Aus einer Eingebung hatte Cooper das Fahndungsfoto von dem falschen Wesley Partlow an alle Dienststellen im Staat geschickt. Nachmittags um zehn nach vier saß sie an ihrem Schreibtisch an einem Entwurf. Nächsten Mittwoch sollte sie an der Western Albemarle Highschool einen Vortrag über Gesetzesvollzug als Beruf halten. So sehr sie ihre Arbeit liebte, sie war müde, und ihr wollte partout nichts einfallen.
Zum Teil kam die Erschöpfung daher, dass sie es ständig mit Leuten zu tun hatte, die selbst mächtig im Stress waren. Sean hatte sie wegen der Exhumierung am kommenden Montag angegriffen. Er respektierte den Wunsch seiner Mutter, aber er fand, das Gesuch sei makaber und die Exhumierung werde sich als ergebnislos erweisen.
Sobald er Dampf abgelassen hatte, fragte sie ihn nach Rogers Erwerb einer Beteiligung an einem Stockcarsyndikat in Höhe von vierzigtausend Dollar, einem riesigen Batzen Geld für ein Hobby, und Sean sagte, es ginge ihn nichts an, wofür sein Bruder sein Geld ausgab. Er hatte regelmäßig die Rennbahn in Waynesboro besucht, und es war verständlich, dass Roger in die höheren Regionen des Sports vorstoßen wollte, wenn er ein bisschen Geld gespart hatte. Die Formel-1-Fahrer Dale Earnhardt und Richard Petty waren seine Helden.
»Man kann es nicht mit ins Grab nehmen«, hatte Sean O'Bannon wörtlich gesagt.
Dann musste Coop sich mit Don Clatterbucks Mutter bei der Bank treffen, um sein Bankschließfach zu öffnen. In dem schmalen Metallfach befanden sich sein Kraftfahrzeugbrief, seine Geburtsurkunde, einige Aktien und Anleihen sowie die Kombination für den Tresor.
Mrs. Clatterbuck schwor, dass sie die Kombination nicht kannte und gedacht hatte, der Tresor sei eins von Dons Fundstücken. Früher oder später würde er ihn wohl verkaufen. Er handelte gern. Sie wusste nicht, wo er das gute Stück erworben hatte. Weder sie noch ihr Mann waren Kaufleute.
Keine Liebesbriefe waren in dem Bankfach versteckt.
Coop bedankte sich bei Mrs. Clatterbuck, notierte sich die Kombination und kehrte ins Büro zurück.
Um zwanzig nach vier ging sie zur Kaffeemaschine. Ein Koffeinstoß würde sie vielleicht zu Ideen für ihren Vortrag inspirieren. Ihr fiel nichts anderes ein als »Wie würde es euch gefallen, Betrunkene, totgeschlagene Väter und zerquetschte Unfallopfer aufzulesen? Zur Abwechslung könntet ihr einen Drogendealer mit weggeschossenem Kiefer verhören.« Sie wusste, wenn sie in diesem Stil weitermachte, würde sie ins wahrhaft Morbide abgleiten. Kaum hatte sie den Kaffeebecher am Mund, als Sheila ihr ein Gespräch durchstellte.
Coop ging wieder an ihren Schreibtisch und nahm ab.
»Deputy Cynthia Cooper.«
»Louis Seidlitz, der Barmann von Danny's.«
»Ja, Mr. Seidlitz?«
»Mir ist der Name von dem kleinen Kotzbrocken eingefallen: Dwayne Fuqua. Hat mich ganz verrückt gemacht.«
»Als ich bei Ihnen war, sagten Sie, er war nicht oft da.«
»War er auch nicht. Wie gesagt, vielleicht einmal im Monat. Dwayne hatte eine Mission.« »Mädchen.«
»Mit Glück?«
»Nicht mehr als die meisten.« Louis lachte.
»Mr. Seidlitz, haben Sie ein Faxgerät im Büro?«
»Ja.«
»Legen Sie nicht auf. Geben Sie mir die Nummer und ich faxe Ihnen ein Foto. Sagen Sie mir, ob Sie jemanden erkennen.«
Er gab ihr die Nummer. Sie faxte ihm das Foto von Donald und Roger.
Sie konnte hören, wie das Faxgerät in seinem Büro das Foto auswarf.
»Deputy?«
»Ja?«
»Der mit den Händen in den Taschen. Der war ab und zu da. Mit Dwayne.«
»Mr. Seidlitz, haben Sie vielen Dank. Sie waren mir eine große Hilfe.«
»Gern geschehn.«
Sie legte auf, schalt sich im Stillen, weil sie nach ihrem Besuch in der Bar entmutigt gewesen war. Sie hatte das Gefühl gehabt, geschlampt zu haben. Nun, Louis hatte es wettgemacht. Er hatte soeben Don Clatterbuck identifiziert.