Die Leichname wurden mit großer Achtung behandelt und unverbrannt in der Erde bestattet. Auf diese Weise ging mein Vater der Grabstätte verlustig, die er bei Caere in der Nähe der etruskischen Königsgräber erworben hatte, aber das dürfte ihm nicht viel ausgemacht haben. Die Christen begannen zu jener Zeit, in weicheren Felsarten unterirdische Gänge und Kammern zu graben und ihre Toten dort zu bestatten. Es wird behauptet, sie halten an diesen Orten sogar Versammlungen ab, und das beweist, wie verderbt ihr Glaube ist, denn nicht einmal die Ruhe der Toten ist ihnen heilig. Deshalb sollst Du doch die Katakomben achten, mein Sohn Julius, denn in einer von ihnen ruht Dein Großvater und wartet auf den Morgen der Auferstehung.


Um die Mittagszeit begann man im Zirkus die Körbe mit den Speisen auszuteilen. Nero kleidete sich als Wagenlenker und ließ sein schneeweißes Viergespann einige Runden um die Arena traben, während er auf seinem mit Gold verzierten Wagen stehend das jubelnde Volk grüßte und allen einen guten Appetit wünschte. Es wurden auch wieder Lostäfelchen unter die Zuschauer geworfen, jedoch nicht mehr so verschwenderisch wie früher, denn Nero brauchte das Geld begreiflicherweise für seine gewaltigen Bauvorhaben. Er meinte, daß die einmalige Vorstellung, die er bot, die Zuschauer reichlich für ihre Mühen entschädigte, und darin hatte er“ natürlich recht. Ich hatte mich mittlerweile beruhigt und war recht zufrieden, obwohl ich für den Hauptteil der Vorstellung nach der Mittagsruhe verantwortlich war. Die Theatervorführungen, die Nero sich ausgedacht hatte, waren vom Standpunkt der Zuschauer aus offen, gesagt eher ein Mißerfolg, und ich glaube, der Fehler lag bei den Theaterleuten, denen die christliche Denkart völlig fremd war.

Ich bin vielleicht ein wenig befangen, aber ich möchte behaupten, daß das Publikum mit den Vorführungen am Vormittag sehr unzufrieden gewesen wäre, wenn meine Wildhunde sich nicht gleich zu Beginn, nach dem Einzug der Götter und des Senats und der öffentlichen Lesung einer gekürzten Fassung der Rede Neros, ausgezeichnet hätten. Man trieb als erstes einige Dutzend in Tierfelle eingenähte Christen in die Arena und hetzte etwa zwanzig Hunde auf sie.

Sie leisteten ganze Arbeit. Sobald sie einmal Blut geleckt hatten, scheuten sie nicht mehr davor zurück, Menschen zu zerreißen. Sie verfolgten die fliehenden Christen quer durch die Arena, brachten sie geschickt zu Fall, indem sie nach einem Bein schnappten, und fuhren ihnen gleich an die Kehle, ohne erst durch unnötiges Zerren und Beißen Zeit zu verlieren. Man hatte sie hungern lassen und am Morgen nicht gefüttert, aber sie machten sich nicht daran, ihre Opfer aufzufressen, sondern leckten höchstens ein wenig Blut, um den Durst zu stillen, und nahmen die Jagd sogleich wieder auf.

Die Hochzeit der Danaiden verlief dagegen nicht nach Neros Wunsch. Die festlich gekleideten Mädchen und Jünglinge wollten keine Hochzeitstänze aufführen, sondern standen dicht aneinander gedrängt in der Arena und rührten sich nicht, so daß einige Berufsschauspieler einspringen mußten. Nach der Trauung sollten die Bräute ihre Bräutigame auf dem Hochzeitslager töten, wie es die Töchter der Danae getan hatten, aber die jungen Christinnen weigerten sich, Blut zu vergießen, obwohl die Jünglinge auf diese Weise einen leichten Tod gehabt hätten.

Ein Teil mußte erschlagen werden, die übrigen wurden zwischen Reisigbündeln an denselben Pfählen angebunden, an denen die anderen Verbrecher schon darauf warteten, daß der Scheiterhaufen angezündet wurde. Ich muß zugeben, daß das Publikum wenigstens etwas zu lachen hatte, als die Danaiden mit ihren Sieben zu den Wasserbottichen rannten und den Scheiterhaufen löschen wollten. Die Schmerzensschreie der verbrennenden Christen waren so durchdringend, daß das Dröhnen der Wasserorgel und der Lärm der anderen Instrumente sie nicht zu übertönen vermochten, und die Mädchen rannten immer schneller hin und her.

Zuletzt wurde ein schön geschmücktes und mit Fenstern und Türen versehenes Holzhaus angezündet, das mit angeketteten Greisen und Greisinnen voll besetzt war, die, als die Flammen nach ihren Gliedern leckten, die Schrecken des großen Brandes sehr glaubwürdig darstellten. Viele der Danaiden fanden den Tod, als sie ihre unnützen Siebe fortwarfen und sich in die Flammen stürzten, um ihre Eltern oder Geschwister zu retten.

Der ganze Zirkus, besonders aber die obersten Bankreihen, wo das einfachste Volk saß, hallte vom Gelächter wider. Mehrere Senatoren wandten jedoch das Gesicht ab, und unter den Rittern wurde die unnötige Grausamkeit der Vorstellung beanstandet, obwohl man zugab, daß es die beste Strafe für Brandstifter sei, bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden.

Während dies alles geschah, kam das Häuflein derer, die man im Hause meines Vaters auf dem Virinal festgenommen hatte, im Zirkus an. Als Barbus und Jucundus erkannten, was ihnen bevorstand, versuchten sie vergebens, mich zu sprechen. Die Wachtposten stellten sich taub, was nicht verwunderlich war, denn auch viele andere Gefangene kamen mit allerlei Ausflüchten zu ihnen, als man das Geschrei bis in die Ställe und Keller hörte.

Die Gefangenen waren bereits auf die verschiedenen Vorstellungen aufgeteilt worden, und der Ordnung halber hatte man die einzelnen Gruppen voneinander getrennt. Ich hatte mit ihnen nichts mehr zu tun, verließ mich ganz auf meine erfahrenen Untergebenen und blieb auf meinem Ehrenplatz als Veranstalter der Tiervorführungen, um den Beifall entgegenzunehmen. Ich würde nicht einmal Zeit gehabt haben, hinunterzugehen, wenn mir jemand die Nachricht gebracht hätte, daß man mich zu sprechen wünschte.

