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Die Scheinwerfer, die die alte Abrissbirne anstrahlten, leuchteten kaltblau. Die Lichter an dem Schild, das auf O'Bannon's Salvage hinwies, waren weiß geblieben, doch rings um den Hof, der der Straße zu dem Gelände gegenüberlag, brannten Lichter in fröhlichem Rot, Gelb, Grün, Blau, einige rosa, einige weiß.

Die ankommenden Festgäste fuhren durch eine Lichterallee.

Das neue Hauptgebäude, wo der Ball stattfand, entlockte den Gästen bewundernde Töne. Sean hatte alle Abstellflächen auf Rollen gebaut, und die Regale waren an die Seiten des großen Gebäudes geschoben worden. Davor hingen bespritzte Maler-Abdeckplanen von der Decke bis zum Boden. Schöne alte Gegenstände, Kamineinfassungen, prächtige riesige Kutschenlaternen waren rund um den Raum arrangiert oder hingen von den Deckenbalken herab. Der Blickfang des Raumes, ein Art- Nouveau-Brunnen mitsamt lebenden Nymphen und Satyren, floss von Blumen über statt von Wasser.

Sean hatte den Brunnen mit Glyzinien gefüllt und die Gymnastikgruppe der Universität engagiert, die sich in Kostümen präsentierte. Oben auf dem Brunnen stand eine Hirsch-Skulptur, ein ungewöhnliches, aber anschauliches Symbol.

Auf jedem Tisch stand ein Tafelaufsatz aus Glyzinien, die sich um ein altes Stück wanden - eine handgeschnitzte Kreuzblume, einen porzellanenen Waschkrug, einen Stapel kristallener Türknäufe. Mit dem Glas in der Hand schlenderten die Leute von Tisch zu Tisch und bewunderten die Tafelaufsätze, die sämtlich zum Nutzen der Wohltätigkeit zum Verkauf standen.

Andere schöne Stücke, etwa alte goldene Bilderrahmen, waren von Komiteemitgliedern erworben und dann für den Wohltätigkeitsball gestiftet worden. Niemand erwartete, dass Sean allein für alles aufkam. Er hatte sich ohnehin schon erheblich verausgabt, indem er die Abdeckplanen gekauft und a la Jackson Pollock bemalt hatte. Er und sein Personal hatten das Gebäude geputzt, die Regale zur Seite geschoben, die Planen aufgehängt und die schweren Skulpturen mit einem Gabelstapler hereingeschafft. Glücklicherweise war der Fußboden aus Beton. Und Sean hatte den Brunnen zum Verkauf gestiftet, hatte die Tanzfläche mit einem Podest für die Kapelle gebaut. Er erzählte allen, er brauchte die Arbeit, um seine Gedanken von Roger abzulenken.

Miranda ließ sich mit einem Satyr vor dem Brunnen fotografieren. Der Fotograf wurde ebenfalls von Sean bezahlt. Die Leute kauften die Bilder, der Erlös kam »Bauen für das Leben« zugute.

Tante Tally war eine Sensation. Sie trug einen weißen Smoking, eine rote Rosenknospe am Revers. Big Mim erschien mit einem Herrn in den Achtzigern als Begleitung für ihre Tante, doch Tally erwies sich als zu viel für ihn, und sie ließ ihn für einen vierzig Jahre alten Rechtsanwalt stehen, der begeistert war von ihrem Witz.

Mim, von Kopf bis Fuß in papageienbunten St. Laurent gehüllt, huschte hierhin, dorthin, überallhin.

Harry und Fair sahen zusammen so gut aus wie damals, als sie heirateten. Sie trug das schöne klassische Dior- Kleid ihrer Mutter, und er trug einen Smoking, den er in der Weihnachtswoche bei Bergdorf Goodman gekauft hatte.

Susan hatte sich für Lavendel entschieden, und Brooks hatte für ihren ersten Erwachsenen-Ball Weiß gewählt.

Lottie, die sich nah bei Sean hielt, trug ein schlichtes, aber elegantes schulterfreies schwarzes Kleid.

Diego begleitete Little Mim, was Gerede auslöste. Um Unabhängigkeit von ihrer Mutter zu beweisen, unterstützte Little Mim einen um seine Existenz ringenden New Yorker Modeschöpfer namens Mikel. Nach dem Abbruchball würde er vermutlich nicht mehr ringen müssen; denn er ließ Little Mim hinreißend aussehen, was nicht immer eine leichte Aufgabe war. Ihr smaragdgrünes Kleid, apart mit Perlen bestickt, erzeugte beim Gehen ein leises, außergewöhnliches Geräusch. Nicht, dass Little Mim übel aussah - beileibe nicht -, aber meistens wurde sie von ihrer Mutter in den Schatten gestellt. Dieses Kleid bot die Gewähr, dass dem heute Abend nicht so sein würde.

