Der König

Voll banger Hoffnung blickte Alfadas im schwindenden Abendlicht den Rentierpfad hinauf. Zehn Tage waren seit der Schlacht mit den Trollen vergangen. Er war mit den Kindern nach Sunnenberg zurückgekehrt. Ulric und Halgard ging es gut. Zu seiner Überraschung war Emerelle geblieben. Sie kümmerte sich um die Kinder, aber auch um andere Verletzte und Gebrechliche. Sie hatte sich verändert. Noch immer wirkte sie unnahbar, aber er hätte niemals gedacht, dass sie sich in stinkende, überfüllte Flüchtlingsquartiere begeben würde, um alten Frauen die Gicht zu nehmen, Kindern erfrorene Zehen zu retten und die Wunden seiner Krieger zu schließen. Von überall her kamen die Überlebenden des Trollkriegs nach Sunnenberg, Menschen, die außer dem nackten Leben alles verloren hatten. Erst allmählich zeigte sich, wie schrecklich der Heerführer der Trolle gewütet hatte. Alle Städte und Dörfer, die nördlich von Gonthabu lagen, waren verbrannt. Überall entlang der Ufer fanden sich Schädelstätten wie jene in Honnigsvald, in der man Ulrics Dolch gefunden hatte. Und niemand wusste zu sagen, wie viele Überlebende auf der Flucht waren. Hunderte waren auf dem Fjord und in den Wäldern erfroren. Alfadas hatte Reiter und Schlitten ausgesandt, um nach Flüchtlingen zu suchen. Der Herzog blickte auf das Tal hinab. Die ersten Lichter brannten. Frierende drängten sich um Feuer im Schnee. Wie ein Flickenteppich erstreckten sich die ärmlichen Behausungen der Verlorenen entlang des Rentierpfads. Sie waren aus allem gebaut, was greifbar war. Aus Segeltuch, alten Decken und miteinander verflochtenen Tannenzweigen. Manche hatten Wände aus Schnee. Viele bestanden aber nur aus einem Dach. Sie waren nicht geeignet, einem Winter zu trotzen, der noch viele Wochen dauern würde.

Auf Alfadas‘ Befehl hin waren alle Kranken und Verletzten in den wenigen festen Häusern von Sunnenberg untergebracht. Auch die Alten und Kinder hatten warme Plätze bekommen.

Obwohl das Dämmerlicht nun immer schneller der Dunkelheit wich, hallte das Tal wider vom rhythmischen Klang der Äxte. Vier Tage nach der Schlacht auf dem Eis war Orimedes mit einem Heerzug aus über tausend Kentauren über den Fjord zu ihnen gestoßen. Sie kamen zu spät, um die Trolle zu vertreiben, aber gerade recht, um den Kampf gegen Winter und Elend aufzunehmen. Großzügig teilten sie ihre Vorräte mit den Menschen. Seit ihrer Ankunft litt niemand mehr Hunger. Anfangs hatten viele Flüchtlinge die Pferdemänner mit Scheu, ja sogar mit unverhohlener Angst betrachtet. Zu fremd waren die riesigen Gestalten, halb menschenähnlich, halb Pferd. Doch mit ihrer rauen Art waren sie den Fjordländern viel ähnlicher als etwa die Elfen. Sie halfen, wo immer sie konnten. Orimedes hatte Jäger in die Wälder geschickt, um die Vorräte mit Wildbret zu ergänzen. Der weitaus größte Teil der Kentauren aber half, neue Hütten aus Fichtenholz zu errichten. Sieben schlichte, fensterlose Häuser wurden jeden Tag fertig. Sie schufen mehr Unterkünfte, als neue Flüchtlinge kamen, und bald würde der Flickenteppich der Zeltstadt verschwinden.

Emerelle hatte Yilvina ins Herzland geschickt, um von Meister Alvias Lebensmittel und Kleidung zu fordern. Die Elfenkriegerin war dank der Zaubermacht der Königin schnell von ihren Wunden genesen. Von ihr wusste Alfadas um all die Schrecken der Flucht seines Sohnes. Wie würde ihn das Erlebte verändern?

