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»Ich bin ja so froh, dass du da bist. Ich wollte gerade wieder gehen«, erklärte BoomBoom, die von den drei Pferden auf der Koppel beäugt wurde.

»Haben wir ein Glück«, erwiderte Harry trocken. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker rangelten darum, wer zuerst aus dem Transporter käme.

Pewter gewann nur deshalb, weil sie sich von Mrs. Murphys Rückens abstieß, die Sitzkante berührte, hinunterglitt, die Vorderpfoten auf die Trittstufe stellte und auf dem Boden landete.

»Ichkann nicht glauben, dass du das getan hast!« Mrs. Murphy war wütend.

»Dudeljöh.« Die graue Katze lief schnurstracks zum Haus, weil sie wusste, dass auf der Küchenanrichte ein großer Napf mit Katzenkeksen wartete.

»Ziemlich gut für ein dickes Mädchen.« Tucker kletterte vorsichtig heraus.

»Halt ihr nicht die Stange.«

»Tu ich nicht, aber sie ist erstaunlich.«

Die Katze erwiderte lachend:»Du hast ja Recht, sie kann beweglich sein, wenn sie muss. Schließlich ist sie eine Katze.«

»Ihr seid ichbezogen, ihr Katzen.« Tucker ging BoomBoom begrüßen, die sich vorbeugte und den glänzenden Hundekopf tätschelte.

Mrs. Murphy, die völlig außer sich war, stapfte in den Stall, ging in die Sattelkammer, ließ sich hinplumpsen und schrie in das winzige Mauseloch in der Mauer:»Ich weiß, dass ihr da drin seid. Ich sag euch was, noch vor dem Heldengedenktag seid ihr Mäusesouffle.«

Die Mäuse, die tief schliefen, antworteten nicht. Erst recht erzürnt, lief die Katze ins Haus, wohin sich die Menschen unterdessen zurückgezogen hatten. Vielleicht konnte sie da drinnen jemanden ärgern.

Trotz ihrer Abneigung hatte Harry sich auf ihre Manieren besonnen und BoomBoom zu einem Tee oder kalten Getränk ins Haus gebeten.

BoomBoom hatte es sich im Wohnzimmer in einem von den alten Ohrensesseln gemütlich gemacht, die Harrys Eltern vor vierzig Jahren gekauft hatten, für fünf Dollar das Stück, weil sie aus der Zeit um 1930 stammten und damals aus der Mode und zudem ramponiert waren. Seither waren sie fünfmal neu bezogen worden; das letzte Mal, vor ihrem Tod, hatte Harrys Mutter sie mit weichem grünen Leder beziehen lassen, einerseits ein Luxus, aber eine kluge Investition, wenn man die lange Haltbarkeit bedachte. Höchstwahrscheinlich würde Harry die Sessel zeit ihres Lebens nicht neu beziehen lassen müssen.

»Ich hab ein klitzekleines Problem.« BoomBoom schlug die Augen nieder, was hieß, dass das Problem soeben an Größe gewonnen hatte. »Ich hoffe, du wirst mir helfen.«

»Oh. Warum fragst du nicht Susan?« Harry schlug ihre beste Freundin vor, die besser mit BoomBoom auskam als sie.

»Susan ist verheiratet.«

»Ah.« Harry machte sich langsam ein Bild.

Mrs. Murphy kam hereinstolziert, setzte sich auf den Couchtisch und brüllte:»Alle sind schrecklich! Nur ich bin vollkommen.«

»Murphy, was ist los mit dir?« Harry schlug nach ihr, um sie aus dem Zimmer zu scheuchen.

Die Tigerkatze wich diesem plumpen Versuch aus, indem sie auf den Ohrensessel sprang und sich auf der Rückenlehne hinter BoomBooms schönen langen blonden Haaren niederließ, die zu einem schlichten Knoten geschlungen waren. Da sie frisch vom Friseur kam, waren BoomBooms Strähnen lockerer als sonst. »BoomBoom hat große Brüste. Die schlägt sich damit sicher beim Joggen ein blaues Auge. Es fällt ihr sicher schwer, sich vorzubeugen und wieder aufzurichten. Vielleicht schlägt sie mit dem Gesicht auf dem Boden auf«, trällerte sie, sehr zufrieden mit sich.

