsfähigen Brenner zündeten, um die eingeschlossene Luft zu erhitzen. Die Ballonhüllen, die bisher im Gras gelegen hatten, begannen sich aufzurichten, bis sie schließlich senkrecht über ihren Körben standen.

«Darf ich mich ein bißchen umsehen?«fragte Robert.

«Gern, solange Sie unsere Leute nicht behindern.«

«Keine Angst, ich passe schon auf. «Robert ging auf einen gelb-roten Ballon zu, der startbereit dastand. Gehalten wurde er lediglich durch ein Seil mit Schnelltrennkupplung, das am Verfolgerfahrzeug befestigt war.

Der für den Ballon verantwortliche Pilot war kurz ausgestiegen und kramte zwischen den Sitzen des Wagens herum. Sonst war niemand in der Nähe.

Robert stieg in den Ballonkorb und hatte den Eindruck, die riesige Hülle fülle den Himmel über ihm aus. Er prüfte rasch die Anschlüsse, die Instrumente — Veriometer, Höhenmesser und Thermometer zur Anzeige der Hüllentemperatur —, das Funkgerät und die Werkzeugtasche. Alles in bester Ordnung. Robert löste die Schnelltrennkupplung und betätigte dann beide Brenner. Im nächsten Augenblick begann der Ballon zu steigen.

«Hey!«rief Robert scheinbar ängstlich.»Was geht hier vor? Holt mich runter!«

Der Pilot sah seinem abhebenden Ballon entgeistert nach. »Figlio d’una mignotta! Keine Angst, wir holen Sie runter«, rief er Robert nach.»Sie haben ein Funkgerät an Bord. Schalten Sie es ein, und achten Sie auf unsere Anweisungen! Können Sie mich hören?«

«Ich höre Sie«, antwortete Robert, der nicht die Absicht hatte, das Funkgerät einzuschalten.

Der Ballon stieg höher und höher und trug ihn nach Osten — weg von Elba, das im Westen lag. Trotzdem blieb Robert unbesorgt, denn er vertraute darauf, daß in größerer Höhe Ostwind herrschen würde. Die anderen Ballone befanden sich alle noch am Boden. Robert beobachtete, wie ein Wagen den Startplatz verließ und am Boden folgte. Er heizte weiter und beobachtete die Anzeige des Höhenmessers. 200 Meter… 250 Meter… 300 Meter… 350 Meter…

In fünfhundert Meter Höhe begann der Wind schwächer zu werden, so daß der Ballon beinahe stand. Robert heizte weiter und stieg in Fünfzigmeterstufen höher, um rechtzeitig erkennen zu können, wenn der Wind sich drehte.

In sechshundert Meter Höhe war es dann soweit: Der Ballon schwankte leicht, als er in die Windscherung geriet, änderte dann langsam seine Richtung und bewegte sich nach Westen.

Tief unter sich sah Robert jetzt die anderen Ballone starten und nach Osten davonfahren. Solange er nicht heizte, flog der Ballon lautlos dahin. Diese wunderbare Stille, Robert! Als ob man auf einer Wolke segelte. Ich wollte, wir könnten ewig hier oben bleiben. Dann hatte sie ihn umarmt. Hast du schon mal im Ballonkorb geliebt? murmelte sie. Komm, wir versuchen’s!

Robert befand sich nun über dem Tyrrhenischen Meer und sah eine halbkreisförmige Kette von Inseln vor sich, von denen die größte Elba war.

Napoleon war auf Elba nur von einem einzigen Gedanken beherrscht: Er wollte nach Frankreich fliehen. Genau wie ich.

In der Ferne ragte plötzlich der Monte Capanna mit seinen 1019 Metern Höhe auf. Robert zog die rote Parachuteleine, um etwas heiße Luft entweichen zu lassen, und der Ballon begann zu sinken. Unter sich sah Robert das Rosa von Elbas Granitfelsen und toskanischen Landhäusern und das Grün dichter Wälder. Entlang der Inselküste waren zwischen Felsen weiße Sandstrände zu erkennen.