Jucundus war außerdem halb und halb überzeugt, daß ein im Grunde freilich ganz harmloser Bund, den er zusammen mit einigen aus dem Osten stammenden Knaben in der Palatiumschule gegründet hatte, entdeckt worden sei und daß er nur seiner gerechten Strafe entgegengehe. Diese Knaben hatten in ihrer kindischen Unvernunft große Träume gehegt. Sie wollten die Parther unterwerfen und die Hauptstadt des Reiches in den Osten verlegen … Gedanken, mit denen sich auch Nero bisweilen beschäftigte, wenn er den Senat satt hatte. Einen Unterschied gab es allerdings: so wie Jucundus und seine Kameraden sich die Sache vorstellten, sollten die Römer nach einem erfolgreichen Krieg gegen die Parther beiseite gedrängt werden, und alle Macht sollte auf die alten Königsgeschlechter des Ostens übergehen.

Diese Knabenträume hätte, wären sie bekannt geworden, niemand ernst genommen. Jucundus aber, der eben erst fünfzehn geworden war und die Toga angelegt hatte, glaubte in seinem Dünkel, er werde einer politischen Verschwörung wegen bestraft.

Als er einsah, daß er sterben mußte, vertraute er sich Barbus an, und die beiden beschlossen, da sie mich nicht erreichen konnten, gemeinsam tapfer in den Tod zu gehen. Ich weiß auch nicht, ob es mir möglich gewesen wäre, ihnen zu helfen, wenn ich von ihrem Schicksal gewußt hätte, denn Nero, der von meinem Vater vor dem versammelten Senat beleidigt worden war, hätte sich gewiß nicht erweichen lassen.

Ich hatte es so eingerichtet, daß sich während der zweiten Hälfte des Programms ständig wilde Tiere in der Arena befanden, und der Abwechslung wegen beschlossen, Christen, die mit den Tieren kämpfen wollten, zu bewaffnen. Gleichwohl konnte ich nur Schwerter, Dolche und Morgensterne verteilen lassen, die den Freiwilligen an den Eingängen zur Arena ausgehändigt wurden.

Jucundus und Barbus wählten die Löwen und das Schwert, und man kam ihrem Wunsch gern nach, da die Christen im allgemeinen leider nicht gewillt waren, aufzutreten, und nur sehr wenige sich meldeten. Die meisten wollten dem Bösen keinen Widerstand leisten und nur so rasch und so leicht wie möglich ins Paradies eingehen.

Nach der Pause schickte ich, um das Publikum aufzumuntern, wieder eine Gruppe Christen in Fellen in die Arena und ließ sie von Hunden hetzen. Diesmal gehorchten einige Hunde der Pfeife nicht, sondern blieben, nachdem sie ihr Werk verrichtet hatten, und rannten heulend im Sand umher. Ich hatte nichts dagegen, obwohl diese Jagdhunde sehr kostbar waren und nicht ohne Not getötet werden durften.

Als nächstes kamen drei ungezähmte Löwen an die Reihe, stattliche Tiere, auf die ich mit Recht stolz war. Auf den Rat meiner erfahrenen Untergebenen hin hatte ich für diese Löwen einige altersschwache Männer und Weiber sowie verkrüppelte und halbwüchsige Knaben bestimmt, denn wie man mir versicherte, fand das Publikum nichts spaßiger, als wenn Zwerge und Krüppel vor den wilden Tieren davonsprangen. Aus ebendiesem Grunde paßte auch Jucundus mit seinen Krücken gut für die Löwen.

Zuerst versammelte sich die Gruppe hinkend und hopsend mitten in der Arena, und die Hundewärter standen mit ihren Peitschen bereit, um sie notfalls zu beschützen. Die Hunde beachteten sie jedoch nicht, da sie nicht in Fellen staken, die nach wilden Tieren rochen. Dann betraten an der Spitze von etwa zehn bewaffneten Christen Jucundus und Barbus die Arena.

Die Zuschauer brachen in lautes Gelächter aus, als sie den auf Krücken humpelnden Jüngling und den zahnlosen Greis erblickten, die vor der Kaiserloge das Schwert zum Gruße hoben. Ich war peinlich berührt und warf einen Blick zu Nero hinüber, da ich annahm, er werde sich über das Lachen der Zuschauer und meinen schlechten Geschmack ärgern, obwohl ich an dem Auftreten der beiden unschuldig war, aber er machte gute Miene und lachte mit.

Ich muß gestehen, daß Jucundus und Barbus auch mich zum Lachen reizten, solange ich sie noch nicht erkannt hatte. Aber selbst als sie in die Mitte der Arena gingen und die anderen bewaffneten Christen im Kreis um die Alten und die Kinder aufstellten, wußte ich noch nicht, wen ich vor mir hatte.

Wie hätte ich auch auf den Gedanken kommen sollen, daß da mein eigener Sohn und mein treuester Diener gegen die wilden Tiere antraten. Ich fragte mich nur, wer wohl den großartigen Einfall gehabt haben mochte, ausgerechnet diese beiden komischen Gestalten an die Spitze derer zu stellen, die gegen die Löwen kämpfen sollten.

Ich glaube, das Gelächter der Zuschauer kränkte Jucundus und Barbus tief. Sie hatten die Löwen gewählt, weil Barbus Jucundus erzählt hatte, ich hätte in meiner Jugend nahe Antiochia einen Löwen mit bloßen Händen gefangen. Bei dieser Gelegenheit habe auch er, Barbus, selbst große Kühnheit bewiesen, und daher sei der Löwe von allen wilden Tieren dasjenige, mit dem er am geschicktesten umzugehen verstehe.

Der Sicherheit halber bat er Jucundus, die Krücken wegzulegen und mit seinem Schwert hinter ihm niederzuknien, damit er nicht sofort umgeworfen würde, wenn die Löwen sie ansprangen. Er wollte zunächst versuchen, Jucundus mit seinem Körper zu schützen, damit er Gelegenheit erhielt, seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen. Ich glaube, Barbus hat ihm, um sein Vertrauen zu erwidern, sogar erzählt, daß ich sein Vater war.

Das wußte außer meinem Vater und Barbus niemand, denn nicht einmal Claudia hatte ich die Folgen meines jugendlichen Fehltritts zu gestehen gewagt, obwohl ich damals, als ich eben aus Britannien zurückgekehrt war, mit Lugunda vor ihr geprahlt hatte.

