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Dreizehnter Tag Washington, D.C.

Der Senat der Vereinigten Staaten war zu einer Plenarsitzung zusammengetreten. Das Wort hatte der zweite Senator aus Utah.

«… und wie mit der Umwelt umgegangen wird, ist eine nationale Schande. Es wird Zeit, daß dieses Hohe Haus erkennt, daß es seine Pflicht ist, das uns von unseren Vorfahren anvertraute kostbare Erbe zu bewahren. Luft, Land und Meer müssen vor unverantwortlichen Elementen geschützt werden, die Raubbau an der Natur betreiben, weil ihnen ihre wirtschaftlichen Interessen wichtiger sind, als die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.«

Auf der Besuchertribüne sah Kevin Parker zum dritten Mal innerhalb von fünf Minuten auf seine Uhr und fragte sich, wie lange diese Rede noch dauern würde. Er ließ sie nur deshalb über sich ergehen, weil er den Senator, der ihm einen Gefallen tun mußte, zum Mittagessen eingeladen hatte.

So fing alles an.

Endlich kam der Senator aus Utah zum Schluß.»… und ich erkläre Ihnen jetzt, daß wir dieses Gesetz verabschieden müssen, wenn wir einen Rest unserer Umwelt retten wollen. Deshalb beantrage ich namentliche Abstimmung.«

Gott sei Dank! Die quälend lange Sitzung näherte sich ihrem Ende. Kevin Parker dachte an den Abend, der vor ihm lag, und spürte, daß er eine Erektion bekam. Am Abend zuvor hatte er in Danny’s» P «Street Station, einer bekannten Schwul enbar, einen jungen Mann kennengelernt, der leider in Begleitung gewesen war. Aber sie hatten mehrmals Blickkontakt gehabt, und bevor Parker gegangen war, hatte er einen kleinen Zettel geschrieben und dem jungen Mann in die Hand gedrückt. Auf dem Zettel hatte nur Morgen abend gestanden. Der Junge hatte ihn lächelnd angesehen und genickt.

Kevin Parker zog sich hastig zum Ausgehen um. Er mußte schon vor dem Jungen in der Bar sein. Der junge Mann war viel zu attraktiv, und Parker fürchtete, daß ihn jemand anderer abschleppen könnte. Dann klingelte es an seiner Wohnungstür. Scheiße! Parker machte auf.

Draußen stand ein Fremder.»Kevin Parker?«

«Ja.«

«Mein Name ist Bellamy. Ich hätte Sie gern einen Augenblick gesprochen. Es geht um Ihre Schweizreise vor neun Tagen.«

«Meine Reise in die Schweiz? Was ist damit?«

«Meine Dienststelle interessiert sich für einige der Leute, die Sie dort kennengelernt haben könnten. «Robert zeigte einen CIA-Ausweis vor.

«Sie haben doch von Zürich aus eine Busrundfahrt gemacht, nicht wahr?«

Darum geht ’s also! Um die Sache mit der Fliegenden Untertasse. Das Verrückteste, was ich in meinem Leben gesehen habe.»Sie interessieren sich für das UFO, stimmt’s?«

«Zweifellos, aber meine Dienststelle glaubt offen gesagt nicht an Fliegende Untertassen. Ich habe den Auftrag, Sie wegen Ihrer Mitreisenden im Bus zu befragen.«

Parker war verblüfft.»Oh… Tut mir leid, aber da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Im Bus sind lauter Fremde mitgefahren.«

«Das ist mir klar, Mr. Parker«, meinte Robert geduldig,»aber irgend etwas an ihnen muß Ihnen doch im Gedächtnis haften geblieben sein.«

Kevin Parker zuckte mit den Schultern.»Na ja, ein paar

Kleinigkeiten… Ich weiß noch, daß ich kurz mit einem Engländer gesprochen habe, der uns fotografiert hat.«

Leslie Mothershed.»An wen erinnern Sie sich sonst noch?«

«Ich habe auch ein paar Worte mit einer jungen Russin gewechselt. «

Olga Romantschenko.»Ausgezeichnet! Fällt Ihnen noch jemand ein, Mr. Parker?«

«Nein, das ist so ziemlich alles, was… oh, jetzt erinnere ich mich an zwei weitere Männer. Einer ist Amerikaner gewesen — aus Texas.«

