Das Schilfrohr

Er spürte wohlige Wärme auf seiner Wange. Ganz nah war das leise Knistern eines Feuers zu hören. Ollowain wollte die Augen öffnen. Seine Lider waren verklebt und zugeschwollen. Nur mit Mühe brachte er schließlich das linke Auge einen Spalt weit auf. Gerade genug, um das Feuer zu sehen. Es war ungefährlich. Ein Kreis aus faustgroßen, weißen Steinen umringte es. Das Holz war bleich wie Knochen. Manche der Flammen loderten grünlich. Treibholz! Ollowain versuchte sich aufzurichten, um besser zu sehen, wo er war. Doch seine Glieder verweigerten ihm den Dienst. Es war, als bestünde er nur noch aus seinem Kopf. Und ... Wieso roch er das Feuer nicht? Er konzentrierte sich ganz darauf, irgendeinen Geruch wahrzunehmen, doch da war nichts. Er spürte nicht einmal, wie er einatmete. Nicht in der Nase und nicht im Mund. Und doch hob und senkte sich seine Brust. Und ein fremdes, röchelndes Geräusch erklang. Panik packte ihn. War er tot? Er versuchte den Kopf zur Seite zu drehen. Unmöglich!

Seine Kehle brannte. Wieder war da dieses Röcheln. Er atmete! Warum fühlte er es nicht? Sein Körper atmete, aber nicht mehr durch Mund oder Nase!

Seine Zunge lag wie ein großes, taubes Stück Fleisch in seinem Mund. Sie war riesig! Er konnte sie kaum bewegen. Mit ihrer Spitze ertastete er dünne Fädchen zwischen seinen Zähnen. Ein bitterer Geschmack füllte seinen Mund. Jetzt erinnerte er sich. Die Bienen! Das waren keine Fädchen! Es waren Beine. Er hatte versucht, die Bienen, die in seinen Mund gedrungen waren, mit Zähnen und Zunge zu zermalmen. Er erinnerte sich an den Dolch. Lyndwyn! Sie hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Das war die Erklärung für alles. Er war tot!

»Ruhig«, ermahnte ihn eine vertraute Stimme. Etwas strich sanft über seine Stirn. »Er ist zu sich gekommen!« Von jenseits des Feuers drang eine Antwort, die er nicht verstand. Alle Geräusche waren gedämpft.

»Du solltest dich nicht bewegen, Schwertmeister.« Ein Kopf, gerahmt von kurzen, blonden Haaren, beugte sich über ihn, und ein Antlitz, entstellt von wuchernden roten Beulen, lächelte auf ihn hinab. Ollowain vermochte Yilvina allein an ihrer Stimme und an den Haaren zu erkennen. Auch ihre Augen waren zugeschwollen. Sie starrte ihn durch schmale Schlitze an, die es unmöglich machten, ihre Augenfarbe zu erkennen. »Wir sind gerettet. Lyndwyn hat uns hierher gebracht.«

Ollowain wollte fragen, wo sie waren, doch aus seiner Kehle drang nur ein Röcheln. Er versuchte es noch einmal. Nichts. Er wollte sich aufsetzen. Das Röcheln wurde heftiger. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Er fühlte sein Herz rasen. Was war mit ihm geschehen?

Yilvina drückte ihn zurück. »Ruhig. Du wärst fast gestorben. Lyndwyn musste dir in die Kehle schneiden, damit du nicht erstickst.«

Ollowain wollte nach seinem Hals tasten. In die Kehle geschnitten! Was war mit ihm geschehen? Wieder brachte er nur ein Röcheln hervor. Hatte ihm diese verfluchte Magierin die Stimme geraubt?

Yilvina zog eines ihrer Kurzschwerter und hielt die Klinge so, dass er seinen Hals in dem spiegelnden Metall sehen konnte. Ein Schilfrohr war dort mit einem Gespinst dünner Lederriemen befestigt. Es schien tief in seinem Fleisch zu stecken. Ollowains Brust hob und senkte sich. Wieder war dieses seltsame Röcheln zu hören. Er atmete durch das Rohr! Wie war das möglich? Was hatte Lyndwyn mit ihm gemacht?