Als das Löwentor geöffnet wurde, versuchte Jucundus meine Aufmerksamkeit zu erregen. Er rief mich und schwang sein Schwert, um zu zeigen, daß er keine Angst hatte. Erst in diesem Augenblick fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich erkannte ihn und Barbus. Ich erschrak zutiefst und rief in meiner Verzweiflung, die Vorstellung müsse sofort abgebrochen werden.

Zum Glück ging mein Befehl in dem allgemeinen Gelärme unter, denn als die stattlichen Löwen in die Arena stürzten, begann das Publikum vor Begeisterung laut zu jubeln, und viele standen auf, um besser zu sehen. Wenn ich die Vorstellung in diesem Augenblick der höchsten Spannung abgebrochen hätte, um Jucundus zu retten, würde Nero in seinem Zorn vermutlich mich selbst in die Arena geschickt haben, und wem wäre dadurch geholfen gewesen? Sobald ich ein wenig nachgedacht hatte, faßte ich mich wieder und war froh, daß niemand meinen verzweifelten Ruf gehört hatte.

Sabina, die die Löwen als ihr Eigentum betrachtete, hatte alle Mittel angewandt, die sie und Epaphroditus kannten, um sie zu reizen und ihren Blutdurst zu wecken. Die drei herrlichen Tiere rannten so wild in die Arena hinaus, daß der größte Löwe, durch den plötzlichen Wechsel von der Dunkelheit zum Licht verwirrt, zwischen einige schwelende Balken stürzte und sich die Mähne verengte, was soweit kein Schaden war, denn er wurde dadurch nur noch wilder. Die Löwen waren durch das helle Tageslicht geblendet. Sie liefen eine Weile brüllend umher, ehe sie den Haufen der Christen in der Mitte der Arena bemerkten, und rissen mit den Pranken einige der an den Schutzplanken Gekreuzigten herunter.

Unterdessen hatte sich Barbus ein glühendes Scheit geholt und die anderen bewaffneten Christen aufgefordert, ein gleiches zu tun. Nun schwang er das Scheit hin und her und blies kräftig darauf, bis eine Flamme aufsprang, so daß er neben dem Schwert in der rechten auch eine Fackel in der linken Hand hielt. Tatsächlich gelang es noch einigen anderen, sich mit Scheiten zu versehen, ehe die Löwen die Laufenden bemerkten und einen von hinten niederrissen, ohne daß er dazu kam, sein Schwert zu gebrauchen. Die Zuschauer schmähten ihn, weil sie glaubten, er habe dem Löwen aus Furcht den Rücken gewandt, während er doch nur zu den unbewaffneten Christen zurückgeeilt war, um sie mit dem Feuerbrand zu schützen.

Die Hunde, die in der Arena umhergestreunt waren, schlossen sich plötzlich unerwartet zu einem Rudel zusammen und fielen furchtlos die Löwen an, die sie in die Hinterbeine bissen. So war es den Christen anfangs ein leichtes, sich zu verteidigen, denn die Löwen drehten sich immer wieder zornbrüllend um sich selbst und versuchten die Hunde abzuschütteln. Mit ein wenig Glück gelang es Barbus, ehe er stürzte, einem der Löwen ein Auge auszustechen, und Jucundus stieß dem Tier sein Schwert in den Bauch und verwundete es schwer.

Während der Löwe sich auf dem Boden wälzte und sich die Gedärme herausfetzte, schleppte sich Jucundus näher und gab ihm den Fangstoß, obwohl ihm der Löwe noch in seinen Todeszuckungen mit der Pranke die Kopfhaut herunterriß, so daß er vor Blut nichts mehr sah. Das Publikum klatschte ihm lebhaft Beifall.

Jucundus tastete sich zu Barbus zurück, stellte fest, daß dieser tot war, nahm das brennende Scheit in die Linke und schlug damit blind um sich, während er sich gleichzeitig mit der Schwerthand das Blut aus den Augen zu wischen versuchte. Einer der anderen Löwen verbrannte sich an der Flamme die Schnauze und wich erschrocken zurück, vermutlich weil er glaubte, er sei vor die glühende Eisenstange eines Tierbändigers geraten. Er wandte sich einer leichteren Beute zu. Ich fürchtete schon, daß die Vorstellung mißglücken werde und daß ich mich zu sehr auf die mangelnde Waffentüchtigkeit der Christen verlassen hatte.

Doch es waren nicht mehr viele Hunde in der Arena. Sie ermüdeten bald, so daß die beiden übriggebliebenen Löwen doch noch mit ihnen fertigwurden, ehe sie sich ernstlich auf die Christen stürzten. Die Hunde waren so furchtlos, daß nicht ein einziger den Schwanz zwischen die Beine klemmte und floh. Dem letzten brach der eine Löwe mit einem Prankenhieb das Rückgrat, so daß er jaulend liegen blieb. Einige Hundeliebhaber auf den Zuschauerbänken erhoben sich und riefen, dies sei ein allzu grausames Spiel. Man dürfe Hunde nicht so quälen. Einer der Christen machte den Leiden des armen Tieres barmherzig mit dem Schwert ein Ende.

Jucundus gab sich noch nicht geschlagen. Ein Christ mit einem Morgenstern, der in ihm den geschicktesten Schwertfechter aus der ganzen Schar erkannte, trat hinter ihn, um ihn im Rücken zu decken. Gemeinsam gelang es ihnen, den einen Löwen schwer zu verwunden. Das Publikum war so begeistert, daß der eine oder andere schon den Daumen nach oben streckte, doch das war ebenso voreilig wie vergeblich.

Jucundus starb im Sand.

Der Rest war ein Gemetzel. Die beiden Löwen stürzten sich auf den wehrlosen Haufen der Christen, die nicht einmal davonliefen, was die Zuschauer noch belustigt hätte, sondern sich nur dicht aneinanderdrängten, so daß die Löwen sie einzeln losreißen mußten. Ich gab rasch den Befehl, zwei aufgehetzte Bären in die Arena zu lassen, die den Löwen halfen. Zuletzt, als die Christen alle zerfleischt waren, lieferten die Löwen einen herrlichen Kampf gegen die Bären, und besonders der verwundete Löwe erhielt großen Beifall für seine blinde Tapferkeit.

