Tucker sauste dermaßen stürmisch durch das Tiertürchen ins Postamt, dass ihre Füße seitwärts wegrutschten und sie schlitternd umkippte. Ein Zusammenstoß mit dem Postkarren beendete ihren unüblichen Bewegungsablauf.
Während sie sich hochrappelte, rief sie:»Ich hab ihn gefunden! Ich hab den Transporter gefunden.«
Mrs. Murphy, die dem schlitternden Hund belustigt zugesehen hatte, sprang vom Tisch.»Wo?«
»Bei Booty Mawyer.«
»Was?« Die Katze traute ihren Ohren nicht.
Pewter, wieder mal aus dem Schlaf gerissen, schüttelte sich und steckte den Kopf aus dem Postkarren, in dem sie geschlafen hatte. »Tucker, wovon redest du? Du hast mich aufgeweckt.«
»Ich sage dir, der GMC-Transporter steht vor dem alten Tabakräucherschuppen auf Booty Mawyers Grundstück.«
»Woher weißt du, dass es der richtige Transporter ist?«, fragte Pewter skeptisch.
»DieCowboys-Jacke liegt über dem Sitz. Wie Sean gesagt hat. Erinnerst du dich?« Die klugen Hundeaugen glänzten.
»Dashat er gesagt, oder?« Die graue Katze zog sich mit den Vorderpfoten aus dem Postkarren.
»Was ist denn hier für ein Tumult?« Harry lächelte auf ihre Freundinnen hinunter.
»O Mom, ich wünschte, du könntest mich verstehn.« Der
Corgi ließ die Ohren kurz sinken und stellte sie dann wieder auf.
Harry gab Tucker einen Hundeknochen. Der Gerechtigkeit halber bekamen die Katzen ein paar Happen Haute-Feline-Katzenfutter, dann machte sie sich wieder daran, die Kartonregale umzuräumen.
»Ich finde, wir sollten der Sache auf den Grund gehn. Hört sich gar nicht gut an.« Mrs. Murphy bürstete ihre Schnurrhaare mit den Pfoten. »Weißt du, Tucker, Rick Shaw und Coop hätten den Transporter ohne weiteres bei Booty Mawyer ausfindig machen können. Allein schon anhand der Nummernschilder, und wenn Sean die Nummer nicht wusste, hätten sie bloß in den Computern des Verkehrsamts nach 1987er GMC-Transportern in Albemarle County suchen müssen. Also stimmt da was nicht.«
»Das ist es ja, Murphy, es gibt keine Nummernschilder. Wo die Schilder sein sollten, ist >Farmwagen< draufgepinselt. Der Transporter ist längst abgemeldet.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Die Katze war schon auf dem Weg zur Tür.
»Duhast mir ja keine Zeit gelassen. Und weißt du, Murphy, Autos mit der Aufschrift >Farmwagen< sind nicht befugt, auf der Straße zu fahren. Wer wollte sich schon an diesen alten Karren erinnern?« »Tucker, tut mir Leid. Komm jetzt.« Sie verschwand durch die Tür, ihr Schwanz witschte als Letztes hinaus.
Während Tucker der geschmeidigen Tigerkatze nacheilte, jammerte Pewter:»Ich rieche Regen. Ich werde nass. «
»Dann bleib hier, Fettsack.« Der Corgi konnte sich einen Abschiedshieb nicht verkneifen.
»Verlasst mich nicht! Ich möchte nichts verpassen.« Die graue Katze grummelte vor sich hin:»Ich weiß, ich werde es bereuen.«
»Was haben sie bloß?« Harry kratzte sich am Kopf, als Pewters graues Hinterteil durch die Tür verschwand.
»Da muss irgendwo eine Party im Gang sein.« Miranda lachte. »Kommen Sie, ich halte das Päckchen, sonst kippen Sie noch das Regal um.«
Die drei Tiere flitzten über den Rasen. Tucker hielt fremde Hunde in Schach, indem sie erklärte, sie wollten nur quer durch und seien gleich raus aus ihrem Revier. Der Corgi kündigte den fremden Hunden außerdem an, sie würden vermutlich auf demselben Weg zurückkommen, und sie bedaure, sie zu stören, aber es gehe um eine wichtige Angelegenheit.