»Ganz ruhig.« Yilvina legte ihm die Hand auf den Arm. »Sie wird dich heilen. Es dauert nur noch ein wenig.« Die Kriegerin senkte jetzt die Stimme. »Sie ist ungeheuer mächtig. Ihre Kräfte scheinen niemals zu versiegen. Sie hat Rauch erschaffen und damit die Gärtnerbienen aus der Nähe des Nachens verscheucht. Und dann hat sie das Bienengift aus unserem Blut verbannt. Für die meisten von uns kam ihre Hilfe jedoch zu spät. Nur Silwyna, Orimedes und Gondoran leben noch. Und die Königin. Die Bienen haben ihr nichts getan. Und doch ... Sie liegt da, als sei sie tot.« Yilvina schüttelte entmutigt den Kopf.

»Lyndwyn sagt, man soll sich keine Sorgen machen. Sie hat die Wunde in Emerelles Brust geschlossen.«

Wo ist Lyndwyn jetzt?, wollte Ollowain fragen. Und er wollte die Königin sehen. Doch sein Körper war ihm zum Gefängnis geworden. Er schloss das Auge und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sicherlich kam es Lyndwyn gelegen, dass er so hilflos war. Sie würde sich Zeit damit lassen, ihn zu heilen. Unruhig lauschte er auf seinen rasselnden Atem. Das Geräusch veränderte sich. Es klang ... klebriger. Oder bildete er sich das ein? Er sollte schlafen! Seine Wunden waren stets gut verheilt, auch ohne die Hilfe von Zauberei.

Jedes Mal, wenn der Schlaf nahte, schreckte er wieder auf. Sein pfeifender Atem ging dann noch schwerer. Er hatte Angst, nicht mehr zu erwachen, wenn er jetzt seiner Müdigkeit nachgab. Ollowain stemmte sich gegen den Schlaf. Sein Herz raste, er hörte das Blut in den Ohren rauschen. Und dann kehrte sie wieder, die Erschöpfung, die von seinem ausgebrannten Leib ihren Tribut forderte. Schließlich dämmerte Ollowain ein. Es war angenehm, aufzugeben und sich einfach treiben zu lassen. Keine Pflichten mehr zu erfüllen. Die Wärme des Feuers streichelte seine Wangen. Er hörte das Murmeln eines leisen Gesprächs, ohne verstehen zu können, was gesprochen wurde. Dann sah er den Troll wieder vor sich. Jenen ungeschlachten Kerl, der ihn mit einem Eichhörnchen verglichen hatte. Breit grinsend kam er auf Ollowain zu. »Na, mein Kleiner, hab ich dich.« Er stellte dem Schwertmeister seinen Fuß auf die Brust. Der Troll stank nach ranzigem Fett. Deutlich konnte Ollowain die Fußnägel sehen. Sie waren leicht nach vorne gekrümmt und hatten breite Schmutzränder. Ganz langsam erhöhte Urk den Druck.

Ollowain wusste, dass es nur ein Traum war. Die Trolle waren besiegt. Er war in Sicherheit! Und dennoch bekam er keine Luft. Das konnte nicht sein! Urk konnte ihn nicht bis in seine Träume verfolgen! Er musste erwachen!

Blinzelnd sah der Schwertmeister sich um. Noch immer konnte er nur ein Auge öffnen. Das Feuer war fast heruntergebrannt. Er versuchte zu atmen, doch eine eiserne Faust drückte seine Kehle zu. Er wollte schreien ... und kein Laut kam über seine Lippen. Er hörte seine Gefährten miteinander reden. Ganz deutlich. Sie waren nur ein paar Schritt entfernt. Lyndwyn erzählte von den Albenpfaden.

Verzweifelt versuchte er noch einmal, sich bemerkbar zu machen, doch er brachte nicht einmal mehr ein Röcheln zu Stande. Es fühlte sich an, als presse ihm jemand mit der Kraft eines Trolls die Kehle zu. Ollowain konnte weder ein- noch ausatmen. Er wollte aufspringen und schreien. Aber er schaffte es nur, matt mit der Hand zu zucken. Das war Lyndwyns Werk! Sie hatte irgendeinen Zauber gewoben, um ihn zu töten. Und den anderen würde sie sagen, er sei leider seinen Wunden erlegen!

»Hört ihr das?«, fragte Gondoran. Das Gespräch verstummte.

