Täglicher Sonnenschein und Wind ließen die Pfützen kleiner, den Schlamm flacher werden. Da Harry dem Boden noch nicht traute, fuhr sie nicht mit dem Traktor an den Bach. An den Ufern hatten sich große Äste verkeilt, ein paar schwache Bäume waren in den Bach gekracht; ihre entwurzelten Stämme sahen aus wie gelähmte Tintenfischtentakeln. Harry musste die Stämme zu kleineren Stücken zersägen und schwere Ketten darum winden, um sie herauszuziehen. Wenn das Holz getrocknet war, wollte sie es zu Feuerholz zerkleinern und säuberlich auf der Veranda stapeln. Sie hatte auch neben dem Sägespäneschuppen einen wetterfesten Holzschuppen gebaut. Im Laufe des Frühjahrs und des Sommers wollte sie den Holzschuppen nach und nach bis obenhin voll packen. Das würde den ganzen kommenden Winter über reichen. Das Quecksilber kletterte mittags auf fünfzehn Grad, gerade warm genug, um die Jacke auszuziehen, aber noch kühl genug für ein mitteldickes Hemd. Harry nahm die Gelegenheit wahr, ein Blech auf ihrem Stalldach zu falzen, bevor das Wetter heiß und heißer wurde. Die Falznähte lösten sich mitunter. Man faltet das längere Stück über das kürzere und drückt beide zusammen. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, wie man das macht. Sie trug Turnschuhe; die Gummisohlen gaben ihr Halt auf der Dachpappe. Nur eine einzige Naht musste ausgebessert werden, worüber Harry erleichtert war.
Pewter und Murphy hatten sich unter dem großen weißen Fliederbusch zur Ruhe gelegt. Tucker schlief unter dem lila Fliederbusch. Beide Katzen waren wach, hatten sich aber auf der Seite zu voller Länge ausgestreckt.
»Magst du Speck?« Pewter schlug nach einer Ameise, die ihr schnell auswich.
»Das weißt du doch.«
»Wenn du die Wahl hättest zwischen Speck und Rindsstückchen, was würdest du nehmen?«
»Rind.«
Pewter rollte sich auf den Rücken.»Und zwischen Rind und Thunfisch?«
»Thunfisch.«
»Thunfisch und Lachs?«
»Hm-h-m, Thunfisch.« Mrs. Murphy musste darüber nachdenken.»Wieso fragst du mich? Hast du schon wieder Hunger? Du hast reichlich gefrühstückt. «
»Wenn ich nicht esse, denke ich gern ans Essen. Lieblingsspeisen geben Aufschluss über die Persönlichkeit.« Sie äußerte dies mit großer Überzeugung.
»Pewter, leg dir 'ne Taucherbrille zu.«
»Häh?«
»Du tauchst ab in den Tiefsinn.«
»Beschränkt«, sagte sie naserümpfend.»Wundert mich gar nicht. Thunfisch, eine äußerst konventionelle Katze.«
Mrs. Murphy hob den Kopf.»Sie hat aufgehört.«
Auch Pewter hob den Kopf von ihrer ausgestreckten Pfote.
»Welche Ausbesserung wird sie sich als Nächstes vornehmen? Sie ist unermüdlich. Sie muss lernen, zwischendurch ein Nickerchen zu machen.«
Aus heiterem Himmel flog der Blauhäher an ihnen vorbei, dass der Flieder wackelte, und kreischte:
»Mäusekot!«
Pewter sprang auf und schüttelte sich.»Tod!«
»Geh nicht weg. Komm her. Mal sehn, ob wir ihn in den Busch locken können. Dann haben wir ihn.«
Der Blauhäher wendete, flog um den Walnussbaum, hielt im Sturzflug auf die Fliederbüsche zu, zu gerissen, um sich hineinlocken zu lassen. Er schrie: »Bandwurmwirtin.«
»Jetzt reicht's mir!« Pewter stürmte aus dem Busch, aber der Vogel schwirrte schon davon.
Um anzugeben, flog er in den Mittelgang des Stalles und hinten hinaus.