Die anderen Haustiere verhielten sich vernünftig, abgesehen von einem australischen Schäferhund, der dermaßen ausfallend wurde, dass Tucker den Katzen riet, vorauszulaufen. Sie näherte sich dem mittelgroßen Hund, der angesichts der Entschlossenheit der Corgidame und ihrer entblößten Reißzähne zu dem Schluss kam, dass der Durchgang über seinen Rasen kein so großes Vergehen sei.
Auf dem Roggenfeld holte Tucker die Katzen ein.
»Dem hast du bestimmt das Maul gestopft.« Murphy streifte die schlanken Roggenhalme.
»Fürs Erste.«
»Wie weit noch?« Pewter nieste, weil Pollen in ihrer Nase kitzelten.
»Ich hab dir doch gesagt, bleib im Postamt«, schalt Tucker sie.
»Ich beklag mich ja nicht. Ich will bloß wissen, wie weit«, fauchte sie zurück.
»Zehn Minuten.« Tucker schob sich durch den Roggen.
Sie liefen schweigend weiter, bis sie auf die Farmstraße trafen. Die ausgefahrenen Furchen kamen Tucker diesmal noch tiefer vor. Nicht weit entfernt konnten sie einen Traktor heulen hören.
»Hört sich nicht gut an, was?«, bemerkte Pewter.
»Nein.« Tucker erspähte den Tabakschuppen weiter vorn und legte Tempo zu. Sie umrundete das Gebäude; der beißende Rauchgeruch von Jahrzehnten war noch deutlich wahrnehmbar.»Was!«
Die zwei Katzen rempelten sie fast um.
»Und? Wo ist der Transporter?«, stichelte Pewter.
»Er war hier. Ich schwöre es!«
»Hört sich an, als ob der Traktor feststeckt. Los, wir suchen ihn«, schlug Mrs. Murphy vor.»Vielleicht zieht Booty ihn ja mit dem Transporter raus.«
Booty zu finden erwies sich als einfach, nicht nur wegen des Heulens des Traktors, sondern weil Booty unflätig fluchte. Die Tiere bekamen Worte zu hören, die sie noch nie gehört hatten.
Der Traktor war in ein Schlagloch gerutscht, das vom Fahrersitz aus wohl nicht zu erkennen gewesen war. Die Hinterräder steckten zu einem Viertel bis zu den großen gelben Radkappen hinauf im Schlamm. Booty, dessen Arbeitsanzug von frischem Matsch glänzte, legte Steine, alles was er finden konnte, vor die Räder, dann schwang er sich wieder auf den Sitz, um es noch einmal zu versuchen.
Abraham, ein Bluetick-Jagdhund, sah traurig zu, wie sein Mensch Zustände kriegte. Abraham, der zwei Jahre älter war als Gott, litt an vermindertem Hörvermögen, steifen Hüften und schwindendem Sehvermögen, aber sein Geruchssinn war noch gut.
»Abraham«, rief Tucker ihm laut zu, als sie näher kamen, »wiegeht's denn so?«
»Tucker, wer ist bei dir? Sind das Chihuahuas?« Er blinzelte.
»Das verbitte ich mir«, brauste Pewter auf.
»Pewter, er ist fast so alt wie Booty.« Mrs. Murphy versetzte der grauen Katze einen Stoß, um sie in die Schranken zu weisen.
»Mrs. Murphy und Pewter sind bei mir«, antwortete Tucker.
»Hallo, Mädels«, grüßte Abraham sie mit ausgesuchter Höflichkeit.»Ich entschuldige mich für meinen Menschen, aber wie ihr vermuten könnt, kämpft er mit den Elementen, und wenn meine Nase was taugt, dann sind wir binnen einer halben Stunde nass. Er wird einen zweiten Traktor brauchen, um diesen rauszuziehen. O je.« Er stieß einen langen, langen Seufzer aus.
»Für einen Menschen muss man sich doch nicht entschuldigen. «
Tucker lachte.