Schon jetzt nahmen die Geschichten, die man sich unter den Flüchtlingen über Ulric erzählte, märchenhafte Züge an. Es hieß, er habe mit dem Schwert des toten Königs Osaberg einen Trollfürsten erschlagen und so seiner Jungfer und einer Elfe das Leben gerettet. In den Geschichten hieß es, dass Ulric und Halgard auf dem Rücken Bluts durch die Wälder geritten seien, beschützt von den Geistern der Bäume. Andere erzählten, der Geist König Osabergs sei den Kindern erschienen, um sie zu seinem verborgenen Grab zu führen und so vor einem Schneesturm zu retten.

War es wirklich Osaberg, der in der Höhle lag? Der Flügelhelm, die Bronzerüstung und das prächtige Schwert, all das passte zu den Sagen um den toten König. Aber einen wirklichen Beweis würde es wohl niemals geben. Alfadas machte sich Sorgen um Ulric. Es war nicht gut, schon mit sieben Jahren als ein legendärer Held gefeiert zu werden. Was sein Leben wohl bringen mochte? Gut, dass er Halgard an seiner Seite hatte. Das Mädchen würde Ulric schon den Kopf zurechtrücken, wenn er allzu übermütig wurde. Alfadas hatte die Geschichte von dem Geisterhund gehört, der Halgard ihre Jugend gestohlen hatte. Emerelle hatte all dies ungeschehen gemacht. Und sie hatte noch mehr getan: Sie hatte Halgard das Augenlicht geschenkt. Das Mädchen war von Geburt an blind gewesen. Jetzt gewöhnte sie sich nur langsam an die neue Gabe. Sie trug eine Schneebrille, um sich vor dem hellen Licht zu schützen. Doch diese Empfindlichkeit würde bald vorübergehen, meinte die Königin.

Alfadas sah hinab zur Zeltstadt. Andere Wunden würden länger brauchen, um zu heilen, und ganz gleich, wie sehr Emerelle sich bemühte: Vieles im Fjordland würde niemals mehr so werden wie zuvor. Die Hälfte seiner Städte war verwüstet, der größte Teil seiner Krieger tot oder verstümmelt. Wie sollte man sich schützen, wenn die Trolle wiederkamen?

Wenn er an all das dachte, was vor ihm lag, fühlte Alfadas sich alt und müde.

Er wandte den Blick vom Tal ab und spähte wieder den Rentierpfad hinauf. Wo blieb sein Freund? Fünf Tage war der Elf nun fort. Kam er zu spät, weil er sie gefunden hatte? Alfadas‘ Herz begann schneller zu schlagen, obwohl er sich jede Hoffnung in den letzten Tagen strikt verboten hatte. Die Maurawan hatten Asla und Kadlin nicht finden können. Und es gab keine besseren Fährtensucher als sie. Aber sein Freund würde mit dem Herzen suchen. Wenn es einen gab, der vielleicht noch etwas finden mochte, was den Maurawan entgangen war, dann war er es!

Alfadas hörte den Hufschlag, lange bevor er den Reiter sah. Vorsichtig kam das große Pferd den schneebedeckten Bergpfad hinab. Der Reiter hielt sich sehr gerade im Sattel. Er hatte den Umhang eng um die Schultern geschlungen. Als er den Herzog bemerkte, klopfte er seinem Pferd auf den Hals und stieg ab. Er wirkte sehr müde.

Alfadas spähte den dunklen Pfad hinauf. Der Reiter war allein. Er hätte nicht hoffen sollen, dachte der Fjordländer bitter. Hoffnung war eine Frucht, deren Süße allzu leicht zu Galle wurde.

»In der Nacht nach der Lawine hat sie der Schneesturm überrascht«, sagte Ollowain mit tonloser Stimme. Alfadas sah erschrocken auf. »Hast du ...« Ihm versagte die Stimme. Er versuchte es noch einmal, doch die Frage wollte nicht über seine Lippen kommen.