Daniel Wayne.»Und der andere?«

«Der andere war Ungar. Er sagte, er sei Schausteller. Er hat einen Zirkus oder eine Kuriositätenschau oder irgendwas in dieser Art. «Parker runzelte die Stirn und dachte kurz nach.»Richtig, eine Kuriositätenschau, die er auf Jahrmärkten vorführt. Das UFO hat ihn natürlich sehr interessiert. Am liebsten hätte er’s mitgenommen, um es in seiner Kuriositätenschau auszustellen. Es hat wirklich sehr merkwürdig ausgesehen, das gebe ich zu. Ich hätte meine Beobachtung gemeldet, aber ich kann’s mir nicht leisten, mit all den Verrückten, die Fliegende Untertassen gesehen haben wollen, in einen Topf geworfen zu werden.«

«Hat er zufällig seinen Namen genannt?«

«Ja, aber das ist einer dieser unaussprechlichen ausländischen Namen gewesen. Ich hab’ ihn leider nicht behalten.«

«Fällt Ihnen sonst noch was zu ihm ein?«

«Nur daß er’s plötzlich eilig gehabt hat, nach Ungarn zurückzukommen. «Parker sah auf seine Uhr.»Kann ich sonst noch was für Sie tun, Mr. Bellamy? Ich bin schon ziemlich spät dran.«

«Danke, das war’s, Mr. Parker. Sie haben uns sehr geholfen.«

Robert Bellamy rief General Hilliard an.»Mein Auftrag ist so gut wie abgeschlossen, General. Ich habe Kevin Parker aufgespürt. Er ist Lobbyist in Washington, D.C. Jetzt bin ich unterwegs, um den letzten Busreisenden zu überprüfen.«

«Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen«, lobte General Hilliard.»Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Commander. Melden Sie sich, so rasch Sie können.«

«Ja, Sir.«

BLITZMELDUNG

TOP SECRET ULTRA NSA AN DIREKTOR CIA PERSÖNLICH 1. AUSFÜHRUNG VON 1 AUSFÜHRUNG(EN)

BETREFF: OPERATION DOOMSDAY

9. KEVIN PARKER — WASHINGTON, D.C.

TEXTENDE

Als Kevin Parker hereinkam, herrschte in Danny’s» P «Street Station noch mehr Betrieb als am Abend zuvor. Die älteren Gäste trugen konservative Anzüge, während die meisten jüngeren Männer Jeans, Blazer und Stiefel bevorzugten. Die wenigen, die in schwarzer Ledermontur erschienen waren, wirkten ziemlich fehl am Platz, fand Parker. Ledertypen waren nicht sein Fall.

Der hübsche Junge war noch nicht da. Kevin Parker trat an die Bar, bestellte einen Drink und sah sich um. Auf den Fernsehschirmen an den Wänden liefen MTV-Programme. Die jüngeren Männer nahmen möglichst attraktive Posen ein, während die älteren Männer — die Käufer — sie begutachteten und dann ihre Wahl trafen.

Kevin Parker hörte sich mit halbem Ohr an, was um ihn herum geredet wurde. Erstaunlicherweise waren es immer die gleichen Gespräche — ob in Lederbars, Tanzbars, Videobars oder Untergrundclubs, die wöchentlich ihren Standort wechsel-ten.

«Bist du ein Oberer oder Unterer?«

«Ein Oberer. Ich sage, was Sache ist, Mädchen. «Dazu ein Fingerschnalzen.

«Gut. Ich passe mich gern an…«

«Er hat mich echt fertiggemacht. Er hat einfach dagestanden und mich kritisiert. mein Gewicht, meinen Teint, meine Einstellung. >Mary, mit uns ist Schlußc, hab’ ich gesagt. Aber es hat wehgetan. Deshalb bin ich heute hier… um ihn zu vergessen. Kann ich noch ‘nen Drink haben…?«

Kurz nach ein Uhr kam der Junge herein. Er sah sich um, erblickte Parker und ging auf ihn zu. Der Junge war noch schöner, als Parker ihn in Erinnerung hatte.

«Hallo.«

«Hallo. Tut mir leid, daß ich mich verspätet habe.«

«Macht nichts. Auf dich hab’ ich gern gewartet.«

Der Junge nahm sich eine Zigarette und wartete, bis Parker ihm Feuer gab.