Jucundus’ Tod erschütterte mich, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon von gewissen Geschehnissen Kenntnis hatte, die sich während des großen Brandes im Garten des Tigellinus zugetragen hatten. Jucundus hatte sein Urteil verdient, doch darauf komme ich später noch zu sprechen. Ich war für die Vorstellung verantwortlich, und sie mußte weitergehen. Plötzlich drängte sich einer der Sklaven von meinem Gut bei Caere zu mir vor und meldete mir freudestrahlend, daß Claudia mir an diesem Morgen einen gesunden Knaben geboren hatte. Mutter und Kind waren wohlauf, und Claudia bat mich, den Knaben Clemens nennen zu dürfen.

Ich konnte es nur als das günstigste Vorzeichen auffassen, daß ich gerade in dem Augenblick, da mein Sohn Jucundus in tapferem Kampf gegen die Löwen umgekommen war, die Nachricht von der Geburt meines zweiten Sohnes erhielt. Der Name Clemens, der Milde, dünkte mich freilich unter diesen Umständen fehl am Platze, aber in meiner Freude war ich gern bereit, Claudia ihren Willen zu lassen, zumal ich mir sagte, daß ich ihr ohnehin noch sehr viel zu erklären hatte. Und in meinem Herzen habe ich Dich, mein Sohn, nun schon bald zehn Jahre lang immer nur Julius genannt.

Das Programm ging sehr abwechslungsreich den ganzen Nachmittag weiter, und es gab viele Überraschungen, was sich, wenn man mit wilden Tieren arbeitet, nie ganz vermeiden läßt. Sie liefen zumeist glimpflich ab und wurden, da man sie für absichtliche Programmeinlagen hielt, mir zur Ehre angerechnet. Auf den Zuschauerbänken wurden zahllose Wetten abgeschlossen, und es kam zu den üblichen Schlägereien.

Die Sonne ging schon unter, als die Vorstellung mit dem Auftritt der Dirken und der hyrkanischen Stiere ihren Höhepunkt erreichte. Die Begeisterung des Publikums kannte keine Grenzen, als alle Tore gleichzeitig aufgestoßen wurden und an die dreißig wilde Stiere, deren jeder ein leicht bekleidetes Mädchen auf den Hörnern trug, in die Arena rasten. Aus reinem Neid hatten die Theaterleute die Ehre dieser Nummer für sich in Anspruch nehmen wollen, und ich hatte es nach langem Hin und Her tatsächlich diesen unerfahrenen Menschen überlassen, die Mädchen auf den Hörnern der Stiere festzubinden. Ich brauche nicht eigens zu sagen, daß sie und ihre Helfer schlechte Arbeit geleistet hatten.

Die Felsblöcke, die ich in die Arena hatte schleppen lassen, waren zu nichts nütze. Während die Theaterleute in ihre Sprachrohre brüllend dem Publikum die Dirkesage erzählten, schüttelten die Stiere die Mädchen mühelos von ihren Hörnern, warfen sie hoch in die Luft und spießten sie auf. Nur wenige stießen ihre Dirke gegen die Steine, wie es beabsichtigt war und wie es die Sage berichtet. Es war nicht meine Schuld, daß diese Nummer mißglückte.

Nun wurden die restlichen Christen gegen die Stiere getrieben. Zu meiner Freude überwanden sie ihre Gleichgültigkeit und führten sich unglaublich mutig auf. Es war, als hätte sie plötzlich ein rasendes Todesverlangen gepackt, denn sie rannten förmlich um die Wette, als gälte es einen Siegerkranz zu gewinnen, und warfen sich den Stieren auf die Hörner. Das Publikum rief Beifall und begann sogar ein wenig Sympathie für sie zu empfinden.

Als dieses Wild erledigt war, wandten sich die Stiere gegen die Gekreuzigten, warfen die Kreuze um und rannten mit solcher Wucht gegen die Schutzplanken an, daß die zunächst Sitzenden fürchteten, sie könnten nachgeben. Doch nun war das Spiel auch schon vorüber.

Nach einem Blick auf den Himmel konnte ich erleichtert aufatmen und den Bogenschützen befehlen, die Stiere zu erlegen. Sie besorgten das so geschickt und mutig, daß die Zuschauer ihnen dankbar Beifall spendeten, so daß meine Befürchtung, diese notwendige Schlußnummer könnte das Volk langweilen, unbegründet gewesen war.

Tigellinus wollte zuletzt noch die Schutzplanken mit den daran gekreuzigten Christen verbrennen, aber Nero verweigerte seine Zustimmung, weil er fürchtete, das Feuer werde sich ausbreiten und seinen ganzen Zirkus zerstören. Während die Zuschauer durch alle Tore hinausströmten, gingen einige Prätorianer in der Arena umher und gaben den Gekreuzigten mit ihren Lanzen den Gnadenstoß, denn Nero wollte um der Gerechtigkeit willen, daß diese Christen nicht länger leiden sollten als die anderen, durch den Scheiterhaufen und die wilden Tiere hingerichteten.

Sollte sich jemand darüber wundern, daß ich meine wertvollen Tiere nicht schonte, so antworte ich ihm, daß es schlecht ausgesehen und den Wert der ganzen Vorstellung gemindert haben würde, wenn ein Teil des Publikums dazu verleitet worden wäre, am Abend noch im Zirkus zu bleiben und bei der langwierigen Arbeit des Einfangens zuzusehen. Die Stiere waren außerdem so wild, daß wahrscheinlich einige der Tierwärter dabei ums Leben gekommen wären, und im übrigen gedachte ich Nero eine so gesalzene Rechnung vorzulegen, daß mich der Verlust meiner hyrkanischen Stiere nicht schmerzte.

Tigellinus, der anderen in allem voraus sein wollte, bildete sich ein, die größte Überraschung des Tages für das Volk bereitzuhalten, das nun zu dem Festmahl eilte, das ihm Nero in den Gärten der Agrippina zugesagt hatte. Er hatte sich den Umstand zunutze gemacht, daß er außerhalb der Mauern richterliche Gewalt besaß, und befohlen, den Park mit den zweitausend Christen zu beleuchten, die am frühen Morgen aufs Geratewohl aus den anderen ausgewählt und unter Bewachung in die Gärten gebracht worden waren, da man unmöglich fünftausend Menschen im Laufe einer einzigen Vorstellung in der Arena auftreten lassen kann.

Während der Vorstellung hatte man unter großen Mühen Pfähle entlang der Parkwege und um die Teiche herum aufgestellt und die Christen darangekettet. Da nicht genug Eisenketten für alle dagewesen waren, hatte man auch Stricke genommen und die letzten in der Eile einfach an den Händen festgenagelt.