Sein Freund schüttelte den Kopf und ließ sich müde aus dem Sattel gleiten. »Sie waren nicht unter den Erfrorenen, die ich gefunden habe. Aber ich habe eine Frau getroffen, die gesehen hat, wie Asla und Kadlin in die Wälder gingen. Kalf war auch bei ihnen. Es war kurz bevor der Sturm kam.«

»Und Silwyna? Bist du ihr begegnet? Ich habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen. Vielleicht hat sie ja ...«

»Ja, ich habe sie tatsächlich gesehen. Wir haben eine Nacht zusammen gelagert. Die Maurawan suchen immer noch nach Flüchtlingen. Aber sie haben keine große Hoffnung mehr. Es ist schwer, in dieser Kälte ohne Vorräte und ohne einen geschützten Platz zum Schlafen zu überleben.«

Alfadas bemerkte, wie Ollowain seinem Blick auswich. »Was verschweigst du mir?« Der Elf seufzte. »Die Gewissheit, die du suchst, wirst du vielleicht niemals finden. Das Tal dort oben ist sehr groß. Asla, Kadlin und Kalf können im Schneesturm die Orientierung verloren haben. Niemand kann sagen, wohin sie gegangen sind. So sehr wir auch suchen, wird es mit jedem Tag wahrscheinlicher, dass wir keine Gewissheit haben werden. Du solltest ...« Er schüttelte den Kopf. »Nein, wer bin ich, dir zu sagen, was du tun solltest.«

»Wovor weichst du aus? Glaubst du etwa, der Trollfürst hat die Wahrheit gesagt? Ist es das, was du mir nicht sagen kannst?«

»Es stimmt, dass nach der Lawine noch Trolle den Rentiersteig hinaufgekommen sind. Die Flüchtlinge haben sie gesehen.« Er blickte Alfadas zum ersten Mal an. »Du willst wissen, was ich glaube? Ich glaube, dass Dumgar ein Lügner gewesen ist. Er konnte dich nicht mit der Waffe bezwingen, also wollte er dich zumindest mit Worten verwunden. Und das ist ihm auch gelungen. Ich glaube nicht, dass man Asla und Kadlin zu ihm gebracht hat ... Das Problem mit dem Glauben ist, dass er ohne Beweise leben muss. Kannst du es ertragen, einfach nur zu glauben?«

»Im Lager unten bei der Palisade hat man Kinderknochen gefunden und auch blondes Haar«, sagte Alfadas niedergeschlagen.

»Und wie viele blonde Frauen gibt es?«, fragte der Elf scharf.

»Das beweist gar nichts! Ich habe mit Silwyna in einer Höhle gelagert, in der es die Reste eines großen Feuers gab. Dort lagen auch Menschenknochen. Kinderknochen! Und die Höhle stank noch nach Trollen. Aber es gab keine Blutspuren. Also haben sie wohl nur Vorräte über dem Feuer gebraten.«

»Oder aber die Leichen von Erfrorenen«, sagte der Herzog.

»Ja, auch das ist möglich. Du wirst keine Gewissheit finden, Alfadas. Ich bin für dich in dieses Tal geritten, um als dein Freund deine Zweifel zu besiegen. Doch ich bin gescheitert. Aber in der Ungewissheit liegt auch Freiheit, wenn du stark bist. Du kannst dir selbst aussuchen, was du glauben willst. Und ich glaube, dass Asla ganz bestimmt nicht von Trollen gefressen wurde. Ich habe mit vielen der Flüchtlinge gesprochen, die jene Sturmnacht überlebt haben. Sie haben das Unwetter willkommen geheißen. Sie wollten lieber erfrieren, als von den Trollen gefangen zu werden.«

Alfadas konnte sich gut vorstellen, dass Asla genauso gedacht hatte. Schließlich kannte er ihren kämpferischen Trotz! In Gedanken sah er sie vor sich, wie sie herausfordernd ihr Kinn vorreckte oder die Hände in die Hüften stemmte. Kein Schicksalsschlag hatte sie je umwerfen können. Sie war immer stärker als er gewesen. Wenn sie sich gestritten hatten, so hatte er ihr zuletzt fast immer nachgegeben. Nie mehr ihre Stimme zu hören — das schien ihm unvorstellbar. Aber sie hätte genau das getan, was Ollowain sagte. Mit Kadlin in den Armen wäre sie dem Sturm entgegenmarschiert. Sie hätte lange durchgehalten; sich auf Kalf stützend, wäre sie bis zum Ende ihrer Kräfte weitergegangen. Zuletzt hätte der Fischer wahrscheinlich Asla und Kadlin getragen. Kalf war ein starker Mann. Und wenn auch er zu Tode erschöpft gewesen wäre, hätte er nach einer windgeschützten Stelle gesucht.