»Das Röcheln hat aufgehört ... Verflucht!« Plötzlich war der Holde über ihm. Er beugte sich zu Ollowains Kehle hinab.

Ein schmatzendes Geräusch erklang. Und dann bekam er Luft. Sie war wunderbar kühl, streichelte seine Kehle und seine Lungen.

Gondoran spuckte aus. »Verdammter Schleim. Ich bleib bei ihm sitzen.« Der Holde strich Ollowain das Haar aus der Stirn. Gondoran schien keinen einzigen Stich abbekommen zu haben. Sein Gesicht sah aus wie immer. Mit gelben Augen musterte er den Schwertmeister. »Du hast Glück gehabt. Erst dachte ich, sie wollte dich umbringen. Und das, obwohl der Tod dich schon fest im Griff hatte. Sie hat dir die Kehle aufgeschnitten. Es war ein kleines Wunder. Lyndwyn sagt, es gibt eine Röhre, durch die Luft vom Mund in die Lungen fließt. Weil deine Kehle durch Bienenstiche zugeschwollen war, hat sie deinen Hals mit einem Schnitt öffnen müssen. Und damit die Wunde sich nicht sofort wieder schließt, hat sie das Schilfrohr eingesetzt. Ein Wunder.« Er schnalzte mit der Zunge. »Jedenfalls fast. Leider setzt sich das Rohr ab und zu mit Schleim voll. Man muss dich im Auge behalten, Schwertmeister, und auf deinen Atem lauschen. Ab und an muss man den Schleim aus dem Schilfrohr saugen, damit dir nicht doch noch die Puste ausgeht.«

Ollowain versuchte, dem Holden mit einem Blick zu danken. Ob er ihn wohl verstand? Nicht einmal ein Kind war so hilflos, dachte der Schwertmeister resignierend. Alles, was er tun konnte, war, sich gegen den Schlaf zu stemmen und darauf zu hoffen, dass seine Gefährten ihn nicht mehr aus den Augen ließen.

»Ein Schiff!«, rief Orimedes. »Am Horizont ist ein Schiff aufgetaucht. Es hält auf uns zu! Was sollen wir tun?«

»Der Schwertmeister wird entscheiden«, sagte eine ruhige Frauenstimme. »Bringt ihn dort drüben hin und legt ihn auf den Sand.«

Ollowain wurde emporgehoben. Er konnte Silwynas Rücken sehen. Auch sie schien den Gärtnerbienen entkommen zu sein. Ihre Kleider starrten vor Dreck, als hätte sie sich im Schlamm gewälzt, doch sie war wohl nicht gestochen worden.

»Nun, Ollowain.« Die Magierin kniete neben ihm nieder. »Ich kann mir denken, was in deinem Kopf so vorgeht. Du gehörst zu den Männern, die nur schwer von einer einmal gefassten Meinung abzubringen sind.« Lyndwyn hatte ihr Gesicht gewaschen. Die Schminke war verschwunden, und dort, wo sie der Ziegel am Kopf getroffen hatte, erinnerte nicht einmal mehr dünner Schorf an die Wunde. Über diese Äußerlichkeiten hinaus wirkte sie verändert. Sie strahlte eine Zufriedenheit aus, die ihrer Lage wahrhaftig nicht angemessen war. »Ich habe gesehen, wie du deine Hand bewegt hast. Schreib in den Sand, Schwertmeister. Du gibst hier die Befehle. Ich bin ja schließlich eine Verräterin.«

Du täuschst mich nicht, wollte Ollowain sagen, doch aus seiner Kehle kam nur ein lang gezogenes Röcheln. Er griff in den Sand und ließ ihn durch seine Finger rinnen. Ihm blieb keine Wahl. Konnte es sein, dass Hallandan mit der Prunk-Liburne entkommen war? Er musste wissen, welches Schiff sich näherte. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, musste er sich zunächst ein Bild der Lage machen. Seine Finger fuhren durch den Sand. Er hoffte deutlich zu schreiben. Weit konnte er die Hand nicht bewegen. Er musste sich kurz fassen, oder die Buchstaben würden einander überlappen.

SCHIFF SEHEN

»Orimedes, bring ihn nach draußen!«, befahl die Magierin.