Um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, landete Robert in einer einsamen Gegend am Fuß des Berges. Ganz in der Nähe führte eine Straße vorbei, an die er sich stellte, um ein Auto anzuhalten.

Gleich das erste Fahrzeug — ein klappriger alter Lieferwagen hielt neben ihm.»Könnten Sie mich in die Stadt mitnehmen?«rief Robert.

«Klar. Steigen Sie ein.«

Seinem runzligen Gesicht nach mußte der Fahrer weit über achtzig sein.

«Ich könnte schwören, vorhin einen Ballon am Himmel gesehen zu haben. Haben Sie ihn auch gesehen, Signore?«

«Nein«, sagte Robert.

«Sind Sie auf Besuch hier?«

«Bloß auf der Durchreise. Ich will nach Rom.«

Der Alte nickte.»Da bin ich auch schon mal gewesen.«

In der Hauptstadt Portoferraio — es ist die einzige Stadt der Insel — stieg Robert Bellamy aus.

Er ging die Hauptstraße Via Garibaldi entlang, auf der sich Touristen drängten, und hatte das Gefühl, die Zeit sei stillgestanden. Nichts hatte sich verändert — außer daß ich Susan verloren habe und von einem Dutzend Geheimdienste gejagt werde, die mich liquidieren wollen. Abgesehen davon, dachte Robert grimmig, ist alles genau wie früher.

Nachdem er sich in einem Geschenkeladen ein Fernglas gekauft hatte, setzte er sich im Restaurant Stella Marina an einen Tisch im Freien, von dem aus er den Hafen überblicken konnte. Dort waren weder verdächtige Autos noch Polizisten zu sehen. Die Jäger glaubten noch immer, ihn auf dem Festland eingekesselt zu haben. Deshalb konnte er hier unbesorgt an Bord der Halcyon gehen. Er brauchte nur noch zu warten, bis sie in den Hafen einlief.

Robert saß da, trank Weißwein und ging noch einmal seinen Fluchtplan durch. Wenn ihn die Halcyon vor Marseille abgesetzt hatte, würde er sich nach Paris durchschlagen, wo er seinen Freund Li Po aufsuchen würde.

Er wußte, daß Li Po ihm helfen würde, denn Po hatte ihm einmal das Leben gerettet und war deshalb nach uralter chinesischer Tradition für Robert verantwortlich.

Li Po arbeitete für die chinesische Spionageabwehr. Vor Jahren war Robert einmal bei dem Versuch geschnappt worden, einem Dissidenten zur Flucht aus China zu verhelfen, und damals ins Pekinger Gefängnis Quincheng eingeliefert worden. Li Po war ein Doppelagent, der schon früher mit Robert zusammengearbeitet hatte. Er verhalf Robert zur Flucht.

An der chinesischen Grenze hatte Robert gesagt:»Du solltest aussteigen, solange du kannst, Po. Auch dein Glück wird nicht ewig anhalten.«

Li Po hatte gelächelt.»Ich habe Ren — die Fähigkeit, zu erdulden, zu überleben.«

Ein Jahr später war Li Po an die chinesische Botschaft in Paris versetzt worden.

Robert fand, nun sei es allmählich Zeit, den ersten Teil seines Fluchtplans in die Tat umzusetzen. Er zahlte, verließ das Restaurant und schlenderte zum Hafen hinunter. Dort wimmelte es von kleinen und großen Booten, die meistens in Portofer-raio zugelassen waren.

Robert ging auf einen Mann zu, der den Rumpf eines schlanken Motorboots polierte: ein Donzi mit einem V-8-

Innenborder. Am Bootsheck wehte eine französische Flagge.

