HOOLIGANSTADT

Linguistische Information * Der Gasthof an der Dover Chaussee * Hooliganien Geographische Lage Politische Struktur * Der Diktator Genlalinski * Volkskommissar für Radauangelegenheiten * Das friedliche Leben des Imperiums Mobilmachung Krieg * Unruhe in den Kolonien * Sfraftrupp * Revolution Amnestie * Die UdSSR In der Schkid.


Das Wort „Hooligan“ stammt aus dem Englischen. Im alten England, so berichtet der Volksmund, lebte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Familie Hooligan. Die Hooligans besaßen an der Chaussee nach Dover einen Gasthof, in dem Lords, Grafen, Kaufleute vom Kontinent und andere Reisende abzusteigen pflegten. Nun erzählt man sich, daß dort schreckliche Dinge passierten: Jeder Mensch, der im Gasthof der Hooligans übernachtete, verschwand spurlos. Die Hooligans lockten die Reisenden ins Haus, beraubten und ermordeten sie. Als das fürchterliche Geheimnis des Gasthofes entdeckt wurde, tagte das Gericht des Königs, in Hermelinmäntel gehüllt, acht Tage hintereinander und verurteilte dann die Mörderfamilie zum Tode. Seitdem ist der Name Hooligan ein Begriff geworden, seitdem bezeichnet man Mörder, Diebe und Brandstifter als Hooligans.

Das Wort „Hooligan“ kam auch nach Rußland. „Chuligan“ sprach man es hier aus.

Wenn Elanljum, die rothaarige deutsche Frau des Direktors, sich über die ungezogenen Jungen aus der vierten Abteilung ärgerte, rief sie: „Ihr Hooligans!“

So wurde das Wort „Hooligan“ in der Schkid ein ebenso eingebürgerter und ehrenvoller Begriff wie „Radaubruder“.

Das Geschlecht der Hooligans wuchs, breitete sich aus und verwandelte sich schließlich in den Staat Hooliganien. Die große Hauptstadt von Hooliganien hieß Hooliganstadt. Die breiten Straßen (die Gänge zwischen den Bänken) trugen wohlklingende Namen: Radaustraße, Skandalgasse, Hooliganweg. Die Hauptstraße war Kleptomanenallee benannt. Dort standen die Häuser (die Bänke) aller städtischen und staatlichen Würdenträger, unter anderem auch die Villa von Kaufi Genialinski, dem Diktator und Oberbürgermeister. Bei ihm wohnte sein Sekretär und Adjutant, der Vicomte de Bourgelon, vertraulich Dshaparidse genannt. Die Ministerien und der Stab befanden sich ebenfalls in der Kleptomanenallee. Die übrigen Straßen sahen weniger elegant aus. Hier hausten die einfachen Bürger. Im japanischen Viertel hatten sich der japanische Konsul Jeo-Nin und andere japanische Bürger in Gestalt Nagasakis, eines Neuen, angesiedelt.

Hooliganstadt wurde erst in jüngster Vergangenheit gegründet. Zu dieser Zeit randalierten sämtliche Schkider mit Feuereifer, ohne der Strafen zu achten, die auf sie herabprasselten. Die vierte Abteilung kam aus der fünften Gruppe überhaupt nicht mehr heraus. „Es hat doch keinen Zweck, ohne ein bestimmtes Ziel zu randalieren“, meinte Japs eines Tages. „Wir wollen uns organisieren und eine Republik gründen.“

Der Gedanke fand allgemeinen Beifall. Zuerst wurde eine Regierung gebildet.