»Aber ist er nicht noch zu schwach? Du hattest gesagt, wir sollten ihn möglichst wenig bewegen«, wandte der Kentaur ein.

»Er weiß selbst, was gut für ihn ist. Ich werde mich mit ihm nicht über seine Befehle streiten. Willst du das, Pferdemann?«

Orimedes beugte sich zu ihm herab. Wie Yilvina war auch der Kentaur übel von Bienenstichen entstellt. Gesicht und Oberkörper waren bedeckt mit Schorf, wo er die juckenden Beulen aufgekratzt hatte.

Vorsichtig hob der Fürst ihn hoch und trug ihn auf seinen Annen aus der Höhle hinaus. Eine leichte Brise strich über Ollowains Gesicht. Weiße Felsen stachen wie alte Knochen durch den hellen Sand und türmten sich zu steilen Klippen, an die sich Matten aus wucherndem Grün klammerten. Vor ihnen lag der schmale Sandstreifen einer Bucht, die von Felsnadeln eingefasst wurde. Ollowain blickte hinaus auf die See. Aus dem azurblauen Wasser erhoben sich einzelne Bäume. Ihre Stämme waren dick wie Türme und von verkrustetem Salz überzogen. Dreißig Schritt oder höher, wo sie der Seegang nicht erreichen konnte, spannte sich das weit ausladende Astwerk der Kronen, dicht bevölkert von Winkerkrabben, Möwen und Kormoranen. Die riesigen Zeugenbäume hatten dem flachen Waldmeer seinen Namen gegeben. Stark wie Klippen trotzten die massigen, zerfurchten Stämme selbst den Orkanen des Frühjahrs. Sich ihnen zu nähern, war gefährlich. Weite Kränze von Luftwurzeln stachen wie Dornen um sie herum durch die See. Eine natürliche Barriere, die kleine Boote auf respektvollen Abstand hielt.

»Dort drüben«, sagte der Kentaurenfürst und deutete mit dem Kopf nach Westen. Obwohl zwischen den Bäumen meist eine Meile oder sogar mehr Abstand lag, verwirrten sie das Auge, wenn man zum Horizont blickte. Es war, als sähe man durch ein großes Gitter hindurch. Endlich entdeckte Ollowain etwas Dunkles, einen Rumpf, über dem sich schwarze Segel spannten. Das Schiff war zu weit entfernt, um Einzelheiten zu erkennen, doch es wirkte auf beunruhigende Weise fremd. Ganz sicher war es nicht die Liburne der Königin. Es sah massiger aus als alle Elfenschiffe, die Ollowain kannte. »Hast du es gesehen?«, fragte der Kentaur.

Der Schwertmeister stieß einen gurgelnden Laut aus und fluchte in sich hinein.

Orimedes brachte ihn zurück zur Höhle. Dabei hielt der Pferdemann ihn dicht an seine Brust gepresst. Ein dünner, klebriger Schweißfilm lag auf der Haut des Kentauren. In diesem Augenblick war Ollowain froh, dass er nichts riechen konnte.

Behutsam legte der Fürst ihn wieder auf den sandigen Boden. Der Schwertmeister versuchte sich aufzusetzen. Vergebens.

»Denkst du auch, dass wir die Insel verlassen sollten?«, fragte Lyndwyn.

JA, schrieb er in den Sand.

»Hier in der Höhle befindet sich ein großer Albenstern. Sieben Pfade laufen dort zusammen. Ich habe ihn bereits erkundet. Etwas Seltsames geht mit den Albenpfaden vor sich.« Die Magierin machte eine vage Geste in Richtung der Stadt. »Jemand ist im Netz der Wege und zertrennt alle Pfade, die zum Herzland führen. Wir können nicht zurück auf Emerelles Burg. Wer immer dort sein Unwesen treibt, muss über große Macht verfügen, wenn er das Werk der Alben zerstören kann. Ist es klug, das Wagnis einzugehen, die Albenpfade zu beschreiten? Und wohin sollten wir gehen?«

Ollowains Finger glitten über den Sand. Es gab einen Ort, an dem die Trolle nicht suchen würden.

Lyndwyn sah ihn erschrocken an. »Bist du dir sicher?«

»Wohin will er?«, fragte Silwyna scharf.