Dann hatte man die Christen mit Pech und Wachs bestrichen, wovon Tigellinus’ Verwalter gerade noch rechtzeitig einige Fuhren hatte beschaffen können. Da das aber für eine richtige Beleuchtung nicht ausreichte, mußte man noch zu Öl und anderem Brennbarem greifen. Dazu kam, daß die Prätorianer, die man für diese Arbeiten ausgelost hatte, unwillig und mißvergnügt zu Werke gingen, weil sie die Vorstellung im Zirkus versäumten und statt dessen im Glast der Herbstsonne Löcher graben und Pfähle einrammen mußten.

Als nun das Volk bei Einbruch der Dunkelheit aus dem Zirkus drängte, um sich zum Festmahl zu begeben, liefen die Prätorianer voraus und zündeten die lebenden Fackeln entlang des Weges an. Die Leute verwunderten sich und wußten diesen unfaßbaren Anblick nicht zu schätzen, ja den Gebildeten verging von dem widerlichen Geruch von verbranntem Menschenfleisch der Appetit, und sie machten sich auf den Heimweg. Andere fürchteten, das Feuer könne auf die Gärten und Lusthäuser übergreifen, da die Christen an ihren Pfählen sich wanden und strampelten und Tropfen von brennendem Pech und Wachs rings umher ins dürre Gras fielen. Viele verbrannten sich die Füße bei dem Versuch, die Glut in der Umgebung der Pfähle auszutreten.

Als Nero, noch immer volkstümlich in die Tracht eines Wagenlenkers gekleidet, mit seinem Gespann die von menschlichen Fackeln gesäumten Wege entlangfuhr, wurde er nicht mit dem Beifall begrüßt, den er, erwartet hatte. Im Gegenteil, er stieß überall auf verdrossenes Schweigen und sah zu seinem Kummer mehrere Senatoren zur Stadt zurückkehren.

Er stieg vom Wagen, um mit dem Volk zu sprechen und einigen die Hand zu drücken, aber niemand mochte über seine Scherze lachen. Als er Petronius zurückzuhalten versuchte, gab ihm dieser zur Antwort, er habe um der Freundschaft willen eine langweilige Vorstellung durchgestanden, aber was sein Magen zu vertragen imstande sei, habe seine Grenzen. Er verspüre kein Verlangen, den besten Braten der Welt zu kosten, wenn dieser mit dem süßlichen Geruch von Menschenfleisch gewürzt sei.

Nero biß sich auf die Lippen. In seiner Wagenlenkertracht glich er einem grobschlächtigen, verschwitzten Ringkämpfer. Er sah ein, daß er sich etwas einfallen lassen mußte, um das Volk zu erheitern und die Geschmacklosigkeit, die Tigellinus begangen hatte, vergessen zu machen. Zu allem Überfluß begannen nun halb verbrannte Menschen von den Pfählen zu stürzen, da die Stricke durchgebrannt waren. Andere rissen in ihrem Schmerz ihre festgenagelten Hände los und rannten brennend mitten unter die Menschen.

Diese vor Schmerzen brüllenden, kriechenden und sich auf dem Boden wälzenden Gestalten, die kaum noch Menschliches an sich hatten, erregten nur Entsetzen und Abscheu. Nero befahl wutentbrannt, sie und die anderen, die an ihren Pfählen schrien und das kunstvolle Spiel seines Orchesters störten, unverzüglich zu töten.

Dann ließ er allen Weihrauch verbrennen, dessen man habhaft werden konnte, und im ganzen Park die Duftwässer ausspritzen, die ursprünglich für seine Festgäste bestimmt gewesen waren. Was diese Verschwendung kostete, mag sich jeder selbst ausmalen, und ich schweige von den vielen unbrauchbar gewordenen Eisenketten.

Mich hielten um diese Zeit meine Pflichten noch im Zirkus zurück. Ich nahm in aller Eile die Glückwünsche der angeseheneren Zuschauer zu der gelungenen Vorstellung entgegen und stieg dann in die Arena nieder, um mich zu vergewissern, daß die Scharfrichter mit ihren Keulen ihr Werk ordentlich verrichteten, vor allem aber, um zu holen, was von Jucundus und Barbus noch übrig war.

Ich fand sie leicht, aber zu meiner Verwunderung setzte sich plötzlich mitten unter den zerfleischten Leichen ein junger Christ auf. Er hielt sich den Kopf mit den Händen, war aber völlig unversehrt. Als er das Blut abwischte, das über ihn hin geronnen war, zeigte es sich, daß er weder einen Biß noch einen Prankenhieb noch einen Huftritt abbekommen hatte. Er starrte betäubt zum Abendstern empor und fragte, ob er im Paradiese sei. Dann erklärte er mir, er habe sich in den Sand geworfen, um die Tiere nicht durch ohnehin vergeblichen Widerstand zu reizen. Ich wunderte mich nicht, daß er mit dem Leben davongekommen war, denn im allgemeinen rühren weder Löwen noch wilde Stiere einen Menschen an, der sich totstellt, und so mancher Tierfänger hat auf diese Art schon sein Leben gerettet.

Ich betrachtete die Rettung dieses jungen Mannes als ein Zeichen und legte ihm meinen Mantel um die Schultern, um ihn vor dem Keulenhieb der fluchenden Scharfrichter zu bewahren. Und ich erhielt meinen Lohn dafür, denn er konnte mir genau berichten, was Jucundus und Barbus getan und worüber sie unter den anderen Gefangenen leise gesprochen hatten. Man hatte die Christen so eng zusammengepfercht, daß keiner sitzen konnte, und der junge Mann war zufällig unmittelbar neben Jucundus gestanden. Zudem war Barbus auf seine alten Tage ein wenig taub geworden und hatte deshalb Jucundus bitten müssen, lauter zu sprechen, als dieser flüsternd von der dummen Verschwörung der Knaben zu berichten begann.

Der junge Christ, der gehofft hatte, sich schon an diesem Abend mit seinen Glaubensbrüdern im Paradiese zu befinden, betrachtete seine Rettung als ein Wunder und war überzeugt, daß Christus ihn für eine andere Aufgabe ausersehen hatte. Ich gab ihm neue Kleider und sorgte dafür, daß man ihn unangetastet durch ein Seitentor entweichen ließ.

Er hoffte, Christus werde mich für meine Barmherzigkeit und meine gute Tat segnen, und glaubte, auch ich würde eines Tages den rechten Weg finden. Ich schwieg dazu, um seine Gefühle zu schonen, und fragte ihn nur nebenher nach seinem Namen. Er erzählte mir offenherzig, daß er zu den Jüngern des Paulus gehört und bei der Taufe den Namen Clemens erhalten habe. Dieses erstaunliche Zusammentreffen machte es mir leichter, Claudias Laune nachzugeben und meinen Sohn wenigstens fürs erste Clemens zu nennen.