«Hübsches Boot«, sagte Robert.»Würden Sie’s mir für eine kleine Hafenrundfahrt oder eine Fahrt entlang der Küste vermieten?«

Der Mann hörte zu arbeiten auf und musterte Robert Bellamy prüfend.»Schon möglich. Kennen Sie sich mit Booten aus?«

«Ja, ich hab’ daheim selbst ein Donzi.«

Der Mann nickte zustimmend.»Woher kommen Sie?«

«Oregon«, sagte Robert.

«Das kostet Sie fünfhundert Francs pro Stunde. Dazu kommt noch die Kaution.«

Robert lächelte.»Einverstanden!«

«Wenn Sie wollen, können Sie sofort losfahren.«

«Nein, ich habe noch einiges zu erledigen. Ginge es auch morgen früh?«

«Natürlich. Um welche Zeit?«

«Das sage ich Ihnen noch«, antwortete Robert.

Er drückte dem Mann einen Geldschein in die Hand.»Das ist eine Anzahlung. Wir sehen uns morgen früh wieder.«

Robert hatte sich überlegt, daß es zu gefährlich war, die Halcyon in den Hafen einlaufen zu lassen.

Im italienischen Marineministerium redeten Oberst Cesare und Frank Johnson mit dem für die Überwachung von Seefunkgesprächen zuständigen Sachbearbeiter.»Wissen Sie bestimmt, daß es keine weiteren Gespräche mit der Halcyon gegeben hat?«»Keines mehr seit dem letzten Gespräch, das wir Ihnen gemeldet haben, Colonnello

Cesare drehte sich zu Johnson um.»Seien Sie unbesorgt«, sagte er lächelnd,»wir erfahren sofort, wenn Commander Bellamy an Bord der Jacht geht.«

«Aber ich will ihn schnappen, bevor er an Bord geht!«

Das Telefon klingelte. Am Apparat war einer von Cesares Mitarbeitern.»Auf keiner einzigen Italienkarte ist ein Ort namens Palindrom zu finden«, berichtete er.»Aber ich glaube, wir wissen jetzt, was er gemeint hat.«

«Wo liegt das Nest?«

«Das ist kein Ort, Colonnello, sondern ein Wort.«

«Was?«

«Ganz recht. Ein Palindrom ist ein Wort oder ein Satz, der vorwärts wie rückwärts gelesen den gleichen Sinn ergibt. Zum Beispiel >Otto<, >Reliefpfeiler< oder >Madam, I’m Adam<. Unser Computer hat uns eine lange Liste solcher Wörter geliefert.«

«Und was sollen wir mit denen anfangen?«fragte Oberst Cesare verständnislos.»Das bringt uns nicht weiter!«

«Vielleicht doch, Colonnello, denn die beiden haben offenbar einen Code benützt. Und eines der berühmtesten Palindrome wird Napoleon zugeschrieben, der gesagt haben soll: >Able was I ere I saw Elba.<«

Cesare und Oberst Johnson, der mitgehört hatte, starrten sich an. »Elba! Verdammt noch mal, dort ist er!«

Zwanzigster Tag Elba

Anfangs war nur ein dunkler Punkt an der Kimm zu sehen, der im ersten Morgenlicht allmählich größer wurde. Robert hatte ihn seit längerer Zeit durchs Fernglas beobachtet. Kein Zweifel, das war die Halcyon. Er rannte zum Hafen hinunter. Der Bootseigner erwartete ihn bereits.

«Bonjour, Monsieur. Wollen Sie das Boot jetzt?«

Robert nickte.

«Für wie lange?«

«Höchstens zwei Stunden.«

Robert hinterlegte die Kaution und stieg ins Boot.

«Behandeln Sie’s gut«, sagte der Mann noch.

«Wird gemacht«, versicherte Robert ihm.

Der Mann machte die Bugleine los. Sekunden später legte das Motorboot ab, verließ den Hafen und lief mit Höchstfahrt auf die Halcyon zu. Robert brauchte nur zehn Minuten, um die Jacht zu erreichen. Als er näher herankam, sah er Susan und Monte Banks an Deck stehen. Susan winkte ihm zu, und er merkte, wie besorgt sie war. Robert legte am Fallreep der Halcyon an und warf die Bugleine einem Matrosen zu.

