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Marcus grüßt Tullia.


Mit diesem Gruße an Dich grüße ich eine merkwürdig ferne Vergangenheit. Selbst von den leidenschaftlichen Nächten in Rom scheint es mir, als hätte jemand anderer sie erlebt und nicht ich. Uns trennt ein einziges kurzes Jahr; aber es war für mich länger als andere Jahre. Die letzten paar Tage allein kommen mir wie Jahre vor. Du bist mir abhanden gekommen, und ich selbst habe mich geändert. Ich bin ein anderer Marcus. Du würdest mich nicht mehr verstehen. Wenn ich mir Dich ins Gedächtnis zurückrufe, so sehe ich Dich beim Lesen meiner Berichte den launischen Mund zu einem spöttischen Lächeln verziehen.

Du lebst inmitten all der Dinge, die auch ich einst für wichtig hielt. Du achtest darauf, wer Dich grüßt und wie er es tut. Du überlegst Dir sorgfältig, welchen Schmuck Du jeweils bei einer Gesellschaft tragen sollst, damit Deine Freunde sich freuen, die Neider scheele Augen machen und die Feinde sich entrüsten. Du hüllst die dünne Seide Deines Gewandes eng um Deinen glatten Leib und musterst Deine Gestalt in der polierten Marmortafel an der Wand. Dann versetzt Du der jungen Sklavin, die sich beim Aufstecken Deines Haares ungeschickt anstellt, unversehens einen Nadelstich. Schließlich nimmst Du an der Abendgesellschan teil, hebst mit müdem Lächeln Deinen Weinbecher, tust, als hörtest Du dem Vortrag irgendeines Philosophen oder Geschichtsschreibers zu, bist von dem letzten Liedschlager begeistert, läßt Deine Sandale von den Zehen baumeln, damit Dein Tischnachbar, wer immer es sei, nur ja bemerke, wie klein Deine weißen Füße sind. Trotz Deiner Schlankheit bist Du kräftig und ausdauernd. Deine unbändige Genußsucht kann Dich ganze Nächte in dem heißen Rom wachhalten. In Gesellschaft fremder Leute knusperst Du, zerstreut und mäkelig, an Vogelzungen, Schnecken und Meerestieren, als fändest Du mit solchen Leckerbissen Dein Auslangen. Aber wenn Du Dich mit Deinem Liebhaber ermattet hast, fällt es Dir nicht schwer, mitten in der Nacht ein halbgares Bratenstück hinunterzuschlingen, um wieder Kräfte für das Spiel zu sammeln, dessen Du nie müde wirst.

So sehe ich Deinen Schatten, Tullia. Nicht mehr voll Leben, sondern wie den Widerschein in poliertem schwarzem Marmor. Und dieser Schatten peinigt meine Sinne nicht mehr wie im letzten Winter in Alexandria, als ich Dich vergebens zu vergessen suchte. Etwas anderes erfüllt jetzt, ohne eigenes Zutun, ganz meine Seele. Du würdest mich nicht mehr erkennen, Tullia. Vielleicht würde auch ich Dich nicht erkennen.

Darum schreibe ich diese Briefe, auch wenn ich sie mit einem Gruß an Dich beginne, wohl eigentlich eher mir selber als Dir. Ich schreibe, um mich selbst und alles, was mir widerfahren ist, zu erforschen, nach den Weisungen meines verehrten Lehrers in Rhodos, der mir immer wieder einschärfte, ich möge über selbst Gesehenes und selbst Gehörtes berichten und nicht bloß fremdes Gedankengut in anderen Worten wiedergeben. Nein, ich schreibe nicht mehr nur zum Zeitvertreib und aus Langeweile. Wenn ich meine Briefe abfasse, bist Du mir nicht mehr nahe; Du rückst dabei sogar weiter von mir ab als sonst. Das betrübt mich nicht, Tullia; ich habe keineswegs das Gefühl, etwas verloren zu haben.

Es kümmert mich nicht einmal, ob Du je meine Briefe' zu Gesicht bekommst. Dennoch grüße ich Dich. Du warst ja, von Sinnenlust und Leidenschaft ganz abgesehen, der einzige mit mir wirklich befreundete Mensch. Von den Dingen dieser Welt hast du viel verstanden, und mehr als ich. Deiner Anbahnungskunst verdanke ich ja in letzter Linie jenes Vermächtnis, das mich wohlhabend gemacht hat, so daß ich nach eigenem Gutdünken mein Leben führen konnte, ohne anderen gehorchen oder auch nur schmeicheln zu müssen. Du warst ein Verstandesmensch, grausam, herrschsüchtig. Und vor allem hattest Du Deine Fähigkeiten schon Jahre vor mir entfaltet. Es dürfte Dich ja keineswegs kränken, wenn ich das sage; Du magst meine Feststellung im Gegenteil eher als rühmlich empfinden. Den Zauber Deiner Augen, Deines Mundes, Deines Leibes kennst du selbst genau. Aber nicht einmal dieser Zauber bindet mich mehr an Dich. So erfüllt bin ich jetzt von anderen Dingen.

Bärtig, mit einfachen Sandalen an den Füßen, in meinen gestreiften jüdischen Mantel gehüllt, ging ich am frühen Abend wieder zum Quelltor. Ich habe mir die Nägel nicht gepflegt, und nicht einmal Bimsstein könnte die Tintenflecke von den Fingern meiner rechten Hand entfernen. An Dampfbad und heißes Wasser gewöhnt, habe ich mich bloß kalt gewaschen, weil man mich beim Betreten des Männerbades im Gymnasion wegen meines Bartes so anstarrte, daß ich wieder ging. Nicht einmal in die Achselhöhlen habe ich mir Enthaarungssalbe verrieben. Ich bin am ganzen Körper behaart wie ein Barbar. Aber daran liegt mir nichts, und ich halte es nicht einmal für einen Nachteil. Ich wünsche mich meiner Umgebung anzugleichen, damit man mir mehr Vertrauen schenkt. Später mag ich ja zu den alten Lebensgewohnheiten, in denen ich aufgewachsen bin, zurückkehren.

Dabei kann ich nicht einmal sagen, daß ich diese Stadt und ihre Menschen liebe. Den Tempel habe ich oft mit seinem Marmor und Gold im vollen Sonnenlicht des Tages strahlen sehen. Die Abendröte wandelt den Bau zu einem Ungetüm mit blutfarbenem Haarkleid. In der Morgenfrühe ist er wie ein blauer Traum. Den ganzen Tag über steigt, dem Judengott zu Ehren, vom Brandopferaltar dichter Rauch zum Himmel. Aber mir ist der Tempel fremd geblieben. Ich kann ihm gegenüber nicht die gleiche Ehrfurcht empfinden wie die Juden. Er ist für mich nicht heilig. Als heiliger und gewaltiger empfand ich in meiner Jugendzeit den Artemistempel zu Ephesos. Oder Antiochia. Oder Rhodos. Oder Athen. Gar nicht zu reden vom Forum in Rom.

Nein, Zuneigung kann ich für diese Stadt, deren Bewohner Jesu Blut auf sich herabgerufen haben, nicht empfinden. Als die Frauen Jerusalems über den Herrn weinten, der am Wege zum Kreuzigungshügel unter Geißelhieben wankte, da hat er, heißt es, zu ihnen gesagt, sie sollten nicht über ihn weinen, sondern über sich selbst und ihre Kinder. Und ich empfinde unwillkürlich böse Vorahnungen, wenn ich den Tempel betrachte, dessen geweihter Vorhang durch das Erdbeben von oben bis unten entzweiriß und an dessen Treppe zum Heiligtum beim zweiten Beben einige Stufen einbrachen. Das genügt wohl als Omen.

An all das dachte ich auf dem Wege zum Quelltor. Noch drängten sich die Menschen in den Basarstraßen, alle Sprachen der Welt hallten von den Buden wider, Kamelglöckchen klingelten, und Esel schrien. Ich muß zugeben, daß die heilige Stadt der Juden eine Metropole ist wie nur irgendeine andere; aber für mich hat sie etwas Fremdes.

Jetzt am frühen Abend, am Ende eines Arbeitstages, bot die ganze Stadt für mich Fremden ein durchaus trauriges Bild. Mein Herz glühte in stiller Erwartung; aber die Trübsal der Einsamkeit bedrückte mein Gemüt. Es ist viel wert, frei zu sein und unabhängig von allen Menschen; doch die abendliche Einsamkeit in einer fremden Stadt ist eine bittere Pille.

Dennoch brach Freude in mir hervor, weil ich etwas zu erhoffen hatte. Ich wußte, daß ich in einer Welt des Umbruchs, der Erwartung lebte. Jesus ist aus dem Grabe erstanden, sein Reich bleibt für immer auf Erden. Nur ein paar Menschen wissen und glauben das; selbst sie zweifeln manchmal im Herzen, weil sich noch nie etwas dergleichen ereignet hat. Zu diesen Zweiflern gehöre auch ich; aber zugleich mit dem Zweifel glaube, hoffe, erwarte ich, daß etwas geschehen wird, was alles klärt.

Nur einige Bettler hockten noch, ohne mich zu erkennen, beim Tor; vom Blinden sah ich keine Spur. Frauen mit Wasserkrügen auf den Köpfen kamen durch den Torbogen in die Stadt und schwatzten angeregt miteinander. Sie nahmen sich nicht einmal die Mühe, meinetwegen den Mantelsaum über den Mund zu schieben; ich war ihnen gleichgültig.

Der Himmel wurde dunkelblau. Die Dämmerung vertiefte sich. Schon schimmerten drei Sterne am Firmament; schon zündeten die Wächter eine Pechfackel an und steckten sie in den Ring neben dem Tor. Ich war enttäuscht. Doch mit dieser Enttäuschung hatte ich gerechnet und mich darauf gefaßt gemacht, lange Zeit Tag für Tag hierherkommen zu müssen, ehe ich ein Zeichen empfing. Ich wollte schon nach Hause gehen, zögerte aber noch. Es spielte keine Rolle, ob ich hier oder dort war.

Da erschien im Torbogen ein Mann mit einem Wasserkrug. Er trug das Gefäß auf der Schulter und stützte es mit der Hand, weniger geschickt als die Frauen; er schritt langsam und vorsichtig, um nicht im Halbdunkel zu stolpern. Erst als er in einer ansteigenden Straße verschwunden war, folgte ich ihm. Die steile Gasse wurde zu einer Reihe seichter Stufen. Ich hörte, wie der Mann, hinter dem ich ging, seine Schritte setzte, wie er unter dem Gewicht des Kruges mühsam atmete.

Ohne sich zu beeilen, bog der Wasserträger immer wieder in gekrümmte Seitengassen ein. Wir stiegen in die Oberstadt. Lange waren wir schon unterwegs; ich merkte, daß der Mann nicht den kürzesten Weg zu seinem Bestimmungsort nahm. An einem einsamen Platz stellte er sein Gefäß nieder, rückte es zurecht und wartete. Ich ging auf ihn zu und blieb wortlos neben ihm stehen. Lange standen wir so nebeneinander, an eine Hausmauer gelehnt, bis er nicht mehr keuchte. Dann wandte er sich endlich zu mir, grüßte und fragte: »Hast du den Weg verloren?«

Ich grüßte zurück und fügte hinzu: »Es gibt viele Wege und mancherlei falsche Wegweiser.«

»Es gibt nur zwei Wege«, bemerkte er klügelnd. »Der eine führt zum Leben, der andere zum Tode.«

»Dann bleibt für mich bloß ein einziger«, entgegnete ich. »Aus eigenem kann ich ihn nicht finden. Aber ich hoffe und vertraue darauf, daß jemand mich geleiten wird.«

Ohne mir zu antworten, hob er wieder den Krug auf die Schulter und ging weiter. Ich schritt neben ihm, und er verwehrte es mir nicht. Nach einer Weile schlug ich vor: »Die Stufen sind steil. Darf ich dir helfen? Sonst kommst du wieder außer Atem.«

Er sagte: »Nicht das Tragen macht mich atemlos, sondern die Angst. Ich fürchte, aus dieser Sache wird nichts Gutes herauskommen.« Aber er ließ mich das Gefäß auf die Schulter nehmen. Es schien mir nicht sehr schwer. Er ging voraus und machte mich auf Unebenheiten aufmerksam, über die ich hätte stolpern können. Die Gasse war voll Unrat und roch nach Harn; ich beschmutzte mir die Sandalen.

Wir durchschritten ein Tor in der alten Mauer und stiegen dann noch höher in die Oberstadt hinauf. Das Haus, vor dem wir schließlich stehenblieben, schien groß und stattlicher als die Nachbargebäude; im Sternenlicht konnte ich nur die Umrisse erkennen. Der Wasserträger klopfte an die Tür, die gleich von einer Magd geöffnet wurde. Sie grüßte mich nicht, nahm mir aber sofort den Krug ab. Dem Manne bezeugte sie soviel Achtung, daß er offenbar mehr sein mußte als ein Bedienter, für den ich ihn gehalten hatte.

Er führte mich in einen stillen Hof, wo Bäume wuchsen. Dort kam mir ein Junge von etwa fünfzehn Jahren entgegen. »Friede sei mit dir!« grüßte er bescheiden. »Mein Vater und mein Onkel haben sich schon zurückgezogen; aber gestatte mir, daß ich dich in das Obergemach geleite! Willst du dir die Hände waschen?«

Ohne meine Antwort abzuwarten, begoß die Magd mir aus eben dem Krug, den ich gebracht hatte, reichlich die Hände, wie, um zu zeigen, daß es hier keineswegs an Wasser mangelte. Der Knabe reichte mir ein Leinenhandtuch und sagte: »Ich heiße Markus.«

Während ich mir die Hände trocknete, begann er zu erzählen, mit einem Eifer, als hätte das Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit alle Dämme gesprengt: »Damals, in der Nacht, als unser Herr gefangengenommen wurde, bin ich dabeigewesen. Ich war einfach im Hemd aus dem Bett gesprungen und in den Gethsemane-Garten gelaufen, um Jesus zu warnen, weil ich wußte, daß er dort die Nacht verbringen wollte. Mich hat man auch gepackt; dabei ist mein Hemd zerrissen und den Häschern in den Händen geblieben. Ich mußte nackt davonrennen, zusammen mit den anderen.«

»Plappere nicht so viel, Markus!« ermahnte mein Begleiter ihn. Aber jetzt, da er wohlbehalten im Hofe stand und seine Furcht überwunden hatte, war er selbst so erfüllt von verhaltenem Eifer wie der Junge. »Ich bin Nathanael«, sagte er. »Warum sollte ich dir meinen Namen verheimlichen? Ich bin dem Herrn auf dem Wege nach Emmaus begegnet, an dem Tage, als er sein Grab verlassen hatte.«

»Aber zuerst hast du ihn nicht erkannt«, platzte Markus heraus. Nathanael legte dem Jungen, um seinen Mitteilungsdrang zu hemmen, die Hand auf den Nacken. Markus umfaßte mit fiebrig heißen Fingern vertrauensvoll meine Hand, und ich erkannte an seiner zarten Haut, daß er nie nennenswerte körperliche Arbeit geleistet hatte. Er führte mich über eine Treppe zu einem Söller, der längs des Daches lief, und von dort in das Obergemach des Hauses.

Es war ein großer Raum, den eine einzige Lampe schwach erhellte, so daß die Ecken im Schatten lagen. Als ich eintrat, sah ich, daß zwei Männer mich erwarteten. Sie standen Hand in Hand da, ganz still im Halbdunkel. Einen erkannte ich: es war der stattliche junge Mann, Johannes, den ich bei den Frauen am Kreuzigungshügel gesehen hatte. Als ich ihn nun im schwachen Lampenschein erblickte, fiel mir wieder die unsagbare Reinheit dieses Jünglingsantlitzes auf. Der andere Mann war älter, mit gefurchter Stirn und forschenden, mißtrauischen Augen.

»Friede sei mit euch!« grüßte ich.

Aber sie erwiderten nicht. Schließlich wandte Johannes sich mit einem fragenden Blick zu dem älteren Manne, als wollte er ihn zum Sprechen auffordern. Doch der Unbekannte fuhr fort, mich mit unverändert argwöhnischen Augen von oben bis unten zu mustern. Die Stille wurde lastend. Schließlich sagte Nathanael entschuldigend: »Er ist dem Wasserkrug gefolgt.«

»Ich suche den einzigen Weg«, beteuerte ich eindringlich, da ich sehr befürchtete, die beiden könnten mich aus Mißtrauen wegschicken.