Der junge Christ mißdeutete meine Verwunderung und gestand, er verdiene diesen Namen eigentlich nicht, denn er sei nicht milde, sondern müsse sich unaufhörlich in der Demut üben, um seinen Zorn zu bemeistern. Eben deshalb habe er sich in den Sand geworfen und Böses nicht mit Bösem erwidern wollen. Dann segnete er mich noch einmal für meine Güte und begab sich auf dem von menschlichen Fackeln erhellten Weg zurück nach Rom. Die Gewißheit, daß Christus ihn noch brauchte, tröstete ihn darüber hinweg, daß er nicht den anderen Christen ins Paradies hatte folgen dürfen.

Vor etwa drei Jahren traf ich wieder mit ihm zusammen, als ich von Amts wegen gezwungen war, einen Streit unter den Christen zu schlichten, wobei ich es für richtig hielt, zu Cletus’ Gunsten zu entscheiden. Es ging darum, wer nach Linus den Hirtenstab übernehmen sollte. Ich fand, daß Clemens noch zu jung war, und wenn er sich weiter fleißig in der Demut geübt hat, wird er das wohl auch eingesehen haben.

Eines Tages wird auch er an die Reihe kommen, aber darum brauchst Du Dich nicht zu kümmern, Julius. Die Christen sind politisch bedeutungslos, und es ist noch die Frage, ob ihr Glaube in dem harten Wettstreit mit den anderen aus dem Osten zu uns gekommenen Glaubenslehren wird bestehen können. Verfolge sie aber nie, so sehr Du Dich auch manchmal über sie ärgern magst, sondern lasse sie um Deiner Großmutter Myrina willen in Frieden.

Die Leichen von Jucundus und Barbus ließ ich in Tücher wickeln, und ich war einigen verängstigten Menschen dabei behilflich, ihre Toten zu bergen, sofern sie sie finden konnten. Ich tat es aus Gefälligkeit und nahm die Geschenke, die mir dafür angeboten wurden, nicht an. Die meisten Leichen mußten in ein Massengrab bei der Richtstätte für das gemeine Volk geschafft werden, die zum Glück ganz in der Nähe lag.

Ich konnte also mit gutem Gewissen zu Neros Festmahl eilen und meiner Entrüstung über die Geschmacklosigkeit und Eigenmächtigkeit des Tigellinus Ausdruck verleihen. Da ich voraussah, daß es schwerhalten würde, die gewaltige Zuschauermenge zu speisen, hatte ich meine wilden Stiere in aller Eile abhäuten und ausschlachten lassen, um einen Teil der Gäste auf meine Rechnung mit dem guten Fleisch zu bewirten.

Das Mahl wurde mir jedoch verleidet, denn gleich als erstes bemerkte ich einige Senatoren, die mich eigentümlich musterten oder mir sogar den Rücken wandten, ohne meinen Gruß zu erwidern, und dann dankte mir Nero allzu lustlos und verdrossen für meinen Anteil an der Vorstellung. Erst jetzt erfuhr ich aus seinem Munde von der Verurteilung meines Vaters und Tullias, denn das Auftreten meines Sohnes und meines alten Dieners in der Arena war mir bis dahin trotz der Erzählung des jungen Christen ein Rätsel geblieben. Ich hatte die Absicht gehabt, Nero, wenn er bei passender Laune war, in scharfem Tone zu fragen, wie es möglich war, daß der Adoptivsohn eines Senators mit den Christen zusammen den wilden Tieren ausgesetzt werden konnte.

Nun schilderte mir Nero, wie mein Vater bei der Senatssitzung am frühen Morgen plötzlich irrezureden begann. »Er beleidigte mich vor dem versammelten Senat«, sagte er. »Aber nicht ich habe ihn verurteilt. Seine eigenen Amtsbrüder verurteilten ihn so einhellig, daß nicht einmal eine Abstimmung vonnöten war. Einen Senator kann ja, wie du weißt, nicht einmal der Kaiser verurteilen, ohne zuvor die anderen Senatoren zu hören. Und dann brachte deine Stiefmutter Tullia durch ihr unbeherrschtes Auftreten die ganze leidige Sache, die ich, nicht zuletzt aus Rücksicht auf deinen Ruf, geheimhalten wollte, an die Öffentlichkeit. Der junge Brite, den dein Vater adoptiert hatte, glaubte es ihm schuldig zu sein, sich als Christ zu bekennen. Er wäre sonst nicht in den Zirkus gebracht worden. Aber er war ohnehin lahm und wäre nie ein tauglicher Ritter geworden. Es steht nicht dafür, daß du um ihn trauerst. Außerdem hatte dein Vater, vermutlich in seiner Sinnesverwirrung, die Absicht, dich zu enterben. Du verlierst also nichts, obwohl ich gezwungen bin, sein Vermögen zu beschlagnahmen. Du weißt ja, daß ich Geld brauche, um eines Tages endlich einmal menschenwürdig wohnen zu können.«

Ich hielt es für das sicherste, Nero zu erklären, daß mein Vater mir schon vor siebzehn Jahren einen Vorschuß auf mein Erbteil gegeben hatte, damit ich das für einen Ritter erforderliche Vermögen nachweisen konnte. Ich hatte allerdings die Grundstücke auf dem Aventin verkauft, bevor die Häuser vom Brand zerstört wurden. Außerdem hatte ich anfangs große Summen für den Tiergarten von meinem Vater bekommen, aber davon hatte Nero selbst, durch die Vorstellungen im Amphitheater, den größten Nutzen gehabt.

Er antwortete mir edelmütig, er denke nicht daran, Summen zurückzufordern, die ich vor langer Zeit einmal bekommen hatte. Seiner Meinung nach war die Hinterlassenschaft meines Vaters groß genug, daß sowohl für die Staatskasse als auch für seine Bauvorhaben etwas abfiel. Er erlaubte mir sogar, mir aus dem Haus meines Vaters einige Andenken auszuwählen, sobald die Ädilen alles verzeichnet hatten.

Um allen nachträglichen Verdächtigungen zuvorzukommen, bekannte ich, daß mein Vater mir unter anderem einen Becher geschenkt hatte, der mir persönlich sehr teuer war. Nero fragte neugierig nach Einzelheiten, verlor aber alles Interesse, als er erfuhr, daß es sich nur um einen Holzbecher handelte.

