»Lass dich von meiner Nase nicht täuschen, Dalla.« Lambi klopfte sich auf den Hosenlatz. »Hier unten ist noch alles in Ordnung.«
Die Hure des Königs verknotete den Verband an seinem Kopf. Dann sah sie ihn mit ihren grünen Augen an. Lambi war rothaarigen Frauen gegenüber immer voreingenommen gewesen. Sie brachten nichts als Ärger, hieß es.
Er dachte an den Stein, den er in der Hosentasche trug. Egal was für Ärger er sich einhandelte, er würde nicht lange dauern. Er grinste.
»Na, wie wäre es mit uns beiden? Bis zum Abmarsch bleibt gerade noch genug Zeit.«
Dalla legte ihm die Hand auf die Brust, dort, wo sein Herz war. »Ich weiß, dass hier bei dir alles in Ordnung ist, Lambi. Das ist das Einzige, was mich an Männern interessiert.«
Der Jarl konnte sein Glück kaum fassen. »Dann wollen wir also? Ich kenne da einen Ort, ganz in der Nähe, der ist ...«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich muss nach den Verwundeten sehen, das weißt du.«
»Gerade hast du mein Herz verwundet. Das wird mich umbringen, wenn du dich nicht sofort darum kümmerst!«
Dalla lachte. Dann stand sie auf. »Möge Luth dir einen langen Faden spinnen.«
»Mit Rothaarigen hab ich nie Glück«, murmelte Lambi gerade laut genug, dass sie es noch hören konnte. »Die laufen mir immer davon.«
Die Heilerin schüttelte den Kopf, dass ihr die roten Locken nur so um die Schultern tanzten. »Vielleicht fragst du einfach nur zur falschen Zeit.« Sie schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, dann war sie hinaus zum weiten Hafentor und stieg auf einen der Eissegler, auf dem man die Verletzten untergebracht hatte.
Lambis Hand spielte mit dem Stein in seiner Hosentasche. Die richtige Zeit zum Fragen würde er nicht mehr finden. »War ohnehin nur eine Rothaarige«, murrte er. »Hätt es mit ‚ner Blonden versuchen sollen.« Er ging hinüber zu dem Schlitten mit der roten Plane. Es war der Letzte, den sie am Morgen beladen hatten. Ragnar, einer seiner Krieger, saß auf dem Kutschbock. Er war ein bulliger Kerl mit kurzem weißblondem Haar. Eigentlich war er Holzfäller, aber solange Lambi zurückdenken konnte, hatte Ragnar nie eine Gelegenheit ausgelassen, sich zu prügeln. Sein vernarbtes Gesicht und die breite, mehrfach gebrochene Nase erzählten mehr als alle Geschichten.
»Komm mir nicht auf die Idee durchzubrennen, du alter Hurenbock. Mit dem, was auf der Kutsche liegt, könntest du dir alle Freudenhäuser in Gonthabu kaufen und lebenslänglich kostenlos vögeln.«
Der Kutscher lächelte verschwörerisch. »Dafür haben wir dich zum Jarl gewählt, Lambi. Du hast immer die besten Einfälle. Darauf war ich noch gar nicht gekommen.«
Aus den Augenwinkeln sah Lambi Alfadas in Richtung des Schlittens eilen. Der hatte ihm hier gerade noch gefehlt! So sehr er Alfadas schätzte, es gab Dinge, die würde der Elfenjarl niemals verstehen, und von denen musste er auch gar nichts wissen.
»Fahr ab, Ragnar!«
»Aber ...«
»Fahr, verdammt, wenn dein Jarl es dir befiehlt!«
Alfadas winkte ihnen mit den Armen.
»Jetzt fahr«, zischte Lambi und winkte lächelnd zurück.
»Er will doch, dass ich bleibe«, wandte Ragnar ein.
»Und ich will, dass du fährst, einfältiges Riesenkalb!«
Ragnar legte die Zügel nieder. »Der Herzog hat mir zwei Mal das Leben gerettet. Wenn er etwas von mir will, kannst du mir mit deinen Befehlen den Buckel runterrutschen!« Es war zu spät. Alfadas trat neben den Schlitten. Lambi konnte ihm ansehen, dass er es wusste.
Der Herzog zog die Zeltplane zur Seite und strich über das Gold, so als müsse er es berühren, um zu glauben, was er sah.
»Es stimmt also wirklich«, sagte er leise. Als er wieder aufsah, lag maßlose Enttäuschung in seinem Blick.
Lambi wünschte sich, dass Alfadas losschreien würde oder besser noch ihm einen Schlag ins Gesicht verpasste. So etwas war er gewohnt. Aber dieser Blick ... Das konnte er nicht ertragen! Beschämt sah er fort. Dabei war er doch im Recht, dachte sich der Jarl wütend. »Es ist eine von diesen verdammten Türen«, sagte er schließlich. »Wer goldene Türen hat, der muss sich eben nicht wundern, wenn ihm einmal eine abhanden kommt.«
»Sie sind unsere Verbündeten. Unsere Gastgeber ...«
»Ja, und wir sind Gäste, die so freundlich sind, für unsere Gastgeber die Schädel hinzuhalten. Was haben wir davon? Fast die Hälfte der Männer, die mit dir nach Albenmark gekommen sind, ist tot. Und trotzdem vergöttern sie dich! Alfadas, der mit uns im Dreck liegt. Alfadas, der uns heraushaut, wenn wir in der Scheiße sitzen. Alfadas hier, Alfadas da! Ich kann es nicht mehr hören!«
»Und deshalb hast du den Normirga ein paar ihrer Türen gestohlen? Was willst du mir sagen?«, entgegnete der Herzog scharf.
