6


Die schwere Limousine wartete auf dem Parkplatz am Ausgang zum Potomac River.

«Kann’s losgehen, Commander?«fragte Hauptmann Dougherty.

Ich bin so bereit, wie ich ’s jemals sein werde, dachte Robert.»Ja.«

Der Hauptmann fuhr ihn zu seiner Wohnung. Wie lange braucht man für einen unmöglichen Auftrag? fragte sich Robert. Er packte genügend Sachen für eine Woche und legte im letzten Augenblick noch ein gerahmtes Photo von Susan in den Koffer. Ob sie sich wohl in Brasilien amüsierte? Hoffentlich nicht! Hoffentlich ist’s dort gräßlich! dachte er. Und schämte sich augenblicklich für diesen Gedanken.

Als die Limousine mit den beiden Offizieren aufs Vorfeld der Andrews Air Force Base rollte, stand sein Flugzeug schon bereit. Es war eine C-2oA, ein Jet der USAF.

Hauptmann Dougherty reichte ihm die Hand.»Viel Glück, Commander.«

«Danke.«Ich werd’s brauchen. Robert stieg die Fluggasttreppe zur Kabine hinauf. Die Besatzung- Pilot, Copilot, Navigator und Steward, alle in USAF-Uniform — war schon an Bord und überprüfte die Maschine vor dem Start. Robert kannte dieses mit Elektronik vollgestopfte Flugzeug. Außen am Rumpf war in der Nähe des Leitwerks eine HF-Antenne angebracht, die an eine riesige Angelrute erinnerte. An den Kabinenwänden befanden sich zwölf rote Telefone — und ein weißer Apparat für unverschlüsselte Gespräche. Die Kabine war mit bequemen Clubsesseln ausgestattet.

Als der Pilot ihn begrüßte, wurde Robert Bellamy gewahr, daß er der einzige Passagier war.»Willkommen an Bord, Commander. Wenn Sie sich bitte gleich anschnallen wollen… Wir starten in wenigen Minuten.«

Robert schnallte sich an und lehnte sich behaglich in seinem Sessel zurück, während die Maschine zum Start rollte. Eine Minute später spürte er den vertrauten Druck, als das Flugzeug mit aufheulenden Triebwerken beschleunigte und abhob. Seit seinem Absturz hatte er nicht mehr am Steuerknüppel einer Maschine gesessen.

Vietnam. Korvettenkapitän Robert Bellamy hatte auf dem Flugzeugträger Ranger vor der vietnamesischen Küste Dienst getan und war für die Weiterbildung von Jagdbomberpiloten und die Einsatzplanung verantwortlich gewesen. Da er gleichzeitig Chef einer Jabo-Staffel von A-6A Intruders war, hatte er kaum eine ruhige Minute gehabt. Einen seiner wenigen Erholungsurlaube hatte er in Bangkok verbracht und war in dieser Woche praktisch nicht zum Schlafen gekommen.

Bangkok war damals ein ausschließlich auf männliche Bedürfnisse zugeschnittenes Disneyland. Bereits in der ersten Stunde seines Aufenthalts lernte Robert eine bildhübsche Thailänderin kennen, die nicht mehr von seiner Seite wich.

Als er auf die Ranger zurückkehrte, erschien ihm Bangkok wie ein ferner Traum. Der Krieg war die Realität, eine grausige Realität. Irgend jemand zeigte ihm eines der Flugblätter, die von Flugzeugen der Marineinfanterie über Vietnam abgeworfen wurden. Der Text lautete:

LIEBE BÜRGER!

U. S. Marines kämpfen in Duc Pho an der Seite vietnamesischer Regierungstruppen, damit das vietnamesische Volk ein freies, glückliches Leben ohne Angst vor Hunger und Leid führen kann. Viele Vietnamesen haben jedoch ihr Leben verloren und ihre Häuser sind zerstört worden, weil sie den Vietkong unterstützt haben.

