Obwohl tags darauf die Erde noch matschig war, verhieß der rotkehlcheneierblaue Himmel einen herrlichen Frühlingstag. Spät blühender Hartriegel bedeckte den Berghang. Die früheren Blüten waren vom Sturm geköpft worden, doch die Böschungen waren noch mit leuchtend roten Feuersternen übersät.
Tucker saß auf der Hintertreppe des Postamts und atmete die berauschenden Frühlingsdüfte ein.
Harry ging die sechseinhalb Kilometer zur Arbeit oft zu Fuß, doch nach den Regenfällen der letzten Woche fuhr sie mit dem Auto. Auf dem Weg zur Arbeit hatte sie einen Abstecher zu der kleinen Holzhandlung außerhalb der Stadt gemacht. Zum Glück war genug Sägemehl da, um es auf die Ladefläche zu schaufeln. Gewöhnlich gab es bis Mittwoch oder Donnerstag immer genug Sägemehl, so dass Pferdebesitzer vorbeikommen und aufladen konnten. Harry lud ihren Transporter voll, breitete eine Plane darüber und kam um halb acht zur Arbeit.
Kaum waren sie dort angekommen, eröffnete Tucker den Katzen, sie werde allein einen Streifzug machen.
»Ist mir recht«, erklärte Pewter.
Murphy sagte leicht pikiert:»Warum allein?«
»Will mich bei meinen Hundefreunden umhören. Nicht alle von ihnen haben Katzen gern.«
»Besorg dir neue Freunde.« Die Tigerkatze kehrte ihr den Rücken zu.
Voller Vorfreude und mit einem berauschenden Freiheitsgefühl holte Tucker noch einmal tief Luft, dann trabte sie munter durch die Gasse hinter dem Postamt. Sie wandte sich nordwärts, so dass sie, nachdem sie Eigenheime und die neue Grundschule hinter sich gelassen hatte, auf freies Feld gelangte. Trotz ihrer kurzen Beine hatte der Corgi ein flottes Tempo drauf. Tucker konnte nämlich sehr schnell rennen, und gelegentlich genoss sie den köstlichen Sieg, einem Jagdhund davonzulaufen, einem Spaniel oder einmal sogar einer dänischen Dogge. Es muss jedoch angemerkt werden, dass die dänische Dogge einen Splitter in der Pfote hatte. Wie auch immer, Tucker war ein zuversichtlicher, vergnügter Hund. Sie sauste über gepflegte Rasenflächen; die Hunde in den Häusern bellten nichtige Warnungen. In kürzester Zeit war sie auf den Feldern.
Frühgetreide, dessen winzige Schößlinge eben durch die Furchen brachen, überzog die roten Lehmfelder mit einem grünen Schimmer. Auf anderen Feldern wogte das Gras schon über Tuckers Kopf. Sie schob sich durch ein Feld mit einer Mischung aus Roggen und Timotheusgras. Tucker konnte alle Grassorten am Geruch unterscheiden. Sie kam zu einer viel befahrenen Farmstraße und dachte sich, sie könnte mal zum alten Mawyer-Hof gehen. Booty Mawyer, siebenundsiebzig Jahre alt, bestellte seine dreihundert Morgen fast noch genau so, wie er es immer getan hatte. Pfiffig wie er war, steckte er kein Geld in große Anschaffungen wie Traktoren, Düngerstreuer, Heupresse und dergleichen. Er hielt vier belgische Ackergäule und ließ sie jeweils als Zweiergespann arbeiten. Die Kosten für Fütterung und Beschlagen der Pferde waren viel niedriger als die Ratenzahlungen für einen Traktor. Und Booty bekam alles geschafft. Sein Enkel Don Clatterbuck half ihm abends aus, und während der Heuernte arbeitete Don ganztägig bei ihm.
Tucker konnte den alten Mann und seine Pferde aus der Ferne hören. Ein Hauch von Perlgrasduft durchzog den leichten Südwind. Tucker blieb stehen und schnupperte. Wind von Süden bedeutete meistens Feuchtigkeit, und zwar jede Menge, aber der Tag war unheimlich klar. Dennoch verließ Tucker sich auf ihren Hundesinn. Sie hielt es für das Beste, zur Mittagszeit wieder im Postamt zu sein.
Fest entschlossen, auf alle Fälle jemanden zu besuchen, lief sie eilends die Straße entlang und gelangte als Erstes zu den alten Tabakräucherschuppen. Wie so viele Farmer in Mittelvirginia, hatte Booty Mawyer einst mit seinen Tabakquotenzuteilungen einen guten Profit erzielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Geschäft abgeflaut, die Lohnkosten waren in die Höhe geschnellt, und viele Farmer ließen ihre Quotenzuteilungen ungenutzt. Aber die Einrichtungen des blühenden Tabakhandels waren noch vorhanden - Räucherschuppen, Lagerschuppen und in der Stadt das alte Auktionshaus.
Füchse hegten eine besondere Vorliebe für Räucherschuppen. Weswegen, konnte Tucker sich nicht erklären, ihr leuchtete jedoch ein, dass es immer von Vorteil war, unter einem hübschen Gebäude einen Bau zu haben. Es waren eine Menge solide Nebengebäude vorhanden, doch die Tabakräucherschuppen übten eine Faszination auf den Rotfuchs aus. Tucker hatte nichts gegen Füchse. Mrs. Murphy hasste sie und fauchte schon, wenn nur der Name eines Fuchses fiel. Von Zeit zu Zeit schloss die Katze einen Waffenstillstand, aber der eigentliche Grund, weshalb Murphy Füchse verabscheute, war der, dass sie dieselbe Beute jagten.
Die Monarchfalter flatterten zusammen mit Tuckers Gedanken in die Höhe, als sie zu dem Schuppen gelangte. Sie ging um die Seite des Gebäudes herum und blieb stehen. Direkt vor ihr stand der 1987er GMC-Transporter, die ausgebleichte Jacke der Cowboys-Footballmannschaft war über den Sitz geworfen.