»Mit dem Regen hat er Recht«, flüsterte Pewter Mrs. Murphy zu.»Ich fühl ihn kommen. Wenn ich nass werde, brauche ich Stunden zum Trocknen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn meine Haare zusammengedrückt werden. Murphy, hörst du überhaupt zu?«
»Hör auf zu quengeln.« Sie rückte an Abraham heran und rieb sich an seiner Brust.
»Mrs. Murphy, du riechst nach Muskat.« Er kicherte.
»Pewter.«
»Hier bin ich.« Pewter rieb sich auch an ihm.
»Wir hoffen, dass du uns helfen kannst.« Tucker setzte sich, während Booty fluchte, was das Zeug hielt.»Hinter dem Räucherschuppen steht ein Farmwagen. Ich kam zufällig vor nicht ganz anderthalb Stunden vorbei, und jetzt, wo ich zurück bin, ist er weg. Vielleicht weißt du, wo er abgeblieben ist?«
»Nein. Ich hab nicht gehört, dass der Wagen weggefahren wurde, aber ich hab ja auch nicht mehr so gute Ohren.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass Booty mal mit dem Transporter in die Stadt gefahren wäre«, meinte Mrs. Murphy.
»Farmwagen. Wie soll der's denn bis in die Stadt schaffen und zurück, ehrlich«, antwortete Abraham.
»Als ich vorbeikam, dachte ich, Booty wär mit seinem Pferdegespann draußen«, wunderte sich Tucker.»Und ich dachte nicht, dass er einen Traktor besitzt.«
»Gutes Gedächtnis, Tee Tucker. Er hat mit den Pferden auf dem kleinen Feld gearbeitet, Gartenbeetfeld sage ich dazu, aber dann hat Dimples ein Hufeisen verloren. Darauf hat er die Pferde ausgespannt und wollte das andere Paar einspannen, du weißt doch, er bat die jungen Gäule, die er eingewöhnt, ein schönes Gespann, beide gleich, ah, aber ich schweife ab. Also, er hat nach dem Wetter geguckt und gedacht, er bringt Marcus Durant seinen Traktor zurück. Er hatte ihn sich geliehen, um Löcher für Zaunpfähle zu graben. Marcus hat jedes Zusatzgerät, das in den Vereinigten Staaten hergestellt wird, und Booty kommt langsam in die Jahre, er hatte einfach keine Lust, Zaunlöcher mit der Hand zu buddeln. Damit ist er zum Glück fertig geworden, die Erde ist weich, die Zaunpfähle muss er freilich noch setzen, und er wollte den Traktor zurückbringen. Jetzt muss er die jungen Gäule einspannen, um den Traktor rauszuziehen, und er sollte den Traktor auch noch waschen. Der Regen wird ihm dabei helfen.« Er atmete aus, und beim Atmen zitterten seine Lefzen.
»Abraham, würdest du mir einen großen Gefallen tun?« Tuckers rosa Zunge hing ein bisschen heraus.
»Wenn ich kann. Ich möchte eine Lady ungern enttäuschen. «
»Gehst du mit uns zum Räucherschuppen und untersuchst die Erde, wo der Transporter gestanden hat? Deine Nase ist besser als meine.« Tucker schmeichelte dem Bluetick, aber in der Tat waren die Nasen von Jagdhunden das Beste vom Besten.
»Oh, mit dem größten Vergnügen, wenngleich ich überzeugt bin, dass deine Nase so gut ist, wie sie nur sein kann.« Er stellte sich auf alle viere, streckte sich und begab sich zum Schuppen, froh, von Nutzen zu sein. Jagdhunde müssen sich nützlich machen, sonst versinken sie in Apathie.
Booty drehte sich um und sah die vier Tiere fortgehen.
»Abraham, Abraham, du bist so unnütz wie Titten an einem Eber«, zischte er, weil er seine Wut an irgendwem auslassen musste.
»Taub werden hat seine Vorteile.« Abraham kicherte.