Die Dörfer Hai Mon, Hai Tan, Sa Binh, Ta Binh und viele andere sind aus diesem Grund zerstört worden. Wir werden nicht zögern, jeden Ort zu zerstören, der den Widerstand des Vietkong gegen die Regierungstruppen und ihre Verbündeten unterstützt. Ihr habt die Wahl! Wenn ihr euch weigert, eure Dörfer durch den Vietkong als Aufmarschgebiet mißbrauchen zu lassen, rettet ihr damit eure Häuser und euer Leben.

Klar, wir retten diese armen Schweinehunde, dachte Robert grimmig. Wir zerstören bloß ihr Land.

Der Flugzeugträger Ranger war mit modernster Technik und Elektronik ausgestattet. Als Chef der Intruder-Staffel war Korvettenkapitän Bellamy für 16 Flugzeuge, 40 Offiziere und 350 Unteroffiziere und Mannschaftsangehörige verantwortlich. Die Einsatzpläne wurden an jedem Tag drei bis vier Stunden vor dem ersten Start ausgegeben.

In der Einsatzplanung im Nachrichtenzentrum der Ranger erhielten die Bombenschützen die neuesten Zielinformationen und Luftaufnahmen, um ihre Angriffsrouten festlegen zu können.

«Jesus, heute haben wir’s wieder gut erwischt!«meinte Edward Whittaker, Roberts Bomberschütze.

Im Gegensatz zu seinem Vater, dem Admiral, der stets unnahbar und respekteinflößend wirkte, war sein Sohn aufgeschlossen, umgänglich und herzlich. Edward hatte sich seinen Platz als» einer der Jungs «verdient. Er war der beste Bombenschütze der A-6-Staffel, und Robert und er waren gute Freunde geworden.

«Wohin müssen wir denn?«fragte Robert.

«Als Strafe für unsere Sünden haben wir Planquadrat sechs gezogen.«

Das war das gefährlichste Zielgebiet. Ihr Flug würde in nördliche Richtung nach Hanoi, Haiphong und weiter ins Mündungsgebiet des Roten Flusses führen, wo das Flakfeuer am heftigsten war.

Robert hatte 34 Jabo-Einsätze von der Ranger aus geflogen, ohne auch nur einen schweren Treffer zu erhalten.

Sein 35. Einsatz würde in Planquadrat sechs führen.

Sie flogen nach Nordwesten in Richtung Phu Tho und Yen Bai, und das Flakfeuer wurde immer heftiger. Edward Whittaker, der rechts neben Robert saß, starrte auf den Radarschirm und horchte auf das bedrohliche Brummen feindlicher Feuerleitradare, die den Himmel absuchten.

Weiße Rauchstreifen von kleinkalibriger Flak, dunkelgraue Sprengwolken von 57-mm-Granaten, schwarze Wattebäusche von 100-mm-Granaten und Leuchtspurgeschosse schwerer MGs überzogen den Himmel. Der Anblick erinnerte die beiden Männer an ein Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag.

«Ziel erfaßt!«meldete Edward. Seine Stimme im Kopfhörer des Piloten klang geisterhaft weit entfernt.

«Roger.«

Die A-6A-Intruder flog mit 450 Knoten. Bei dieser Geschwindigkeit ließ sie sich trotz des Gewichts und des Widerstands ihrer Bombenlast erstaunlich gut steuern und war zu schnell, als daß die feindliche Flak sie hätte erfassen können.

Mit seiner linken Hand betätigte Edward den Hauptschalter des Bombenzielgeräts. Jetzt waren die zwölf 225-kg-Bomben abwurfbereit. Die Intruder lag genau auf Zielkurs.

Dann sagte eine Stimme in Roberts Kopfhörer:»Achtung, Romeo! Bandit bei vier Uhr hoch!«

Robert sah sich um. Eine gegnerische MiG stürzte sich aus der Sonne kommend auf sie. Er ließ die A-6A über den linken Flügel abkippen und leitete einen steilen Sturzflug ein. Die MiG saß ihnen im Nacken; dann schoß ihr Pilot eine radargesteuerte Jagdrakete ab. Robert kontrollierte seine Anzeigen. Die Luft-Luft-Rakete kam rasch näher. Noch 800 Meter… 600 Meter… 400 Meter…

«Scheiße, worauf wartest du noch?«brüllte Edward.