Zum Diktator ernannte man den mächtigen Kaufmann. Seine Vollmachten wurden vom Rat der Volkskommissare eingeschränkt. Der Rat setzte sich zusammen aus den Kommissaren von Heer und Marine (Jankel), für Postwesen (Sascha Pylnikow) und für Radauangelegenheiten (Japs). Ljonka Pantelejew wurde vom Diktator zum Chef der Staatsmiliz und der Kolonialtruppen gemacht. Dann erklärte Hooliganien die unteren Klassen zu Kolonien und taufte sie um: die dritte Klasse in „Schlammanien“, die zweite in „Sumpfonien“ und die erste in „Dschungelinien“. Arn Gründungstage von Hooliganien berief der Diktator in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister der Hauptstadt eine Plenarsitzung des Rats der Volkskommissare ein. „In seiner eleganten Villa“, so berichtete die örtliche Zeitung „Hooliganer Nachrichten“, „versammelten sich die städtischen Würdenträger. Kaufi Genialinski proklamierte feierlich die Gründung der Stadt und forderte die Volkskommissare auf, den Einwohnern bekanntzugeben, daß die Hausbesitzer für die Innehaltung der Stadtgesetze verantwortlich seien.“ Am gleichen Tage wurden Schilder mit Hausnummern und Straßennamen an den Gebäuden angebracht. In dem jungen Staat entwickelte sich sogleich reges, gesellschaftliches Leben. Am zweiten Tage legte Japs, der Volkskommissar für Radauangelegenheiten (sein offizieller Name lautete Skandale Radaunow), dem Rat der Volkskommissare einen Verfassungsentwurf vor:

VERFASSUNG

des großmächtigen Radauimperiums Hooliganien. Struktur des Imperiums.


§ 1. Das Imperium besteht aus vier Staaten: Hooliganien, Schlammanien, Sumpfonien und Dschungelinien.

§ 2. Hooliganien ist der herrschende Zentralstaat. Er vereinigt die Randstaaten und schreibt ihnen Gesetze und Verwaltungsform vor. § 3. Die Leitung des Imperiums wird Seiner Durchlaucht Kaufi Genialinski, dem mit königlichen Rechten ausgestatteten Diktator, übertragen. Bei seinen Obliegenheiten unterstützen ihn der Rat der Volkskommissare und alle Bürger, die er selbst zu seiner Hilfe bestimmt. Die Verwaltung der Kolonien übernimmt ein Vizegouverneur, den die Zentralregierung des Imperiums — Diktator und Rat der Volkskommissare — ernennt.

§ 4. Die gesamten Streitkräfte des Imperiums (Staatsmiliz, Militär und Kolonialtruppen) sind dem Volkskommissar für Heer und Marine unterstellt.

Das Kommando wird dem Stab in Gestalt des zuständigen Volkskommissars und Chefs der Miliz übertragen.

§ 5. Im Imperium herrscht freie Religionsausübung. Die Regierung (Rat der Volkskommissare) muß klerikal sein. Staatsreligion Hooliganiens ist der Radau. Es wird ein Volkskommissariat für Radauangelegenheiten gegründet. Kommissar ist der eingefleischte Radaubruder Skandale Radaunow.

§ 6. Hauptstadt von Hooliganien ist Hooliganstadt. In ihr befinden sich alle Regierungsorgane des Imperiums sowie die Zentraltruppen. § 7. Die nationalen Rechte der Bürger werden folgendermaßen verteilt: Als alteingesessene Bewohner des Imperiums genießen die Hooliganier sämtliche Rechte. Die Ausländer in den Kolonialstaaten sind ihnen untergeordnet.

§ 8. Bürger von Hooliganstadt kann jeder werden, der sich mindestens seit achtundvierzig Stunden in ihren Mauern aufhält.

§ 9. Alle Bürger des Imperiums — die Hooliganier wie die Bewohner der Kolonien — sind verpflichtet, die Propheten, die Feinde des Imperiums, zu bekämpfen. Wer die Propheten unterstützt, wird als Verräter entlarvt, von der Miliz verhaftet und dem Gericht des Diktators übergeben.

§ 10. Alle Reden und sonstigen Versuche, den Umsturz öder die Untergrabung der augenblicklich bestehenden Staatsordnung herbeizuführen, werden ebenfalls gesetzlich bestraft.

Die Verfassung wurde vom Rat der Volkskommissare angenommen und vom Diktator bestätigt. Die „Hooliganer Nachrichten“, herausgegeben vom Volkskommissariat für Heer und Marine sowie vom Buchverleger Jankel, veröffentlichten die Verfassung auf der ersten Seite. In der gleichen Nummer brachten die „Nachrichten“ Hooliganiens offizielle Nationalhymne. Sie wurde nach der Melodie „Gaudeamus“ gesungen und lautete:

Hooliganstadt, Hooligan,

uns kann nichts erschüttern.