Ollowain wischte den Namen aus. Er dachte an die Pfeile, die er im Köcher der Maurawani gesehen hatte. Sie sollte nicht erfahren, wohin sie gingen! Sie mussten schnell aufbrechen. Niemand hier sollte Gelegenheit haben, ihren Verfolgern ein Zeichen zu hinterlassen. Warum waren ihre Feinde schon wieder so nah? Gab es einen Verräter unter ihnen? Oder lag es, wie Silwyna sagte, einfach nur daran, dass sie so gute Jäger waren? Er würde kein Risiko eingehen. Er musste sie alle beschäftigt halten, und vor allem mussten sie schnell aufbrechen. AUFBRUCH, schrieb er in den Sand.

Seine Finger verwischten das Wort.

ORIMEDES TRAG DIE KÖNIGIN

Er hoffte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Aber welche Wahl hatten sie? Sie konnten sich jetzt nicht den Trollen stellen! Sie mussten fliehen, und nur Lyndwyn konnte ihnen diesen letzten Weg eröffnen. Wieder war er gezwungen, ihr zu vertrauen. Sie brauchten jetzt Zeit, um ihre Wunden zu versorgen und der Königin zu helfen. Wenn es Emerelle erst einmal besser ging, würde sie schon wissen, was zu tun war.

»Dann lasst uns gehen«, sagte die Magierin mürrisch. Orimedes nahm die Königin auf die Arme. Die Jägerin und die Kriegerin stützten Ollowain. Gondoran lief neben ihnen her. Er wirkte niedergeschlagen.

Das Meer hatte den Fels ausgewaschen und einen tiefen Tunnel unter den Berg gegraben. Zersplitterte Muscheln knirschten unter ihren Schritten. Obwohl der Eingang schon weit hinter ihnen lag, war es immer noch hell. Der weiße Fels schien von innen heraus zu leuchten wie die Wände in Emerelles Palast. Er wirkte durchscheinend. Blassblaues Licht durchdrang ihn. Goldene Adern durchzogen das Gestein. Sie waren zu komplizierten Mustern verwoben. Spiralen und Knoten schienen dem Kundigen eine geheime Botschaft übermitteln zu wollen. Der Schwertmeister spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Er war nicht sehr begabt, was die Zauberei anging, doch selbst er fühlte die Kraft der uralten Magie, von der dieser Ort durchdrungen war.

Schließlich öffnete sich der Tunnel zu einer großen, runden Kammer. Hier mengten sich schwarze Adern unter das Gold in den Wänden. Lyndwyn trat in die Mitte der Felskammer und kniete sich auf den Boden. Die linke Hand presste sie flach auf den Stein, die Rechte legte sie auf ihre Brust. Sie schloss die Augen. Ihre Lippen bewegten sich.

Ollowain war sich nur zu bewusst, wie sehr sie der Magierin ausgeliefert waren. Er musste ihr folgen, wenn sie die Gruppe über die Pfade des Lichts führte. Wohin Lyndwyn sie brachte, würden sie erst sehen, wenn sie durch das zweite Tor traten.

Ein Bogen aus Licht wuchs aus dem Boden. Mit ihm erhoben sich die schwarzen und goldenen Adern; wie lebendige Wesen tanzten sie im Stein. Das blaue Licht wurde immer heller. Der Fels war wie Glas. Man konnte durch ihn hindurch bis zum Meer sehen. Ein großer Schwarm Kormorane erhob sich aus dem Zeugenbaum am Eingang der Bucht und flog auf das Meer hinaus. Ein Zeichen? Es war Zeit zu gehen!

Ollowain bewegte den Kopf in Richtung des Lichtbogens. Yilvina trat nicht zum ersten Mal durch einen Albenstern. Mit ihr war er in Aniscans gewesen. Jahrelang hatten sie die Welt der Menschen bereist. Doch die Schwertkämpferin wirkte angespannt. Sie hatte ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Gemeinsam traten sie durch die Pforte. Finsternis legte sich wie ein alles erstickender Mantel um sie. Nur ein schmaler, goldener Pfad leuchtete zu ihren Füßen.

»Weicht nicht vom Weg ab!«, hörten sie die Stimme der Magierin hinter sich. »Wer den Pfad verfehlt, ist auf immer verloren.«

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