In letzter Sekunde stieß Robert eine Düppelwolke aus und riß die Intruder in einer Steilkurve hoch, so daß die Jagdrakete die Düppel verfolgte und harmlos in Bodennähe detonierte.

«Danke, lieber Gott«, sagte Edward leise.»Und dir auch, Kumpel.«

Robert stieg weiter und setzte sich hinter die MiG. Der verblüffte Pilot leitete ein Ausweichmanöver ein, aber dafür war es schon zu spät. Robert schoß eine Sidewinder ab und beobachtete, wie seine Rakete im Triebwerk der MiG detonierte. Im nächsten Augenblick regnete es vor ihnen glühende Metallteile vom Himmel.

«Gut gemacht, Romeo!«stellte die Stimme in ihren Kopfhörern anerkennend fest.

Dann war die Intruder im Zielgebiet.»Jetzt geht’s los!«sagte Edward. Er drückte auf den roten Knopf, der die Bomben auslöste, und beobachtete, wie sie ins Ziel fielen. Auftrag ausgeführt! Robert ging auf Kurs zurück zum Träger.

In diesem Augenblick spürten beide einen heftigen Schlag. Der schnelle, bewegliche Jagdbomber wurde plötzlich schwerfällig.

«Uns hat’s erwischt!«rief Edward.

Beide Feuerwarnleuchten blinkten rot. Die A-6A machte erratische Bewegungen, war kaum noch steuerbar.

«Romeo, hier Tiger«, meldete sich eine andere Stimme über Funk.»Sollen wir euch Feuerschutz geben?«

Robert traf eine blitzschnelle Entscheidung.»Danke, wir kommen allein zurecht. Ich versuche zurückzufliegen.«

Die Maschine war langsamer geworden und ließ sich nur mit Mühe steuern.

«Schneller«, verlangte Edward nervös,»sonst kommen wir zu spät zum Mittagessen!«

Robert sah auf den Höhenmesser, dessen Nadel rasch fiel.»Basis, hier Romeo. Wir haben ‘nen Treffer abgekriegt.«

«Romeo, hier Basis. Wie schlimm sieht’s aus?«

«Schwer zu sagen. Ich glaube, daß ich’s bis zurück schaffe.«

«Augenblick. «Sekunden später meldete die Stimme sich wieder.»Sie haben Charlie bei Ankunft.«

Das bedeutete die Freigabe zur sofortigen Landung auf dem Flugzeugträger.

«Roger.«

«Alles Gute!«

Die Intruder begann zu gieren. Robert kämpfte dagegen an und versuchte, Höhe zu gewinnen.»Los, komm schon, Baby, du schaffst es!«Aber sie verloren zuviel Höhe.»Unsere voraussichtliche Ankunftszeit?«

Edward sah auf seine Karten und rechnete.»Bei dieser Geschwindigkeit in vierzehn Minuten.«

«Okay, du sollst dein Mittagessen pünktlich kriegen.«

Robert hielt die Maschine unter Einsatz seines ganzen Könnens in der Luft und versuchte, sie mit Seitenruder und Leistungshebeln auf geradem Kurs zu halten. Die Höhenmessernadel fiel noch immer. Dann sah er endlich weit vor ihnen die blau glitzernden Gewässer des Golfs von Tonking.

«Gleich haben wir’s geschafft, Kumpel«, sagte Robert.»Nur noch ein paar Minuten.«

«Riesig! Ich hab’ nie bezweifelt, daß du…«

Und dann waren sie da: zwei scheinbar aus dem Nichts kommende MiGs. Feuerstöße aus ihren Maschinenkanonen zerfetzten den Rumpf der flügellahmen Intruder.

«Eddie! Aussteigen!«Er sah zu seinem Bombenschützen hinüber. Edward hing regungslos in seinem Gurtzeug. Seine rechte Seite war aufgerissen, und die Cockpitverglasung vor ihm war voller Blut.

«Nein!«kreischte Robert.