»Boom, schubs sie da runter. Sie ist ungezogen.«

»Der Krach macht mir nichts aus. Aber der Thunfischgeruch aus ihrem Mund, der macht mich fertig.«

»Thunfischgeruch?« Mrs. Murphy machte große Augen, was deren herrliche, auffällige Farbe noch mehr leuchten ließ. Sie fuhr eine scharfe Kralle aus, hakte sie gekonnt in die hübsche Schildpattspange, die Booms Haare zusammenhielt. Mit einem Ruck riss sie die Hälfte der Haare aus der Spange, so dass Booms goldblonde Frisur aus der Fasson geriet.

»Jetzt reicht's aber!« Erbost stand Harry auf, packte die Katze - die keinen Widerstand leistete - und ließ sie auf den Boden fallen. »Noch so 'ne Nummer, und du schläfst heute Nacht im Stall.«

Pewter, die die Vorstellung beobachtete, sagte gelassen:

»Sie tut nur, was du gerne tun würdest, Mom. Du kannst Boom-Boom nicht ausstehn.«

»Genau.« Durch Pewters Unterstützung ermutigt, stieß Mrs. Murphy ein neuerliches Gejaule aus.

»Erst zankt ihr euch, undjetzt seid ihr ein Herz und eine Seele. Ihr seid infantil, ihr zwei.« Tucker verdrehte die Augen. Sie hatte sich neben Harry aufs Sofa gequetscht.

»Eingroßes Won, Tucker. Gratuliere«, sagte Mrs. Murphy sarkastisch, dann kehrte sie den Anwesenden den Rücken zu, nahm ihre Schwanzspitze in die rechte Pfote und führte sie zum Mund, um sie zu putzen.

»Hihi.« Pewter musste unwillkürlich lachen, weil sie es lustig fand, aber auch, weil es den Hund wahnsinnig machte.

Tucker ignorierte die Katzen. Sie legte den Kopf auf Harrys Schoß, guckte so liebenswert wie möglich.

»Du weißt, was ich mache. Mich abreagieren. Menschen reagieren sich andauernd ab«, meinte Murphy.

»Ich würde Menschen nicht nachahmen.« Pewter dachte daran, sich zu putzen, befand aber, dass sie zu müde war. »Diesind eine Spezies, die das Motto hat: Ich kann es mir nicht immer schwer machen, aber ich kann mich bemühen. Sie machen alles so kompliziert, kein Wunder, dass sie sich abreagieren, meckern und jammern. Sie sind selbst schuld. «

»Wohlwahr«, stimmte die Tigerkatze ihr zu.

BoomBoom hatte soeben eine elliptische Tangente beendet, die endlich zum Anfangspunkt zurückkehrte, nämlich dass sie Harrys Hilfe brauchte, »... du siehst also, Susan wäre nicht die Richtige, und Lottie Pearson ist übereifrig, falls du verstehst, was ich meine. Sie besucht Partys in Washington, Richmond und Charlotte, immer auf der Suche nach einem Mann mit Moneten. Sie wird langsam panisch von wegen Heirat, das schwör ich dir. Natürlich sagt sie, dass sie unterwegs ist, um Spender für die Universität zu werben. Ihre Arbeit als Spendensammlerin deckt eine große Menge Sünden, das schwör ich dir.« Lottie Pearson war eine Bekannte von BoomBoom, die sie manchmal mochte und manchmal nicht. Heute war ein Nicht-mögen-Tag.

Harry, die fürchtete, was kam, warf rasch ein: »Aber Lottie Pearson ist ledig und Susan nicht. Das ist ein Pluspunkt.«

Harry kam darauf zurück, dass BoomBoom es zuvor verworfen hatte, sich an Susan um Hilfe zu wenden. Sie wünschte, BoomBoom würde zur Sache kommen. Was genau wollte sie?

»Lottie Pearson macht alles kompliziert. Ich möchte nicht, dass meine Freunde über ihre Vermögensverhältnisse ausgefragt werden.«

»Boom, ich komm nicht ganz mit. Was für Freunde? Wieso Vermögensverhältnisse?«

Nach einem langen, erfrischenden Schluck dampfendem Plantation-Mint-Tee stellte die groß gewachsene Frau die Tasse auf die dazugehörige Untertasse und setzte beides auf dem Couchtisch ab. »Das Porzellan deiner Großmutter. Ich erinnere mich an deine Großmutter.«

»Moms Mom.« Harry lächelte, als ihr das Bild einer schlanken, silberhaarigen Dame durch den Kopf ging.