In dem Zimmer standen um einen großen Tisch mehrere Ruhebetten. Das Gemach war offenbar der Speisesaal eines reichen Hauses. Als der argwöhnische Mann mich genügend gemustert hatte, winkte er und sagte: »Nathanael, Markus, ihr könnt gehen. Aber haltet für alle Fälle Wache im Hof!«

Als sie gegangen waren, drehte er den großen Schlüssel im Türschloß um und sagte: »Friede sei mit dir, Fremdling!-Was willst du von uns? Ich fürchte, der Weg, den du suchst, ist zu schmal für dich.«

Aber Johannes fiel ihm ins Wort und rügte ihn. »Thomas, warum mußt du jeden und alles zunächst einmal anzweifeln?« Zu mir sagte er aufmunternd: »Wer suchet, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan. Wir haben gehört, daß du still und demütig im Herzen bist. Du hast reinen Sinnes angeklopft; darum haben wir die Tür aufgetan.« Er lud mich ein, Platz zu nehmen, setzte sich mir gegenüber und sah mich mit den kristallklaren Augen eines Träumers an.

Nach einigem Zögern setzte auch Thomas sich und erklärte: »Ich bin einer der zwölf, von denen du gehört hast. Der Herr hat uns zu seinen Sendboten erwählt und berufen, und wir sind ihm gefolgt. Johannes ist der jüngste unter uns. Ich muß immer wieder seinen Ungestüm zügeln.«

»Du darfst uns nicht übervorsichtig schelten«, fuhr er nach einer kleinen Pause fort. »Sicherlich weißt du, daß die Behörden auch gegen uns eine Anklage zusammenbrauen. Sie behaupten, wir hätten uns verschworen, den Tempel in Brand zu stecken, als Zeichen für das Volk. Sie behaupten, wir hätten unseren Mitjünger, der Jesus verraten hat, umgebracht. Warum soll ich nicht offen zugeben, daß wir deinetwegen Auseinandersetzungen hatten? Bis auf Petrus, der von dir, einem Ausländer, überhaupt nichts wissen wollte, habe ich als einziger ernstlich gegen dich Stellung genommen. Aber Maria Magdalena machte sich zu deiner Fürsprecherin.«

»Ich kenne dich«, sagte Johannes. »Ich habe dich beim Kreuz stehen sehen. Du hast nicht mit den Spöttern gemeinsame Sache gemacht.«

»Auch ich kenne dich und habe von dir gehört«, erwiderte ich. Es, fiel mir schwer, ihn nicht anzustarren. Noch nie hatte ich einen jungen Mann mit derart schönen Gesichtszügen gesehen; sie waren so rein, als hätte niemals ein böser Gedanke sie gestreift. Aber diese Schönheit war nicht leblos wie die Pracht einer Bildsäule; es war ein lebendiges, leidenschaftliches Antlitz, dem ich einen Hauch von Friedsamkeit und Wärme entströmen fühlte.

»Nun, und was willst du von uns?« fragte Thomas wieder, mit mürrischer Stimme.

Seine Feindseligkeit hemmte mich. Es war, als bemühte er sich, ein den Sendboten gemeinsam anvertrautes Geheimnis eifersüchtig vor Außenstehenden zu hüten. »Ich wollte euch nur bitten, mir den Weg zu zeigen«, antwortete ich zurückhaltend.

Thomas warf seinem Gefährten einen unwilligen Blick zu und sagte: »Vor seiner Gefangennahme hat der Herr uns zugesichert, in seines Vaters Hause seien viele Wohnungen; er werde hingehen, uns eine Stätte zu bereiten. Er muß uns alle zwölf gemeint haben, obwohl dann Judas ihm untreu wurde. Und er hat gesagt: ›Ihr wißt, wo ich hingehe, und kennt den Weg.‹«

Er rieb sich die gefurchte Stirn, und sein Blick verriet seine Ratlosigkeit. »Damals habe ich erwidert, wir hätten keine Ahnung, wohin er gehe – wie sollten wir da den Weg wissen? Und jetzt kommst du, Fremdling, und fragst mich nach dem Wege, den ich selbst nicht kenne.«

Johannes erinnerte ihn. »Thomas, Thomas, er hat dir ja geantwortet und gesagt, er selbst sei der Weg – so war es doch! –, der Weg und die Wahrheit. Also kannst du nicht abstreiten, es zu wissen.«

Aber Thomas sprang voll Verzweiflung auf, schlug mit der Faust auf die Fläche der anderen Hand und rief: »Ja, was bedeutet denn dieser Ausspruch? Ich verstehe ihn nicht. Erkläre ihn mir!«

Johannes wäre dieser Aufforderung sichtlich gerne nachgekommen, wagte es aber in meiner Gegenwart nicht. Ich überlegte und warf dann ein: »Jedenfalls ist Jesus am dritten Tage auferstanden.«

»Ja, ganz richtig!« bekräftigte Johannes. »Maria Magdalena hat uns berichtet, der Stein sei von der Gruft gewälzt. Wir sind hingeeilt, Petrus und ich, und fanden das Grab leer.«

»Alles recht schön«, meinte Thomas. »Maria Magdalena hat auch Engel gesehen und einen umherspukenden Gärtner.«

»Einen Gärtner?« fragte ich erschrocken, und ein Schauder überlief mich.

»Weibisches Geschwätz!« fuhr Thomas, ohne meine Frage zu beachten, fort. »Genau so wie die Geschichte mit Nathanael und Kleophas auf dem Wege nach Emmaus. Nicht einmal erkannt haben die beiden ihn.«

Johannes sagte voll Überzeugung: »Hier in diesem Gemach, wo wir alle eingeschüchtert bei verschlossenen Türen saßen, hat er sich uns am gleichen Abend gezeigt. Er hat mit uns geredet und uns eine Zusage gegeben, an die ich kaum zu denken wage, geschweige denn, daß ich darüber vor einem Fremden sprechen könnte. Aber ich versichere dir, daß er leibhaft hier in unserer Mitte stand und dann so plötzlich, wie er gekommen war, wieder verschwunden ist. Und wir haben geglaubt.«

»Nun ja!« spottete Thomas. »Ihr seid einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen, genau so wie die beiden Emmausjünger, von Maria gar nicht zu reden. Ich war nicht dabei, und ich glaube nicht an derartige Erscheinungen. Ich müßte das Mal der Nägel an seinen Händen sehen und meinen Finger in diese Male legen können – das allein und nichts anderes kann mich überzeugen. Dabei bleibt es, und wenn ich auf der Stelle tot hinfallen sollte!«

Diese Worte und dieser Zweifel bekümmerten den jungen Johannes derart, daß er den Kopf abwandte. Aber er widersprach nicht. Mir kam vor, als hätte während der wenigen Tage seit der Erscheinung die Ungläubigkeit des Thomas auch den Glauben der Augenzeugen erschüttert, so daß sie insgeheim an dem gemeinsam Gesehenen irre zu werden begannen.

Ein seltsamer Frohsinn erfaßte mich, und ich erklärte entschieden: »Ich brauche nicht zu sehen, um zu glauben. Mir ist jetzt schon klar, daß er auferstanden ist und noch auf Erden weilt. Wie das alles zugeht, weiß ich nicht. Aber ich harre der kommenden Ereignisse. Dinge, die sich bisher nie zugetragen haben, sind in diesen Tagen geschehen, und ebenso Unerhörtes wird bestimmt noch kommen.«

Doch Thomas sagte geringschätzig: »Du gehörst nicht einmal zu den Kindern Israels, obwohl du dir anscheinend Proselytenquasten an deine Mantelzipfel hast nähen lassen. Ich verstehe nicht, warum du uns so hartnäckig ausspionierst. Ich traue dir nicht. Glaube ja nicht, es wäre mir unbekannt geblieben, daß du als Gast des Statthalters in Antonia warst. Du versuchst uns in eine Falle zu locken, damit wir uns selbst den Kreuzestod oder die Steinigung an den Hals reden.«

Er rang die knorrigen Hände, starrte verängstigt vor sich hin und fuhr fort: »Ich weiß nicht, ob du je gesehen hast, wie es bei einer Steinigung hergeht. Ich habe dabei zugeschaut und möchte nicht selber das Opfer sein. Wenigstens nicht jetzt, nachdem Jesus gestorben ist, mag nun sein Grab leer sein oder nicht.«

»Warum bleibst du dann in Jerusalem?« fragte ich im gleichen barschen Töne, wie er ihn angeschlagen hatte. »Weshalb kehrst du dann nicht sang- und klanglos in deinen Heimatort zurück? Worauf wartest du noch?«

Er senkte den Blick, als wäre er seit jeher gewohnt, sich einer Befehlsstimme zu beugen, und fingerte an einer Mantelfalte. Dann entgegnete er zu seiner Rechtfertigung: »Allein kann ich die Stadt nicht verlassen. Aber meiner persönlichen. Meinung nach vergeuden wir hier wirklich bloß die Zeit. Das Vernünftigste wäre, auf eine Weile in die Wüste zu gehen und dann heimzuwandern, jeder dorthin, wo er zu Hause ist. Statt dessen drehen wir uns hier herum, zaudern und streiten, ohne uns über irgend etwas schlüssig zu werden.«

Johannes sah ihn mit seinem kristallklaren Blick an und mahnte: »Seit Jesus dich erwählte, hast du kein Zuhause mehr. Du hast dein Arbeitsgerät hingelegt und bist ihm gefolgt. Niemand, der seine Hand an den Pflug gelegt hat und zurückblickt, taugt für sein Reich. So hat der Herr es selber gesagt. Nein, Thomas, zu unserem früheren Dasein können wir nicht zurückkehren.«

»Welche Bewandtnis hat es mit seinem Reich?« fragte ich rasch.

Aber Thomas schüttelte nur mit spöttischer Miene den Kopf und sagte: »Jedenfalls sieht dieses Reich nicht so aus, wie wir es uns vorgestellt hatten, Fremdling.«

Wieder schlug er mit der Faust auf die Handfläche und rief in ohnmächtiger Wut: »War ich denn nicht sogar bereit, ein Schwert gegen meinen Mantel einzutauschen und mit dem Herrn und für ihn zu sterben? Wir selber können nur auf Gottes Gnade hoffen! Aber er, der Menschensohn, hatte Macht und Kraft, der Welt seinen Willen aufzuzwingen. Doch er duldete es, stumm wie ein Lamm, als man ihn ans Kreuz nagelte, und ließ uns in solcher Bedrängnis zurück, daß wir nicht wissen, was wir glauben oder wohin wir uns wenden sollen.«

Nach einer kleinen Weile fügte er hinzu: »Wenn einer gesteinigt wird, rinnt ihm Blut aus dem Munde; Blut und Schleim träufeln ihm aus der Nase; er schreit und weint und entleert alle Unreinlichkeiten des Körpers in die Kleider, bevor er den Geist aufgibt. Warum sollen wir uns diesem Schicksal ausliefern – jetzt, nachdem unser Meister dahingegangen ist und uns im Stich gelassen hat?«

Johannes klopfte ihm liebreich auf die Schulter und sagte voll Überzeugung: »Als die Stunde kam, waren wir alle gleich schwach. Aber denke daran, daß er versprochen hat, uns von seinem Vater her einen Helfer zu senden!«

Thomas stieß ihn zornig an, als hätte er ein Geheimnis ausgeplaudert, und erklärte, um meine Aufmerksamkeit abzulenken: »Du hast leicht reden, Johannes. Du weißt wenig von der Härte des Lebens. Als Lieblingssohn deines Vaters hast du in seinem Fischereibetrieb zusammen mit deinem Bruder ältere Männer unter dir gehabt. Als ich dem Rufe Jesu folgte, tat ich es, weil ich ein Herz hatte für die schwer arbeitenden und geknechteten Menschen. Aber welchen Trost diese Unterdrückten aus seinem sinnlosen Tode schöpfen sollen, geht über meine Begriffe. Das einzige, was er damit erreicht hat, war, daß er den Spott des Rates und der Römer auf sich selber und auf uns lenkte.«

Aber es gelang ihm nicht, mich von der Spur abzubringen. Neugierig fragte ich Johannes: »Was hast du da von einem Helfer gesagt?«

Johannes blickte mich treuherzig an und gab zu: »Was damit gemeint war, habe ich nicht verstanden und verstehe es auch jetzt nicht. Aber ich baue auf sein Versprechen. Irgend etwas Besonderes steht uns, wie du selbst sagtest, sicherlich noch bevor. Deshalb bleiben wir in Jerusalem.«

Sie sahen mich beide an, und ihre Gesichter waren so verschieden, wie zwei Menschenantlitze es überhaupt sein können. Aber in beiden war etwas Gleiches oder doch Ähnliches, das sie, trotz aller Bitterkeit in Thomas' Worten, miteinander verband. Ich dachte daran, was Maria Magdalena mir über Jesu auserwählte Sendboten gesagt hatte; jetzt verstand ich den Sinn ihrer Worte. Ich glaube, ich wäre imstande gewesen, diese Gesichter inmitten der größten Menschenmenge herauszufinden. Jetzt, nach dieser Begegnung, würde ich, so kam mir vor, auch jene Sendboten erkennen, deren Mißtrauen so stark war, daß sie eine Zusammenkunft mit mir überhaupt ablehnten.

Da die beiden Jünger weiter kein Wort mehr sprachen, mußte ich erkennen, daß sie mich, bei allem guten Willen von seiten des Johannes, als Eindringling betrachteten. Mir war, als würde ich unwiderruflich von ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. Schließlich sagte ich daher verlegen:

»Ich bin euch wohlgesinnt. Allerdings bin ich nicht Jude, ein Unbeschnittener, und gedenke es zu bleiben. Aber mir wurde erzählt, daß Jesus sogar zu Samaritern, die den Juden ein Greuel sind, gutherzig war. Er soll auch den Knecht eines römischen Hauptmannes in Galiläa geheilt haben, weil der Römer an seine Heilkraft glaubte. Auch ich glaube an seine Macht und Stärke; ich glaube daran, daß er noch lebt und daß er wieder erscheinen wird. Wenn es dazu kommt, so laßt mich, bitte, nicht draußen in der Finsternis! Ich werde ihm doch nichts zuleide tun. Wie könnte übrigens ein Mensch einem Wesen etwas anhaben, das aus dem Grabe auferstanden ist und durch verschlossene Türen kommt und geht? Auch ihr habt von mir nichts zu befürchten; im Gegenteil, ich will euch nach Kräften helfen. Ich wohne in dem Hause des syrischen Krämers beim Hasmonäerpalast. Ich bin wohlhabend und kann euch nötigenfalls auch mit Geld beispringen.«

»Beweise das!« rief Thomas und streckte die schwielige Hand aus.