Ihr Propheten, immer ran!

Denn ihr müßt jetzt zittern.

Genialinski geht voraus,

er ist Meister des Radaus,

schmeißt die Schkid in Scherben,

schmeißt die Schkid in Scherben!

Der Propheten Riesenschar

werden wir besiegen.

Es ist ja doch sonnenklar,

daß sie unterliegen.

Und die Schkid wird unser sein,

herrschen werden wir allein,

wenn die Macht wir kriegen,

wenn die Macht wir kriegen!

Der Bürgermeister berief eine Versammlung aller Bürger von Hooliganstadt ein und hielt eine einfache, aber ergreifende Rede. „Jungens“, sagte er, „das heißt… Bürger. Ich, Diktator und Bürgermeister, sage euch… Wir, die vierte Abteilung, Verzeihung, ich meine Hooliganien, wir müssen all unsere Kraft darauf konzentrieren, unsere Klas… unsere Stadt uneinnehmbar für die Propheten und andere Feinde zu machen. Und gleichzeitig müssen wir das öffentliche Leben ordentlich in Gang bringen. Verwenden wir alle Kraft darauf. Wir, die Regierung, werden euch zu tiefstem Dank verpflichtet sein… Bei Gott!“

Die Rede wurde ungekürzt in den „Nachrichten“ abgedruckt, nur der Ausdruck „Bei Gott!“ war in „Beim Radaugott!“ geändert. Sie zeitigte die entsprechende Wirkung: Die Aufforderung fand in den Herzen der einfachen Bürger sowie der Staatsbeamten einen lebhaften Widerhall. Sämtlichen Grundstücken, Gebäuden und umliegenden Ortschaften wurden Namen gegeben.

Der weiße Kachelofen wurde zum „Radautempel“. Die beiden Klassentüren hießen von nun an „Tor Vikniksor I.“ und „Elanljum-Tor“. Der Stadtpark (der Spucknapf) bekam den Namen „Alnikpopien“. Dies beweist, daß die Hooliganier trotz ihres Hasses auf die Propheten vor den leitenden Persönlichkeiten des feindlichen Staates Respekt hatten. In dem leeren Bücherschrank wurden das städtische Krankenhaus, die Apotheke und das Militärlazarett untergebracht. Da Spatz die Verwaltung dieser Institute übernahm, wurden Krankenhaus und Apotheke nach ihm benannt. Einen anderen leerstehenden Schrank, der statt der Glasscheiben ein Drahtgitter besaß, machten die Hooliganier zum Staatsgefängnis. Von den übrigen Einrichtungen sind das Falke-Finkelstein-Gesangsorchester und die Volksuniversität für Radau erwähnenswert.

An den Hahn der Wasserleitung, die aus unerfindlichen Gründen in die Klasse gelegt war, hing Pantelejew, Chef der Miliz, ein Plakat mit der Aufschrift:

KANALOLISATION.

Das sollte Kanalisation heißen. Die Regierung wußte anfangs nicht, wem sie die Leitung der Kanalisation übertragen sollte, und entschied sich dann für Sascha Pylnikow, den Postkommissar. Das Leben von Hooliganien nahm seinen Verlauf. Es war das friedliche Leben eines freien Landes… In den Unterrichtsstunden protestierte man leidenschaftlich gegen den Propheten; man störte den Unterricht, wurde in die fünfte Gruppe und in den Karzer gesteckt. Doch das Imperium blühte auf.

Eines Tages entfesselten die „Nachrichten“ eine Kampagne für den Bau eines Radaudenkmals.

