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Je länger Carlo Valli über diese Sache nachdachte, desto sicherer war er sich, daß hier viel Geld zu verdienen war. Piers Märchen, daß der Amerikaner auf der Flucht vor seiner Frau sei, war ein Witz. Mr. Jones befand sich auf der Flucht — aber vor der Polizei. Wahrscheinlich war eine Belohnung auf seine Ergreifung ausgesetzt. Eine hohe Belohnung. Aber die Sache mußte geschickt eingefädelt werden. Carlo beschloß, mit Mario Lucca, dem Anführer der Diavoli Rossi, darüber zu reden.

Also setzte er sich frühmorgens auf seine Vespa und fuhr in die Via Sorcella hinter der Piazza Garibaldi. Er stieg vor einem heruntergekommenen Wohnhaus ab und drückte auf den Klingelknopf neben einem Pappschild mit dem ungelenk hingekritzelten Namen LUCCA.

«Scheiße, wer ist das?«rief eine verschlafene Stimme aus dem ersten Stock.

«Carlo. Ich muß was mit dir bereden, Mario.«

Der Türöffner summte, und Carlo ging in den ersten Stock hinauf.

Mario Lucca stand nackt in der Wohnungstür. Im Zimmer dahinter sah Carlo ein Mädchen in seinem Bett.

«Was zum Teufel willst du um diese nachtschlafende Zeit von mir?«

«Ich hab’ nicht schlafen können, Mario. Ich bin zu aufgeregt. Ich hab’ ne große Sache, glaub’ ich.«

«Echt? Komm rein.«

Carlo betrat die kleine, unaufgeräumte Wohnung.»Gestern abend hat meine Schwester ‘nen Freier mitgebracht.«

«Und deshalb holst du mich um diese Zeit aus dem Bett?«

«Ja, aber der Kerl ist reich. Und er ist auf der Flucht.«

«Vor wem denn?«

«Das weiß ich nicht. Aber ich krieg’s noch raus. Möglicherweise ist ‘ne Belohnung für ihn ausgesetzt.«

«Warum fragst du nicht einfach deine Schwester?«

Carlo schüttelte den Kopf.»Pier läßt nichts raus. Du solltest das Armband sehen, das er ihr gekauft hat! Mit Smaragden.«

«Ein Armband? Tatsächlich? Wieviel ist’s wert?«

«Das sag’ ich dir noch. Ich will’s heute vormittag verkaufen.«

Lucca überlegte kurz.»Hör zu, Carlo, ich bin dafür, daß wir uns mal mit dem Freund deiner Schwester unterhalten. Was hältst du davon, wenn wir ihn uns in ein paar Stunden schnappen und in den Club mitnehmen?«Der Club war ein leerstehendes Lagerhaus mit einem schalldichten Raum.

Carlo lächelte zustimmend. »Bene. Ich laß mir was einfallen, um ihn aus dem Haus zu locken.«

«Wir erwarten euch«, sagte Lucca.»Er wird singen, verlaß dich drauf. Hoffentlich hat er ‘ne schöne Stimme, weil er für uns singen wird.«

Als Carlo heimkam, war Mr. Jones fort. Carlo mußte sich beherrschen, um nicht in Panik zu geraten.

«Wo ist dein Freund hin?«fragte er Pier.

«Er hat in der Stadt zu tun. Aber er kommt wieder. Warum interessiert dich das?«

Er rang sich ein Lächeln ab.»Bloß so aus Neugier.«

Carlo wartete, bis Mama und Pier in die Küche gingen, um das Mittagessen zu kochen. Dann hastete er in Piers Zimmer. Er fand das Armband unter einigen Wäschestücken versteckt in einer Kommodenschublade, steckte es hastig ein und war schon an der Haustür, als seine Mutter aus der Küche kam.

«Bleibst du nicht zum Essen, Carlo?«

«Nein. Ich muß in die Stadt, Mama. Ich komme später wieder.«

Carlo stieg auf seine Vespa und führ in Richtung Quartiero Spagnolo. Vielleicht ist das Armband mit falschen Steinen besetzt, dachte er. Vielleicht ist’s ja bloß Talmi.

Er stellte den Motorroller vor einem kleinen Juwelierladen ab. Ettore Gambino, der Ladenbesitzer, war ein Sechziger mit schlechtsitzender schwarzer Perücke und einem Mund voll falscher Zähne.

«Ah, guten Morgen, mein Lieber!«begrüßte er Carlo.

«Was hast du heute für mich?«

Carlo holte das Armband aus der Jackentasche und legte es auf den Ladentisch.»Das hier.«

Gambino griff danach. Während er es begutachtete, wurden seine Augen immer größer.»Wo hast du das her?«

«Meine reiche Tante ist gestorben und hat’s mir vererbt. Ist es was wert?«

«Schon möglich«, antwortete Gambino vorsichtig.

«Erzähl’ mir keinen Scheiß!«

Gambino spielte den Gekränkten.»Hab’ ich dich jemals betrogen?«

«Ständig.«

«Immer zu kleinen Scherzen aufgelegt, was? Hör zu, Carlo, ich weiß nicht, ob ich dieses Stück allein unterbringen kann. Es ist sehr wertvoll.«

Carlos bekam feuchte Hände.»Ohne Scheiß?«

«Ich muß sehen, ob ich’s irgendwo unterbringen kann. Ich ruf dich heute abend an.«

«Okay«, sagte Carlo und steckte das Armband wieder ein.

Als er den Laden verließ, ging er wie auf Wolken. Ich habrecht gehabt! Der Kerl ist nicht nur reich, sondern auch verrückt. Wie käme er sonst auf die Idee, einer Nutte ein so teures Armband zu schenken?

Gambino sah dem jungen Mann kopfschüttelnd nach. Verdammt noch mal, worauf haben die Idioten sich diesmal eingelassen? dachte er. Unter dem Ladentisch holte er ein Rundschreiben hervor, das alle Juweliere und Pfandleiher bekommen hatten. Es enthielt eine Beschreibung des Smaragd-armbands, das er eben gesehen hatte — aber wo sonst eine Telefonnummer im Polizeipräsidium angegeben war, stand hier neben einer anderen Nummer der Vermerk: Sofort SIFAR benachrichtigen!

Ein gewöhnliches Rundschreiben der Polizei hätte Gambino ignoriert, aber mit der SIFAR war nicht zu spaßen. Also griff er widerstrebend nach dem Telefon und wählte die angegebene Nummer.

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