Beim Schuppen angekommen, senkte er seine Nase auf die Erde und bewegte sich in kleinen Kreisen um die Stelle, wo der Transporter gestanden hatte.»Schmiere. Benzin. Also das ist seltsam. Die Pumpe ist unten beim Schuppen. Und ...« Er hob den Kopf, sog frische Luft ein, um seine Nasengänge zu säubern, senkte dann die Nase wieder auf die Erde.»Etwas, etwas, eine Chemikalie? Tucker, komm mal her.«
Tucker senkte ihre Nase ebenfalls auf die Erde; die Katzen sahen zu. Ein steifer Wind kam plötzlich auf und blies ihnen das Fell zu den Köpfen hin.
»Ist kein Dünger, riecht aber organisch. Die von Menschen gemachten Chemikalien sind scharf. Das hier ist - hmm, normal.«
Abraham tat noch einen tiefen Atemzug.»Säurehaltig. Natürlich. Ah, ich hab 's. Ja, Gerbsäure. Ja. Wird manchmal auf den Rückseiten von neuen Orientteppichen verwendet, damit sie alt aussehen. Wird auch an Fellen verwendet. Das ist es.«
»Irgendein Hinweis auf einen Menschen?«, fragte Mrs. Murphy. Sie hielt dabei den Kopf gesenkt, weil der Wind beträchtlich zunahm.
»Don.« Abraham nickte langsam.»Vermutlich hat er sich den Transporter geliehen. Aber komisch, er hat sein Auto nicht dagelassen. Ich kann mir niemand anderen mit diesem Geruch denken. Die Feuchtigkeit konserviert ihn gut. Ich weiß nicht, ob Don den Transporter gefahren hat, aber das hier ist ganz sicher Gerbsäure.«
»Entschuldige, Abraham, ich bin in die Geheimnisse der Gerüche nicht eingeweiht.« Die Tigerkatze lächelte, ihre grünen Augen funkelten.»Aber ist es nicht möglich, dass der Geruch von dem Leder unten an Schuhen oder vom Oberleder kommt? Es ist hier so matschig, da kann ein Schuh leicht einsinken.«
»Dann wär er nicht so beißend.« Abrahams tiefe Stimme dröhnte. Er hob den Kopf nach Süden, dem Wind entgegen.
»Das gibt wieder ein Unwetter. Ihr macht am besten, dass ihr nach Hause kommt, oder bleibt hier, wenn ihr wollt. Booty wird sich schon wieder einkriegen.«
»Danke. Wir gehn zurück. Oh, eine Frage noch.« Tucker hob ebenfalls den Kopf.»Ich kann mich nicht erinnern, dass Booty ein Fan der Dallas Cowboys ist. Ich dachte, er steht auf die Washington Redskins.«
»Tut er.«
»In dem Transporter war eine Cowboys-Windjacke auf der Rückenlehne vom Sitz«, erklärte Tucker.
»Niemand in unserer Familie unterstützt eine andere Mannschaft als die Redskins. So viel kann ich euch sagen, auch wenn ich selbst kein Football-Fan bin. Geht jetzt. Ihr habt nicht viel Zeit.«
»Danke noch mal, Abraham«, sagte Tucker.
»Ja, danke«, wiederholten die Katzen.
»Freut mich, zu Diensten zu sein.« Abraham machte kehrt und ging gemächlich ins Haus. Booty und den Traktor ließ er links liegen.
Als die drei heimwärts eilten, platschte hinter der Grundschule der erste Regentropfen herab.
»Ichhab 's gewusst. Ich hab 's doch gewusst«, schimpfte Pewter, während Mrs. Murphy und Tucker sich vorwärts kämpften, und als der Sturm schlimmer wurde, stieg ihre Lautstärke an.
»Ich hätte nie aus dem Postamt weggehn sollen. Ich hätte mich auf meinen ersten Impuls verlassen sollen. Wann werde ich das endlich lernen? Was kümmert mich ein alter Transporter? Ich meine, Wesley Partlow geht mich nichts an. Ich hab Wesley Partlow nicht gekannt. Es war mir egal, wenn die Hälfte der Menschen verschwände. Die richten doch nur Unheil an. Ich hätte mich nie von Tucker hierzu überreden lassen sollen. Ich hasse die zwei. Ich hasse sie. Ehrlich!«