„Es ist eine Schande“, erklärte die Zeitung, „daß die Hauptstadt eines so mächtigen Staates wie Hooliganien kein einziges Denkmal besitzt. Wir haben nicht einmal ein eigenes Wappenl“ Diesen Artikel nahm sich Radaunow, Volkskommissar für Radauangelegenheiten, sehr zu Herzen. Schon am folgenden Tage übersandte er der Redaktion die Entwürfe von Wappen und Denkmal. Die Zeichnung des Wappens stellte eine zerschlagene Fensterscheibe dar, aus der sich eine dicke Faust reckt. Unter dem Wappen stand die Devise: „In radauo veritas“ („Im Radau liegt Wahrheit“). Der Denkmalsentwurf zeigte einen Sockel, der mit Losungen und Aussprüchen von genialen Hooliganiern verziert war, und eine gewaltige Faust obendrauf. Die Entwürfe gefielen der Regierung. Das Wappen wurde zum Staatswappen erklärt. Die Künstler Jankel, Spatz und Brotkanten erhielten den Auftrag, das Denkmal zu bauen. Sie errichteten es aus Papier, Pappe und Leim. Zwei Tage brauchten sie dazu. Am dritten Tag fand die feierliche Denkmalsenthüllung statt. Die Regierungspresse in Gestalt der „Nachrichten“ beschrieb dieses Ereignis folgendermaßen:

„Auf dem Radauplatz hatte sich die Bevölkerung der Stadt vollzählig versammelt. Alle Einwohner waren herbeigeströmt, um den historischen Augenblick festlich zu begehen. Eine Leinwand umhüllte das Denkmal des 'Großen Radaus', das mitten auf dem Platz stand. Zu beiden Seiten hatte eine Ehrenwache Aufstellung genommen. Sie setzte sich aus den ranghöchsten Militärs zusammen, dem Herrn Jankel, Volkskommissar für Heer und Marine, und dem Herrn L. Pantelejew, Chef der Miliz. Beide trugen Galauniform. Um sechs Uhr sicbenund-zwanzig Minuten traf Seine Durchlaucht, der Imperiumsdiktator Kauft Genialinski, auf dem Platz ein. Zwei Sklaven vom Stamme der Dschungelinen trugen ihn in einer Sänfte. In Begleitung Seiner Durchlaucht befanden sich der Vicomte de Bourgelon sowie Herr S. Radaunow. Um sieben Uhr dreißig Minuten wurden von Herrn Schädelbrecher, dem ortsansässigen Millionär, Salutschüsse abgegeben. Im selben Augenblick sank die Leinenhülle zu Boden, und es bot sich den Anwesenden ein hinreißendes Bild. Auf dem würfelförmigen Sockel ragte eine Riesenfaust empor — Symbol der Macht unseres Reiches. Es ist eine Faust, wie Seine Durchlaucht sie besitzt. Die Volksmenge schrie 'Vivat!' und verließ unter dem gemeinsamen Absingen der Nationalhymne den Platz. Am Abend wurde in der Villa Seiner Durchlaucht ein Bankett veranstaltet janschließend gab das FalkenOrchester ein Konzert.“

Hooliganien blühte auf. Hooliganstadt errang großen wirtschaftlichen Reichtum und wurde glänzend verwaltet. Der Stadtrat plante gerade den Bau eines städtischen Theaters, als das Reich von einem fürchterlichen Schlage erschüttert wurde. Hooliganien wurde der Krieg erklärt, und zwar ausgerechnet von Vikniksor, dem Präsidenten der mächtigen Prophetenrepublik. Die Kriegserklärung erfolgte in einer ziemlich merkwürdigen Form. Elanljum, die Sekretärin und Gemahlin des Präsidenten der feindlichen Republik, kam nach Hooliganstadt und erklärte: „Schluß mit diesen Dummheiten! Ihr habt genug randaliert.“ Selbstverständlich war das keine direkte Kriegserklärung, sondern nur die Aufforderung an das Reich, sich zu ergeben, sich aufzulösen, den Geist auszuhauchen. Das war schlimmer als Krieg. Kampflos die Waffen zu strecken, zu sterben, ohne feindliches Pulver gerochen zu haben, nein! Dann lieber im Kampf fallen! Hooliganien nahm die Herausforderung an und verkündete: „Krieg bis zum siegreichen Ende!“

Die Stadt hißte die Nationalfahnen (weiße Faust auf schwarzem Grund), die „Nachrichten“ posaunten die entsetzliche Neuigkeit in die Welt. Eine außerordentliche Plenartagung der Volkskommissare wurde einberufen. Der Diktator und der Volkskommissar für Radauangelegenheiten hielten leidenschaftliche Kampfesreden, und die Mobilmachung wurde beschlossen. Noch am gleichen Tage ließ die Regierung in den Straßen der Stadt Flugblätter mit Mobilmachungsbefehlen verteilen.