Dann spürte er plötzlich einen lähmenden Schlag gegen die Brust. Seine Fliegerkombi war sofort blutdurchtränkt. Die Maschine geriet ins Trudeln. Robert spürte, daß er das Bewußtsein verlor, umklammerte mit letzter Kraft den Auslösegriff seines Schleudersitzes und blickte noch einmal zu Eddie hinüber.»Tut mir leid«, murmelte er.

Er konnte sich später nicht mehr erinnern, wie er mit dem Schleudersitz ausgestiegen und am Fallschirm im Wasser gelandet war. Über ihm kreiste ein SH-3A-SeaKing des Flugzeugträgers Yorktown, um ihn an Bord zu nehmen. In der Ferne waren chinesische Dschunken zu sehen, die sich auf die Absturzstelle zubewegten… doch sie sollten sie diesmal zu spät erreichen.

Als Robert in den Rettungshubschrauber gehievt wurde, warf ein Sanitäter einen Blick auf seine Verletzungen und sagte:»Jesus, der arme Kerl schafft’s wahrscheinlich nicht mal bis ins Lazarett!«

Robert bekam eine Morphiumspritze, erhielt einen Druckverband um den Brustkorb und wurde ins Lazarett auf dem Stützpunkt Cu Chi geflogen.

Als Robert auf einem Wagen in die Intensivstation hineingefahren wurde, hinterließ er eine hellrote Blutspur auf dem Fußboden.

Ein überlasteter Chirurg schnitt seinen Brustverband auf, untersuchte Robert flüchtig und sagte müde:»Der kommt nicht durch. Den könnt ihr gleich in den Kühlraum bringen.«

Damit ging der Arzt weiter.

Robert, der nur ab und zu bei Bewußtsein war, hatte seine Stimme wie aus weiter Ferne gehört. Jetzt ist’s also soweit, dachte er. Was für ein schäbiges Ende.

«Los, wach schon auf, Seemann! Du willst doch nicht sterben?«

Er öffnete mühsam die Augen und sah eine weiße Uniform und darüber ein Frauengesicht. Die Gestalt sagte noch etwas, das er jedoch nicht mehr verstand. Um ihn herum war es zu laut: Verwundete stöhnten und schrien durcheinander, Ärzte brüllten Befehle, Krankenschwestern hasteten hin und her.

Erst später erfuhr Robert, daß Susan Ward, die Krankenschwester, einen Chirurgen dazu überredet hatte, ihn zu operieren, und sogar Blut für ihn gespendet hatte. Denn Robert hatte so viel Blut verloren, daß er drei Transfusionen brauchte.

«Mit dem haben wir nur unsere Zeit vergeudet«, meinte der Chirurg nach der Notoperation seufzend.»Seine Überlebenschance liegt bei zehn Prozent.«

Aber der Arzt kannte Robert Bellamy nicht. Und er kannte Susan Ward nicht. Bei Robert festigte sich der Eindruck, daß jedesmal, wenn er die Augen aufschlug, Susan an seinem Bett saß, seine Hand in ihrer hielt, seine Stirn abtupfte… und ihn durch reine Willenskraft ins Leben zurückbrachte. Die meiste Zeit befand er sich im Delirium. Susan saß in einsamen Nächten im abgedunkelten Krankensaal an seinem Bett und hörte sich geduldig seine Fieberphantasien an.

«… die Zielbeschreibung ist falsch, man kann nicht aus hundertsechzig Grad anfliegen, sonst trifft man den Fluß… sag ihnen, daß sie den Anflugwinkel um mindestens zehn Grad ändern müssen… sag’s ihnen…«:, murmelte er.

«Wird gemacht. Versuch jetzt zu schlafen.«

«… die Halterungen sind anfangs blockiert gewesen. Weiß der Teufel, wohin die Bomben gefallen sind.«

Häufig verstand Susan gar nicht, worüber ihr Patient phantasierte.