Coop, deren Blondschopf die anderen Damen überragte, hatte sich für Rot entschieden, aus dem einfachen Grund, weil Blondinen das normalerweise nicht trugen. Ihr war heute Abend nach Regelverstößen zumute.

Bis um sieben Uhr waren alle eingetroffen, sogar einige ungeladene Gäste. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker verstanden es, Fair zu umschmeicheln.

Fair hatte sich einen neuen schwarzen Volvo Kombi gekauft. Weil er es leid war, überall in seinem Tierarztwagen aufzukreuzen, hatte er sich schließlich den Volvo zugelegt. Harry hatte geraten, die Tiere zu Hause zu lassen, aber dann waren ihr die umgeworfenen Lampen, zerfetzten Lampenschirme, die Bücher auf dem Boden eingefallen. Die Verwüstungen eskalierten mit dem kätzischen Zorn. Eine verstimmte Katze mochte sich damit begnügen, ein Glas umzustoßen, aber von einem großen Ereignis ausgeschlossen zu werden rief verheerende Zerstörungsorgien hervor. Harry erklärte sich einverstanden, sie mit auf den Ball zu nehmen. Schließlich kannten sie sich auf dem O'Bannon-Gelände aus, und es lag weit genug abseits der gepflasterten Staatsstraße, um keine Gefahr für sie darzustellen. Fair machte die hintere Klappe auf, so dass sie nach Belieben kommen und gehen konnten. Harry legte ein Strandlaken hinein, damit sie die beigefarbene Automatte nicht schmutzig machten.

»Lasst uns Papst Ratte suchen gehn«, schlug Tucker keuchend vor, begierig, den Schuft zu jagen.

»Nein.« Murphy ruhte hinten in dem Volvo. »Lasst uns eine Weile hier sitzen und den Gesprächen lauschen, wenn die Leute parken oder zu ihren Autos zurückgehn. Ich will wissen, ob jemand zurückkommt, um sich 'ne Linie reinzuziehn.«

»Stimmst du mit Coops Theorie über ein?« Pewter kuschelte sich vergnügt auf das Strandlaken.

»Sie ist mit Sicherheit am plausibelsten, und doch - lasst uns Augen und Ohren offen halten. Niemand rechnet damit, dass wir hier sind. Wenn sie uns sehn, geben sie kitschig-dämliche Laute von sich. Sie haben keine Ahnung, was wir vorhaben - in dieser Beziehung ist auf Menschen Verlass.« Die Tigerkatze lachte.

»Aber Murphy, selbst wenn Leute herkommen, um draußen einen Platz zum Koksen zu finden, heißt das doch nicht, dass sie was mit den Morden zu tun haben«, hielt die kluge Tucker ihr entgegen.

»Das weiß ich. Ich hoffe, dass wir was rausfinden.«

»Papst Ratte weiß was.« Pewter kratzte sich hinterm Ohr.

»So'ne miese Ratte.« Als ihr einfiel, dass er wirklich eine Ratte war, brach sie in Lachen aus.

Rick Shaw hielt in der nächsten Reihe geparkter Autos. Er sah gut aus im Smoking, und seine Frau trug ein weißes bodenlanges Kleid, das ihr sehr gut stand.

Die Tiere konnten hören, was sie sprachen.

»Schatz, wenn mein Pieper losgeht, muss ich weg. Reverend Jones hat gesagt, dann bringt er dich nach Hause.«

»Ich weiß, Lieber.« Sie lächelte; sie war an seine ungewöhnlichen Arbeitszeiten und plötzlichen Aufbrüche gewöhnt. »Ich finde es bloß so aufregend, hier zu sein.«

Sie hielten auf die Klänge des Streichquartetts zu. Die Tanzkapelle würde nach dem Essen loslegen.

Das Glockenspiel ertönte und verkündete, dass das Essen serviert wurde. Die Gäste suchten ihre Tischnummern und nahmen ihre zugewiesenen Plätze ein.

Sean als der Gastgeber saß bei dem Vorsitzenden von »Bauen für das Leben«. Lottie saß zu seiner Rechten. Boom-Boom, die für die Öffentlichkeitsarbeit dieser Veranstaltung zuständig gewesen war, saß bei Thomas, dessen Teint einen Ton dunkler war als beim Hartriegelfest.