»Sie war eine gute Lehrerin. Im Pony Club.«

Im Pony Club lernen junge Menschen alles über den Umgang mit Pferden. Reiten ist nur ein kleiner Teil dieser Künste.

Harry beugte sich vor. »Weißt du noch, wie sie uns das Zaumzeug zerlegen, in Wasser tauchen und dann wieder zusammensetzen ließ, und sie hat jede einzelne Arbeit begutachtet. Wie Susan mogeln wollte und eine Zahnbürste genommen hat, um die Gebissstange rundum sauber zu machen, statt sie ganz auseinander zu nehmen?«

BoomBoom lachte. »Und dann hat sie einen Vortrag über Abkürzungen gehalten. Hey, ich kann ihre Stimme noch hören, wenn ich den bequemen Weg erwäge - >der kürzeste Weg ist oft der längste.««

Da sie auf die vierzig zugingen, sahen beide Frauen langsam ein, dass gemeinsame Erlebnisse bindend waren. Die Zeit verfügt über die größte Macht. Männer, die im Krieg auf entgegengesetzten Seiten gekämpft hatten, fühlten sich im Alter ihren ehemaligen Feinden oft mehr verbunden als eigenen Landsleuten, die jünger waren.

»Weißt du«, BoomBoom senkte die Stimme, ein lieblicher tiefer Sopran, ein Gegensatz zu Harrys klarem Alt. Hätten die zwei zusammen gesungen, würden sie himmlisch geklungen haben. »Ich bin seit einer Weile mit diesem göttlichen Mann zusammen. Er ist so interessant. Er ist weltmännisch, spricht vier Sprachen, und er ist wahnsinnig intelligent. Er kommt dieses Wochenende hierher, und in letzter Minute sagte sein Assistent an der Botschaft, er kann mitkommen und .«

»Botschaft?«

»Ja. Er ist Staatssekretär des Botschafters von Uruguay.«

»Wer?« Harry kämpfte gegen ihre Wut.

»Mein Freund, Thomas Steinmetz, ist Staatssekretär.«

BoomBoom hob die Hände. »Ich rede drum herum. Magst du den Freund meines Freundes begleiten? Das war es, was ich fragen wollte.«

Also, das war interessant. Katzen und Hund wandten die Köpfe und sahen Harry an, die blinzelte.

»Sag was«, riet Mrs. Murphy Harry.

»Äh .«BoomBoom bemühte sich um etwas mehr Zusammenhang, nachdem die Katze jetzt sozusagen aus dem Sack war. »Gut aussehend. Witzig. Wirklich sehr witzig. Frisch geschieden.«

»Wie frisch?«

»Äh-hm, ein Jahr.«

»Wieso fragst du mich eigentlich?«

»Weil du witzig bist, weil du sehr attraktiv bist und weil, na ja, man kann nie wissen.« Sie hielt die Hand hoch, ihr großer Diamant warf das Licht zurück.

»Was wissen?«

»Wann der Blitz einschlägt.«

Harry drückte sich ein bisschen tiefer ins Sofa. Tucker weigerte sich zu weichen. »Tucker.«

»Ichwill nichts verpassen«, antwortete der helläugige Corgi auf die Beschwerde.

»Ha«, kicherten die zwei Katzen.

»Harry, du musst mehr ausgehen.« BoomBoom griff wieder nach der Teetasse.

»Wie ironisch, wenn so was von dir kommt.«

Als Harry und Fair sich getrennt und die Scheidung eingereicht hatten, hielt seine kurze Affäre mit BoomBoom die Klatschzungen in Crozet in Bewegung. Es war wie die Kleinstadtversion der Präsentation auf den Titelblättern der Regenbogenpresse.

Harry fand immer, er hätte sich jemand außerhalb der Stadt suchen oder BoomBoom hätte ihn zurückweisen können. Die Tatsache, dass beide, Fair und BoomBoom, sehr gut aussehende Menschen in der Blüte ihrer Jahre waren, entging ihr.