Aber Johannes lehnte mein Angebot ab. »Solche Hilfe brauchen wir nicht – zumindest vorderhand nicht. Meine eigene Familie ist begütert, und Matthäus hat Geld. Außerdem hatte der Meister reiche Gönner, die auf unseren Wanderungen für unseren Unterhalt aufkamen, da sie anders dem Herrn nicht Gefolgschaft leisten konnten. Nein, nein, wir brauchen weder Brot noch Kleidung, sondern nur Dinge, die er allein uns geben kann. Wenn er wiederkommt, werden wir dich nicht vergessen. Aber Geheimnisse, die er uns anvertraut hat, darf ich natürlich einem Fremden nicht preisgeben.«

Thomas bemerkte warnend: »Mir scheint, es war ein Fehler, auf Maria zu hören. Die Neugier dieses Römers verspricht nichts Gutes.«

Dann wandte er sich zu mir und sagte in drohendem Töne: »Wisse, daß wir im Gefolge des Herrn die Macht hatten, Kranke zu heilen, ja sogar böse Geister auszutreiben. Jetzt liegen zwar unsere Kräfte ganz darnieder; aber du tätest doch gut daran, dich vor uns zu hüten. Uns hat ja der Herr zu seinen Jüngern erwählt; wir waren es, die nach Gutdünken bestimmte Leute bei ihm vorließen und anderen den Zugang verwehrten. Wenn schon einer von uns Zwölfen zum Verräter werden konnte, wie sehr müssen wir erst einem Außenstehenden mißtrauen!«

»Ich fürchte weder euch noch eure Kräfte«, sagte ich. »Ich habe nie davon gehört, daß Jesus seine Macht auch nur gegen einen Widersacher gebraucht hätte, geschweige denn gegen jemanden, der ihn mit Inbrunst sucht.«

»Oh, du bist ja glänzend unterrichtet!« rief Thomas. »Aber eines Tages hat er doch einen Feigenbaum verflucht, so daß er vor unseren Augen verdorrte, und zwar bloß deshalb, weil er nichts als Blätter an ihm fand und keine Früchte. Dabei war nicht einmal die Jahreszeit für Feigen.«

Johannes warf ein: »Wir haben wohl nie richtig erfaßt, was er damit gemeint hat. Es muß eines jener Gleichnisse gewesen sein, die wir nicht verstanden.«

»Nur zum Volk hat der Herr in Gleichnissen geredet«, widersprach Thomas. »Zu uns sprach er ganz offen. Aber wenn wir ihn damals nicht begriffen, wie sollten wir es jetzt? Darum wäre es besser, wir verlassen die Stadt ohne weiteres Zaudern.«

Ich wurde seiner Einwände und Drohungen müde. »Nun, wie' ihr wollt!« sagte ich. »Es tut mir leid, daß ich euch zu einer Zeit gestört habe, da andere Dinge euch so bedrücken. Ich selber bin von Alexandria hierhergereist, um den Weltherrscher zu suchen, dessen Geburt verschiedene Weissagungen ankündeten. Solche Prophezeiungen laufen auch bei anderen Völkern um, nicht nur bei den Juden. Das vorausgesagte Zeichen ist auch in Rom und in Griechenland beobachtet worden. Und diesen Weltherrscher habe ich in Jesus von Nazareth gefunden, der als Judenkönig ans Kreuz geschlagen wurde und dessen Sterben ich mit angesehen habe. Allerdings ist sein Reich anders, als ich es mir vorstellte, und anscheinend auch anders, als ihr es erwartet habt. Ich glaube nicht, daß ihr mich daran hindern könnt, dieses Reich zu suchen. Jesu Auferstehung hat mich davon überzeugt, daß sein Reich Wirklichkeit geworden ist.«

Aber nach diesen Worten brannten mir die Augen vor Tränen der Enttäuschung. Ich wandte den Kopf ab und schaute mit getrübtem Blick in den großen Speisesaal, dessen Ecken im Dunkel lagen. Für einen kurzen Augenblick bemächtigte sich meiner das gleiche Gefühl einer fremden Gegenwart wie während meines Schlafes im Obergemach des Lazarushauses. Aber diesmal konnte es kein Traum sein. Ich war im Gegenteil hellwach und allen Eindrücken offen. Mich erfüllte das Verlangen, den Auferstandenen anzurufen und beim Namen zu nennen, so wie kürzlich, als der Stein in den Händen des Blinden zu Käse geworden war. Aber in diesem Raum und in Gegenwart dieser beiden Männer hielt Befangenheit mich von einer solchen Anrufung ab. Sosehr diese Jünger sich auch drehten und wendeten, sie mußten ein verborgenes Wissen besitzen. Jesus hatte sie sicherlich Geheimnisse gelehrt, und ihnen war nicht der Tod bestimmt, ehe sie den Zweck erfüllten, den er allein kannte und den sie noch nicht verstanden.

Nein, ich wagte nicht, seinen Namen laut auszusprechen. Bescheiden sagte ich: »Friede sei mit euch!« und wandte mich zum Gehen.

Thomas begleitete mich zur Tür, um sie zu öffnen. Als er aber den großen Holzschlüssel gedreht hatte und den Griff faßte, ließ die Tür sich nicht öffnen. Er rüttelte und drehte den Schlüssel nochmals herum, aber vergebens. »Die Tür muß sich geworfen haben und klemmt jetzt«, brummte er ärgerlich.

»Reiße nicht so daran, sonst sprengst du das Schloß!« warnte Johannes und kam ihm zu Hilfe. Doch auch er richtete nichts aus. Sie waren beide verdutzt und blickten mich vorwurfsvoll an, als läge die Schuld an mir. Deshalb versuchte ich ebenfalls mein Glück. Ich hatte nicht viel Erfahrung mit hölzernen Schlössern und Schlüsseln; aber ich drehte nur den Schlüssel und es gelang mir ohne weiteres, die Tür zu öffnen. Kühle Nachtluft wehte mir entgegen. Über dem Hof sah ich einen ausgestirnten Himmel, und eben flog, wie als Zeichen für mich, ein Stern in goldener Bahn über das Firmament.

Ich nahm den Vorfall mit der Tür und das Aufleuchten der Sternschnuppe als Unterpfand dafür, daß er, der Judenkönig, mich nicht aus seinem Reich ausschließen würde, wie seine Sendboten es zu tun wünschten. Sie jedoch erblickten darin keinerlei Omen. Thomas drehte bloß den Schlüssel im Schloß und murmelte zu sich selbst, er als armer Mann könne eben mit derlei Vorrichtungen nicht umgehen, weil er nichts besitze, was man versperren müßte.

Die beiden Jünger blieben im Obergemach und ließen mich allein die Treppe hinuntergehen. Im Hof aber trat der junge Markus auf mich zu und fragte fürsorglich: »Wirst du wohl selbst den Weg zu deiner Wohnung finden, Fremdling? Es hat schon die zweite Nachtwache begonnen.«

Ich erwiderte: »Sorge dich nicht um meine Sicherheit! Nathanael hat mich zwar, vor Angst keuchend, auf Umwegen durch gewundene Seitengassen geschleppt, nur damit ich nicht weiß, wo ich mich befinde. Aber ich hoffe trotzdem, in die Unterstadt und in meine Wohnung zurückzufinden. Ich gehe zuerst durch die Mauer und dann bergab; die Richtung finde ich schon nach den Sternen. Sobald ich einmal das Theater und das Forum erreiche, frage ich mich schon durch.«

Doch Markus sagte voll Eifer: »Vater und Onkel haben mir aufgetragen, dich heute abend zu betreuen. Imbiß habe ich dir keinen angeboten, weil die Sendboten unseres Herrn mit dir als einem Römer nicht essen wollten. Aber gestatte mir wenigstens, dir meine Gastfreundschaft dadurch zu erweisen, daß ich dich zu deiner Wohnung zurückbegleite.«

Lächelnd wehrte ich ab. »Du bist jung, und junge Leute brauchen Schlaf. Du hast schon lange genug meinetwegen aufbleiben müssen.«

»An Abenden wie dem heutigen kann man nicht schlafen«, erklärte Markus. »Warte, ich hole nur meinen Mantel.«

Am Haustor schalt ihn die schläfrige Magd; doch er lachte bloß, tätschelte ihr die Wange und schlüpfte mit mir durch den Torbogen. Ich bemerkte, daß er einen Stock mit bleibeschwertem Knauf mitgenommen hatte; diese Entdeckung bereitete mir nicht ausgesprochene Freude, obwohl ich vor einem halbwüchsigen Jungen keine Angst hatte.

Entgegen meinen anfänglichen Befürchtungen geleitete er mich geradeaus bergab, offensichtlich, ohne mich in die Irre führen und so am Erkennen des Heimwegs behindern zu wollen. An dunklen Stellen nahm er mich an der Hand, damit ich nicht stolpern sollte. Mir kam vor, daß er sehr gern mit mir gesprochen hätte, sich aber nicht traute, weil ich beharrlich schwieg, von tiefer Niedergeschlagenheit bedrückt, obwohl im Grunde meines Herzens noch Hoffnung lebte.

Schließlich fühlte ich mich gedrängt zu sagen: »Du hast ihn also auch gekannt, diesen Jesus von Nazareth?«

Markus drückte mir heftig die Hand und antwortete: »Ja, gewiß. Ich habe das Mahl vorbereitet und aufgetragen, als er in unserem Hause mit seinen Sendboten nach der Sitte der Wüstenheiligen um einen Tag früher, als es allgemein der Brauch ist, das Osterlamm aß. Das war sein letzter Abend. Aber ich habe ihn schon früher gesehen und ihm als dem Sohne Davids zugejubelt, als er auf einer Eselin in Jerusalem einritt.«

Er prahlte ein wenig: »Das Reittier hat ihm mein Vater verschafft; es wartete an einem bestimmten Platz darauf, von den Jüngern geholt zu werden. An diesem Tage haben die Leute ihre Überkleider auf die Straße vor Jesus hingebreitet, haben Palmwedel geschwungen und Hosianna geschrien. Vater und Onkel ließen Jesus unentgeltlich das Obergemach benützen.«

Ich wurde neugierig und fragte: »Wer ist dein Vater? Wieso konnte er sich derart für Jesus einsetzen, ohne die Behörden fürchten zu müssen?«

Die Miene des Jungen verfinsterte sich, und er sagte leise: »Mein Vater wünscht nicht, daß sein Name mit diesen Dingen in Verbindung gebracht wird. Aber er gehört, obwohl er reich ist, zu den Stillen, und ich glaube, seine gleichgesinnten Freunde haben ihn gebeten, den König zu beschützen. Jesus wollte jedoch nicht meinen Vater oder dessen Familie dadurch gefährden, daß er sich in unserem Hause gefangennehmen ließe, und so begab er sich für die Nacht nach Gethsemane. Aber Judas, der Verräter, kannte unser Obergemach; so kamen die Schergen zuerst zu uns, mit brennenden Fackeln und klirrenden Waffen, und trommelten an der Tür. Damals war es, daß ich aus dem Bett sprang und ihn warnen lief.«

Zur Erklärung fügte er bei: »Mein Vater kann sich vor dem Rat immer damit rechtfertigen, daß er den Saal regelmäßig für Gesellschaften, Hochzeiten und dergleichen vermietet. Und es hat ihn auch nie jemand belästigt, weil ei unter den führenden Männern Freunde hat. Man weiß genau, daß die Galiläer sich jetzt in diesem Raum jedesmal nach Einbruch der Dunkelheit zu versammeln pflegen; aber niemand will durch ein Einschreiten gegen sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Männer lenken und die Erregung wieder schüren. Auf den hohen Herren laste! schon schwer genug das Schuldbewußtsein, weil sie auf so schreckliche Art den Sohn Gottes gemordet haben.«

»War er der Sohn Gottes?« fragte ich, um den Jungen auf die Probe zu stellen.

Freimütig erwiderte Markus: »Natürlich war er der Sohn und der Gesalbte Gottes! Nur ein von Gott Gesandter konnte das vollbringen, was er gewirkt hat. Und überdies ist er ja aus dem Grabe auferstanden und lebt, obwohl ei schon tot war. Mein Onkel Nathanael hat sogar nachher noch mit ihm gegessen. Ein Leichnam oder ein körperloser Geist, die können nicht essen. Darum ist er zweifellos am Leben.«

Im Herzen gefiel mir dieser unentwegte kindliche Glaube; meine Vernunft jedoch trieb mich an, spöttisch zu sagen: »Allzusehr mit Wissen belastet bist du offenbar nicht, nachdem du so bereitwillig alles glaubst, was du hörst.«

Der Junge wollte den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. »Ich kann griechisch lesen und schreiben, und ein bißchen lateinisch auch. Mein Vater hat Geschäftsverbindungen mit Zypern und sogar bis nach Rom. So unwissend, wie du meinst, bin ich nicht. Aber bedenke, daß ich Jesus des öfteren gesehen und sprechen gehört habe. Einmal hat er mir, als er bei uns weilte, die Hand auf den Kopf gelegt. Für dich muß es schwerer sein zu glauben, weil du ihn, wie mir gesagt wurde, nur sterben gesehen hast; ich aber sah ihn in den Tagen seiner Kraft und Macht.«

Wir hatten die Mauer erreicht, die Ober- und Unterstadt scheidet, und ich blieb an dem Tor stehen, wo ich Maria von Beeroth getroffen hatte. »Von hier aus finde ich mich schon zurecht«, sagte ich. Doch ich zögerte mit dem Weitergehen, und auch Markus schien noch nicht gewillt, mich zu verlassen. Wieder fiel ein Stern vom Firmament, und wir sahen ihn beide.

»Sogar der Sternhimmel ist in diesen Tagen voll Unruhe«, bemerkte ich. »Irgend etwas liegt in der Luft. Vielleicht beginnen eben jetzt die Tage des Reiches, aber auf eine Art, die wir noch nicht erfassen.«

Markus verabschiedete sich nicht und traf keine Anstalten heimzugehen. Verlegen zupfte er an seinem Mantel und scharrte mit dem Stock am Boden.

»Es wundert mich nur«, sagte ich, »daß Nathanael den Auferstandenen nicht gleich erkannte, und auch Maria Magdalena erst dann, als er sie beim Namen rief.«

»Sie waren völlig unvorbereitet«, erwiderte Markus zu ihrer Rechtfertigung. »Auch bei Jesu Lebzeiten war übrigens seine Erscheinung vielgestaltig und änderte sich je nach seiner Gemütsstimmung. Das ist schwer klarzumachen. Es schien, als hätte er jedermanns Züge. Alle, die an ihn glaubten, fanden, er gleiche irgendwem, den sie einst geliebt hatten. Man konnte ihm kaum recht ins Gesicht schauen. Sein Blick war zu feierlich. Ich habe oft bemerkt, daß alte Männer, wenn sie ihn trafen, die Augen senkten.«

»Da magst du recht haben«, stimmte ich bei. »Ich sah ihn, ohne etwas von ihm zu wissen, am Kreuze leiden. Aber auch ich konnte ihm nicht ins Gesicht schauen. Ich wäre ganz außerstande, sein Aussehen zu beschreiben. Allerdings herrschte ziemliche Dunkelheit. Ich sagte mir vor, nur die Achtung vor seiner Todesqual habe mich davon abgehalten, ihn anzustarren; doch vielleicht hätte ich es auch, wenn ich dazu willens gewesen wäre, nicht vermocht. Und das erstaunt mich keineswegs, nachdem er Gottes Sohn war. Sogar die Soldaten gaben das zu, als im Augenblick seines Todes die Erde bebte.«

Dann jedoch mußte ich meiner Erbitterung Luft machen und noch hinzufügen: »Nach welchen Gesichtspunkten er allerdings seine Sendboten auserwählt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls sind es unwissende Leute, die meiner Ansicht nach nicht das Recht haben, andere Menschen von der Nachfolge ihres Lehrers fernzuhalten. Damit handeln sie falsch und böse. Ich bin der gleichen Gesinnung wie sie. Aber sie treiben ihre Ängstlichkeit so weit, daß sie seine Geheimnisse als ihr Eigentum hüten. Dabei würden sie wohl, auch wenn sie ihr Versteck verließen, jetzt kaum mehr Gefahr laufen, verfolgt zu werden.«

Markus sann nach und meinte dann: »Ich glaube, du tust ihnen unrecht. Unwissend sind sie vielleicht; aber sie haben etwas, was anderen Menschen fehlt. Ich meine, sie allein konnten es wagen, dem Herrn unangefochten ins Gesicht zu blicken. Zumindest Johannes tat es. Ihn hat Jesus am liebsten gehabt. Geh nicht zu streng mit ihnen ins Gericht, Fremdling!«

Aber ich hörte das Lächeln in seiner Stimme, als er fortfuhr: »Immerhin muß ich gestehen, daß sie nicht jederzeit leicht zu begreifen sind. Auch mein Vater scheint ihrer müde zu sein, wegen ihrer Streitigkeiten und ihres Ungestüms. Besonders Petrus, der an Körpergröße alle überragt, ist herrschsüchtig und zetert mit den Frauen, obwohl sie es sind, die den Männern die Verpflegung besorgen und ihr Versteck bewachen. Bei all seiner Massigkeit und Kraft ist er recht kindlichen Gemütes. Übrigens sind die Galiläer überhaupt anders als wir hier in Jerusalem. Sie erfassen die Feinheiten der heiligen Schriften nicht so wie die Lehrer Israels. Sie sind einfache Menschen vom Lande, Dörfler, und fassen alles handgreiflich, sinnenfällig auf.«

Nach einigem Zögern gab er noch zu: »Mit Fremden sind sie kurz angebunden, das stimmt. Schon bei Jesu Lebzeiten ließen sie nicht jeden zu ihm. Auch jemand anderer hat sie kürzlich schon aufgesucht; aber sie weigerten sich sogar, ihn zu empfangen, weil sie ihn nicht als wahres Kind Israels betrachteten.«

Das erregte meine Neugier. »Erzähle mir davon!« bat ich.

