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Ein leichter Südwind trug den Duft von Geißblatt über Wiesen und Berge. Die Hummeln traten in voller Stärke an, ebenso die Holzbienen. Winzige Gottesanbeterinnenbabys krabbelten über die Klettertrompeten, die schon hübsch grünten, aber noch keine dunkel orangefarbenen Blüten zeigten.

Ein buckliger Hügel am Ende von Harrys Grundstück bot den idealen Platz für ein Picknick. Weil Harry der Festigkeit des Bodens noch nicht traute, war sie nicht mit dem Transporter hingefahren, sondern hatte den Korb und die Kühltasche mit den Getränken auf den John-Deere- Traktor geladen. Es war mit einer Tour getan, sie hatte die karierte Tischdecke ausgebreitet und einen mit einem Band umwundenen Thymianzweig in die Mitte gelegt. Daneben stand ein Leuchter aus klarem Glas mit einer Zierkerze.

Als Diego kam, setzte er sich auf den Traktorsitz, und Harry stellte sich vor ihn und lenkte das Gefährt.

Tucker schlenderte daneben her, weil Harry nicht schneller als im zweiten Gang fuhr. Mrs. Murphy und Pewter blieben zurück und stellten dem Blauhäher eine Falle. In ihren Mäulern trugen sie mit Melasse vermischtes Körnerfutter zum Rasen neben den Fliederbüschen. Sie öffneten die Mäuler und ließen es fallen. Dreimal hin und zurück, und sie hatten einen verlockenden Haufen geschaffen. Sie verzogen sich unter die Fliederbüsche und warteten.

Auf dem Hügel plauderten Harry und Diego drauflos; die peinliche Gesprächspause, die sich zuweilen ergibt, wenn Menschen sich gerade kennen lernen, stellte sich bei ihnen nicht ein.

»... geschwollen vom Händeschütteln.« Er schilderte, wie Lottie ihn bei dem Ehemaligen-Essen allen Leuten vorgestellt hatte.

»Sie war in ihrem Element.«

»Das war sie, und sie macht das gut. Sie hat den alten Herren Geld aus der Tasche gelockt, vielleicht sogar einigen mittelalten. Ach, warum dauert es so lange, bis man Geld verdient?« Er lachte. »Wir haben es am nötigsten, wenn wir jung sind.«

»Finden Sie?«

»O ja, solange wir noch offen sind für Abenteuer, bevor wir uns zu sehr an die leiblichen Genüsse gewöhnen, bevor die Kinder kommen.« Er überblickte die ländliche Szenerie.

»Wunderschön.«

»Das ist wahr.« Sie lehnte sich an den Ahornbaum. »Welche Abenteuer möchten Sie erleben, bevor Sie sich häuslich niederlassen?«

Seine Augen blitzten. »Auf der Westseite der Südinsel von Neuseeland Floß fahren. Im Frühling durch Patagonien reiten. In den Grand Tetons von Wyoming und in den Bighorn-Bergen wandern. An den griechischen Inseln entlang segeln, aber das könnte man auch mit Kindern machen, nehme ich an. Ah, ich würde gern Tennis in Kapstadt, Krocket in England und Polo in Argentinien spielen. Ich möchte das Nordlicht sehen und noch öfter in Crozet, Virginia picknicken. Und Sie?«

»Den Dubliner Pferdemarkt. Den würde ich gern einmal sehen. Ich möchte Südfrankreich sehen und die Toscana und das Wiener Opernhaus. Ich möchte die Ostsee sehen und dann nach Stockholm fahren und durch die schwedische Landschaft gondeln. Und ich möchte das Britische Museum sehen, aber wenn ich nichts von alledem zu sehen bekomme, kann ich darüber lesen. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit dem, was ich habe. Das ist nicht viel, gemessen am Standard der Reichen und Mächtigen, aber es macht mir Freude, und Diego, wie viel braucht der Mensch, um glücklich zu sein?«

»Für manche ist genug nicht genug. Die haben Risse in ihrer Seele, nicht?«

Harry nickte. »Hier bin ich, Posthalterin in Crozet, Virginia. Der überwiegende Teil der Menschheit hat nie von Crozet gehört und von mir erst recht nicht. Aber ich denke über die Welt nach. Ich wünsche den Menschen ein gutes Leben, und ich weiß, ich kann nicht viel tun, um ihnen zu helfen, außer auf mich Acht zu geben und anderen nicht zur Last zu fallen. Ich weiß nicht, ob der Menschheit zu helfen ist.«

»Ein sehr protestantisches Anliegen.« Er lächelte, seine weißen Zähne hoben sich von seiner gebräunten Haut ab.