«Darf ich dich zu einem Drink einladen?«

«Wenn’s dich glücklich macht.«

Parker lächelte.»Bist du daran interessiert, mich glücklich zu machen?«

Der Junge sah ihm in die Augen und sagte leise:»Ich glaube schon.«

«Ich habe den Mann gesehen, mit dem du gestern hier gewesen bist. Er ist nicht der Richtige für dich.«

«Aber du bist der Richtige für mich?«

«Schon möglich. Wollen wir’s nicht ausprobieren?«

«Warum nicht?«

Parker fühlte, wie seine Erregung wuchs.»Ich weiß da ein verschwiegenes Apartment, in dem wir ganz allein sein würden. «

«Gut, dann verzichte ich auf den Drink.«

Als sie gerade auf den Ausgang zugingen, flog plötzlich die Tür auf, und zwei große junge Männer stürmten herein. Sie bauten sich vor dem Jungen auf und vertraten ihm den Weg.»Da bist du also, du Dreckskerl!«knurrte der eine.»Wo ist das Geld, das du mir schuldest?«

Der Junge sah verwirrt zu ihm auf.»Welches Geld? Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest! Wie soll ich dir Geld schulden, wenn ich dich gar nicht.«

«Den Scheiß kannst du dir sparen!«Der Mann packte ihn an der Schulter und schob ihn vor sich her auf die Straße hinaus.

Parker kochte vor Wut, aber er konnte es sich nicht leisten, in einen Vorfall verwickelt zu werden, der sich zu einem Skandal auswachsen konnte. Deshalb blieb er stehen und sah zu, wie der Junge in der Nacht verschwand.

Der zweite Mann lächelte Kevin Parker mitfühlend zu.»Du solltest bei der Auswahl deiner Freunde vorsichtiger sein. So einer wie der bringt dich bloß in Schwierigkeiten.«

Parker betrachtete den jungen Mann genauer. Er war blond und äußerst attraktiv. Parker hatte plötzlich das Gefühl, daß dies vielleicht doch kein verlorener Abend war.»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte er zu.

«Man weiß nie, was das Schicksal für uns parat hat, nicht wahr?«Der Mann blickte Parker in die Augen.

«Ja, das stimmt. Ich heiße Tom. Und du?«

«Paul.«

«Darf ich dich zu einem Drink einladen, Paul?«

«Ja, gern.«

«Hast du heute nacht schon was Bestimmtes vor?«

«Das hängt ganz von dir ab.«

«Möchtest du die Nacht mit mir verbringen?«

«Das könnte ganz reizvoll sein.«

«Wieviel?«

«Du gefällst mir. Für dich zweihundert.«

«Das scheint angemessen.«»Das ist es auch. Du wirst’s nicht bereuen.«

Eine halbe Stunde später führte Paul Kevin Parker in ein altes Apartmentgebäude in der Jefferson Street. Sie gingen in den zweiten Stock hinauf und betraten ein winziges Apartment. Parker sah sich um.»Nicht gerade luxuriös, was?«

Paul grinste.»Schließlich brauchen wir bloß das Bett.«

«Da hast du recht. Willst du dich nicht schon mal ausziehen? Ich möchte sehen, was ich kaufe.«

«Klar. «Paul begann sich auszuziehen. Er hatte einen wundervollen Körper.

Parker beobachtete ihn wortlos.

«Zieh dich auch aus«, flüsterte Paul.»Beeil dich, ich will dich!«

«Ich will dich auch. «Parker begann seine Kleidung abzustreifen.

«Was magst du lieber?«fragte Paul.»Hüften oder Lippen?«

«Am liebsten einen >Cocktail<. Schließlich haben wir die ganze Nacht lang Zeit.«

«Klar. Ich muß nur mal schnell ins Bad«, sagte Paul.»Bin gleich wieder da.«

Parker streckte sich mit geschlossenen Augen nackt auf dem Bett aus und träumte von den Freuden des Leibes, die ihn erwarteten. Dann hörte er, wie der junge Mann das Bad verließ und barfuß näher kam.

Er streckte die Arme aus.»Komm zu mir, Paul«, sagte er.

«Ich komme.«

Parker spürte namenlose Schmerzen, als das Messer sich in seinen Körper bohrte. Verzweifelt riß er die Augen auf und keuchte:»Mein Gott, was…?«

Paul zog sich wieder an.»Wegen des Geldes mach dir keine Sorgen«, sagte er.»Geht alles auf Kosten des Hauses.«

BLITZMELDUNG

TOP SECRET ULTRA CIA AN DIREKTOR NSA PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN) BETREFF: OPERATION DOOMSDAY

9. KEVIN PARKER — LIQUIDIERT TEXTENDE

Robert Bellamy hörte die Morgennachrichten nicht mehr, weil er bereits in einem Flugzeug nach Ungarn saß, um einen Mann zu finden, dem eine Kuriositätenschau gehörte.

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