»Hast du gehört, daß Jesus auf dem Weg zur Richtstätte zu Boden fiel, weil der Kreuzesarm, den er zu tragen hatte, ihm zu schwer wurde?« fragte Markus. »Die Römer griffen aufs Geratewohl einen Mann, der gerade vom Felde in die Stadt ging, auf und zwangen ihn, das Kreuz zu tragen. Sie hielten ihn für einen gewöhnlichen Landarbeiter; aber er ist ein reicher Gutsbesitzer und in der Synagoge der Libertiner sehr angesehen. Erst wollte er gegen den Willkürakt der Römer aufbegehren; dann jedoch besann er sich eines anderen. Damals wußte er noch nichts von dem, was da vorging. Er ist nämlich aus Kyrene und hält sich von Politik fern. Als er jedoch später erfuhr, was sich da abgespielt und wessen Kreuz er getragen hatte, erfüllte ihn Kummer, und er wollte von den Jüngern mehr über Jesus erfahren. Indes mißtraute Petrus sogar ihm. Allerdings war das gerade zu der Zeit, da die Jünger in der größten Angst lebten. Simon kam niemals wieder, sie nach dem Wege zu fragen. Es könnte sich dir, denke ich, verlohnen, ihn ausfindig zu machen und mit ihm zu reden. Vielleicht hat Jesus ihm unterwegs etwas Bedeutungsvolles gesagt, was ihn hinterher so bedrückt hat.«

»Wo kann ich ihn finden?« fragte ich.

»Er wird Simon von Kyrene genannt«, erwiderte Markus. »Erkundige dich in der Synagoge der Libertiner nach ihm! Da erhältst du bestimmt Auskunft.«

»Was ist das für eine Synagoge?« wollte ich wissen.

»Dort liest man die heiligen Schriften auf griechisch«, erläuterte Markus. »Die Synagoge wurde von Freigelassenen gegründet, die als reiche Leute aus Rom zurückkamen. Auch Einwanderer aus Alexandria und Kyrene unterstützen sie, weil diese in der Fremde Geborenen gewöhnlich so wenig von ihrem hebräischen Volkstum bewahrt haben, daß sie nicht einmal mehr die Sprache unserer Väter verstehen. Es ist eine wohlhabende, freisinnige Synagoge, die ihren Anhängern keine überschweren Lasten auferlegt. Ich glaube, dort würde man dich freundlich empfangen, wenn du dir an einem Sabbat die Schriftlesung auf griechisch anhören wolltest.«

Das war ein wertvoller Wink. »Ich danke dir, Markus«, sagte ich. »Von den Jüngern wurde ich abgewiesen und aufgefordert, mir den Weg selbst zu finden. Vielleicht sucht dieser Simon ihn auch. Zu zweit sucht es sich leichter als allein. Friede sei mit dir!«

»Auch mit dir, Freund des Statthalters!« grüßte der Junge beziehungsvoll. »Und wenn jemand dich fragt, wirst du ja jetzt bestätigen können, daß es hier keine gefährliche Verschwörung mehr gibt.«

»Ich bin mein eigener Freund; einen anderen habe ich nicht«, erwiderte ich, erzürnt über die Unverblümtheit, mit der dieser Junge mich verdächtigte, ich könnte meine Beobachtungen den Römern weitergeben. »Aber sollte jemand mich zufällig fragen, so könnte ich jedenfalls bezeugen, daß zumindest jene beiden Männer, mit denen ich jetzt sprach, weder Brandstifter noch Umstürzler sind. Doch ich glaube nicht, daß mich irgendwer irgendwas fragen wird. Im übrigen wünscht Pontius Pilatus sicherlich nichts sehnlicher, als daß über diese ganze Angelegenheit möglichst bald Gras wächst.«

»Friede sei mit dir!« wiederholte Markus, und wir trennten uns. An diesem Abend ereignete sich nichts weiter.

Um Simon von Kyrene zu finden, brauchte ich nicht in die Synagoge der Libertiner zu gehen. Als ich meinen Quartiergeber, den Syrer Karanthes, nach dem Mann fragte, sagte er sofort: »Du kannst dir die Mühe sparen. Warte bloß einen Augenblick, und ich verschaffe dir alle gewünschten Auskünfte.«

Er rief seinen Sohn und trug ihm auf, ihn für eine Weile am Ladentisch zu vertreten. Er selbst verschwand im Gäßchen. Ich setzte mich auf die Türschwelle und fand wirklich kaum Zeit, meinen Durst zu stillen, da war Karanthes schon wieder zurück. Er berichtete:

»Also, dieser Simon hat seinerzeit in Kyrene viel Geld verdient, und als er vor ein paar Jahren hierher übersiedelte, kaufte er eine Anzahl Felder, Weingärten und Ölhaine in der Umgebung unserer Stadt. Auch in anderen Ortschaften Judäas hat er Geschäftsinteressen. Er führt die Lebensweise eines Griechen. Angeblich besucht er, obwohl er einen Bart trägt, sogar das Theater und das Gymnasionbad. Man betrachtet ihn nicht als rechtgläubigen Juden. Manche behaupten sogar, er sei nicht einmal beschnitten; aber er ist so reich, daß niemand sich darum kümmert. Jedenfalls beachtet er das Gesetz und hält den Sabbat. Vor kurzem soll ihm etwas Peinliches passiert sein; die Römer haben ihn aus der Volksmenge herausgegriffen und gezwungen, das Kreuz dieses Aufrührers zu tragen, den man jüngst hingerichtet hat. Die Schmach ist ihm so nahegegangen, daß er sich seither in seinen Räumen eingeschlossen hat und niemanden empfängt.«

Er schilderte mir genau die Lage von Simons Haus und fragte dann mit verschmitztem Lächeln: »Was willst du eigentlich von ihm? Hast du vor, dein Geld in Grundbesitz anzulegen oder auf Pfänder auszuleihen? Dafür wüßte ich dir viel geeignetere Geschäftsfreunde. Diesen Simon kann ich keinesfalls empfehlen. Es heißt, er geht auf den Feldern herum und sammelt selber Reisig für seinen Herd; und er soll kaum etwas anderes essen als Brot und Gemüse.«

Ich fand, daß die Auskünfte des Syrers einander widersprachen, und war auf die Begegnung mit Simon von Kyrene neugierig. Aber mein Hausherr bestürmte mich mit Fragen über meine wahren Absichten. Da ich das Gefühl hatte, er wolle wirklich mein Bestes, sagte ich schließlich widerstrebend: »Gerade über den Vorfall, den du erwähnt hast, möchte ich mit ihm reden und ihn fragen, was er von Jesus, dem Nazarener, dem Judenkönig, weiß, da er ihm ja das Kreuz getragen hat.«

Karanthes geriet in große Erregung, zupfte mich am Mantelsaum und warnte: »Sprich nicht so laut über diese ärgerliche Sache!«

Aber ich erwiderte: »Du warst gut zu mir, und ich möchte deshalb dir gegenüber nicht unnötig geheimtun. Ich habe gute Gründe zu der Annahme, daß es sich bei dem gekreuzigten Judenkönig um den erstaunlichsten Mann handelt, der je gelebt hat, und daß er Gottes Sohn gewesen ist. Ich bin so gut wie überzeugt, daß er am dritten Tage nach der Bestattung sein Grab verlassen hat und am Leben ist, obwohl er schon tot war. Deshalb möchte ich alles erforschen, was mit ihm zusammenhängt, auch jene Einzelheiten, die vielleicht Simon von Kyrene über ihn weiß.«

Mein Syrer rief mit weinerlicher Stimme: »Wehe über mich! Was für ein Unheil habe ich auf mein Haus und mein Geschäft geladen, indem ich dich in mein Gästezimmer aufnahm! Wenn du nicht ein Freund Adenabars, des Zenturionen, wärest, hätte ich gute Lust, dich aufzufordern, augenblicklich deine Siebensachen zu packen und mein Haus zu verlassen. Von solchen Dingen redet man doch höchstens im Flüsterton in seinen vier Wänden, und nicht hier auf der Straße vor dem Haustor, wo jeder es hören kann! Keinesfalls darf man den Fabeleien unbedachter Männer und den Wahnvorstellungen verrückter Weiber Glauben beimessen. Natürlich habe auch ich gerüchtweise von den Sachen gehört, auf die du anspielst. Aber glaube mir, du tätest gut, dich aus dieser Angelegenheit herauszuhalten, sonst werfen dir die Juden bald ein paar Steine auf den Kopf! Du kannst noch nicht dahintergekommen sein, aber bei den Juden ist Religion immer Politik und Politik Religion. Nichts, was sie tun, ist völlig von ihrem Glauben zu trennen; ihr Gott ist allwissend und belauert sie Tag und Nacht, ob sie sich gesetzestreu verhalten. Darum empfiehlt es sich dringendst, in solchen Sachen leisezutreten und die Zunge zu hüten, besonders, wenn man Ausländer ist.«

»Ich bin römischer Bürger«, betonte ich. »Kein Jude darf mir ein Haar krümmen. Ich unterstehe nicht ihrer Gerichtsbarkeit. Für den Fall, daß sie wirklich irgendwelche mit ihrer Religion zusammenhängende Anschuldigungen gegen mich erheben, könnte nicht einmal der Prokonsul es wagen, mich zu richten. Ich würde nach Rom geschickt und dem Cäsar vorgeführt werden.«

»Angeblich ist doch Cäsar nicht mehr in Rom, sondern haust irgendwo auf einer abgelegenen Insel«, bemerkte Karanthes arglos. »An seiner Statt regiert wer anderer, ein verschlagener, habsüchtiger, Bestechungen zugänglicher Mann.«

Jetzt tauschten wir die Rollen. Ich packte meinen Hausherrn, hielt ihm meine Hand über den Mund und blickte mich entsetzt um, ob jemand seine Worte gehört hatte.

»Wenn du das in Rom gesagt hättest«, verwies ich ihn, »würde dich das den Hals kosten. Von diesem Mann darf nicht laut geredet werden; er soll Späher und Lauscher in den fernsten Ländern haben.«

Gelassen schob Karanthes meine Hand von seinem Mund und meinte: »Na also, siehst du? Man muß eben überall mit den Wölfen heulen. Andere Länder, andere Sitten. Hier in Jerusalem verbrennt man sich mit dem Namen des Gekreuzigten genau so den Mund wie in Rom mit dem Namen des … anderen Mannes.«

Er zögerte einen Augenblick und schaute sich um; dann kauerte er sich hin, und während ich weiter, in meinen gestreiften Judenmantel gehüllt, auf seiner Türschwelle saß, flüsterte er mir ins Ohr:

»Gerüchte sind Gerüchte. Aber wir einfacheren Leute und Ausländer haben erst nachträglich richtig erfahren, welch schreckliches Unheil uns durch das rasche Eingreifen des jüdischen Hohen Rates erspart wurde. Du mußt nämlich wissen, knapp vor den Ostertagen saßen wir alle, ohne es zu wissen, auf einem Vulkan. Das Volk hatte diesen Jesus schon zum König und Sohn Davids ausgerufen, und angeblich genoß er heimlich die Unterstützung einer Sekte und Verschwörergruppe in der Wüste, die ›Stillen‹ genannt. Man wollte, heißt es, während des Festes den Tempel, zum Fanal für das Volk, in Brand stecken, den Rat stürzen und eine Regierung aus Taglöhnern und Kleinbauern bilden. Du kannst dir vorstellen, welch hochwillkommene Gelegenheit zur Einmischung das für die Römer gewesen wäre. Der Statthalter hatte schon aus allen Stützpunkten die ganze Legion in Jerusalem zusammengezogen und selber in der Burg Antonia Quartier genommen, weil er sich nicht traute, so wie sonst im Herodespalast zu wohnen. Als aber die Umstürzler ihren Rädelsführer verloren, mußten sie sich wieder in ihre Schlupfwinkel verkriechen.«

»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich. »Nach allem, was ich gehört habe, ist sein Reich überhaupt nicht von dieser Welt.«

»Ja, ja – wie gesagt, Gerüchte sind nur Gerüchte«, bemerkte Karanthes versöhnlich. »Aber irgend etwas muß an so hartnäckigen und übereinstimmenden Munkeleien daran sein. Ohne Feuer kein Rauch! Oder? Was meinst du?«

»Ich vermute, daß der Rat und die Priester und die Schriftgelehrten derlei Gerüchte selbst in Umlauf bringen, um nachträglich einen niederträchtigen Mord zu rechtfertigen«, erklärte ich entschieden. »So, wie man da glauben machen will, war Jesus nicht geartet. Angeblich hat er den Leuten sogar gesagt, wenn man sie auf die eine Wange schlüge, sollten sie die andere auch hinhalten, und niemand möge Böses mit Bösem vergelten. Auch ich persönlich halte diesen Grundsatz für das einzige Mittel, um aus der Gewalt des Bösen loszukommen, das sonst, von Rache zu Rache und immer wieder zu Rache, sich ewig fortpflanzt.«

»Er hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben«, erklärte Karanthes in sachlich nüchternem Töne. »Wer hier auf Erden wirkt und handelt und lehrt, muß sich den Gesetzen dieser Welt unterwerfen. Mag sein, daß dieser Jesus von anderen Leuten für ihre Zwecke mißbraucht wurde; über ihn selbst hat man ja wirklich nur Gutes gehört. Aber dem jüdischen Rat ist nichts übriggeblieben, als jene Entscheidung zu treffen, die allein der Sachlage und der politischen Vernunft entsprach. Es geht eben nicht an, daß jemand, um das Volk zu verführen, Kranke heilt und Tote erweckt oder sich als Sohn Gottes ausgibt. Soweit wir wissen, hat der Judengott keinen Sohn und kann gar keinen haben. Gerade dadurch unterscheidet er sich von den Göttern anderer Völker. Solche Irrlehren stiften nur politischen Unfrieden. Und bei einem Umsturz sind es immer die Hitzköpfe, die an die Macht kommen, nie die Besonnenen. Ich bin überzeugt, gleich bei Ausbruch der Unruhen und ehe ich auch nur Zeit gefunden hätte, mich zu dem neuen König zu bekennen, wäre mein Kramladen in Flammen aufgegangen und meine Tochter hätte mit zerschmettertem Schädel und gespreizten Beinen in der Gosse gelegen.«

Ich überlegte seine warnenden Worte und verglich sie mit allem, was ich sonst gehört und erlebt hatte. Dann sagte ich nachdenklich: »Ich glaube, dieser jetzige Umsturz beginnt im Innern der Menschen, nicht von außenher. Das unterscheidet ihn von allen anderen Revolutionen. Wie allerdings die Dinge im einzelnen weiterverlaufen werden, ist mir noch unklar.«

Karanthes hob resigniert die Hände und meinte: »Man sieht, daß du nicht verheiratet bist. Mach, was du willst; aber sage nicht nachher, ich hätte es verabsäumt, dich zu warnen!«

So begab ich mich denn zu Simons Haus. Es lag in einer schmalen Gasse und unterschied sich äußerlich nicht von anderen Stadthäusern. Aber das Tor war, mitten am Tage, verschlossen. Als ich eine Zeitlang geklopft hatte, kam eine Magd, öffnete die Tür auf einen Spalt und verhüllte, als sie mich sah, rasch ihr Gesicht. Ich grüßte und fragte nach dem Hausherrn; doch sie erklärte abwehrend: »Mein Herr ist krank und hält sich in einem verdunkelten Zimmer auf. Er wünscht keine Besuche.«

Ich nannte ihr meinen Namen, berief mich auf den Bankier Aristainos und sagte schließlich: »Ich bin überzeugt, daß dein Herr mich empfangen wird. Ich komme nämlich gerade wegen der Sache, die ihn bedrückt.«

Die Magd ließ mich ein und ging ihren Herrn holen. Ich bemerkte, daß hinter der unscheinbaren Außenseite das ganze Haus im griechischen Stil umgebaut worden war. Das geräumige Atrium hatte eine Öffnung im Dach und ein Regenwasserbecken im Boden, der entgegen dem jüdischen Bilderverbot mit Mosaikdarstellungen – Blumen, Fischen und Vögeln – geschmückt war. An den Wänden standen Bronzen und griechische Vasen in der Art, wie vornehme Häuser ausgestattet zu sein pflegen.

Nach einer Weile erschien ein griechischer Sklave, grauhaarig, in einen kunstvoll gefalteten Leinenmantel gekleidet, eine Schriftrolle unter dem Arm. Die Augen des Mannes waren rotgerändert, wie von vielem Lesen bei schlechtem Licht. Er grüßte mich auf römische Weise und forderte mich auf, Platz zu nehmen und zu warten.