»Ja, nicht wahr? Dieses entsetzliche Bedürfnis, sich selbst und die Welt zu verbessern. Man sollte meinen, nach so vielen Jahrhunderten hätten wir gelernt Gott zu danken für das, was wir haben und es dabei bewenden zu lassen.« Sie lächelte traurig.

»Glauben Sie an Bestimmung?«

Eine Honigbiene schwirrte zu der Mayonnaise, während Harry nachdachte, und schwirrte dann wieder davon. »Ja.«

»War die Antwort so schwer?«

»Ich musste darüber nachdenken. Meine Freundinnen treibt das zum Wahnsinn. Ich bin nicht sehr spontan. Ich überdenke alles, und ich weiß nicht, ob ich auf diese Weise weniger Fehler mache, aber das ist nun mal meine Art.«

»Das sehe ich. Ich bin freilich das genaue Gegenteil. Gegensätze ziehen sich an.«

»Ich weiß nicht recht.« Sie lachte; seine übersprudelnde Laune ergötzte sie. »Noch ein Sandwich?«

»Ja.« Er wusste, dass die Schinkensandwiches ihn furchtbar durstig machen würden.

Sie gab ihm eins, dann brach sie ein kleines Stück von ihrem Sandwich für Tucker ab, die es sofort verschlang. »Hab vergessen die Kerze anzuzünden.« Sie griff in ihre Jeanstasche. »O je, Streichhölzer hab ich auch vergessen.«

Diego kramte in seiner Tasche und zog ein grellbuntes Streichholzbriefchen heraus. »Hier.«

Harry starrte auf das Briefchen von Roy and Nadine's in seiner Hand. »Diego, woher haben Sie die Streichhölzer?«

»Die hier?« Er las die Aufschrift. »Aus Lotties Auto.«

Harry hoffte inständig, dass er die Wahrheit sagte. Gleich nach dem Picknick wollte sie Coop anrufen.

»Waren Sie mal in Lexington, Kentucky?«

»Nein. Ich werde das auf meine Abenteuerliste setzen.«

Hinten beim Haus entspann sich auch ein kleines Abenteuer. Der Blauhäher, der auf der Wetterfahne auf dem Dach hockte, hatte beobachtet, wie die zwei Katzen die Falle stellten. Er wartete, bis die Menschen zurückkamen, Diego sich verabschiedete und die Katzen enttäuscht ins Haus gingen. Dann stieß er herab, futterte die Körner und kreischte triumphierend. Bis die Katzen aus dem Haus gerast kamen, war die Hälfte des Futters verputzt.

»Ichhasse dich!«, heulte Pewter, was ihre Lungen hergaben.

»Haha«, rief der Blauhäher von der Wetterfahne herunter.


Bevor Harry sich für den Ball anzog, rief sie Cooper an und berichtete ihr, dass sich ein Roy-and-Nadine's- Streichholzbriefchen in Diegos Besitz befand.

»Ich würde sie ja selbst anrufen und fragen«, erbot sich Harry, »um dir den Anruf zu ersparen, aber dann würde sie denken, ich rufe wegen Diego an. Es ist doch klar wie Kloßbrühe, dass sie ihn haben will.«

»Du würdest sie anrufen, weil du so neugierig bist wie deine Katzen«, erwiderte Coop. »Wie auch immer, ich ruf sie an. Was glaubst du, um wie viel Uhr du auf dem Ball sein wirst?«

»Oh, um sieben. Um halb sieben geht's los, ah, warte, die Einladung liegt auf dem Kühlschrank. Ich guck lieber noch mal nach. Okay, Bar-Eröffnung um halb sieben, Essen um sieben, Tanz um acht. Also denke ich, dass wir um halb sieben dort sind. Fair möchte bestimmt gern einen Drink. Ich passe.«

»Hast du überhaupt schon mal richtig getrunken?«

»Nein, eigentlich nicht, höchstens ab und zu mal ein Bier. Sekt auf einer Hochzeit. Und du?«

»Auf dem College.«

»Wann kommst du hin?«

»Halb sieben.« Sie lachte.

»Hast du heute Abend Dienst?«

»Ja, aber ich schmeiß mich in Schale. Rick auch.«

»Sobald du mich siehst, musst du mir erzählen, was Lottie zu dem Streichholzbriefchen gesagt hat. Ich hoffe, er hat es in ihrem Auto vom Boden aufgehoben. Wenn nicht .«

»Ja, ich weiß.«

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