»Du bist mir immer noch böse, und ich hab alles getan, außer zu Kreuze zu kriechen, und ich wiederhole zum tausendsten Mal, er hat von dir getrennt gelebt. Getrennt.«

Harry überging dies, weil sie nicht an BoomBooms Version vom Zeitrahmen der Affäre glaubte, und warf ein: »Es hat höllisch wehgetan. Und warum bist du eigentlich nicht mit ihm zusammen geblieben?«

»Ich könnte nie die Frau eines Tierarztes sein.«

Wahrere Worte wurden nie gesprochen. BoomBoom konnte nicht nur den Arbeitsverlauf eines Pferdearztes nicht aushalten, der mitten an einem romantischen Abend zu einer Kolik gerufen wurde, sie brauchte auch mehr gesellschaftlichen Rang, mehr Macht, mehr Geld.

BoomBooms Affäre mit Pharamond »Fair« Haristeen, Doktor der Veterinärmedizin, hatte auch damit zu tun gehabt, dass sie nach der Erschütterung über den plötzlichen Tod ihres jungen Ehemannes wieder zu sich selbst finden musste. Man muss ihr aber zugute halten, dass sie ihre Einsamkeit nie als Vorwand benutzte.

Für Fair war die Affäre schlicht und einfach eine Flucht vor der Verantwortung. Das war ihm klar. Nach sechs Monaten hatte er Schluss gemacht und sich in Therapie begeben - es war ihm entsetzlich schwer gefallen, um Hilfe zu bitten. Nach dem ersten Jahr in therapeutischer Behandlung bat er seine Ex-Frau um Verzeihung. Er hoffte noch immer Harry zurückzuerobern. Sie war die beste Gefährtin, die er finden konnte, das wusste er. Sie verstand was von Pferden. Sie verstand ihn. Sie war darauf gefasst, schwer zu arbeiten in diesem Leben und verlangte dafür einen Partner, der ebenfalls schwer arbeitete, treu blieb und viel Sinn für Humor hatte. Er wusste, dass er das jetzt bieten konnte.

Sie blieb zurückhaltend, wenngleich sie sich zuweilen wieder zu ihm hingezogen sah, nicht nur gefühlsmäßig, sondern körperlich, und das heizte die Sache nur an. Sie band es BoomBoom nicht auf die Nase, aber Susan wusste es, und Mrs. Hogendobber ahnte es.

Die Tiere verhielten sich diskret, was dieses Thema anbelangte.

Harry, die eine Weile geschwiegen hatte, sagte schließlich:

»Was ich nicht verstehe, warum lässt du mich nicht in Ruhe? Warum ist es so wichtig, dass wir uns - irgendwas?«

»Weil wir Teil unseres gegenseitigen Lebens sind. Wir sind zusammen aufgewachsen. Und weil wir Frauen sind und Frauen in diesen Dingen klüger sind als Männer.«

»Ich glaube nicht, dass ich in Sachen Untreue klüger bin als ein Mann.«

»Aber er war dir nicht untreu, Harry. Ihr wart getrennt.«

BoomBoom betonte dies noch einmal, als spräche sie zu einem begriffsstutzigen Kind.

»Können wir das ruhen lassen?« Harry verdrehte die Augen himmelwärts.

»Du hast es seit Jahren ruhen lassen. Wir können sicherlich miteinander auskommen. Wir arbeiten an denselben Projekten.«

»Das tun alle anderen auch. Wir leben in einer Kleinstadt«, meinte Harry mürrisch.

»Wir gehen zusammen auf die Jagd, wir spielen zusammen Golf und Tennis.«

»Ich spiele kaum Golf und Tennis. Ich hab keine Zeit dafür.« Harry wurde unruhig.

»Okay.« BoomBoom atmete tief ein. »Wirst du Diego Aybars Verabredung sein?«

»So heißt er?«

»Diego Aybar. Und glaub mir, er sieht gut aus, ist unternehmungslustig - auch wenn der Blitz nicht einschlägt, wirst du dich in seiner Gesellschaft wohl fühlen. Bitte sag ja, Harry. Ich weiß, er wird dich mögen, und es wird für uns alle ein unvergessliches Wochenende sein.«

»Fair hat mich zum Abbruchball eingeladen. Ich könnte überall sonst hingehen, außerdem bin ich Paradekoordinatorin für das Fest« - sie hielt inne -, »aber das weißt du ja. Allerdings, wenn der letzte Festwagen sich in Bewegung gesetzt hat ...«

»Sag ja«, maunzte Pewter.»Eine kleine Aufrüttelung des Status quo kann nicht schaden.«

»Lauter Status und kein quo«. Mrs. Murphy beobachtete, wie ihr Mensch mit widerstreitenden Gefühlen kämpfte, von denen Misstrauen gegenüber BoomBoom das augenfälligste war.