»Was liest du denn da?« fragte ich.

Er versteckte die Rolle hinter seinem Rücken und antwortete: »Nur ein Buch eines jüdischen Propheten. Ich bin Erzieher der beiden Söhne des Hausherrn, Rufus und Alexander. Allerdings ist mein Herr ein schlichter Mann, der für Dichtkunst nichts übrig hat.«

»Darf ich raten, was du da hältst?« meinte ich lächelnd. »Ich habe das gleiche Werk in Alexandria gelesen, und erst kürzlich hat man mir wieder Stellen daraus hergesagt. Ist es nicht das Buch des Propheten Jesaja?«

Der Sklave brachte verdutzt die Rolle wieder zum Vorschein, und blickte ernst auf sie, dann auf mich. Schließlich fragte er: »Bist du ein Hellseher oder ein Magier, daß du weißt, was ich meinem Herrn vorgelesen habe?«

»Magier bin ich bestimmt keiner«, entgegnete ich. »Was ich von Astronomie und Sterndeuterei weiß, verdanke ich meinem Pflegevater Manilius. Seine Schrift ›Astronomica‹ wirst du wohl kaum gelesen haben?«

Er verneinte und fügte hinzu: »Jedenfalls aber ist mir bekannt, daß die Römer alles von uns Griechen entlehnen, es in ihre Sprache übersetzen und als ihr geistiges Eigentum ausgeben.«

Der grauhaarige Sklave war offenbar sehr auf seine nationale Würde erpicht. Ich erkundigte mich: »Und was hältst du von dem jüdischen Propheten?«

Er antwortete: »Ich bin Grieche. Diese ebenso dunklen wie schwülstigen Judenschriften langweilen mich bloß. Ich lese das Buch meinem Herrn vor, hänge aber dabei meinen eigenen Gedanken nach. Wie bewiesen wurde, kann die Schildkröte auch gegen Achilles ihren Vorsprung wahren. Als Sklave habe ich die Rolle der Schildkröte übernommen. Ich versuche nie, dem Äsop oder Homer den Rang abzulaufen, wie die Juden es tun.«

In diesem Augenblick trat Simon von Kyrene ein, und ich musterte ihn eingehend. Er hatte einen zerlumpten Mantel achtlos über die Schultern geworfen; sein Bart war ungepflegt. Es handelte sich um einen kräftigen Mann mittleren Alters, mit stark sonngebräuntem Gesicht und großen Bauernhänden. Er setzte sich in den rot überzogenen Hausherrnstuhl und winkte dem Sklaven ungeduldig, sich zu entfernen.

Ohne Gruß fragte er mich barsch: »Was führt dich her, Römer? Was willst du von mir?«

Ich blickte um mich, ob nicht irgendwo Horcher versteckt waren. Dann erwiderte ich ganz schlicht und offen: »Ich habe gehört, daß du wegen Jesus von Nazareth sehr bekümmert bist und versucht hast, mit seinen Jüngern zu sprechen, von ihnen aber abgewiesen wurdest. Gestern abend bin auch ich mit zweien von ihnen zusammengekommen; doch sie wollten mir nicht helfen. Auch ich suche den Weg. Hilf du mir, wenn du kannst!«

Er neigte den Kopf zur Seite, starrte mich unter seinen buschigen Brauen mißtrauisch an und verwahrte sich: »Ich suche keinen Weg. Wer hat dir das gesagt? Meinen Weg habe ich schon vor vielen Jahren gefunden und bin auf ihm ganz gut vorwärtsgekommen.«

Ich beobachtete ihn sorgsam, und plötzlich kam mir zu Bewußtsein, daß er den Kopf wie ein Sklave hielt und auch den argwöhnischen Sklavenblick hatte. Unwillkürlich spähte ich nach seinen Fußknöcheln und suchte die untilgbaren Spuren der eisernen Bänder. Aber seine Augen folgten meinem Blick, und er schob eilig die Füße unter die Marmorbank. Gleichzeitig schlug er mit einem kleinen Holzhammer auf eine Metallscheibe, um einen Bedienten zu rufen.

»Du hast scharfe Augen«, gab er widerstrebend zu. »Ja, ich war Sklave, wurde aber schon vor mehr als zehn Jahren freigelassen und habe in Kyrene beim Getreidehandel viel Geld verdient, ehe ich hierher nach Jerusalem kam, wo seinerzeit mein Urgroßvater beheimatet war. Ich habe zwei Söhne, und ich wünsche nicht, daß jemand sie meiner Abkunft wegen über die Achsel anschaut. Doch ich bin, ebenso wie mein Vater und mein Großvater, als Sklave zur Welt gekommen. Das drückt einem Menschen seinen Stempel auf, auch wenn man es hier im allgemeinen nicht bemerkt. Ich habe meinen Platz in der Synagoge und im Theater; meine Söhne haben einen griechischen Erzieher, und ich wohne, wie du siehst, in einem vornehmen Hause. Vielleicht gelingt es mir eines Tages, meinen Söhnen das römische Bürgerrecht zu erkaufen.«

Der Diener trat mit einem Silbertablett ein. Er reichte mir einen goldenen Becher und füllte ihn aus einem staubigen Kruge mit dunkelfarbenem Wein. Auf dem Tablett lagen Honigkuchen und daneben ein von Asche grauer Gerstenfladen. Simon nahm von dem Tablett einen Tonbecher, in den ihm Wasser gefüllt wurde. Er brach von dem Brotfladen ein Stück ab, blies die Asche weg und schob den Bissen in den Mund; dazu trank er einen Schluck Wasser. Ich kann nicht leugnen, daß mich das Gehaben dieses Mannes überraschte.

»An Honigkuchen habe ich mich anscheinend überessen«, erklärte ich. »Wenn du gestattest, koste ich dein Gerstenbrot. Aber deinen Wein will ich nicht verschmähen, nachdem du nun schon meinetwegen den Siegelabdruck zerbrochen hast. Sonst wäre mir Wasser ebenso lieb gewesen, nachdem es, wie ich sehe, Quellwasser ist.«

»Ich bekomme das Wasser aus einer guten Quelle weit von hier«, sagte Simon. »Von so einer Quelle habe ich als Junge bei der Arbeit unter der sengenden Sonne auf den Feldern Afrikas geträumt. Übrigens auch von solchem Gerstenbrot wie das hier; unser Sklavenbrot buk man aus einem Gemisch von Spreu und Körnerresten, Bohnen und Hafer. Als ich reich wurde, habe ich eine Zeitlang Wein getrunken, fand aber dann, daß er mir gar nicht schmeckt. Ich aß Honigkuchen und Gazellenbraten mit scharfen Tunken, bis ich entdeckte, daß reines Brot und frisches Gemüse mir besser munden und besser anschlagen. Ich habe viel durchgemacht – mehr, als du ahnst, Römer.«

Doch er sprach darüber nicht verbittert, sondern wie von etwas Selbstverständlichem.

»Es hat lange gedauert«, fuhr er fort, »ehe ich richtig begriff, daß ich frei war und tun konnte, was ich wollte. Mein Bett ist noch immer eine harte Sklavenbank; von weichen Daunenkissen tut mir nur der Rücken weh. Ich weiß natürlich, daß man mich auslacht, wenn ich zuerst meine Ländereien besichtige und den Arbeitern ihren Tagelohn auszahle und dann in meinem Mantel Reisig sammle und auf dem Rücken heimtrage. Verschwendung nehme ich niemandem übel; mir selber bereitet sie nicht die geringste Freude. Als Junge bin ich fast zu Tode gepeitscht worden, weil ich aus Unverstand Dung und trockene Disteln von fremdem Land aufgelesen habe, zum Heizen für meine Mutter. Deshalb macht es mir jetzt Spaß, auf eigenem Grund und Boden gutes Brennholz aufzulesen und es im eigenen Mantel ins eigene Haus zu tragen.«

Nach einer Pause sagte er: »Vielleicht bin ich ein strenger Dienstherr, der beim Gesinde keine Faulheit duldet. Doch noch nie habe ich einen Olivenpflücker ausgescholten, weil er vom Baum herunterstieg und seine täglichen Gebete sprach. Ich persönlich fühle mich am wohlsten, wenn ich auf meine Felder hinausgehe, den Mantel schürze und mitten unter den Arbeitern selbst Hand anlege.« Anscheinend wollte er dem Thema, das ich angeschnitten hatte, ausweichen; denn er fuhr fort: »Das ist der Weg, den ich für mich selber gefunden habe. Als Sklave dachte ich viel über die menschliche Freiheit nach. Darum nötige ich jetzt nie anderen meine eigene Spielart von Freiheit und meine eigenen Steckenpferde auf, sondern lasse sie nach ihrem Zuschnitt leben. Vielleicht war es kindisch von mir, nach Jerusalem zu übersiedeln. Aber aus den Erzählungen meiner Eltern kannte ich Israel als das Gelobte Land; auch von dem Gott Israels haben sie mir erzählt, das heißt, soviel ihnen selbst – wir Sklaven hatten ja keine Synagoge und keine Lehrer – davon bekannt war. Weder mein Vater noch ich wurden beschnitten, wie das Gesetz es vorschreibt; derart wenig wußten wir von dem Bunde zwischen Gott und dem Volke Israel.

Vom Getreidehandel allerdings weiß ich alles, was es zu wissen gibt, und hätte bestimmt gute Geschäfte gemacht, wenn ich in Rom ansässig geworden wäre. Aber das Korn, das dorthin zur freien Verteilung verschifft wird, ist mit Blut getränkt, wie auch die vernarbten Striemen auf meinem Rücken bezeugen. Jeder sehnt sich schließlich nach dem, wovon seine Eltern erzählt haben, nach dem Gott seiner Väter und nach dem eigenen Volke. Zum Römer wäre ich nie ganz geworden, und ich sehe auch keinen Sinn darin, Reichtümer um ihrer selbst willen anzuhäufen. Für mich und meine Söhne besitze ich genug, und ich habe mein Geld klug angelegt, unter Bedacht auf alle erdenklichen Gefahren. Jetzt kenne ich keinen weiteren Wunsch, als rechtschaffen zu leben, Gott zu verehren, die Gebote ohne Schädigung anderer zu halten und mich der Dinge zu erfreuen, die mir wirklich Freude machen. So einfach ist der Weg, den ich gefunden habe.«

»Ich achte deinen Weg«, erklärte ich. »An dir ist nichts von der Protzerei und Anmaßung, durch die sich in Rom viele reich gewordene Freigelassene so unleidlich machen. Dort zahlen sie oft jede Summe, nur, um in das Haus eines Senators eingeladen zu werden oder einen Ritter mit dem Vornamen anreden zu dürfen. Ihre Lebensweise erweckt nur Spott. Daß du dein Haus, wenn es dir so gefällt, im griechischen Stil ausgestattet hast und mir deine goldenen Becher vorführst, finde ich begreiflich. Aber du bist, wie ich deinen Worten entnehme, nicht der Sklave deiner Reichtümer.«

Simon hob die Hände. »Eine solche Abhängigkeit zu vermeiden, war immer mein Bestreben«, meinte er. »Ich möchte so frei sein, wie ein Mensch es überhaupt vermag. Auch wenn ich meinen ganzen Besitz verlöre – niemand ist ja vor den Launen des Schicksals sicher –, würde ich nicht viel verlieren, weil ich genügsam bin. Das wenige zum Leben Notwendige macht mir mehr Freude als jeder Überfluß.«

»Warum hat dich dann«, fragte ich, »deine Begegnung mit dem Nazarener so verstört, daß du dich hinter verschlossenen Türen in einem verfinsterten Raum versteckst und keine Besuche empfangen willst?«

Er seufzte tief, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und wich meinem Blick aus. »Was weißt du selber über diesen Jesus?« wollte er zuerst wissen.

»Ich bin von Alexandria hergereist, wirklich nur zum Zeitvertreib und um die heilige Stadt der Juden während ihres Passahfestes zu sehen«, antwortete ich. »Vor der Stadt angelangt, hielt ich inne und erblickte, während eben der Himmel sich verdunkelte, den Gekreuzigten. Ich sah ihn leiden und sterben. Am dritten Tage danach fand ich sein Grab leer und hörte, daß er auferstanden war. Seitdem komme ich nicht los von ihm … Du hast ihm, wie man mir erzählte, ein Stück weit das Kreuz getragen, und ich merke, daß auch du von ihm nicht loskommst. Wieso das? Hat er dir etwas Besonderes gesagt?«

Simon von Kyrene preßte die Fäuste aneinander und erwiderte: »Nein, gesagt hat er mir gar nichts. Und gerade das läßt mir keine Ruhe. Er sagte nichts, sondern blickte mich nur an.«

»Sonst weiß ich nichts von ihm«, fuhr er nach einer Weile fort. »Ich mische mich nie in Politik und halte die Gebote, wie meine Synagoge sie vorschreibt. Die beiden Schicksalsgenossen des Gekreuzigten waren Verbrecher, das sah man ihnen an. Ich ging gerade von den Feldern heim und blieb stehen, um zu schauen. Im gleichen Augenblick fiel er unter der Last seines Kreuzes nieder und konnte sich nicht mehr erheben. Ich stand da, in die Menge eingekeilt, ohne weiterzukönnen. Eine gutherzige Frau bückte sich und wischte dem Verurteilten mit ihrem eigenen Schweißtuch Blut und Schweiß vom Gesicht. Die Römer wollten ihn mit Tritten ihrer eisenbeschlagenen Schuhe weitertreiben; aber er vermochte nicht aufzustehen. Der Zenturio schaute umher und zeigte auf mich, in der selbstherrlichen Art, wie die Römer sie haben. In mir muß noch etwas vom Sklaven stecken; ich folgte dem Wink, und man lud mir das Kreuz auf den Rücken. Der Verurteilte blickte mich an und stellte sich mühsam auf die zitternden Beine. Ohne Widerrede trug ich hinter ihm her das Kreuz bis auf den Hügel. Wenn ich mich später beschwert hätte, wäre der Zenturio streng gerügt worden; aber ich wollte nicht überflüssige Unannehmlichkeiten mit den Römern heraufbeschwören. Ich stand daneben, als die Henkersknechte den Verurteilten auf den Boden legten und seine Arme mit den Knien niederdrückten. Der Legionsprofos trieb ihm die Nägel durch die Handgelenke. Da blickte der Gequälte mich wieder an, und ich wandte mich ab, rannte in die Stadt und schloß mich hier ein.«

Er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, schüttelte den struppigen Kopf und fuhr fort: »Du wirst das kaum verstehen. Ich habe viele Kreuzigungen mit angesehen. Ich habe es sogar wiederholt erlebt, daß einen Sklaven seine eigenen Gefährten verspotteten, wenn er ans Kreuz genagelt wurde, weil er im Zorn einen Aufseher erschlagen oder ein Getreidefeld in Brand gesteckt hatte. Mit der Zeit war mein Sinn gegen fremdes Leid verhärtet worden. Ich hätte nie gedacht, daß die Qualen eines anderen mir so stark zusetzen könnten. Aber er hat mich angeblickt! Mich schwindelte, und ich lief davon, aus Angst, die Erde würde unter meinen Füßen nachgeben.«

»Wie soll ich dir das erklären«, rief er verzweifelt, »wenn ich es selbst nicht begreife? Als er auf dem Boden lag und mich ansah, das Gesicht von Schlägen verschwollen und die Dornenkrone auf dem Kopf, da verlor alles andere jegliche Bedeutung für mich. Derart sollte niemand einen Mitmenschen anschauen! Ich verkroch mich in einen verdunkelten Raum, zog mir den Mantel über den Kopf und traute mich nicht einmal dann in den Hof hinaus, als die Erde zitterte und eine Mauer barst. Am nächsten Tage habe ich den Sabbat gebrochen und bin ein großes Stück Weges gegangen. Ich habe Jesu Jünger aufgesucht; aber sie wollten mich nicht anhören. Später hieß es, die Jünger hätten die römischen Wachsoldaten betrunken gemacht und den Leichnam ihres Herrn heimlich aus dem Grabe beiseite geschafft, um das Volk zu täuschen. Doch etwas sagt mir, daß diese Gerüchte falsch sind. Jemand, der einen so anzublicken vermag wie er, kann auch aus eigener Kraft das Grab verlassen … Und jetzt möchte ich dich bitten, mir deine Meinung darüber zu sagen, wer er war und was er wollte.«

»Soweit ich es mir klarmachen konnte«, erwiderte ich vorsichtig, »hat er sein eigenes Reich mit sich auf die Erde gebracht. Dieses Reich ist nach Jesu Auferstehung noch hienieden, und ich suche den Weg dahin. Ich hoffte, er hätte zu dir irgend etwas gesprochen, was mir einen Fingerzeig geben könnte.«

»Hätte er es nur getan!« klagte Simon von Kyrene. »Aber vielleicht fand er mich keines Wortes wert, weil ich sein Kreuz so widerwillig auf mich genommen hatte. Seit er mich angeblickt hat, schmeckt mir auch frisches Quellwasser faulig, und gutes Brot bleibt mir in der Kehle stecken. Selbst meine Söhne sind mir so fremd geworden, daß es mir kein Vergnügen mehr macht, sie zu sehen. Eigentlich sind sie mir ja wirklich entfremdet, weil ich ihnen eine bessere Bildung als die meine angedeihen lassen wollte. Aber früher habe ich mich immer daran ergötzt, wie gut sie sich benehmen und wie sachkundig sie mit ihren Lehrern Dinge nachlesen und erörtern können, von denen ich nichts weiß – und auch nichts wissen will, weil meine durch Erfahrung erworbenen Kenntnisse mir genügen. Doch in dieser Sache mit Jesus hilft mir keine Erfahrung. So vergällt ist mir alles, daß ich nichts dagegen hätte, in die Sklavenhütten zurückzukehren und mir wieder Ringe um die Fußknöchel schmieden zu lassen.«

»Hast du von den Stillen im Lande gehört, die auf ihn warten?« fragte ich schließlich.

