Ich werde langsam zu alt für diesen Job, dachte Robert müde. Beinahe hätte ich seine Geschichte mit der Fliegenden Untertasse für bare Münze genommen.
Hans Beckermann starrte verwirrt auf den zerfetzten Ballonstoff im Gras.»Da will uns jemand verarschen! Das… das ist nicht die Fliegende Untertasse!«
«Allerdings nicht«, bestätigte Robert seufzend.
Beckermann schüttelte den Kopf.»Gestern war sie noch da.«
«Vermutlich sind Ihre kleinen grünen Männchen damit weggeflogen.«
Hans Beckermann blieb stur.»Nein, nein! Sie sind beide tot gewesen.«
Robert ging zu dem Ballon, um ihn aus der Nähe zu untersuchen. In der metallisierten Hülle von mindestens zehn Metern Durchmesser befanden sich mehrere gezackte Risse, als sei der Ballon geplatzt oder beim Absturz in Bäume geraten. Von den Instrumenten fehlte jede Spur — General Hilliard hatte ja auch gesagt, daß sie von den Schweizer Behörden geborgen worden waren. Ich kann die Bedeutung der Objekte in der Ballongondel nicht genug unterstreichen, Commander.
In dem nassen Gras machte Robert einen Rundgang um den verwaisten Ballon, suchte nach irgend etwas, das ihm einen Anhaltspunkt hätte geben können… Nichts. Dieser Ballon sah genau so aus wie die fünf oder sechs anderen Wetterballone, die er in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte.
Und Beckermann in seiner typisch teutonischen Sturheit war noch immer nicht bereit, seinen Irrtum einzusehen.»Die außerirdischen Wesen… Die haben ihr Raumschiff einfach in was anderes verwandelt. Die können nämlich alles, wissen Sie.«
Hier ist nichts weiter zu finden, entschied Robert. Da das feuchte Gras ziemlich hochstand, waren mittlerweile nicht nur seine Socken, sondern auch seine Hosenbeine naß. Als er sich gerade abwenden wollte, fiel ihm etwas ein und er blieb neben dem Ballon stehen.»Heben Sie den Stoff mal kurz hoch?«
Beckermann starrte ihn überrascht an.»Ich soll ihn hochheben?«
«Ja, bitte.«
Der Schweizer zuckte mit den Schultern, griff nach dem Rand der leichten Ballonhülle und hob ihn hoch, so daß Robert in gebückter Haltung unter den Stoff treten konnte. Er stemmte die Hülle mit beiden Händen von seinem Kopf weg und ging unter ihr in Richtung Ballonmitte. Seine Füße versanken im
Gras.»Hier drunter ist’s naß!«rief Robert.
«Natürlich! Gestern hat’s ja auch den ganzen Tag geregnet. Der Boden ist überall naß.«
Robert kam wieder unter der Ballonhülle hervor.»Hier drunter müßte er aber trocken sein.«Verrücktes Wetter, hatte der Pilot der C-20A gesagt. Sonntags war’s sonnig… Und an diesem Sonntag war der Wetterballon abgestürzt!
«Wie ist das Wetter gewesen, als Sie das UFO gesehen haben?«fragte er Beckermann.
«Ziemlich schön, würde ich sagen. Die Sonne hat den ganzen Tag geschienen.«
«Aber gestern hat’s den ganzen Tag geregnet?«
Der Busfahrer starrte ihn verständnislos an.»Und?«
«Hätte der Ballon die ganze Nacht hier gelegen, müßte der Boden darunter trocken sein — oder im ungünstigsten Fall etwas feucht. Aber das Gras unter der Hülle ist genau so naß wie hier draußen.«
Beckermann schüttelte den Kopf.»Das ist mir zu hoch. Was bedeutet das?«
«Es könnte bedeuten«, antwortete Robert vorsichtig,»daß irgend jemand gestern, nachdem der Regen eingesetzt hatte, das von Ihnen beobachtete UFO abtransportiert und dafür diesen Ballon ausgelegt hat.«
«Aber wer würde so was Verrücktes tun?«
Keineswegs so verrückt, überlegte Robert sich. Die Schweizer Behörden könnten diesen Wetterballon hier plaziert haben, um Neugierige zu täuschen. Er stapfte erneut durchs nasse Gras, suchte den Boden nach Spuren ab und verwünschte seine idiotische Leichtgläubigkeit.
Hans Beckermann beobachtete ihn mißtrauisch.»Für welches Magazin schreiben Sie gleich wieder, Herr Smith?«
«Travel and Leisure.«
Beckermanns verdrossene Miene hellte sich auf.»Oh, dann wollen Sie mich bestimmt auch fotografieren — wie der andere
Kerl.«
Robert stockte der Atem.