Nun wurde mir endlich klar, in welche Gefahr ich durch meinen Vater geraten war, und ich beeilte mich zu erklären, daß ich Nero nicht einen einzigen Sesterz für meine Tiere und die anderen Auslagen in Rechnung stellen wollte. Ich schenkte ihm sogar das Fleisch der wilden Stiere für seine Gäste und schlug ihm vor, er solle den großen Vorrat an Kleidern, der nun im Zirkus lag, sowie die Schmuckstücke und Spangen, die man den Gefangenen abgenommen hatte, auf seine Rechnung verkaufen lassen. Vielleicht konnte er damit einige Säulen der Arkaden bezahlen, die die Gebäude auf dem Palatin und dem Caelius mit dem Goldenen Haus auf dem Esquilin verbinden sollten.

Nero war entzückt und versprach mir, er werde sich meiner Freigebigkeit stets erinnern. Er war erleichtert, weil ich ihm wegen des Todes meines Vaters und meines Stiefbruders – so nannte er Jucundus – keine Vorwürfe machte, und dankte mir nun aus ganzem Herzen für meinen Beitrag zu der Vorstellung. Er gab zu, daß seine Theaterleute kläglich versagt hatten und daß ihm Tigellinus nur Ärger bereitet hatte. Das einzige, was seiner Ansicht nach außer den Tiernummern wirklich gelungen war, war die gewaltige Musik der Wasserorgel und des Orchesters, dem er selbst genaue Anweisungen gegeben hatte.

Ich war der Meinung, daß die lärmende Musik nur die Tiere beunruhigt und das Interesse der Zuschauer von gewissen Höhepunkten der Vorstellung abgelenkt hatte, aber das sagte ich ihm nicht. Da mir selbst alles so gut geglückt war, konnte ich großzügig sein und über die dürftigen Ergebnisse seiner Anstrengungen stillschweigend hinweggehen.

Trotzdem war ich niedergeschlagen, und das Essen schmeckte mir nicht. Sobald ich mich nicht mehr von eifersüchtigen Blicken beobachtet wußte, verrichtete ich ein Trankopfer für meinen Vater und trank einige Becher Wein. Ich sandte meinen Läufer aus mit dem Auftrag, zu erkunden, wo mein Vater hingerichtet worden war, und seinen sowie Tullias Leichnam zu suchen. Sie waren jedoch aus Gründen, die ich schon berichtete, nicht mehr zu finden.

Ich mußte mich damit begnügen, gegen Morgen die Überreste von Jucundus und Barbus auf einem hastig aufgeschichteten Scheiterhaufen zu verbrennen. Barbus hatte es durch seinen langen Dienst und seine Treue verdient, mit meinem Sohn Jucundus den Scheiterhaufen zu teilen. Als ich die letzte Glut mit Wein hatte löschen lassen, sammelte ich eigenhändig ihre Asche in eine Urne.

Die Urne setzte ich später in Caere bei, auf einem Hügel, den ich über der Grabstätte errichten ließ, die mein Vater einst gekauft hatte. Jucundus stammte ja durch meinen Vater von den Etruskern ab, und seine Mutter Lugunda war eine Britin aus vornehmem Geschlecht gewesen. Barbus aber hatte durch seine Treue bis in den Tod inneren Adel bewiesen. Auf dem Deckel ihrer Urne steht ein etruskischer Bronzehahn und kräht ihnen ewiges Leben. Du wirst es eines Tages selbst sehen, Julius, wenn Du mit dem Staub Deines so habgierigen, unwürdigen und verständnislosen Vaters nach Caere kommst.


Ich durfte Nero nicht kränken und mußte bleiben, bis das Fest zu Ende ging, und ich will gern zugeben, daß die kleinen Vorstellungen außerordentlich gelungen waren, die er an verschiedenen beleuchteten Stellen im Park geben ließ: schöne Tänze, Satyrn, die zwischen den Büschen Nymphen jagten, eine Szene mit Apoll und Daphne und anderes mehr, was das Volk belustigte und auch einem wählerischen Publikum leichtfertige Gedanken einzuflößen imstande war. Zu essen gab es reichlich, aber das Fleisch meiner Stiere war dennoch willkommen. Die Springbrunnen füllten die Becken mit Wein, der zuletzt unvermischt war.

Da nun die Brandstifter ihre wohlverdiente Strafe erhalten hatten und alles gesühnt war, hielten die vornehmsten Damen Roms und alle Priesterkollegien gemeinsam ein göttliches Versöhnungsmahl ab, das den Höhepunkt des Gartenfestes bildete. Zu diesem Zweck waren die beiden heiligsten weißen Steinkegel in aller Heimlichkeit aus ihrem Tempel geholt worden.

Sie wurden unter den üblichen Zeremonien in einem beleuchteten Zelt auf ihren heiligen Kissen aufgestellt und von Frauen bekränzt, und dann setzte man ihnen das heilige Mahl vor. Dieses Mysterium ist so uralt und wird so selten begangen, daß nur wenige von den anwesenden Greisen es je mit angesehen hatten. Ich verfolgte es voll Neugier, erinnerte mich, daß die Römer dieses Mysterium von den Etruskern übernommen hatten, und stimmte mit den Senatoren und Rittern fromm in das heilige Lachen ein. Das Volk durfte nicht lachen. Dann wurde der Zeltvorhang vor die Öffnung gezogen, und kurz darauf erlosch plötzlich das Licht, das durch die Zeltleinwand schimmerte, ohne daß jemand daran gerührt hätte. Wir seufzten erleichtert auf, weil die Zeremonie ganz so verlaufen war, wie es die Überlieferung forderte.

Während die Steinkegel oder vielmehr die Götter, deren Sinnbild sie waren, nach dem heiligen Mahl in dem dunklen Zelt zurückblieben, um sich zum Wohle Roms auf ihren heiligen Kissen zu umarmen, veranstaltete Nero nach altem Brauch ein Satyrspiel, damit die Gäste sich von so viel furchtgebietender Heiligkeit erholen konnten, und man kann ihm nur den einen Vorwurf machen, daß er unbedingt selbst mitspielen wollte, weil er glaubte, dadurch die Gunst des Volkes zu gewinnen.