»Was ich dir zu sagen habe, ist nicht für Ragnars Ohren bestimmt. Komm!« Er zog Alfadas mit sich zu einem leeren Hafendock. Seit Wochen ärgerte er sich, und es war höchste Zeit, sich Luft zu machen. »Du blendest sie mit deinem Ruhm, aber in Wirklichkeit kümmern sie dich einen feuchten Kehricht! Sie sind begeistert von dir, Elfenjarl, Herzog, Gast an den Tafeln von Königen. Du liegst mit ihnen zusammen hier im Schmutz. Du riskierst deine Haut für sie. Und weil ein so feiner Herr das alles für sie tut, fühlen sie sich bedeutender. Und dann dichtet dein Skalde noch die hübschen Lieder, wo sie alle Helden sind. Aber in Wirklichkeit sind sie dir egal!«
»Du bist besoffen, Lambi! Du weißt, dass ich alles für meine Männer tue!«
Er lachte wütend. »Natürlich! Und ich weiß auch, was du nicht tust. Du denkst nie daran, wie es für sie sein wird, wenn sie zurückkehren. Glaubst du, von Heldengeschichten bekommt man einen vollen Bauch? Im Fjordland werden sie schon nach ein paar Monden wieder derselbe Dreck sein, der sie waren, als man sie in dein Heer gesteckt hat. Was tust du dagegen, Herzog?«
Alfadas sah ihn betroffen an. Jetzt war er es, der dem Blick des anderen auswich.
»Du denkst gar nicht an Rückkehr, nicht wahr? Du hast beschlossen, hier zu verrecken. Und das ist deine Angelegenheit. Aber gestatte deinen Männern, dass sie dabei nicht mitmachen! Nenn mich einen Dieb, weil ich ein paar goldene Türen aus entlegenen Gängen hab mitgehen lassen. Wir haben sie nur dort aus den Wänden gebrochen, wo niemand kämpfen wird. Und in ein paar Stunden gehört ohnehin der ganze Berg den Trollen, dann wird niemand mehr diese Türen vermissen. Ich weiß nicht, wer dir verraten hat, was wir getan haben, während du an der Seite der Elfen gekämpft hast und wir Steine brechen konnten. Aber alle haben es gewusst. Ich habe dafür gesorgt, dass jeder, der ins Fjordland zurückkehrt, ein reicher Mann sein wird.«
Alfadas hob beschwichtigend die Hände. »Es reicht. Ich habe verstanden, Jarl. Vielleicht suche ich wirklich den Tod ... Aber ich sollte euch nicht in meinen Untergang mit hineinziehen.« Er zog einen weißen Kieselstein aus seiner Tasche. »Mein Losstein. Nimm ihn! Ich habe gesehen, was du für einen Stein gezogen hast. Du kannst gehen.«
Lambi schlug ihm den Stein aus der Hand. »Glaubst du, ich bin nicht gut genug, um hier mit den ganzen Helden, die sich freiwillig melden, zu verrecken? Wenn es ans Sterben geht, dann sind wir alle gleich, du ... du ... aufgeblasener ...«
Alfadas Fausthieb traf ihn völlig überraschend. Er hätte niemals gedacht, dass dieser drahtige Mistkerl so hart zuschlagen konnte. Dem Hieb in die Magengrube folgte ein Kinnhaken.
»Sammle den Jarl ein, Ragnar.« Der Herzog sah traurig aus. Verdammter Bastard! Lambi schüttelte benommen den Kopf. Er konnte nicht fassen, dass zwei Schläge genügt hatten, ihn derartig zuzurichten. Das musste an der Kopfverletzung liegen! Er spürte, wie er hochgehoben wurde. Ragnar legte ihn auf den Schlitten und wickelte ihm eine Decke um die Schultern.
»Es tut mir Leid.« Alfadas war an seine Seite getreten und drückte ihm den verdammten weißen Kieselstein in die Hand.
»Du hast Recht, Lambi. Ich bin nicht mehr der richtige Anführer für euch. Bis jetzt war es gut, einen Herzog zu haben, der seine Männer in den Schlachten beschützt hat, wo immer es ging. Jetzt brauchen sie einen Mann, der sie gut zurück nach Hause bringt. Einen Mann wie dich.«
Lambi wollte aufstehen, sackte aber sofort wieder zusammen. Er fühlte sich so übel, als hätte er eine ganze Nacht lang billigen Wein gesoffen. »Du kannst nicht ...«
Alfadas gab Ragnar ein Zeichen. »Fahr! Bring ihn zu Dalla, sie soll sich seinen Kopf einmal ansehen.« Mit einem Ruck setzte sich der Schlitten in Bewegung. Durch die Decken hindurch fühlte Lambi das kalte Gold der gestohlenen Tür.
Alfadas stand mitten in der Hafenhalle. Er zog sein Schwert und grüßte ihn mit erhobener Klinge. »Lebe wohl, Herzog Lambi. Möge Luth dir einen langen Faden spinnen!«
Ein helles Horn rief vom letzten Tor. Die Trolle kamen zurück. Alfadas drehte sich um und schloss sich der Schar der Verlorenen an.