»Weshalb sonst, glaubst du, lasse ich mir das Buch des Propheten Jesaja vorlesen?« fuhr Simon erbost auf. »In der letzten Zeit war die Nachfrage nach dieser Schrift so groß, daß ich für eine griechisch abgefaßte Rolle das Fünffache des früheren Preises bezahlen mußte. Aber ich finde auch in diesem Buch keine Hilfe. Sprich mir nicht von den Stillen im Lande! Ich weiß, daß sie einander durch Grußworte und geheime Zeichen erkennen; doch ich will in politische Dinge nicht hineingezogen werden. Ich bin Libertiner und wünsche keine andere Zugehörigkeit.«

»Aber«, wandte ich ein, »diese Leute dürften kaum politische Ziele anstreben. Wenigstens jetzt nicht mehr. Soviel ich weiß, glauben sie, daß Gott in Menschengestalt zur Welt gekommen ist, daß er auf Erden gelebt, gelitten und den Tod gefunden hat und daß er wieder auferstanden ist, um die Schriften zu erfüllen und auf rätselhafte Weise den Menschen sein Reich zu eröffnen. Noch aber weiß niemand, wie das alles zu verstehen ist.«

Simon hob die breiten Schultern und schüttelte den Rumpf, als wollte er sich einer unsichtbaren Bürde entledigen. »Dann habe ich auf diesen meinen Schultern wahrhaft Gottes Kreuz getragen«, murmelte er, voll Entsetzen in der Stimme. »Ich will das nicht leugnen, will dir nicht widersprechen. Mein Herz sagt mir, daß du die Wahrheit redest. Er hat mich zweimal angeblickt.«

Von Qual erfüllt, fuhr er fort: »Ich hatte schon früher von einem neuen Lehrer gehört, der großen Anstoß erregte. Aber nie wäre mir eingefallen, daß jener Lehrer und der blutüberströmte, dornengekrönte, zur Kreuzigung wankende Mann ein und dieselbe Person sein könnten. Erst als wir droben auf dem Hügel waren und jemand mir die Kreuzesinschrift vorlas – ich kann ja nicht lesen –, erkannte ich, daß es sich um den gleichen Jesus handelte, von dem ich gehört hatte. Das Leben hat mich zum Zweifler gemacht; so hatte ich mich auch um die Wunder, die er wirkte, nicht viel gekümmert. Aber in Jericho lebt ein Oberzolleinnehmer namens Zachäus. Dieser Zachäus kletterte, um den neuen Lehrer besser zu sehen, auf eine Sykomore; und Jesus soll ihn hinuntergerufen haben und in seinem Haus, obwohl er Zöllner ist, eingekehrt sein. Nach diesem Besuche hat Zachäus angeblich die Hälfte seines Vermögens den Armen gegeben und außerdem alles, was er den Leuten an Steuern und Zöllen unrechtmäßig abgepreßt hatte, vierfach erstattet. Nachdem er damit seine Vergehen eingestanden hatte, wurde er angeklagt, aber als unzurechnungsfähig freigesprochen und bloß seines Amtes enthoben.

Nun, ich kann sehr wohl begreifen, daß jemand, der die Heilkraft dazu hat, einen Lahmen durch seinen Befehl veranlassen kann, aufzustehen und zu gehen. Aber einen Reichen dahin zu bringen, daß er sein halbes Vermögen unter die Armen verteilt, das wäre ein unvergleichlich größeres Wunder! Solche Dinge geschehen einfach nicht. So etwas ist unmöglich. Sogar die Richter haben ja den Zachäus für geistesgestört erklärt. Mit dem Mann möchte ich wirklich gern einmal zusammenkommen und aus seinem eigenen Munde hören, was Jesus ihm gesagt hat und wie es herging, daß er derart von Sinnen kam.«

Mag auch vielleicht mein angeborener römischer Hausverstand zu nichts anderem nütze gewesen sein, so hat er mich doch, ungeachtet all meiner Schulung in der griechischen Philosophie, zu einem praktisch denkenden Menschen gemacht. »Du hast recht«, erklärte ich deshalb. »Wir wollen uns gleich nach Jericho aufmachen und diesen Zachäus besuchen. Vielleicht hat Jesus ihn etwas gelehrt, was mehr wert ist als alle Güter dieser Erde. Ein solches Geheimnis verlohnt wohl eine Reise. Du selber hast ja erzählt, daß Jesus dich bloß anzublicken brauchte, und alles andere verlor seine Bedeutung für dich.«

Aber Simon wandte ein: »Nach Jericho ist es, auch wenn wir uns beeilen, eine gute Tagereise von hier. Heute ist Rüsttag, und auch sonst möchte ich nicht gerade jetzt von Jerusalem weggehen. Falls Jesus wirklich auferstanden ist, dann ist sein Reich, von dem du so begeistert redest, hier uns am nächsten. Das versteht sich von selbst.«

Ich wußte, daß er recht hatte. Nicht einmal Jesu eigene Sendboten wollten ja Jerusalem verlassen, sondern harrten hier der Dinge, die da kommen sollten.

Ich sagte: »Du und ich, wir haben eines miteinander gemein: wir sind beide Außenseiter, die nur durch Zufall Zeugen der Ereignisse wurden. Allerdings glaube ich nicht mehr an bloße Zufälle; mir ahnt, daß wir mit Vorbedacht auf die Suche nach einem neuen Wege geführt wurden. Jedenfalls sitzt uns beiden ein Stachel im Herzen, und wir werden so lange keine Ruhe finden, bis wir in diesen Dingen klarsehen.«

Simon von Kyrene erwiderte erbittert: »Ich hatte in meinem Leben schon Klarheit und einen Weg gefunden. Und jetzt ist es auf einmal wieder aus mit allem, und ich zapple wie ein Fisch im Netz. Mich hat es nie nach einem ewigen Leben verlangt, wie die Pharisäer es sich durch peinlichste, buchstäblichste Gesetzeserfüllung zu gewinnen hoffen. Allzu oft habe ich Sklaven den letzten Atemzug tun sehen, als daß ich an ein jenseitiges Leben glauben könnte. Ich halte es da mehr mit den Sadduzäern, die solche Erwartungen ablehnen. In unserer Synagoge erörtert man diese Frage nicht; unsere Lehrer haben zu Füßen der alexandrinischen Weisen gesessen.

An Hexerei, an schwarze ebenso wie an weiße Magie, glaube ich ein wenig, weil ich solche Dinge wiederholt mit eigenen Augen sah und deshalb daran glauben muß. Nachdem ich erfahren habe, wie voll Grausamkeit und Herzlosigkeit die Welt ist, schaffe ich mir Seelenfrieden, indem ich Almosen gebe und in vernünftigen Grenzen das Gesetz halte. Aber daß man durch gute Werke allein sich das ewige Leben erkaufen könnte, daran glaube ich nicht. Ein Betrüger mag seine Almosen unter lautem Posaunenschall verteilen, Gott betrügt er nicht. Ich glaube überhaupt nicht an ein Leben nach dem Tode – nicht einmal in der Form eines Schattendaseins, wie die Griechen und Römer es sich vorstellen, und ebensowenig in der Form, daß man etwa als Hahn wiedergeboren wird, wie man mir in Kyrene einreden wollte; dabei habe ich dort selber mit angesehen, daß entlaufene Sklaven von Hunden gehetzt und zerrissen wurden und daß man solche Hunde mit Sklavenfleisch gefüttert hat.«

Er versank in seine Erinnerungen und setzte dann fort: »Von überallher, sogar aus Rom, sind Leute auf die großen Latifundien in Afrika gekommen, um zu studieren, wie wirtschaftlich und zweckmäßig menschliche Arbeitskraft eingesetzt werden kann, wie billig Sklavenkost ist und wie man für Nachwuchs sorgt, indem man kräftige Sklaven mit gesunden Frauen paart. Aber warum sitze ich da und vergegenwärtige mir alte Zeiten? Früher verhalf es mir dazu, mich meiner Freiheit zu freuen; doch auch diese Wirkung bleibt mir jetzt versagt.«

Sein starker Wein war mir unversehens zu Kopf gestiegen, und ich sagte herablassend: »Simon von Kyrene, ich verachte dich nicht, magst du auch ein Freigelassener sein. Ich bin zwar römischer Bürger und habe sogar das Recht, am Daumen einen goldenen Ring zu tragen; aber in Rhodos habe ich gelernt, man solle den Vorrechten der Geburt keine Bedeutung beimessen, sondern sich lieber durch persönliche Verdienste den Menschen gegenüber auszeichnen. Allerdings habe ich mich da nie sehr ausgezeichnet, da ich eher das Denken als das Tun pflegte. Mit der Sklaverei als Problem habe ich mich überhaupt nie befaßt; höchstens fand ich, daß Sklaven ihren Besitzern manches Kopfzerbrechen bereiten und daß ein Reicher nie Ruhe hat vor dem Gesinde, das ihn Tag und Nacht umschwärmt und einen auf Bequemlichkeit bedachten Menschen zum Sklaven seiner Sklaven macht. Aber du hast mir die Augen geöffnet für die Tatsache, daß auch ein Sklave eigentlich ein menschliches Wesen ist, in vielen Beziehungen mir ähnlich, auch wenn er auf der Stirn gebrandmarkt oder vielleicht zur Hemmung seiner bösen Anlagen verschnitten ist. Simon von Kyrene, du bist mein Nächster, und wenn ich könnte, würde ich dich so lieben wollen wie mich selbst. Das ist nämlich etwas, was der Auferstandene gefordert hat. Sicherlich bin ich gebildeter als du; aber in diesen neuen Dingen hilft mir meine Bildung nichts. Ich spüre, daß ich in eine völlig unbekannte Welt gestoßen wurde, wo ich alles von Anfang an neu lernen muß. Deshalb habe ich, sosehr wir uns an Rang und Stand unterscheiden, den aufrichtigen Wunsch, dein Freund zu sein.«

Doch meine Worte verletzten Simons Selbstgefühl, das bei Freigelassenen empfindlicher ist als bei anderen Menschen. Er stellte seinen Tonbecher so heftig auf die Armlehne seines Sessels, daß mir Wasser daraus in die Augen spritzte, und rief: »Schäme dich, Römer! Deinen Daumenring magst du meinetwegen in die Gosse werfen, und auf deine Philosophie pfeife ich. Das alles sind nur läppische Ausgeburten des Müßiggangs, so unfruchtbar wie Wüstensand. Das gleiche ist es mit deinem Interesse; du sammelst nur Geschichten, die du weitererzählen willst, um dich vor deinen Bekannten wichtig zu machen. Von dieser heuchlerischen Eitelkeit zeugen auch dein schütterer Bart und die Quasten an deinem Mantel. Du bist wie ein Schauspieler, der um jeden Preis eine neue Rolle zu erlangen sucht, weil er mit allen früheren durchgefallen ist.«

Noch vor einigen Tagen hätte ich ihm meinen Wein ins Gesicht geschüttet, hätte ihn einen erbärmlichen Freigelassenen geheißen und wäre aus dem Hause gestürzt. Aber nun zerrissen seine scharfen Worte bloß den Nebel meiner Angetrunkenheit; ich blieb still sitzen und überlegte seine Beschuldigungen. Konnte er vielleicht wirklich mit seinem vernichtenden Urteil recht haben? Sicherlich hatte mich zunächst nur gewöhnliche Neugier auf diesen Weg geführt; aber je weiter ich ihn verfolgte, desto klarer erkannte ich, daß er mir Herzenssache geworden ist und daß ich mich mit jedem Schritt innerlich ändere.

»Verzeih meine Großtuerei!« bat ich. Ich, ein römischer Bürger, ließ mich wahrhaftig dazu herbei, einen ungebildeten Freigelassenen um Verzeihung zu bitten! »Als Menschen sind wir in dieser Sache einander gleichwertig. Ich fühle mich keineswegs dir gegenüber bevorzugt. Es heißt, daß Jesus am letzten Abend niederkniete und seinen Jüngern die Füße wusch, um sie Demut zu lehren. Wenn du willst, Simon von Kyrene, bin ich bereit, meine Verstiegenheit so weit zu treiben, daß ich freiwillig vor dich hinknie und dir die Füße wasche.«

»Die Füße wasche ich mir schon selber und brauche dazu keinen Bedienten«, knurrte Simon. Dann fügte er etwas versöhnlicher hinzu: »Nimm mir meine Worte nicht übel! Seit Jesus mich angeblickt hat, bedeutet er für mich eine Frage auf Leben und Tod.«

Zum Zeichen, daß er mich als Freund betrachtete, berührte Simon mir Stirne, Schulter und Brust, und seine Berührung war nicht unangenehm.

»Vielleicht bist du gerade im richtigen Augenblick zu mir geführt worden«, meinte er. »Der griechische Erzieher meiner Jungen hat mir, ständig gähnend, die Schriften vorgelesen; und ich selbst begriff von ihrem Sinn nicht mehr als er. Ich dachte eben daran, das Haus zu verlassen und einen tüchtigen Schriftgelehrten aufzusuchen, der mir die Weissagungen ausdeuten könnte. Wahrscheinlich hätte der Mann jedes Wort gespalten und jede Einzelheit zuerst buchstäblich und dann sinnbildlich erklärt und schließlich diese Schrift mit anderen Schriften verglichen, und ich wäre vor so viel Frömmelei toll geworden. Seit Jesus mich angeblickt hat, ist mir nämlich klar, daß seine Lehre nicht Bücherwissen ist, sondern Lebensweisheit.«

Plötzlich blickte Simon um sich und fragte: »Was ist da jetzt geschehen? Auf einmal spüre ich eine große Erleichterung und bin frei von Furcht.«

Es war, als glitte eine über der Dachöffnung des Atriums hängende Wolke davon; denn ganz plötzlich wurde alles leuchtend. Im gleichen Augenblick trat ein hochgewachsener Mann ein und schritt, in seinen Mantel gehüllt, durch den Raum auf die anstoßenden Gemächer zu, als hätte er uns überhaupt nicht bemerkt. Simon von Kyrene rief ihm nach: »Bist du es, Eleasar? Ist draußen auf den Feldern etwas passiert?«

Simon stand auf und sagte zu mir: »Das ist mein Verwalter Eleasar. Er sucht mich. Wahrscheinlich hat sich jemand den Arm gebrochen, oder ein Esel ist in den Brunnen gefallen, und man braucht meinen Rat.«

Er folgte dem Mann in die inneren Gemächer, während ich sitzen blieb und nachgrübelte, wo ich diesen Menschen, der mir irgendwie bekannt vorkam, schon gesehen haben könnte. Ich mußte lachen, als ich darauf kam, daß er mich stark an meinen verehrten Lehrer in Rhodos erinnerte. Es schien mir, als habe er genau wie dieser Lehrer eine beginnende Glatze gehabt; und wäre er auf griechische Art gekleidet gewesen, so hätte er ihm völlig geglichen. Aber ich wußte, daß mein Lehrer seit Jahren tot war; und mir wurde traurig zumute, als ich daran dachte, wie rege und aufgeschlossen für alles Gute ich damals noch gewesen war.