»Harry, wenn es dir nicht zusagt, wenn du am Wochenende leidest, kaufe ich dir den neuen Wilson­Tennisschläger, von dem alle schwärmen. Dann kannst du mich schlagen.«

»Ich schlag dich sowieso. Du brauchst mich nicht zu bestechen, BoomBoom.«

»Also?«

»Was zieh ich an?«

»Gott, sie ist echt 'ne harte Nuss.« Pewter atmete aus.

»Und es fehlt ihr total an Spontaneität, aber ich liebe sie.« Mrs. Murphy lehnte sich schnurrend an Pewter, die sich zu ihr gesetzt hatte.

»Ihr zwei gebt wirklich ein hübsches Bild ab, aber ich bin neben Mom und ihr nicht.« Auf die Herausforderung des kleinen Hundes eingehend, sprangen die Katzen auf die Rückenlehne des Sofas. Sie ließen sich hinter Harrys Kopf plumpsen.

»Es wird lustig. Du brauchst nur ein Frühjahrskleid zum Tee. In deinem weißen Abendkleid siehst du super aus. Du brauchst nur ein einziges neues Kleid. Ich weiß, dass du ungern einkaufen gehst.«

»Das Abendkleid hat meiner Mutter gehört.«

»Klassisch. Ein Christian-Dior-Klassiker. Deine Mutter hatte einen fabelhaften Geschmack.«

»Und kein Geld. Das Kleid hat sie gewonnen.« Harry lächelte in Erinnerung an ihre Mutter, die so stolz auf das Kleid gewesen war, das sie tatsächlich bei einem Wettbewerb für die Gestaltung des Weihnachtsballs für die karitative Einrichtung United Way gewonnen hatte. Christian Dior, ein Freund von Tally - Big Mims Tante, die alle und jeden kannte -, hatte das Kleid als Preis ausgesetzt.

»Komm schon. Das wird Fair wachrütteln. Er hat keine Konkurrenten.«

Harry löste die verschränkten Arme. »Das stimmt.« Ihre Augenbrauen zuckten einen Moment. »Also gut, Boom­Boom. Ich mach's. Ich weiß nicht genau, warum ich's mache, aber ich mach's.«

»Danke.«

»Frühlingsgefühle«, sagte Pewter lakonisch und ließ einen kleinen Rülpser folgen.

»Entschuldige dich, du Ferkel.« Mrs. Murphy berührte Pewter an der Schulter.

»Entschuldige. Frühlingsgefühle.«

»Pewter, wovon redest du?« Tucker wollte eine Antwort. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn die Katzen sich »überspannt« gaben, wie sie es nannte.

»Frühlingsgefühle. Deswegen geht Harry mit diesem neuen Typ aus.«

»Da könntest du Recht haben«, stimmte Mrs. Murphy zu.

»Lottie Pearson wird sich schwarz ärgern. Sie ist auf Männerjagd, und BoomBoom hat sie zugunsten von Mom übergangen. Sie wird sich rächen, wartet's nur ab.«

»An wem? Mom oder BoomBoom?« Tucker hob den Kopf.

»An beiden. Ich kenne Lottie. Ihr gesellschaftlicher Ehrgeiz ist am Sieden. Von einem gut aussehenden Mann begleitet zu werden, der im Botschaftsviertel von Washington arbeitet, das ist ihre Idealvorstellung. Sie würde noch mehr wichtige Leute kennen lernen, und sie würde wichtig wirken. Sie kultiviert Leute, so sagt man, glaube ich, bevor sie sie um Hunderttausende von Dollars für die Universität bittet. Sie würde auch gern eines Tages in dieser Stadt das Sagen haben. Dazu wird es nicht kommen. Big Mim wird hundertfünfzig Jahre alt. Guckt doch, wie alt Tante Tally ist. Die sterben nie, das schwör ich euch. Aber denkt an meine Worte, Lottie Pearson ist schlau und gerissen. Sie wird sich rächen.«

»Das ist so kleinlich!«, rief Pewter aus.

»Genau, aber so sind die Menschen eben. Sie entfernen sich immer weiter von der Natur, und sie werden sonderbar, ober sonder bar.« Mrs. Murphy sah zu, wie Harry BoomBoom in die Küche zur Hintertür begleitete.

»Frühlingsgefühle.« Pewter marschierte in die Küche, um sich noch mehr Katzenkekse einzuverleiben.

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