»Wenn wir sein Nest finden, können wir raufklettern und ihn töten«, lautete Mrs. Murphys logischer Vorschlag. »Wenn wir ihn oder sein Weibchen nicht erwischen, können wir ihre Eier auf die Erde schmeißen.«
»Die macht ich zu gerne platschen hören, winzig kleine Platscher, weil es winzig kleine Eier sind. Tod der nächsten Generation.« Pewters Pupillen weiteten sich vor Aufregung.
Die einzige weitere Aufregung des Tages war, dass Diego am Abend Harry anrief. Er sei wieder in Washington und freue sich darauf, sie am kommenden Wochenende zu sehen. Da Fair sie zum Abbruchball begleitete, bat Diego sie, in ihrem Kalender nachzusehen, damit er mit ihr zum nächsten Ball, Picknick, irgendwas gehen könne. Dann schlug er vor, sie könnten ein eigenes Picknick veranstalten. Sie war einverstanden. Sie wollten Samstagmittag einen Imbiss genießen, und wenn es regnete, würden sie im Stall essen, um wenigstens halbwegs im Freien zu sein.
Harry legte auf und fing an zu pfeifen.
»Ein grässliches Geräusch«, maunzte Pewter.
»Daskann man wohl sagen«, stimmte Mrs. Murphy zu. Sie rannte zu Harry und bat sie, aufzuhören.
»'tschuldigung, Mädels, ich hatte vergessen, wie empfindlich euer Gehör ist.«
»Mich stört das nicht«, sagte Tucker.»Wenn du pfeifst, komm ich gerannt. «
»Lass die Schleimscheißerei, Tucker, das ist ein unschöner Zug«, grummelte Pewter.
»Weißt du was, Pewter, du bist so fett, ich wette, du hast Stoßdämpfer an deiner Katzenkiste.«
Hierauf musste Mrs. Murphy so lachen, dass sie vom Sofa kullerte und mit einem Plumps auf dem Boden landete.
»Murphy, eigentlich solltest du auf den Füßen landen.«
Harry hob sie auf, küsste sie auf die Stirn, während Pewter wütend über den Flur ins Schlafzimmer stapfte.
Das Telefon klingelte wieder. Harry ging in die Küche und nahm ab. Als sie BoomBooms Stimme hörte, kniff sie einen Moment die Augen zu.
»Für welchen guten Zweck willst du mich jetzt wieder gewinnen?«
»Hm, für die Behindertenwettkämpfe werden freiwillige Helfer gesucht. Sie finden in Wintergreen statt« - sie nannte einen Erholungsort in der Nähe -, »und wir brauchen Leute, die sich mit Sport auskennen. Ich dachte, du könntest vielleicht Kampfrichterin bei den Rennen sein.«
»Oh. Gerne.«
»Das war einfach.«
»Ich mag die Behindertenwettkämpfe.« Harry lächelte, dann wechselte sie das Thema. »Glaubst du, dass eine Maus in unsere kleine Falle tappen wird?« »Das will ich hoffen.«
»Was ich dich immer schon fragen wollte, wie hast du Thomas kennen gelernt?«
»Auf einer großen Party bei Vin Mattacia.« Mattacia war Ende der siebziger Jahre Botschafter in Spanien gewesen. Der weltgewandte, kontaktfreudige Herr stand im Mittelpunkt der ehemaligen Angehörigen des diplomatischen Corps, die sich hier in der Gegend zur Ruhe gesetzt hatten.
»Oh.«
»Tolle Party. Eine Valentinsparty. Ich amüsiere mich gut mit ihm, aber ich glaube nicht, dass die Beziehung irgendwohin führt. Wir haben einfach nur - Spaß.«
»Oh.«
»Ich weiß nicht, ob ich noch mal heiraten möchte. Manchmal denke ich ja, manchmal denke ich nein.«
»Es ist eine Zwickmühle.«
Sie plauderten noch ein bisschen, dann legte Harry auf, sah, dass es spät war und ging unter die Dusche.
Pewter auf dem Bett ignorierte Murphy und Tucker, die auf dem Bettvorleger saßen.
»Kannst du dir vorstellen, unter der Dusche zu stehen? Das ist wie im Regen stehn«, sagte Mrs. Murphy zu dem Hund, als sie sich zum Schlafen niederlegte.
»Das ist Menschensache.« Tucker machte die Augen halb zu.
»Dasist dasselbe wie mit Messer und Gabel essen.«