Befehl Nr. 1,

Erteilt vom Volkskommissar für Heer und Marine.

Der Volkskommissar für Heer und Marine teilt den Bürgern des Imperiums mit, daß die Propheten dem großmächtigen Reich Hooliganien den Krieg erklärt haben. Hooliganien muß ruhmbedeckt aus diesem Krieg hervorgehen.

Vorwärts für die gerechte Sache des Großen Radaus! Im Radau erringst du dein Recht! Ewig lebe das Reich Hooliganien!

G. Jankel, Volkskommissar für Heer und Marine.


Befehl Nr. 2,

Erteilt vom Chef der Reichsmiliz und Generalkommissar der Kolonialtruppen.

Angesichts der Kriegserklärung verkündet das militärische Generalkommando des Reiches in Gestalt des Chefs der Miliz und des Generalkommissars die Mobilmachung. Sämtliche Bürger Hooliganiens — die Bewohner von Hooliganstadt, von Schlammanien, Sumpfonien und Dschungelinien — werden zum Wehrdienst eingezogen. Meldestelle ist der Stab der Kolonialarmee, der dem Statthalter des Imperiums untersteht. Wer sich dem Wehrdienst entzieht, kommt vors Kriegsgericht.

Pantelejew, Chef der Miliz und Generalkommissar der Armee.


Befehl Nr. 3,

Betrifft Hooliganstadt. Erteilt vom Chef der Miliz und vom Stadtmagistrat.

In Hooliganstadt wird der Kriegszustand erklärt. Das Verlassen und Betreten der Stadt ist nur mit einem Passierschein, der im Magistrat beim Bürgermeister ausgestellt wird, gestattet.

K. Genialinski, Bürgermeister, L. Pantelejew, Chef der Miliz.


In Hooliganstadt ging die Mobilmachung diszipliniert, ohne Ausschreitungen, vonstatten. Zwölf Mann erschienen im Generalstab. Sie wurden in die Meldelisten eingetragen und erhielten eine „Uniform“ — ein Pappabzeichen mit dem Reichswappen und einen Papierhelm mit Kokarde. Beides war von dem auf Rüstungsproduktion umgestellten Gaswerk des Millionärs Schädelbrecher geliefert worden. Die von der Regierung subventionierten „Nachrichten“ veröffentlichten einen unwahren Bericht vom Verlauf der Mobilmachung: Sie fälschten zwölf Mann in zwölftausend um.

Im Gegensatz zum reibungslosen Verlauf der Mobilmachung in Hooliganstadt gab es in den Kolonien Schwierigkeiten. Jankel, der Volkskommissar für Heer und Marine, hatte mit Pantelejew, dem Chefkommandierenden, eine Geheimbesprechung, auf derbeschlossen wurde, für die Kolonialstaaten Statthalter zu ernennen. Sie stellten folgende Liste zusammen: „Hühnchen“ für Schlammanien, „Hammel“ für Sumpfonien und „Beere“ für Dschungelinien. Die Liste wurde dem Diktator zur Bestätigung überreicht. Er zeichnete sie ab. Durch den Volkskommissar für Post und Verkehr wurden die Statthalter telegrafisch herbeigerufen. Sie trafen gleichzeitig in Hooliganstadt ein. Der Diktator empfing sie liebenswürdig, setzte ihnen Tee mit Sacharin und Schwarzbrot vor und bevollmächtigte sie, in ihrem Heimatland die Mobilmachung durchzuführen und für den Feldzug zu agitieren. Die Statthalter reisten ab.

Nach einiger Zeit meldeten sie, daß die Mobilmachung auf Schwierigkeiten stieße. „In Schlammanien steht es schlecht“, schrieb Statthalter Hühnchen.