Er ließ sich daher auf offener Szene zu den Klängen einer lästerlichen Musik als Braut kleiden und sein Gesicht mit dem feuerroten Schleier verhüllen. Dann sang er, geschickt eine Frauenstimme nachahmend, die übliche Brautklage. Zum Hochzeitslager wurde er von Pythagoras, einem stattlichen Sklaven im Gewand des Bräutigams, geführt. Eine Göttin kam, um die verängstigte Braut zu trösten und zu beraten. Jammernd ließ Nero den Bräutigam die beiden Knoten des Gürtels lösen, und zuletzt sanken die beiden einander, fast völlig entkleidet, auf dem Bett in die Arme.

Nero ahmte das Wimmern und Klagen einer verschreckten Jungfrau so vollendet nach, daß die Zuschauer vor Lachen brüllten, worauf er plötzlich so wollüstig zu stöhnen begann, daß viele vornehme Damen erröteten und sich die Hände vor die Augen hielten. Die beiden spielten ihre Rolle so geschickt und gut, als hätten sie die Vorstellung im voraus geprobt.

Poppaea allerdings ärgerte sich über diese kunstvolle Vorführung so sehr, daß sie kurz darauf das Fest verließ. Sie war zudem im dritten Monat schwanger und mußte auf ihre Gesundheit achten, und die lange Vorstellung im Zirkus hatte sie ermüdet.

Nero hatte nichts dagegen, daß sie sich entfernte. Im Gegenteil, er nutzte die Gelegenheit, um in den dunklen Winkeln des Parks allerlei lüsterne Spiele zu veranstalten. Auf das Vergnügen des Volkes bedacht, hatte er alle Weiber aus den Hurenhäusern, die der Brand verschont hatte, eingeladen und sie aus seiner eigenen Kasse bezahlt, aber es gab viele vornehme Damen und leichtsinnige Ehemänner und Frauen, die sich im Schutz der Dunkelheit an diesen Spielen beteiligten. Zuletzt raschelte und knackte es in allen Büschen, und man hörte ringsumher die brünstigen Rufe der Betrunkenen und das Kreischen der Weiber.

Ich ging, um den Scheiterhaufen anzuzünden. Während ich Jucundus’ und Barbus’ Asche mit Wein begoß, dachte ich an Lugunda und meine Jugendjahre in Britannien, in denen ich noch so empfindsam, so auf das Gute bedacht und unschuldig gewesen war, daß ich mich erbrechen mußte, als ich meinen ersten Briten erschlagen hatte. Um dieselbe Zeit am frühen Morgen, was ich allerdings erst später erfuhr, kehrte Nero, mit Erde beschmutzt und den weinfeuchten Lorbeerkranz schief auf dem Kopf, auf den Esquilin zurück, um sich schlafen zu legen.

Poppaea, die sich, wie alle Schwangeren, leicht erregte, war wach gelegen und hatte auf ihn gewartet. Sie empfing ihn mit bösen Worten. Nero geriet in seinem benommenem Zustand so in Zorn, daß er sie in den Leib trat, bevor er sich auf sein Bett warf und in den tiefen Schlaf der Trunkenheit versank. Tags darauf erinnerte er sich an nichts mehr, bis er erfuhr, daß Poppaea eine Fehlgeburt gehabt hatte. Es stand sehr schlecht um sie, und die besten Ärzte Roms vermochten ihr nicht zu helfen – von ihren jüdischen Weibern mit ihren Sprüchen und Zauberbinden ganz zu schweigen.

Zu Poppaeas Ehre muß ich sagen, daß sie Nero keine Vorwürfe machte, als sie erkannte, daß ihr Zustand hoffnungslos war. Sie versuchte sogar noch in der Todesstunde ihn zu trösten und seine Gewissensqualen zu lindern, indem sie ihn daran erinnerte, daß sie sich immer gewünscht hatte, zu sterben, ehe ihre Schönheit dahinschwand. So wie sie nun aussah, schön wie eh und je, von Nero geliebt trotz dem unglückseligen Fußtritt – aber dergleichen kann unter Eheleuten vorkommen –, so hoffte sie in Neros Erinnerung bis zu seinem Tode weiterzuleben. Sie sah ein, daß Nero aus politischen Gründen eine neue Ehe eingehen mußte, und sie wünschte nur, daß er nichts überstürze und daß man ihren Leichnam nicht verbrenne. Poppaea wollte nach jüdischem Brauch unverbrannt bestattet werden.

Aus politischen Gründen konnte Nero sie nicht nach jüdischem Ritus bestatten lassen, obwohl er den Jüdinnen erlaubte, sich zur üblichen Totenklage um ihren Leichnam zu versammeln. Er Heß Poppaea jedoch nach orientalischer Sitte einbalsamieren und erlegte, ohne zu feilschen, die Summen, die sie dem Tempel zu Jerusalem und den Synagogen in Rom vermacht hatte.

Dann hielt er auf dem Forum vor dem Senat und dem Volk eine Gedächtnisrede auf Poppaea und weinte selbst vor Rührung, als er sich ihrer Schönheit in allen Einzelheiten erinnerte, von den goldenen Locken bis zu den rosigen Zehennägeln. Ein langer Trauerzug geleitete ihren einbalsamierten Leichnam, der in einem gläsernen Sarg lag, zum Mausoleum des Gottes Augustus. Daran nahmen viele Anstoß, denn Nero hatte nicht einmal seiner Mutter einen Platz im Mausoleum gegönnt, von seiner Gemahlin Octavia ganz zu schweigen. Von den Juden abgesehen, trauerte das Volk nicht um Poppaea. Sie hatte sich zuletzt schon nicht mehr damit begnügt, ihre Pferde mit Silber beschlagen zu lassen. Ihre Maulesel mußten gar goldene Hufbeschläge haben, und sie hatte zudem die Leute mit ihren ewigen Bädern in Eselsmilch gegen sich aufgebracht.

Mich schmerzte es, daß die bezaubernde Poppaea so jung gestorben war. Sie war immer sehr freundlich zu mir gewesen und würde ihre Freundschaft gewiß in meinen Armen bekräftigt haben, wenn ich genug Verstand gehabt hätte, sie kühn darum zu bitten. So über die Maßen keusch, wie ich in meiner ersten, blinden Verliebtheit geglaubt hatte, wird sie nicht gewesen sein, aber darauf war ich erst gekommen, als sie schon Othos Gattin geworden war.

Nachdem ich nun dies alles geschildert habe, muß ich von Deiner Mutter Claudia und ihrem unfreundlichen Betragen mir gegenüber sprechen. Zugleich muß ich von meiner Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung und deren Aufdeckung berichten, und das kommt mich vielleicht noch schwerer an.

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