Als Diego Little Mim zu ihrem Tisch führte, Nummer zwei, zwinkerte er Harry zu, die zurückzwinkerte. Fair beschloss, es nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Dank der geöffneten Bar generös gefördert, sprudelten die Gespräche; die Lautstärke stieg mit dem Genuss des Weines, der zum Essen gereicht wurde. Nachdem die Nymphen und Satyre in dem Brunnen Drinks gekostet hatten, die Bewunderer ihnen spendierten, wurden sie ausgelassener als beabsichtigt, ganz besonders die Satyre. Nicht lange, und sie würden ihre Mythologie wörtlich nehmen.

Nach dem Hauptgang wurden zu einem überwältigenden Angebot an Süßspeisen, Obst, Käse und Sorbets Liköre serviert.

Die gesättigten Gäste saßen mit glücklich leuchtenden Augen da.

Als die Tische abgeräumt wurden, stand Sean auf. »Entschuldigen Sie mich, meine Herrschaften, ich gehe nach draußen, eine rauchen.«

»Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.« Lottie stand ebenfalls auf.

»Ich auch nicht, bis jetzt. Man kann über Nikotin sagen was man will, es beruhigt die Nerven.« Er lächelte matt.

»Ein bisschen paffen kann dir sicher nicht groß schaden.«

Lottie lächelte nachsichtig.

Auch andere Leute begaben sich nach draußen. Thomas, der die Brusttasche voller himmlischer kubanischer Zigarren hatte, zog einen Schwarm von Männern nach sich. Sie ähnelten Pinguinen, die dem Leit-Pinguin folgten.

Lottie verschwand auf der Damentoilette, bevor sie sich den Rauchern anschloss. Harry war drinnen und putzte sich die Zähne.

»Harry, ich glaub's einfach nicht, dass jemand so ein Gesums um seine Zähne macht.« Lottie rümpfte empört die Nase.

Harry spülte ihren Mund aus. »Die Nüsse von der Schokoladentorte sind mir zwischen die Zähne geraten. Das macht mich wahnsinnig.«

»H-mmpf.« Lottie marschierte hinaus.

Als Harry herauskam, stieß sie mit Tante Tally zusammen.

»Ist er nicht göttlich?«

»Wer, Tante Tally?«

»Der Marinemensch.« Mit den Augen wies sie auf einen durchtrainierten Mann am Beginn des mittleren Alters, der eigens zu diesem Anlass seine Marineuniform trug, ein Überbleibsel aus dem neunzehnten Jahrhundert, eines, das die Damen entzückte. Der taillenkurze Uniformrock lag eng an, seine Medaillenbänder, vier Reihen, zierten die linke Brust. Die blauschwarze enge Hose hatte einen schmalen roten Streifen an der Außenseite. Die lackledernen Ballschuhe glänzten.

»Was ist mit Ihrem Begleiter?«

»Zu alt, Harry. Ich kann alte Männer nicht ausstehn.« Tally schnippte ihren Stock in die Höhe.

»Und der andere?« Harry war dem Rechtsanwalt nicht begegnet.

»Ah.« Tally hob die Schultern. »Langweilig. Aber der hier, das ist ein rechter Mann.« Sie hielt sich die behandschuhte Hand vor den Mund und sah genauso aus, wie sie mit siebzehn auf ihrem Debütantinnenball ausgesehen haben musste - abzüglich der Falten natürlich.

Harry senkte verschwörerisch die Stimme. »Ich weiß, dass Sie nicht brav sein können, aber gehn Sie's langsam an.«

»In meinem Alter, Süße, gibt's kein Langsam. Nimm's, so lange du kannst! Und das werde ich, das werde ich!«, sagte Tally kichernd, dann eilte sie in die Damentoilette.

Rick, der nach einer Zigarette gierte, war von Jim Sanburne aufgehalten worden. Während sie sich unterhielten, ging Ricks Pieper los.

»Entschuldigen Sie. Ich muss mich mal eben drum kümmern.« Eine kurze Nachricht: DON. Ricks Miene blieb unbewegt. »Jim, ich muss weg.« Er ging mit forschen Schritten zu Coop, die auch nach draußen unterwegs war, um eine zu rauchen. »Kommen Sie mit.«

Hoffend, keine Aufmerksamkeit zu erregen, gingen sie rasch, aber nicht hektisch zu Ricks Wagen.

»Da ist was im Busch«, bemerkte Mrs. Murphy.

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