«Sollen wir das Boot an Bord nehmen, Sir?«rief der Mann.

«Nein, lassen Sie’s treiben. «Der Eigner würde keine Mühe haben, es hier draußen zu finden.

Robert stieg das Fallreep zu dem blitzblanken Teakholzdeck hinauf. Susan hatte ihm die Jacht einmal beschrieben, aber in der Realität war das Schiff noch viel eindrucksvoller. Die Halcyon war fünfundachtzig Meter lang und hatte eine Luxuskabine für den Eigner, acht Doppelkabinen für Gäste und weitere Kabinen für sechzehn Mann Besatzung. Dem Eigner und seinen Gästen standen ein Salon, ein Speisesaal, eine Bibliothek, eine Bar und ein Swimmingpool zur Verfügung. Die Jacht wurde von zwei Sechzehnzylinderdieseln des Typs Caterpillar 0399 angetrieben, die mit Turboladern je 1250 PS leisteten. Die Innenausstattung hatte der italienische Designer Luigi Sturchio entworfen. Die Halcyon war ein schwimmender Palast.

«Ich bin so froh, daß du’s geschafft hast!«sagte Susan.

Aber Robert hatte das Gefühl, sie sei nicht ganz unbefangen, als sei irgend etwas nicht in Ordnung. Oder lag das nur an seinen überreizten Nerven?

Er wandte sich an Monte Banks.»Ich kann kaum sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.«

Monte zuckte mit den Schultern.»Freut mich, daß wir Ihnen behilflich sein konnten. Was haben Sie jetzt vor?«

«Ich möchte, daß ihr auf Gegenkurs geht und Marseille ansteuert. Ihr könnt mich vor der französischen Küste absetzen und.«

Ein Offizier in makellos weißer Uniform trat auf sie zu. Er war ein stämmiger Fünfziger mit gepflegtem Kinnbart.

«Das ist Kapitän Simpson.«

«Angenehm«, erwiderte Robert.»Ich bin Tom Smith.«

Der Offizier nickte knapp, ohne eine Miene zu verziehen.»Wir nehmen Kurs auf Marseille, Kapitän«, erklärte Monte dem Uniformierten.

«Wir legen also nicht in Elba an?«

«Nein.«

«Wie Sie wünschen, Sir. «Kapitän Simpson schien ziemlich überrascht zu sein.

Robert suchte die Kimm ab. Nichts Verdächtiges.

«Ich schlage vor, daß wir nach unten gehen«, sagte Monte Banks.

Als sie zu dritt im Salon saßen, fragte er Robert:»Finden Sie nicht, daß Sie uns eine Erklärung schuldig sind?«

«Ja, das stimmt«, gab Robert zu,»aber ich habe nicht vor, euch eine zu geben. Je weniger ihr von dieser Sache wißt, desto besser ist’s für euch. Ich kann euch nur versichern, daß ich unschuldig bin. Es handelt sich um eine politische Sache. Ich weiß zuviel und werde gejagt. Sollten sie mich schnappen, legen sie mich um.«

Susan und Monte wechselten einen Blick.

Die Jacht hatte inzwischen langsam gedreht und lief jetzt nach Westen.

«Entschuldigt mich bitte. «Monte stand auf.»Ich muß noch mal mit dem Kapitän reden.«

Beim Abendessen herrschte eine ziemlich gedrückte Atmosphäre. Liegt das an meiner Gegenwart? fragte sich Robert. Oder gibt es Probleme zwischen den beiden? Je früher ich von hier verschwinde, desto besser!

Nach dem Essen saßen sie bei einem Drink im Salon zusammen, als Kapitän Simpson hereinkam.

«Wann sind wir in Marseille?«fragte Robert ihn.