Nach einer Weile kam Simon zurück und sagte ärgerlich: »Ich weiß nicht, wo Eleasar hingeraten sein kann. Vielleicht ist er durch den Hof wieder hinausgegangen, als er mich in meinem Zimmer nicht fand.« Er schlug mit dem Hammer auf die Metallscheibe und befahl dem eintretenden Diener: »Rufe mir Eleasar her! Er ist eben hier durch diesen Raum gegangen, hat mich aber nicht bemerkt, weil ich im Schatten saß.«

Der Diener sagte erstaunt: »Ich habe Eleasar heute den ganzen Tag nicht gesehen.« Doch er ging ihn suchen. Bald aber erschien er wieder und meldete: »Nein, nein, du mußt dich geirrt haben. Eleasar ist nicht hier, und das Tor ist geschlossen.«

Simon verließ mich wieder, um sich selbst zu vergewissern. Ich hörte ihn zornig mit der Magd sprechen, von Zimmer zu Zimmer gehen und Gegenstände beiseite schieben. Es dauerte lange, bis er zurückkehrte und murmelte: »Es ist tatsächlich niemand hier. Die Magd schwört, seit deinem Kommen das Tor nicht geöffnet zu haben, und niemand im Haus hat Eleasar gesehen.«

Belustigt erklärte ich: »Also, ich hätte den Mann fast für meinen verstorbenen Lehrer aus Rhodos gehalten. Gut, daß er auf dem Steinboden Spuren hinterließ! Sonst hätten wir sicherlich beide an eine Geistererscheinung geglaubt.«

Ich zeigte auf die Abdrücke nackter Füße auf den glatten Fliesen. Simon bückte sich und sagte dann wie geistesabwesend: »Eleasar scheint sich den Fuß verletzt zu haben.«

Er berührte einen Abdruck, und seine Fingerspitze war blutrot. Ich fiel auf die Knie und starrte die Spuren an. Ein kalter Schauder überlief mich vom Kopf bis zu den Füßen. Ich hob den Blick zu Simon und stammelte: »Jetzt verstehe ich, warum seine Jünger ihn nicht sofort erkannten.«

Aber Simon begriff nicht. Wütend polterte er: »Wahrlich schlecht bewacht ist mein Haus, wenn bei geschlossenem Tor jeder nach Belieben aus und ein gehen kann!«

»Hast du ihn wirklich nicht erkannt?« fragte ich.

Simon beharrte dickköpfig auf seiner Meinung: »Das war Eleasar, mein Verwalter.«

Ich hob die Hände und rief: »Nein, nein! Diese Fußspuren sind heilig, und dein Haus ist gesegnet. Er selbst, der Auferstandene, ist hier geschritten und hat sich uns gezeigt, weil wir so eifrig seinen Weg suchen.«

Simons braunes Gesicht wurde grau. Aber er widersprach heftig: »Das war Eleasar. Ich habe ihn gesehen und erkannt. Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken?«

»Glaube, was du willst!« erwiderte ich. »Ich weiß, was ich zu glauben habe. Da wir ihn beide sahen, hatte er etwas an sich, was uns beiden bekannt vorkam. Aber wie hätte uns augenblicklich klarwerden können, daß er es war? Auch Maria Magdalena erkannte ihn erst, als er ihren Namen aussprach.«

»Was willst du mir da einreden?« wehrte sich Simon. »Ich habe einen Magier Geister beschwören sehen; aber diese Geister waren nur Umrisse auf beleuchtetem Rauch und bewegten sich mit dem Rauch. Ein Geist hinterläßt nicht Fußspuren auf dem Boden.«

»Er ist doch kein bloßer Geist«, erklärte ich. »Verstehst du noch immer nicht? Er hat das Grab verlassen und lebt unter uns, kommt und geht, wie ihm beliebt – selbst durch versperrte Türen.«

Aber Simons handfester Sklavenverstand wollte sich nicht fügen. »Nach der Art, wie er mich angeblickt hat, kann ich glauben, daß er auferstanden ist«, meinte er. »Aber warum er sich ausgerechnet dir und mir zeigen sollte, geht mir nicht ein. Wir sind nicht seine Jünger gewesen; wir haben ihn bei seinen Lebzeiten nie gekannt. Du bist ein unbeschnittener Römer, und ich bin ein ehemaliger Sklave. Weshalb sollte der König gerade vor uns erscheinen?«

»Sein Reich war uns schon nahe, ehe er sich uns zeigte«, entgegnete ich. »Hast du nicht bemerkt, wie licht es unmittelbar vor seinem Kommen wurde? Du sagtest selbst, daß du dich erleichtert fühlst, und auch mir erging es so. Ich bin noch immer frohen Muts. Warum sollten wir uns über seine Absichten mit uns wundern, nur, weil wir Außenseiter sind? Durch sein Erscheinen wollte er uns sicherlich zu verstehen geben, daß auch wir ein Anrecht darauf haben, nach besten Kräften seinen Weg zu suchen.«

»Wenn das wirklich er war, dann übergebe ich meinen Besitz den Söhnen und folge ihm, wohin er mich führen mag«, erklärte Simon. »Aber es war nicht er, sondern Eleasar.« Dennoch begann er sein Schicksal bitter zu beklagen, ballte die großen Hände zu Fäusten und jammerte: »Warum muß gerade mir das geschehen? Hätte er nicht irgendeinen jüngeren Menschen in seinem Netz fangen können? Aber so kommt eben das Unheil über einen, ganz plötzlich, wenn man am wenigsten darauf gefaßt ist! Welche verhängnisvolle Fügung hat damals ausgerechnet mich ausersehen, seinen Weg zu kreuzen, gerade in einer Zeit, da ich hoffte, meine Tage in Ruhe verbringen zu können, zufrieden mit dem, was mein ist?«

Aus diesen Worten entnahm ich, daß er, gegen seinen eigenen Willen, doch glaubte. Aufmunternd sagte ich: »Simon, mein Bruder, sei überzeugt, daß er dir unvergleichlich mehr geben kann, als du bisher hattest! Aber wenn sein Weg dir zu schwer vorkommt, mußt du ihn nicht gehen. Ich glaube kaum, daß er seine Nachfolge irgendwem aufzwingen würde, der nicht schon im tiefsten Herzen sich für diesen Weg bereitet hat.«

Im gleichen Augenblick klopfte es heftig am Tor, und wir fuhren beide auf. Wir hörten das Knarren des Schlosses und das öffnen der Tür und dann die zeternde Stimme der Magd. An ihr vorbei stürzte ein zwergenhafter Mann mit großem Kopf herein und jammerte händeringend: »Wo ist er? Wo habt ihr ihn versteckt? Als ich ihn hier eintreten sah, band ich meinen Esel an den Mauerring und wartete geduldig. Aber er kommt und kommt nicht heraus. Ich muß ihn sehen.«

»Von wem redest du, Fremdling?« fragte Simon. »Hier ist niemand als mein Gast, und wir sprechen seit geraumer Zeit miteinander.«

Der drollige kleine Mann kam näher und starrte mich mit dem Blick des Kurzsichtigen an. Dann sagte er: »Das ist nicht der, den ich suche. Er war für einen Juden prunkhaft und kostspielig gekleidet; sein Mantel war, wenn mich nicht alles täuschte, aus milesischer Wolle.«

»Wen suchst du denn?« fragte Simon wieder. »Und warum dringst du so unschicklich in mein Haus ein?«

»Wen ich suche, ist ohne Belang für dich«, versetzte der Mann geheimnisvoll. »Ich will dir nur das eine sagen, daß er mich auf der Straße überholte. Ich erkannte ihn erst, als er ein Stück weit war. Aber er blieb auf meine Rufe nicht stehen; vielleicht hörte er sie nicht. Und sosehr ich auch meinen Esel antrieb, der Mann erreichte die Stadt vor mir, und ich sah ihn hier in dieses Haus eintreten.«

Da klopfte es neuerlich am Tor, und herein kam ein bäuerlich gekleideter Mann mit offenem, sonngebräuntem Gesicht. Bei seinem Anblick atmete Simon erleichtert auf und rief: »Da bist du ja, Eleasar! Warum ging's du vorhin hier wortlos durch? Und wohin wolltest du?«

Verwundert antwortete Eleasar: »Ich war heute noch nicht hier. Ich komme unmittelbar von den Feldern, um nachzufragen, was mit dir ist, Herr, weil du schon tagelang nicht draußen warst. Des Herren Schritte erquicken den Boden, sagt man, und ohne deine Anweisungen getraue ich mich nichts zu unternehmen. Du wirst doch wohl nicht krank sein?«

Ich starrte seine Füße an. Sie waren nackt und schienen von Blut gerötet. Ich zeigte auf sie und fragte: »Hast du dir weh getan?«

Eleasar senkte den Blick verlegen auf seine Füße und erwiderte: »Nein. Das ist die Farbe, die wir zur Merkung der Opferlämmer verwenden, und ich habe mich nicht gewaschen. Ich bin nämlich in aller Eile zu meinem Herrn gelaufen, damit er mir ins Ohr brüllt, wie man bestimmte Dinge in Kyrene macht. Sonst kann ich die Arbeit nicht so anordnen, wie es ihm recht ist.«

Der kleine Mann blickte uns der Reihe nach an. Plötzlich geriet er außer sich und schrie, puterrot im Gesicht: »Wollt ihr mich zum Narren haben? Was redet ihr da von Feldern und Lämmern, wenn ich mich in aller Ruhe und Freundlichkeit erkundige, wo ihr ihn versteckt habt?«

Ich warf rügend ein: »Du springst uns ja wie ein wütender Hahn ins Gesicht, Kleiner! Ich heiße Marcus und bin römischer Bürger. Der Hausherr hier ist Simon von Kyrene, und dieser Mann ist sein Verwalter Eleasar. Wer bist denn du? Und wie kannst du es wagen, in ein fremdes Haus einzudringen, als wärest du übergeschnappt?«

Hochnäsig erwiderte er: »Ich bin Zachäus von Jericho, ehemaliger Oberzolleinnehmer. Und mach dich nicht lustig über meine Gestalt! In meiner Heimatstadt gelte ich keineswegs als unansehnlich – zumindest nicht bei den Römern.«

Ich schlug vor Staunen die Hände zusammen, und Simon rief: »Von dir habe ich schon gehört, Zachäus. Eben sprachen wir über dich. Welcher Wind hat dich hergeweht? Wenn morgen nicht Sabbat wäre, hätten wir uns nach Jericho aufgemacht, um dich zu besuchen.«

Zachäus blinzelte uns argwöhnisch an. Aber ich bestätigte: »Es ist tatsächlich so. Du bist also der Mann, der auf Jesu Befehl sein halbes Vermögen den Armen gab und alle von ihm Übervorteilten vierfach entschädigte!«

Zachäus sagte: »Befehl war es keiner. Ich habe freiwillig unrecht erworbenes Gut an die Armen verteilt. Aber was weißt du, ein Römer, von Jesus?«

Eleasar scharrte verdrossen mit den Füßen und sagte: »Daß du wohlauf bist, Herr, davon habe ich mich überzeugt. Und Dinge, die einem auf Kopf und Magen schlagen, möchte ich mir nicht anhören müssen.«

»Nur keine Sorge!« erwiderte ich. »Vor allem aber erkläre uns eines: Warum hast du, ein Armer, solche Angst, den Namen des Nazareners zu hören?«

Eleasar trat von einem Fuß auf den anderen, starrte auf den Boden und erklärte schließlich: »Seine Bürde hätte leicht und sein Joch milde sein sollen. Er hat uns Frieden versprochen, wenn wir zu ihm kämen. Aber jeder, der Taglöhnern, Hirten und Ackerknechten Angenehmes verspricht – Besseres, als es bisher für sie gab –, wird vor die Richter gebracht. Auch ihn, Jesus, hat man gekreuzigt. Und deshalb mag ich nichts mehr hören über ihn.«

»Nein, nein!« eiferte Zachäus. »Da mißverstehst du seine Lehre gründlich. Er ist gekommen, um jene zu finden, die sich verirrt haben. Sogar mich hat er einen Sohn Abrahams genannt, obwohl er meine Habgier und Erbarmungslosigkeit kannte. Er hat auch nicht über meine Gestalt gespottet, sondern mich beim Namen gerufen und von dem Baum herabsteigen geheißen, auf den ich geklettert war, um den Wundertäter besser zu sehen. Dann kehrte er sogar bei mir ein.«

»Und sein Reich ist nicht von dieser Welt«, fügte ich bei.

»Allerdings glaubten wir aus seinen Reden zu entnehmen, sein Reich würde sich bald offenbaren«, meinte Zachäus. »Ich ging nicht mit den anderen nach Jerusalem zum Passahfest, weil man im Tempel von mir als einem Sünder keine Gabe annimmt. Erst durch Leute, die nach dem Feste heimkamen, erfuhr ich, auf wie grauenhafte Art er hingemordet worden ist. Und da wußte ich nicht mehr, was ich von dem allen halten sollte. Ich fand keine Ruhe, und schließlich setzte ich mich auf meinen Esel, um nach Jerusalem zu reiten und mich über alle Einzelheiten der Ereignisse zu erkundigen. Aber auf der Straße, schon nahe bei Jerusalem, kam er hinter mir her und überholte mich.«

»Wer?« fragte Simon aufgeregt.

Zachäus wurde wieder rot, schlug die Augen nieder und rang die Hände. »Er selber war es!« flüsterte er. »Behauptet aber jetzt ja nicht, ich wäre von Sinnen! Ich war nur, weil mein Körper schwach ist, schon müde von dem Ritt; auch mein Esel trottete langsam, mit gesenktem Kopf, daher. Erst als der Mann mir zuvorkam, spürte ich, daß ein Hauch von Macht mich gestreift hatte. Und als ich genau hinblickte, erkannte ich ihn.«

»Hast du ihn wirklich in mein Haus treten sehen?« fragte Simon in scharfem Töne.