Alfadas standen Tränen in den Augen. Sicher hatten sie Kadlin zwischen sich genommen, um sie mit ihren beiden Körpern zu wärmen. Dann hatte Firn seinen weißen Mantel über die drei gezogen. Sie waren eingeschlafen, um nicht mehr aufzuwachen. Man spürte keine Schmerzen, wenn der Herr des Winters einen auf diese Weise holen kam, so hieß es.

Ollowain nahm ihn in die Arme. Das hatte er zuletzt getan, als er als kleiner Junge immer und immer wieder von den Elfenfechtschülern besiegt worden war. So sehr er sich auch bemüht hatte, nie war er so flink gewesen wie sie. Der Schwertmeister hatte ihm damals gesagt, dass er trotzdem gewinnen würde, wenn er mehr Treffer einstecken könnte als die anderen. Sie hatten ihn mit den hölzernen Übungsschwertern grün und blau geprügelt. Er hatte es mit zusammengebissenen Zähnen weggesteckt. Und tatsächlich hatte er von da an zumindest manchmal gesiegt.

Alfadas biss die Zähne zusammen. Jetzt war es wieder so. Er musste sie aushalten, die Treffer, die das Leben austeilte. Zumindest war ihm ein wunderbarer Sohn geblieben.

»Ich muss jetzt gehen«, sagte er gefasst. »Du weißt ja, was sie wollen.«

»Ja. Und ich glaube, dass es richtig ist!«

Alfadas war sich da nicht so sicher. Er dachte daran, wie Lambi Phylangan verlassen hatte. Seine Vorwürfe an ihn waren berechtigt gewesen. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet, was aus seinen Männern werden würde, wenn sie ins Fjordland zurückkehrten.

Schweigend ging Alfadas neben Ollowain den steilen Rentierpfad hinab. Dann bogen sie nach links in den Weg ab, der zur großen Scheune hinter dem Dorf führte.

»Ich dachte schon, du hättest dich verdrückt!« Unter einer Gruppe Tannen trat Lambi hervor. »Ich suche dich seit einer Ewigkeit, Alfadas. Eins sag ich dir, du führst dich schlimmer auf als eine Jungfer vor der Hochzeit! Komm jetzt!«

Der Jarl hielt etwas unter den Arm geklemmt, das in weißes Tuch eingeschlagen war. Als er den Blick des Herzogs bemerkte, zog er die Brauen zusammen. »Heute ist ein Festtag. Ich will nicht mit dir streiten.«

»Warum sollten wir streiten?«

Lambi schlug das Tuch zurück und zeigte ihm einen golden glänzenden Flügelhelm. »Ein König sollte eine Krone haben. Setz ihn mal auf! Ich hab etwas Pergament dabei, um ihn auszupolstern, falls der Helm zu weit für dich ist.«

Alfadas erkannte den Helm sofort wieder. »Du hast ihn aus dem Grab gestohlen. Du ...«

»Sein Besitzer hatte nichts dagegen, dass ich ihn nehme«, unterbrach ihn Lambi. »Und ein König braucht eine Krone oder zumindest etwas, das ein wenig wie eine Krone aussieht.«

Ollowain lachte. »Lass ihn machen, Alfadas. Man wird nicht König ohne eine Krönungszeremonie. Und das geht nicht ohne Krone. Selbst Emerelle lässt es hin und wieder über sich ergehen.«

Der Herzog betrachtete zweifelnd den alten Helm. »Du verstehst das nicht. Die Leute glauben, das sei der Helm eines berühmten Königs. Es ist ...«

»Das ist ja gerade der verdammte Plan!«, platzte es aus Lambi heraus. »Es heißt, König Osaberg würde zurückkehren, wenn das Fjordland ihn am dringendsten braucht. Und genau das ist geschehen. Jahrhundertelang war er verschwunden. Eine Figur aus alten Geschichten. Und dann ist er plötzlich da – in der schwersten Stunde unseres Volkes. Die alte Prophezeiung ist wahr geworden! Er kam, um deinem Sohn das Schwert zu geben, mit dem er den Troll erschlug. Und jetzt gibt er dir seine Krone. Deine Herrschaft beginnt...«

»... mit einer Lüge!«, unterbrach ihn Alfadas aufgebracht.