«Morgen nachmittag. Wenn das Wetter so bleibt«, brummte der Kapitän, ohne Robert eines Blickes zu würdigen.

Robert fand Kapitän Simpsons Art irritierend. Der Mann war ihm gegenüber mürrisch, geradezu unhöflich. Aber er muß ein guter Seemann sein, dachte Robert, sonst hätte Monte ihn nicht angeheuert.

Um 23 Uhr sah Monte auf seine Armbanduhr und sagte zu Susan:»Ich glaube, für uns wird’s allmählich Zeit, Darling.«

Susan sah zu Robert hinüber.»Ja.«

Die drei erhoben sich.

Monte nickte Robert zu.»Ich habe Ihnen ein paar meiner Sachen in die Kabine hängen lassen. Wir haben etwa die gleiche Größe.«

«Danke«, sagte Robert.»Gute Nacht, Susan.«

Robert stand da und sah zu, wie die Frau, die er liebte, den Salon verließ, um mit seinem Rivalen ins Bett zu gehen. Mit deinem Rivalen? Das glaubst du doch selbst nicht! Er ist der Sieger, und du bist der Verlierer.

Schlaflos wälzte sich Robert in seinem Bett und dachte daran, daß die Frau, die er mehr als jeden anderen Menschen liebte, nur wenige Meter von ihm entfernt war.

Liebt Monte sie etwa in diesem Augenblick — oder ist sie allein? Erinnert sie sich an all unsere wundervollen gemeinsamen Erlebnisse? Wahrscheinlich nicht. Nun, wenigstens ist sie mich bald los. Vermutlich sehen wir uns nie wieder… Draußen wurde es schon hell, als er endlich Schlaf fand.

In der SIFAR-Nachrichtenzentrale trafen ständig Positionsmeldungen eines AWACS-Flugzeugs ein, das die Halcyon beschattete. Oberst Cesare wandte sich an Oberst Johnson.»Wirklich schade, daß er uns auf Elba entwischt ist — aber jetzt haben wir ihn! Die Marine stellt uns einen Kreuzer zur Verfügung. Wir warten nur noch die Aufforderung der Halcyon ab, an Bord zu kommen.«

Einundzwanzigster Tag

Am frühen Morgen stand Robert an Deck und starrte auf die ruhige See hinaus. Kapitän Simpson gesellte sich zu ihm.»Guten Morgen. Das Wetter scheint sich zu halten, Mr. Smith.«

«Ja.«

Robert beobachtete, wie Simpson davonging. Warum ist der Mann bloß so unfreundlich?

Er schlenderte nach achtern ans Heck und suchte die Kimm ab. Auch dort war nichts zu sehen, und trotzdem… In der Vergangenheit hatten seine Instinkte ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Er hatte längst gelernt, sich auf sie zu verlassen. Irgend etwas stimmte hier nicht.

Jenseits der Kimm beschattete der italienische Kreuzer Stromboli die amerikanische Jacht.

Als Susan zum Frühstück kam, sah sie blaß und müde aus.»Hast du gut geschlafen, Darling?«fragte Monte.

«Danke, ja«, antwortete Susan.

Sie schlafen also nicht in derselben Kabine! dachte Robert

erfreut. Susan und er hatten immer im selben Bett geschlafen; ihr nackter, weicher Körper hatte sich an seinen geschmiegt und… Großer Gott, ich muß aufhören, so zu denken!

An Steuerbord vor der Halcyon brachte ein Fischkutter seinen Fang ein.

«Möchtet ihr frischen Fisch zum Mittagessen?«fragte Susan. Robert und Monte nickten.

Die Jacht stand schon fast querab des Fischerboots.

Als Kapitän Simpson vorbeikam, fragte Robert:»Wann sind wir voraussichtlich in Marseille?«

«In zwei Stunden.«

In der römischen SIFAR-Nachrichtenzentrale lasen die beiden Obersten einen Funkspruch, der soeben von der Halcyon eingegangen war. Er bestand lediglich aus einem Wort: Jetzt. »Die Position der Jacht?«fragte Oberst Cesare.

