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Es regnete eine Woche ohne Unterlass. Jeden Tag rafften sie sich auf, stiegen in Schluchten hinunter und wieder hinauf.

Sie kletterten über gefährliche Klippen, überquerten tosende Flüsse, und all das im dichtesten Urwald, den Tom sich nur vorstellen konnte. Wenn sie an einem Tag sechs Kilometer zurücklegten, waren sie schon zufrieden. Nach sieben Tagen dieser Art wurde Tom am Morgen wach und stellte fest, dass der Regen endlich aufgehört hatte. Don Alfonso war schon auf den Beinen und kümmerte sich um ein großes Lagerfeuer. Seine Miene war ernst. Als sie das Frühstück verzehrten, verkündete er plötzlich: »Ich hatte in der letzten Nacht einen Traum.«

Sein ernster Tonfall ließ Tom innehalten. »Was war das für ein Traum?«

»Ich habe geträumt, dass ich sterbe. Meine Seele fuhr zum Himmel hinauf und suchte nach Petrus. Ich fand ihn, denn er stand am Himmelstor. Als ich zu ihm ging, begrüßte er mich. >Bist du nicht der alte Schlawiner Don Alfonso?<, fragte er. ->Stimmt<, erwiderte ich. >Ich bin's, Don Alfonso Boswas, der im Alter von hunderteinundzwanzig Jahren fern der Heimat im Dschungel gestorben ist. Ich möchte reinkommen und meine Rosita wiedersehen.< - >Was hast du im Dschungel gemacht, Don Alfonso?<, fragte er. - >Ich wollte mit einigen verrückten jungen Yanquis in die Sierra Azul<, erwiderte ich. ->Und bist du dort angekommen?<, fragte er. - >Nein<, antwortete ich. - >Tja, Don Alfonso<, sagte er, >dann musst du wieder zurück, alter Schlawiner.<«

Don Alfonso schaute auf und fügte hinzu: »Deswegen bin ich wieder hier.«

Tom wusste nicht genau, wie er reagieren sollte. Einen Moment lang hielt er den Traum für einen von Don Alfonsos Scherzen, doch dann sah er die ernste Miene des Greises. Er wechselte einen Blick mit Sally.

»Und was bedeutet der Traum?«, erkundigte sich Sally.

Don Alfonso schob sich ein Stück Mattawurzel in den Mund und kaute nachdenklich, dann beugte er sich vor und spuckte den Brei aus. »Er bedeutet, dass ich nur noch ein paar Tage bei euch sein kann.«

»Nur noch ein paar Tage? Das ist ja wohl wahnwitzig.«

Don Alfonso verzehrte seine Portion und stand auf. »Am besten reden wir nicht mehr darüber. Gehen wir lieber in die Sierra Azul.«

Der Tag war schlimmer als zuvor, denn mit dem Ende des Regens kehrten die Insekten zurück. Die Reisenden kämpften sich eine Reihe steiler Grate und schlammiger Pfade hinauf, wobei sie ständig abrutschten und hinfielen, während Insektenschwärme sie fortwährend verfolgten. Am Nachmittag stiegen sie wieder in eine Klamm hinunter, die vom Echo eines rauschenden Flusses erfüllt war. Je tiefer sie gelangten, desto lauter wurde das Getöse, und schließlich sah Tom ganz unten einen größeren Fluss. Am Flussufer, wo das Dickicht endete, blieb ihr Führer Don Alfonso stehen.

Er wich verwirrt zurück und gab ihnen mit ein paar Gesten zu verstehen, dass sie zwischen den Bäumen bleiben sollten.

»Stimmt was nicht?«, fragte Tom.

»Auf der anderen Seite des Flusses, unter einem Baum, liegt ein Toter.«

»Ein Indianer?«

»Nein, er trägt nordamerikanische Kleidung.«

»Könnte das ein Hinterhalt sein?«

»Nein, Tomas. Wenn es ein Hinterhalt wäre, wären wir längst tot.«

Tom folgte Don Alfonso ans Flussufer. Auf der anderen Seite, ungefähr fünfzig Meter von einer Furt entfernt, befand sich eine natürliche kleine Lichtung, in deren Mitte ein hoher Baum wuchs. Hinter dem Baum konnte Tom einen Farbton erkennen, der irgendwie nicht recht in die Umgebung passte. Er borgte sich Vernons Fernglas, um ihn genauer zu betrachten. Ein nackter, fürchterlich angeschwol-lener Fuß war zu erkennen, außerdem ein teilweise zerfetztes Hosenbein. Der Rest des Leichnams war durch den Baum verborgen. Während Tom die Gestalt musterte, sah er hinter dem Baum eine bläuliche Wolke aufsteigen, dann noch eine.

»Der Mann lebt«, sagte Tom. »Es sei denn, Tote rauchen.«

»Bei der heiligen Jungfrau - Sie haben Recht.«

Sie fällten einen Baum. Das Geräusch der schlagenden Axt schallte durch den Wald, doch der Mann hinter dem Baum rührte sich nicht.

Als der Baum umgestürzt war und eine federnde Brücke über den Fluss bildete, schaute Don Alfonso argwöhnisch über das Wasser hinweg. »Vielleicht ist es ein Dämon.«

Sie überquerten die wacklige Brücke, wobei sie den Stab zu Hilfe nahmen. Am anderen Ufer konnten sie den Mann nicht mehr sehen.

»Wir müssen weitergehen und so tun, als hätten wir ihn nicht bemerkt«, sagte Don Alfonso leise. »Ich bin mir jetzt ganz sicher, dass es ein Dämon ist.«

»Das ist doch absurd«, erwiderte Tom. »Ich schau mir den Kerl mal an.«

»Bitte, Tomas, gehen Sie nicht. Er wird Ihnen die Seele rauben und sie auf den Grund des Flusses mitnehmen.«

»Ich komme mit«, erklärte Vernon.

»Curandera, Sie bleiben hier. Ich möchte nicht, dass der Dämon euch alle erwischt.«

Tom und Vernon bahnten sich einen Weg durch die blan-ken Findlinge am Flussufer und ließen den besorgt vor sich hin murmelnden Don Alfonso mit Sally allein. Kurz darauf erreichten sie die Lichtung und machten einen Schritt um den Baum herum.

Was sie sahen, war ein menschliches Wrack. Der Mann lehnte mit dem Rücken an dem Baum, hielt eine Bruyere-Pfeife zwischen den Zähnen und musterte die beiden mit festem Blick. Seine Haut war fast schwarz, aber ein Indianer war er wohl nicht. Seine Kleidung bestand nur noch aus Fetzen, sein Gesicht war zerkratzt und blutig von Insektenstichen. Seine nackten Füße waren zerschnitten und geschwollen. Er war so dünn, dass ihm die Knochen auf groteske Weise aus dem Leib hervorstachen. Sein Haar war strähnig. Er hatte einen kurzen Bart voller Reisigstückchen und Blätter.

Als Tom und Vernon auftauchten, zeigte er keine Reaktion. Er schaute nur aus tief in den Höhlen liegenden Augen zu ihnen auf. Er wirkte eher tot als lebendig. Dann zuckte er zusammen, als müsse er sich schütteln. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und sprach. Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.

»Wie geht's, Brüder?«

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