„Die Rekruten desertieren von der Truppe oder kommen gar nicht erst zur Meldestelle. Von dreiundzwanzig Rekruten können im Ernstfall nur zehn als zuverlässig angesehen werden.“ Von Statthalter Hammel kam ein ähnliches Telegramm: „Miserable Situation. Fast alle Rekruten sind desertiert. Provokationen der Propheten wurden festgestellt.“ Der Statthalter von Dschungelinien telegrafierte: „Bitte, mich nicht mehr als Statthalter zu betrachten. Bin verdroschen.“ Derartige Meldungen waren kaum geeignet, Hooliganien zu erfreuen. Doch die Hooliganier erfuhren nichts von der Situation in den Kolonien. Ein Geheimbefehl des Rats der Volkskommissare verbot den „Nachrichten“, darüber zu berichten. Deshalb herrschte in Hooliganien noch zuversichtliche, patriotische Stimmung. Als die hooliganische Armee sich eines Tages gerade zum Exerzieren auf dem Radauplatz versammelt hatte, traf der Volkskommissar für Heer und Marine ebenfalls dort ein.

„Freunde“, sagte er, „wir müssen eine Truppe zur Unterdrückung des Aufstandes in den Kolonien bilden. Wer meldet sich dazu?“ Die Mitteilung wirkte wie ein Donnerschlag. Trotzdem flogen unzählige Hände empor. Der Volkskommissar war gerührt. „So viele brauchen wir nicht“, meinte er. „Fünf Mann genügen.“ Fünf Mann erhielten die Bezeichnung „Straftrupp“ und rückten unter Leitung des Generalkommandierenden Pantelejew persönlich in Dschungelinien ein.

Der Straftrupp war mit angespitzten Stöcken bewaffnet und wurde von Postillion Sascha Pylnikow, dem Korrespondenten der „Nachrichten“, begleitet. Eine halbe Stunde nach dem Abmarsch traf in der Redaktion die Meldung ein, der Trupp sei zwar geschlagen, habe es jedoch geschafft, den Dschungeliniern einen Schrecken einzujagen und sie zu zwingen, im Falle einer Schlacht nicht zu den Propheten überzugehen. Kurz darauf kehrte der Trupp zurück. Zwei Soldaten hatten was auf die Nase gekriegt. Ljonka Pantelejew war das Hemd zerfetzt und das Abzeichen des Chefkommandierenden abgerissen worden. Im Rat der Volkskommissare fand eine Versammlung statt. Alle Teilnehmer an der Schlacht wurden mit dem Radauorden ausgezeichnet. Der Chefkommandierende erhielt den Titel „Ritter der Reichsmacht“ und wurde zum General befördert.

Im benachbarten Schlammanien nahmen die Ereignisse inzwischen einen besonderen Verlauf. Der Diktator und der Rat der Volkskommissare ahnten nicht, daß der von ihnen ernannte Statthalter Hühnchen ein Verräter war, daß er einen Aufstand anzettelte.


Alnikpop traf in Hooliganstadt ein.

„Auf die Plätze. Der Unterricht beginnt.“

„Ich eröffne die Schlacht!“ verkündete der Diktator seinem Sekretär, dem Vicomte de Bourgelon. Dieser übermittelte den Befehl dem Rat der Volkskommissare. Eilig entsandten sie einen Kurier in die Kolonien, mit der Aufforderung, die Kolonialtruppen in Marsch zu setzen. Der Chef der Miliz mobilisierte die Zentraltruppen. Der Straftrupp mit Ljonka Pantelejew an der Spitze marschierte zu Alnikpop, und Pantelejew legte dem Propheten die Hand auf die Schulter. „Hiermit sind Sie verhaftet!“ erklärte er.

„Was?“ brüllte Alnikpop.

„Wir verhaften Sie in Ihrer Eigenschaft als Prophet und Vertreter eines feindlichen Staates.“

Alnikpop versuchte, aus der Klasse zu fliehen, aber der Straftrupp hatte ihn bereits umzingelt. Gleichzeitig rückte eine Kompanie Schlammanier mit Hühnchen an der Spitze durch das Tor „Vikniksor I.“, das in „Kriegstor“ umbenannt worden war. „Marsch zurück!“ schrie Alnikpop.