«Zwei Stunden vor Marseille mit Kurs auf den Hafen.«

«Die Stromboli soll sie sofort stoppen und ein Prisenkommando an Bord schicken.«

Eine knappe halbe Stunde später schloß der italienische Kreuzer Stomboli mit Höchstfahrt zur Halcyon auf. Susan und Monte standen am Heck der Jacht und beobachteten, wie sich das Kriegsschiff mit schäumender Bugwelle näherte.

«Ahoi, Halcyon!« ertönte eine Stimme aus dem scheppernden Lautsprecher der Brücke des Kreuzers.»Beidrehen! Wir schicken ein Kommando an Bord!«

Susan und Monte wechselten einen Blick. Dann kam Kapitän Simpson auf sie zugehastet.

«Mr. Banks.«

«Ich hab’s gehört. Befolgen Sie die Anweisungen. Beidrehen und Motoren stoppen.«

«Ja, Sir.«

Wenige Minuten später lag die Jacht, ohne Fahrt zu machen, im Wasser. Susan und ihr Mann beobachteten, wie der Kreuzer eine Barkasse mit bewaffneten Matrosen aussetzte.

Zehn Minuten später waren die Italiener übers Fallreep an Bord der Halcyon gelangt.

Der Führer des Prisenkommandos, ein Korvettenkapitän, legte grüßend seine Hand an die Mütze.»Bedaure, daß wir Sie belästigen müssen, Mr. Banks. Meine Regierung hat Grund zu der Annahme, daß Sie an Bord einen steckbrieflich gesuchten Verbrecher verbergen. Wir haben Befehl, Ihr Schiff zu durchsuchen. «

Susan beobachtete, wie die Bewaffneten ausschwärmten, sich über das Deck verteilten und nach unten gingen, um alle Kabinen zu durchsuchen.

Eine halbe Stunde später waren die Matrosen wieder an Deck versammelt.

«Hier an Bord ist er nicht, Korvettenkapitän«, meldete einer der Matrosen.

«Wissen Sie das bestimmt?«

«Ganz bestimmt! Das Schiff hat keine Passagiere an Bord, und wir haben sämtliche Besatzungsmitglieder identifiziert.«

Der Offizier war wie vor den Kopf gestoßen. Seine Vorgesetzten hatten einen schlimmen Fehler gemacht.

Er wandte sich an Monte und Susan.»Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte er.»Tut mir leid, daß wir Sie belästigt haben. Jetzt wollen wir Sie nicht länger stören. «Er grüßte und wandte sich dann ab.

«Korvettenkapitän.«

«Ja?«

«Der Mann, den Sie suchen, ist vor einer halben Stunde an Bord eines Fischkutters geflüchtet. Er müßte leicht einzuholen sein.«

Keine Viertelstunde später nahm die Stromboli Kurs auf Marseille. Der Korvettenkapitän hatte allen Grund, mit sich zufrieden zu sein. Dutzende von Organisationen hatten Commander Robert Bellamy gejagt — und er hatte ihn aufgespürt. Da müßte schon eine außerplanmäßige Beförderung rausspringen, überlegte er sich.

Dann hörte er seinen Namen aus den Schiffslautsprechern — und die Aufforderung, er solle auf die Brücke kommen.

Ist der Fischkutter etwa schon eingeholt? Der Korvettenkapitän eilte auf die Brücke.

«Da, sehen Sie selbst!«forderte der Wachhabende ihn auf.

Und dieser eine Blick genügte, um dem Hochgefühl des Korvettenkapitäns einen vernichtenden Dämpfer zu versetzen. So weit das Auge reichte, war die See vor dem Kreuzer von Marseiller Fischkuttern übersät, die auf ihren Heimathafen zuliefen. Und in einem von ihnen befand sich Commander Bellamy.

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