«Wer?«
«Der Fotograf, der uns an der Absturzstelle aufgenommen hat. Er hat uns versprochen, jedem ein Bild zu schicken.«
«Augenblick!«sagte Robert langsam.»Soll das heißen, daß jemand die Fahrgäste hier vor dem UFO fotografiert hat?«
«Sie sagen es.«
«Und er hat versprochen, jedem von ihnen ein Bild zu schik-ken?«
«Richtig.«
«Dann muß er sich alle Namen und Adressen aufgeschrieben haben.«
«Natürlich — woher sollte er sonst wissen, wohin er die Bilder schicken muß?«
Robert stand reglos da. Viktoria! Robert, du alter Hundesohn, du hast wieder mal Glück gehabt! Der unmögliche Auftrag war mit einem Schlag zu einem Kinderspiel geworden.»Gehörte der Fotograf zu den Fahrgästen, Herr Beckermann?«
Der Fahrer schüttelte den Kopf.»Nein. «Er deutete in Richtung Straße.»Er hatte eine Panne gehabt. Sein Wagen stand am Straßenrand, und ein Abschleppwagen wollte ihn gerade auf den Haken nehmen, als es plötzlich laut gekracht hat. Der Mann ist über die Straße gelaufen, um nachzusehen, was passiert war. Als er die Fliegende Untertasse gesehen hat, ist er zurückgerannt und hat seine Ausrüstung geholt. Und dann hat er uns alle vor diesem Ding fotografiert.«
«Hat er Ihnen seinen Namen genannt?«
«Nein.«
«Können Sie mir sonst irgend etwas über ihn sagen?«
Der Busfahrer überlegte.»Er war Ausländer. Amerikaner oder Engländer.«
«Und der Abschleppwagen ist gerade dabeigewesen, seinen Wagen mitzunehmen?«
«Richtig.«
«Wissen Sie noch, in welche Richtung er weggefahren ist?«
«Nach Norden, wahrscheinlich nach Bern. Thun wäre viel näher gewesen, aber dort hat sonntags keine Werkstatt offen.«
Robert grinste zufrieden.»Vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen.«
«Sie vergessen nicht, mir Ihren Artikel zu schicken, wenn er rauskommt?«
«Keine Angst, Sie bekommen ihn. Hier ist Ihr Honorar — und hundert Franken extra, weil Sie mir wirklich sehr geholfen haben. Jetzt fahre ich Sie nach Hause. «Die beiden Männer gingen zum Wagen zurück. Bevor sie einstiegen, meinte der Schweizer:
«Sie sind sehr großzügig. «Dann zog er einen Gegenstand aus seiner Jackentasche und reichte ihn Robert. Es war ein rechteckiges Metallstück in der Größe eines Taschenfeuerzeugs, das einen winzigen weißen Kristall umschloß.
«Das habe ich am Sonntag im Gras gefunden, bevor wir zum Bus zurückgegangen sind.«
Robert begutachtete den seltsamen Gegenstand. Das Metallstück war federleicht und sandfarben. Eine Bruchkante ließ darauf schließen, daß es Teil eines größeren Ganzen gewesen sein mußte. Bestandteil der Ausrüstung des Wetterballons. Oder Bestandteil eines UFOs?
«Vielleicht bringt’s Ihnen Glück«, sagte Beckermann, während er Roberts fünf Hunderter in seiner Geldbörse verstaute.»Bei mir hat’s jedenfalls funktioniert!«Mit einem breiten Grinsen stieg er ein.
Nun wurde es Zeit, sich die entscheidende Frage vorzulegen: Glaube ich wirklich an UFOs? Robert Bellamy hatte Dutzende von wilden Pressemeldungen über Leute gelesen, die behaupteten, sie seien von UFOs entführt worden und hätten alle möglichen unheimlichen Erlebnisse gehabt. Er hatte solche Berichte stets damit abgetan, daß diese Leute entweder publicitysüchtig waren oder einen guten Psychiater brauchten. Doch in den letzten Jahren hatte es Meldungen gegeben, die sich weniger leicht vom Tisch wischen ließen: Berichte über UFOBeobachtungen von Astronauten, Luftwaffenpiloten und Polizeibeamten — alles glaubhafte, bestimmt eher publicityscheue Augenzeugen.
Dazu kam die beunruhigende Meldung über einen UFOAbsturz bei Roswell, New Mexico, wo Leichen außerirdischer Wesen gefunden worden sein sollten. Wie es hieß, hatten staatliche Stellen den Leichenfund vertuscht und sämtliche Beweise verschwinden lassen. Bereits im Zweiten Weltkrieg hatten amerikanische Piloten seltsame Objekte beobachtet — sogenannte Foo Fighters, unidentifizierte Flugobjekte, die sie anflogen und dann spurlos verschwanden.
Was wäre, wenn die Erde tatsächlich von UFOs mit Lebewesen aus anderen Galaxien besucht würde? dachte Robert. Wie würde sich das auf unsere Welt auswirken? Würde es Krieg oder Frieden bedeuten? Oder das Ende unserer Zivilisation in ihrer jetzigen Form?
Im tiefsten Innern seines Herzens hoffte Robert, es würde sich herausstellen, daß Hans Beckermann geisteskrank und das abgestürzte Flugobjekt wirklich ein Wetterballon gewesen sei. Er würde mindestens einen weiteren Zeugen finden müssen, der Beckermanns Aussage bestätigen oder widerlegen konnte.
Weshalb bin ich um sechs Uhr morgens zur National Security Agency beordert worden und habe den Auftrag erhalten, alle Augenzeugen so rasch wie möglich ausfindig zu machen, wenn angeblich doch nur ein Wetterballon abgestürzt ist? Soll hier etwas vertuscht werden? Und wenn ja… was?