Doch schweigend zog die aus zwanzig Mann bestehende Kompanie in Hooliganstadt ein und baute sich auf dem Radauplatz auf.

„Stillgestanden!“ kommandierte Hühnchen. Dann schritt er in Begleitung eines Soldaten zum Palast des Diktators. „Ich habe die Ehre, Sie zu verhaften“, erklärte er Genialinski. Der Diktator glotzte seinen Statthalter an.

„Wie?“

„Sie sind verhaftet!“

Der gewaltige, stiernackige Kaufmann wurde auf den Platz geschleppt. Dort hatte sich die gesamte Stadtbevölkerung versammelt. Hühnchen marschierte zur Mitte des Platzes, erkletterte das Radaudenkmal, das aus zwei Schemeln bestand, und verkündete:

„Im Namen der ganzen Republik Schkid setze ich die Regierung Hooliganiens ab. Lange genug hat das Land unter dem Joch des Diktators gestöhnt. Hiermit proklamiere ich eine freie Sowjetrepublik!“

Die hooliganische Armee versuchte Widerstand zu leisten — mehrere Soldaten stürzten sich auf Hühnchen, aber die Schlammanier stellten die Ruhe sofort wieder her, ein Beweis dafür, daß Schlammanien hinsichtlich der Truppenstärke wie auch der Körperkraft mehr Autorität genoß als Hooliganien.

Der Staatsstreich war geglückt. Alnikpop erhielt seine Freiheit wieder. Die Regierungsmitglieder von Hooliganien wurden verhaftet und ins Staatsgefängnis gesteckt. Gleichzeitig bildete sich eine neue Regierung. Der erste Sowjet der Volksdeputierten wurde einberufen. Offiziell proklamierte er die hooliganische freie Sowjetrepublik. Die Verfassung — sie wurde vollständig in der neuen Zeitung „Freies Hooliganien“ veröffentlicht — legte fest, daß von nun ab alle Staaten frei seien und sich von dem ehemaligen Imperium loslösten. In der am gleichen Tage erscheinenden zweiten Ausgabe des „Freien Hooliganiens“ wurden namens des Sowjets alle verhafteten Imperialisten amnestiert. Die meisten einfachen Hooliganstädter erkannten die neue Regierung an. Das Radaudenkmal wurde abgerissen.

Dann verließen die schlammanischen Truppen die Stadt. Den Hooliganiern wurde das Selbstbestimmungsrecht gewährt. Selbstverständlich gab es an diesem Tage keinen Unterricht. Die Propheten waren über Alnikpops Berichte dermaßen erschrocken, daß sich kein einziger in der vierten Abteilung zu zeigen wagte.


Nach dem Abendbrot erklärte Vikniksor mit liebenswürdigem Lächeln: „Jungens, wie ich erfuhr, spielt ihr Bürgerkrieg. Ich weiß, daß es ein interessantes Spiel ist, ein Spiel, das euch den Blick für das öffentliche Leben weitet und euch nützen wird, wenn ihr die Schule verlaßt. Trotzdem müßt ihr jetzt einen Punkt machen und lernen. Ich hörte, daß ihr eine soziale Revolution durchgeführt habt. Ich beglückwünsche euch dazu und schlage vor, daß ihr euch mit den sogenannten Propheten zu einer Union, zur Union der Sowjetrepubliken, zusammenschließt. Einverstanden? Außerdem amnestiere ich zur Feier dieses Ereignisses alle, die sich in der fünften Gruppe befinden.“ Ein donnerndes „Hurra!“ war die Antwort. Damit schloß der große Schkider Radau.

Wieder einmal entsagten die Schkider dem Kriegszustand und begannen ein friedliches Leben. Wieder gaben Alnikpop russische Geschichte und Elanljum deutsche Sprache, wieder klopfte Kostalmed zweimal wöchentlich mit seinem Stöckchen und rief:

„Schnell zur Gymnastik!“

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