»Nicht Osaberg krönt mich, sondern mein bester Freund, der nur bedauerlicherweise keinerlei Moral hat.«

»Vertrau ihm, Alfadas. Was Lambi will, ist gut und richtig. Könige werden mit einem anderen Maß gemessen. Die Leute werden zu dir aufschauen, und je nachdem, was sie in dir sehen, werden sie Hoffnung aus dir schöpfen oder an dir verzweifeln. Nutze die Geschichten um König Osaberg. Wunder geschehen nicht einfach, Alfadas. Sie werden gemacht. Und wem schadest du, wenn du diesen Helm mit seiner verwunschenen Geschichte zu deiner Krone machst? Sei großzügig! Schenke deinen künftigen Untertanen ein Wunder, das ihnen Kraft gibt in dieser schweren Zeit!«

»Hör auf jemanden, der sich mit Königen und Fürsten gut auskennt!«, murmelte Lambi. »Und jetzt komm endlich mit.«

Alfadas gab ihnen nach, obwohl seine Zweifel nicht ausgeräumt waren. Sie brachten ihn zur Scheune, und er trat durch eine schmale Tür an der Rückseite ein.

Im Innern herrschte stickige Hitze. Der große Raum war völlig überfüllt. Es stank nach Schweiß, Lampenruß und zu lange getragenen Kleidern. Viele seiner Veteranen aus der Albenmark waren gekommen, um der Krönung beizuwohnen. Aber auch Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder mit abgehärmten Gesichtern, in deren Augen sich dennoch Hoffnung spiegelte. Beschämt dachte Alfadas an das, was Ollowain ihm über Wunder gesagt hatte. Nun war es an ihm, Wunder zu schaffen. Er musste es wagen.

Am Ende der Scheune hatte man eine kleine Bühne gezimmert, damit alle sehen konnten, wie der neue König gekrönt wurde. Als Alfadas die Stufen hinaufstieg, fühlte er sich, als klettere er auf einen Galgen. Wenn er diese Bühne verließ, war sein altes Leben verwirkt.

In der vordersten Reihe der Anwesenden sah er seinen Sohn an der Seite von Emerelle. Ulric blickte voller Stolz zu ihm auf. Er hielt Halgard bei der Hand. Die Augen des Mädchens waren hinter einer schmalen Schneebrille verborgen.

Lambi ließ Alfadas niederknien. Dann schlug er Osabergs Helm aus dem weißen Tuch und hob ihn hoch über den Kopf. Der Jarl hielt eine ergreifende Rede über den goldenen König und seine Rückkehr in Zeiten der höchsten Not. Sie gipfelte darin, wie eine knochige Hand ihm den Helm reichte und Osaberg ihn mit dunkler Grabesstimme beauftragte, den Elfenjarl zum König zu machen.

Alfadas verschlugen diese dreisten Lügen schier die Sprache. Doch er sah auch, wie die Krieger, Bauern und Fischer dort unten vor der Bühne es aufnahmen. Nach all dem Leid wollten sie an das Wunder glauben. Schließlich krönte ihn Lambi mit dem schweren Flügelhelm. Alfadas erhob sich. Jubel brandete ihm entgegen. Inmitten des Lärms erklang Lautenschlag.

Alfadas spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Er erkannte die Melodie. Die Jubelrufe gingen in Gesang über.

»Dort kommt der Jarl vom Firnenstayn

mit seinem Elfenschwerte fein.

Den Held aus vielen Schlachten,

die Götter zu uns brachten.«

Veleifs übertriebenes Heldenlied war ihm peinlich. Er dachte daran, dem Skalden eine wichtige Aufgabe bei Hof zu geben, um ihn in Zukunft vom Dichten abzuhalten. Auch Lambi sollte er besser in seiner Nähe behalten. Vielleicht eignete er sich ja zum Herzog?

Im Scheunentor erschien eine schmale, weiß gewandete Gestalt mit wehendem Umhang. Kaum jemand beachtete sie, doch Alfadas konnte seinen Blick nicht von ihr wenden. Wie ein Kind des Winters, geboren aus Schnee, erschien sie ihm. Ganz so, wie an jenem fernen Tag, als er sie zum ersten Mal bei Hofe in Albenmark sah. Dem Tag, an dem er sein Herz an Silwyna verlor.

Загрузка...