Susan Ward, die in Cu Chi das OP-Schwesternteam leitete, war allen ein Vorbild. Sie stammte aus einer Kleinstadt in Idaho, wo sie mit dem Jungen von nebenan — Frank Prescott, dem Sohn des Bürgermeisters — aufgewachsen war. Die ganze Stadt rechnete damit, daß die beiden eines Tages heiraten würden. Susan hing sehr an ihrem jüngeren Bruder Michael. Er meldete sich an seinem 18. Geburtstag freiwillig zur Army und wurde prompt nach Vietnam geschickt. Sie schrieb ihm fast täglich. Drei Monate nach seiner Einberufung erhielten die Angehörigen ein Telegramm. Noch bevor sie den Umschlag aufriß, wußte Susan, welche Nachricht es enthielt.

Als Frank Prescott erfuhr, daß Michael gefallen war, kam er sofort herüber.»Es tut mir schrecklich leid, Susan. Ich hab’ Michael echt gerngehabt. «Dann machte er den Fehler, ihr vorzuschlagen:»Was hältst du davon, wenn wir jetzt heiraten?«

Und Susan hatte ihn angeschaut und eine Entscheidung getroffen.»Nein«, antwortete sie.»Ich will etwas Nützliches mit meinem Leben anfangen.«

«Himmel! Was ist wichtiger, als mich zu heiraten?«

Die Antwort war: Vietnam.

Susan Ward ließ sich zur Krankenschwester ausbilden.

Sie war seit elf Monaten in Vietnam und dort unermüdlich im Einsatz, als Korvettenkapitän Robert Bellamy hereingefahren und — zum Tode verurteilt wurde. In den hoffnungslos überfüllten Lazaretten untersuchten die Ärzte zwei oder drei Patienten gleichzeitig und entschieden dann, wen sie zu retten versuchen würden.

Susan hatte nie genau begriffen, warum sie nach einem einzigen Blick auf den schwerverwundeten Robert Bellamy gewußt hatte, daß sie diesen Mann nicht sterben lassen konnte. Hatte er sie an ihren Bruder erinnert? Oder gab es irgendein anderes Motiv? Sie war abgespannt und erschöpft, aber anstatt ihre Erholungspausen zu nutzen, verbrachte sie jeden freien Augenblick damit, Robert zu pflegen.

Susan hatte die Personalakte ihres Patienten eingesehen. Als hervorragender Pilot und Fluglehrer bei den Marinefliegern war er mit dem Distinguished Service Cross ausgezeichnet worden. Er stammte aus Harvey, Illinois, einer Kleinstadt südlich von Chicago, war nach dem College zur Navy gegangen und hatte seine Ausbildung in Pensacola absolviert. Und er war unverheiratet.

Während Robert Bellamy darum kämpfte, den schmalen Grat zwischen Tod und Leben zu überschreiten, flüsterte Susan ihm täglich zu:»Weiter so, Seemann! Ich warte auf dich.«

Sechs Tage nach seiner Einlieferung ins Lazarett befand sich Robert immer noch im Delirium. Doch plötzlich setzte er sich im Bett auf, starrte Susan an und sagte laut und deutlich:»Das ist kein Traum. Sie gibt’s wirklich.«

Susans Herz machte einen kleinen Freudensprung.»Ja«, bestätigte sie leise,»mich gibt’s wirklich.«

«Ich habe geglaubt, alles sei nur ein Traum. Ich habe geglaubt, ich wäre im Himmel… und Gott hätte Sie mir zugeteilt. «

Sie blickte Robert in die Augen und sagte ernsthaft:»Ich hätte Ihnen nie verziehen, wenn Sie gestorben wären.«

«Eddie. er.«

«Tut mir leid, er ist.«

«Das muß ich dem Admiral melden.«

Susan griff nach seiner Hand und sagte sanft:»Er weiß es. Er ist hiergewesen, um Sie zu besuchen.«

Roberts Augen füllten sich mit Tränen.»Ich hasse diesen gottverdammten Krieg! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich ihn hasse!«

Von diesem Augenblick an machte Roberts Gesundheit Fortschritte, die die Ärzte in Erstaunen versetzten. Alle wichtigen Körperfunktionen stabilisierten sich.

«Wir können ihn bald in die Heimat verlegen«, erklärten sie Susan. Und sie spürte einen Stich im Herzen.

Robert wußte später nicht mehr genau, wann er sich in Susan Ward verliebt hatte.

Vielleicht in jenem Augenblick, als draußen Bomben fielen, während sie damit beschäftigt war, seinen Verband zu wechseln, und dabei murmelte:»Hör nur, sie spielen unser Lied. «Vielleicht auch, als Robert mitgeteilt wurde, er sei jetzt so weit hergestellt, daß er zur Nachbehandlung ins Walter Reed Hospital in Washington verlegt werden könne, und Susan sagte:»Glaubst du etwa, daß ich von hier aus zusehe, wie ‘ne andere Krankenschwester dich mir wegschnappt? Kommt nicht in Frage! Ich setze alle Hebel in Bewegung und komme mit.«

Zwei Wochen später heirateten sie. Roberts völlige Genesung dauerte fast ein Jahr, und Susan pflegte ihn aufopfernd Tag und Nacht. Er hatte noch nie eine Frau wie sie gekannt und sich nicht träumen lassen, jemals eine so lieben zu können. Er liebte ihr Mitgefühl und ihre Sensibilität, ihre Leidenschaft und Vitalität. Er liebte ihre Schönheit und ihren Sinn für Humor.

An ihrem ersten Hochzeitstag sagte er zu Susan:»Du bist der schönste, der wunderbarste, der liebevollste Mensch auf der ganzen Welt. Auf der ganzen Erde gibt’s niemanden mit deiner Herzlichkeit, deinem Witz und deiner Klugheit.«

Und Susan drückte ihn an sich und flüsterte:»Gleichfalls, das kannst du mir glauben.«

Alle ihre Freunde beneideten sie — und das aus gutem Grund. Sie harmonierten in jeder Beziehung: geistig, seelisch, körperlich.

Susan war die sinnlichste Frau, die Robert je gekannt hatte. Sie konnten einander mit einer Geste, mit einem Wort entflammen. Als sie einmal zu einer großen Abendgesellschaft eingeladen waren, hatte Robert sich verspätet. Er stand noch unter der Dusche, als Susan sorgfältig zurechtgemacht und in einem atemberaubenden trägerlosen Abendkleid ins Bad kam.

«Mein Gott, siehst du sexy aus!«sagte Robert.»Nur schade, daß wir nicht mehr Zeit haben.«

«Oh, mach dir deswegen keine Sorgen«, meinte Susan. Im nächsten Augenblick hatte sie ihre Sachen abgestreift und kam zu Robert unter die Dusche.

Die Abendgesellschaft fand ohne sie statt.

Susan ahnte seine Bedürfnisse, fast bevor sie ihm bewußt waren, und sorgte dafür, daß sie befriedigt wurden. Und Robert war ebenso aufmerksam um sie besorgt. Susan fand kleine Liebesbriefe auf ihrem Toilettentisch oder in ihren Schuhen, wenn sie sich anzog. Blumen und kleine Geschenke kamen zu allen möglichen Anlässen ins Haus.

Und das gemeinsame Lachen. Das wunderbare Lachen.

Die Stimme des Piloten ertönte aus den Kabinenlautsprechern:»In zwanzig Minuten landen wir in Zürich, Commander.«

Robert Bellamys Gedanken kehrten abrupt in die Gegenwart zurück.

«Schnallen Sie sich bitte an?«

Die C-20A flog tief über dunkle Wälder an und setzte wenig später zwischen den Lichtern der Landebahnbefeuerung des internationalen Flughafens Zürich-Kloten auf. Auf dem Asphalt standen noch Pfützen von früheren Regenfällen, aber der Nachthimmel war sternenklar.

«Verrücktes Wetter«, meinte der Pilot.»Sonntags war’s sonnig, heute den ganzen Tag Dauerregen, und jetzt ist’s wieder klar. Hier braucht man keine Uhr, sondern eher ein Barometer. Soll ich einen Wagen für Sie bestellen, Commander?«

«Nein, danke. «Von diesem Augenblick an war er völlig auf sich allein gestellt. Robert wartete, bis die C-20A davongerollt war; dann bestieg er einen Minibus zum Flughafenhotel, nahm sich ein Zimmer und sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

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