»Er kann nirgends anders verschwunden sein«, beteuerte Zachäus. »In Jericho hieß es, er sei von den Toten auferstanden; ich glaubte es nicht, weil so etwas noch nie geschehen ist. Aber als mir heute auf der Landstraße bewußt wurde, daß er es war, wagte ich nicht, ihm laut nachzurufen; und auch hier an deinem Haus wollte ich, um ihn nicht zu gefährden, es vermeiden, gleich anzuklopfen und Aufsehen zu erregen. Jetzt aber erbarme dich meiner und lasse mich zu ihm! Ich will mich vor ihn hinwerfen und ihm als dem Messias huldigen.«

Kaum hatte Eleasar das Wort ›Messias‹ gehört, stieß er einen derben Fluch aus und rief: »Nimm dieses Wort nicht mehr in den Mund! Er hat Kranke geheilt und Tote erweckt; er ist wie ein König in Jerusalem eingeritten und hat mit einer Geißel aus Stricken das Heiligtum gereinigt. Aber seine Macht reichte nicht aus, um den Hohen Rat zu sprengen, obwohl manch einer im Volk sich schon den Stock mit Eisen beschlagen hatte und wir alle nur noch auf ein Zeichen von ihm warteten, um uns hinter ihn zu stellen. Nun gut, uns ist ein Zeichen geworden, und daran glauben wir: Er wurde zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt. Und jetzt soll mir, solange ich lebe, niemand mehr von einem Messias reden! Dem Zeichen glaube ich aus freien Stücken und lasse mich von niemandem mehr täuschen. Und meinen Rindern hinterlasse ich als Erbteil die Gewißheit, daß es keinen Messias gibt und nie einen geben wird.«

»Also hast du auch von ihm gewußt, Eleasar!« sagte Simon von Kyrene vorwurfsvoll. »Warum hast du mir nicht schon seinerzeit über ihn erzählt?«

Eleasar war inzwischen ganz außer Rand und Band gekommen und rief, ohne seine Worte abzuwägen: »Du warst der letzte, dem ich davon hätte sprechen können – du, ein begüterter Mann, und so knickerig, daß du selber alles Reisig aufliest, so daß Witwen und Waisen kein Brennholz für sich finden! In seinem Reich, wenn es zustande gekommen wäre, hätten die Geldsäcke keinen Platz gefunden; sie wären die ersten gewesen, die wir aus dem Weg geräumt hätten, und ihre Felder und Weingärten und Ölhaine wären unter das Volk verteilt worden. Zwar haben über Jesus die einen dies, die anderen jenes erzählt; aber sicherlich wären die Kinder des Lichts nach Jerusalem zurückgekehrt, um uns zu führen. Aber Johannes der Täufer wurde enthauptet und Jesus von Nazareth ans Kreuz genagelt. Die Reichen und Mächtigen und Gesetzeskundigen haben immer und überall die Propheten unseres Volkes ermordet. Und jetzt kann ich die Galle nicht länger zurückhalten; sie ist mir übergelaufen, und ich spucke sie vor dir auf den Boden, Herr. Du weißt zwar, wie man die Dinge in Kyrene macht; aber ich habe aus bitterer Erfahrung gelernt, wie man es in Jerusalem und Judäa treibt.«

Als er fertiggesprochen hatte, erwiderte Simon mit matter Stimme: »Wenn ich dich so schwer gekränkt und wenn ich wirklich Witwen und Waisen um ihr Brennholz gebracht habe, so schlage mir ins Gesicht! Ich verdiene es.«

Aber Eleasar schlug ihn nicht. Im Gegenteil, er bereute seine gehässigen Worte, ließ den Kopf hängen und murmelte: »Nein, nein. Ich habe unrecht geredet. Du bist ein guter Herr – der beste, den man in unseren Tagen weit und breit finden kann. Du sorgst ja sogar für die Witwen und Waisen, und du zählst nie zu genau und zu kleinlich deine Garben und deine Olivenkörbe nach. Viele Menschen fristen ihr Dasein ausschließlich mit den Brosamen, die von deinem Tisch fallen. Die Sache ist nur die, daß ich tief verbittert und zu Tode betrübt bin wegen dieses Jesus von Nazareth. Er hat seine Macht bewiesen und so vieles verheißen; und dann hat er uns mit leeren Händen zurückgelassen.«

»Sie sind keineswegs leer«, warf ich ein. »Er hat doch etwas vollbracht, größer und unerhörter als alles, was bisher auf Erden geschah.«

Ich zeigte auf die Fußspuren, die schon so verblaßt waren, daß man sie im Sonnenlicht gerade noch verschwommen erkennen konnte. Und Simon erzählte nun den anderen, was uns widerfahren war und welche Erscheinung wir gehabt hatten. Schließlich schlug er vor: »Zachäus, nachdem du mir noch immer nicht glauben willst und argwöhnst, ich hielte den Gekreuzigten hier verborgen, so geh und nimm Eleasar mit dir; durchsuche alle Räume und Winkel in meinem Haus, schaue in die Keller und Vorratskammern und auf das Dach, laß kein Fleckchen ungeprüft und zerstreue in dir auch den letzten Zweifel daran, daß der Auferstandene auf die gleiche Art, wie er das Haus betreten hat, wieder daraus verschwunden ist. Dann komm zurück, und wir wollen weiter über die Sache reden und uns schlüssig werden, was wir tun sollen.«

Der argwöhnische Ausdruck in Zachäus' Augen zeigte, daß er Simon von Kyrene wirklich immer noch nicht ganz traute. Aber er ging auf den Vorschlag ein und sagte: »Nicht umsonst hat man mich zum Oberzolleinnehmer ernannt. Hätte ich nur jetzt eine Zöllnerstange zur Hand! Damit würde ich bestimmt alle geheimen Schlupfwinkel in deinem Haus abstochern können. Wenn ich, der Zöllner Zachäus, den Mann nicht finden sollte, so bringt das auch niemand anderer zuwege, und dann würde ich halb und halb zugeben, daß der uns Erschienene nicht mehr hier ist.«

Ungeduldig stellte Simon seinem Besucher anheim, sich so viele Eisenstangen geben zu lassen, wie er brauchte. Von Eleasar gefolgt, stelzte Zachäus mit dem ruckartigen Gang des körperlich Verunstalteten in die inneren Gemächer und machte sich an eine gründliche Durchsuchung des Hauses. Wir, Simon und ich, saßen lange schweigend da, in tiefer Beklommenheit.

Schließlich sagte ich: »Kaum hatten wir von Zachäus gesprochen, ist er gekommen. Das mag ein Zeichen für uns sein.«

Simon fand nicht Zeit zur Antwort, denn im selben Augenblick hörten wir von der Straße her lautes Schreien und Lärmen. Wiederum knarrte das Tor, und die Magd stritt sich mit einer Menge Leute herum. Dann kam sie ganz außer sich zu Simon und sagte stöhnend: »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Was geht denn in deinem Hause vor? Draußen steht eine Schar Bettler, furchtbar aufgeregt. Angeblich haben sie gehört, du, Simon von Kyrene, würdest heute an alle Armen und Krüppel von Jerusalem Speise und Trank verteilen.«

Simon schlug die Hände über den Kopf zusammen und rief: »Wache ich oder träume ich? Heute ist doch kein Fest hier im Hause!« Zu mir gewandt sagte er vorwurfsvoll: »Mir scheint, du bist ein ganz böser Zauberer! Das hast alles du angezettelt, und ich kann überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen.«

Er eilte zum Tor, und ich ging ihm nach. Als er geöffnet hatte, sahen wir, daß die schmale Gasse gedrängt voll war mit Verstümmelten, Bresthaften und Besessenen; mit ausgemergelten, verwelkten Frauen und mit Kindern, die aus fliegenumschwärmten Augen starren und abgemagerte Hände ausstreckten. Alle riefen Worte des Preises und Lobes und segneten den Hausherrn im Namen des Gottes Israels. Vergebens suchte Simon herauszubekommen, woher das unsinnige Gerücht von einem bei ihm stattfindenden Bankett stammte; keiner der Bettler konnte eine klare Antwort auf diese Frage geben. An beiden Enden der Gasse sah man immer neue Jammergestalten auf das Haus zuhinken oder zukriechen, so rasch sie nur konnten.

Schließlich fand Simon sich mit dem Stand der Dinge ab, rief sein ganzes Gesinde zusammen und befahl: »Laßt diese armen Kerle vor dem Tor in meinen Hof! Aber haltet Ordnung unter ihnen und gebt acht, daß sie nichts stehlen! Backt Brot und tragt alles heraus, was es im Hause Eßbares gibt, und verteilt es, damit jeder sich sättigen kann. Mischt auch Wein für sie, aus den großen Krügen. Aber laßt nur jene herein, die bis jetzt gekommen sind, und sonst niemanden! Für mehr wäre im Hof gar kein Platz.«

Zu mir sagte er: »Ich kann nur dem Schöpfer Himmels und der Erden danken, daß meine beiden Jungen, Alexander und Rufus, zu Besuch auf meinem Landgut in Kirjath sind und dort den Sabbat über bleiben. Denn diese Unglückseligen hier könnten sonst meine Kinder mit ihren Krankheiten und ihrem Schmutz beflecken. Um mich selber sorge ich mich nicht.«

Er ging sich vergewissern, ob die Diener wirklich, wie ihnen befohlen war, alles Eßbare brachten, ohne mit Öl, Weizenmehl, Honig oder Dörrobst zu knausern, und ob sie auch die Salzfischbehälter öffneten und die scharfen Tunken ausgaben. Sobald er feststellte, daß mehr als siebzig Bettler in den Hof geschlichen waren und sich niedergesetzt hatten, wurde ihm klar, daß für soviele Menschen seine Vorräte nicht reichten, und er schickte Bediente aus, Brot und Grütze zu kaufen.

Als die Bettler in den Hof eingelassen worden waren, betrachteten sie zunächst scheu die griechischen Säulen und verhielten sich schweigend, um nicht Ärgernis zu erregen.

Nun tauchte Zachäus, der inzwischen das Haus vom Dachboden bis zum Keller durchsucht, in jeden Sack gestochert und selbst den Holzkohlenstapel durchstöbert hatte, wieder auf. Er war von Kopf bis Fuß staubig, mehlig und rußig; er keuchte heftig, wischte sich das Gesicht mit einem Schweißtuch, wodurch er noch schmutziger wurde als bisher, und sagte zu Simon in vorwurfsvollem Töne: »Du bist mir ein Schlaukopf! Auf diese Art also hast du mich an der Nase herumgeführt! Inmitten aller der Bettler hier konnte der Mann, den du versteckt hast, leicht unbemerkt aus dem Hause schlüpfen.«

Simon seufzte. »Wenn du, ein Augenzeuge von Jesu Auftreten, mir nicht traust, wer sollte dann wohl glauben, was wir sahen und zu erzählen wissen? Jesus hat sich persönlich, dir auf der Straße und uns in meinem Hause, gezeigt. Sei Gott mir gnädig! Nach allem, was mir heute widerfuhr, muß ich wirklich meinen, daß er auferstanden ist, um die Welt aus der Ruhe zu scheuchen, wie er heute mein Haus aufgestört hat. Darum berichte uns, bitte, über ihn und seine Lehren, damit wir verstehen, was er von uns verlangt!«

Nachdem er so Zachäus etwas besänftigt hatte, holte er selbst Wasser und ein neues Obergewand für ihn. Ich benetzte ihm den Kopf, und Eleasar wusch ihm die Füße.

Als er sah, wie eifrig wir alle drei ihn umsorgten, nur, um von ihm Worte des ewigen Lebens zu hören, wurde er versöhnlicher und erklärte gelassen: »Geheimnisse hat er mir keine anvertraut, wenn ihr vielleicht derlei vermutet. Was er in meinem Hause redete, konnten alle mit anhören. Als er nach Jericho kam, heilte er einen Blinden, der an ihn als den Sohn Davids glaubte. Zu mir aber sprach er: ›Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war.‹ Er sagte auch, in seinem Reich sei mehr Freude über einen Sünder, der sich bekehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen.«

Da unterbrach ihn Simon von Kyrene: »Das finde ich aber unbillig. Ein Untergebener, der sein Bestes gibt, wird wohl kaum zufrieden sein, wenn sein Herr an ihm vorbeigeht und ihn keines Wortes würdigt. Wie kann ein Sünder Gott wohlgefälliger sein als ein guter Mensch?«

Doch Zachäus hob mißbilligend die Hand und fuhr fort: »Mich hat er, obwohl ich ein sündiger, verachteter Mann war, mit dem Namen angeredet und ist bei mir eingekehrt. Und während ich bis dahin, wegen meines Wasserkopfes und meiner Verwachsenheit verbittert, nie Gutes, immer nur Böses von den Menschen dachte, fielen, als Jesus mich rief, alle Fesseln der Gehässigkeit, an denen ich das ganze Leben lang zu schleppen hatte, von meiner Seele ab. Wenn er, der König Israels und der Sohn Davids, mir gütig begegnen und meine Sünden verzeihen konnte, so war ich nicht mehr auf die Wohlmeinung und Gunst der Menschen angewiesen. Darüber fühlte ich mich so erleichtert, daß ich aus bloßer Freude mein halbes Vermögen unter die Armen verteilte. Doch das könnt ihr wahrscheinlich alle miteinander nicht verstehen.«

Simon gab zu: »Nein, das ist kaum zu begreifen. Aber wahrscheinlich hast du so viele Ungerechtigkeiten und Frevel angehäuft, daß du den Tag deiner Entlarvung nahen sahst. Deshalb bist du in dich gegangen und hast deine Übeltaten nach Möglichkeit gutgemacht, um dir wenigstens einen Teil deines Vermögens zu sichern.«

Aber Zachäus erwiderte frohen Mutes: »Deine Worte kränken mich gar nicht. Im Gegenteil, ich bewundere deinen Scharfsinn. Auch ich habe gelernt, den Beweggründen und Handlungen der Menschen zu mißtrauen. Nur ich allein weiß, was sich durch Jesu Gegenwart in meinem Innern zutrug. Aber während er mein Gast war, hat er eine rätselhafte Geschichte erzählt, die ich auch jetzt noch nicht ganz verstehe. Es handelte sich um einen vornehmen Mann, der in ein fernes Land ziehen wollte, um dort die Königswürde für sich zu erwerben und dann wieder heimzukehren. Vor seiner Abreise rief er zehn seiner Knechte zu sich, gab jedem ein Pfund und forderte sie auf, während seiner Abwesenheit mit dem Gelde für ihn Geschäfte zu machen. Seine Mitbürger jedoch haßten ihn und schickten hinter seinem Rücken in jenes ferne Land eine Gesandtschaft mit der Erklärung, sie wollten ihn nicht zum Herrscher haben. Aber er wurde dennoch König, und als er zurückkam, rief er die zehn Knechte zu sich und forderte sie auf, ihm über ihre Geschäfte Rechenschaft zu geben. Der erste berichtete ihm stolz, sein Pfund habe zehn Pfund eingebracht. Der König sprach zu ihm: ›Recht so, du guter Knecht! Weil du in Geringem treu gewesen bist, sollst du Herr sein über zehn Städte.‹«

Ich war so enttäuscht, daß ich mich nicht enthalten konnte, ihn zu unterbrechen und zu fragen: »Sprach er tatsächlich von nichts anderem als von Geld? Ich hatte mir von dir Worte des ewigen Lebens erhofft.«

Zachäus erwiderte entschuldigend: »Ich war nur Zöllner. Wahrscheinlich dachte Jesus, ein Gleichnis, das sich um Geld dreht, würde ich am besten verstehen.«

Simon fügte zur weiteren Erläuterung bei: »Wir Juden begreifen Dinge, die irgendwie mit Geld zusammenhängen, am besten – besser als du, ein in griechischer Philosophie geschulter Römer. Zehn Pfund ist ein recht ansehnlicher Betrag, auch wenn es wahrscheinlich nur Silber und nicht Gold war. Übrigens hängt viel davon ab, wie lange der neue König abwesend war. In kurzer Zeit könnte niemand auf ehrbare Art mit einem Pfund zehn weitere verdienen; dazu würde neben Glück auch eine gewisse Verschlagenheit gehören.«

Zachäus fragte: »Soll ich weitererzählen oder nicht?« Dann fuhr er fort: »Ein anderer Knecht hatte aus einem Pfund fünf herausgewirtschaftet und erhielt die Herrschaft über fünf Städte. Der letzte aber hatte das ihm übergebene Pfund aus Angst, er könnte es beim Handel verlieren, in ein Tuch geknotet; nun stellte er das Geld dem Herrn zurück und sagte zu seiner Rechtfertigung: ›Herr, ich fürchtete mich vor dir, weil du ein strenger Mann bist; du hebst ab, was du nicht angelegt hast, und erntest, was du nicht gesät hast.‹ Darauf erwiderte der König: ›Aus deinem Munde will ich dich richten, du böser Knecht. Du wußtest also, daß ich ein strenger Mann bin, der abhebt, was er nicht angelegt, und erntet, was er nicht gesät hat. Warum hast du dann mein Geld nicht wenigstens auf eine Bank gegeben, daß ich hätte kommen und es mit Zins abheben können?‹ Und er befahl den Umstehenden, diesem Knecht das eine Pfund abzunehmen und es jenem zu geben, der die zehn Pfund hatte. Aber die anderen wandten ein: ›Herr, der hat ja schon zehn Pfund!‹«

Ich preßte mir die Hand an den Mund, um nicht auszusprechen, was ich von dieser langatmigen Geschichte dachte. Aber Zachäus blickte uns triumphierend an, hob die Hände und sagte: »Jetzt paßt genau auf und prägt euch ein, was Jesus als Lehre aus dem Ganzen vortrug! Der König erwiderte den Leuten: ›Ich sage euch, einem jeden, der hat, wird noch hinzugegeben werden. Wer aber nicht hat, dem wird auch das, was er zu haben meint, genommen werden.‹ Und schließlich ließ er seine Feinde, die ihn nicht als König über sich haben wollten, herbeiführen und vor seinen Augen niedermachen.«

Ich sann, ebenso wie Simon, über diese merkwürdige Geschichte nach. Schließlich erklärte ich niedergeschlagen: »Ich weiß nicht, worauf das Gleichnis abzielt. Aber mir kommt die Entscheidung des Königs verfehlt und ungerecht vor.«

Zachäus gab zu: »Auch ich begreife die Geschichte nicht ganz; besonders seit ich von Jesu Tod erfuhr, beunruhigt sie mich. Jetzt kann ich nur glauben, daß er sich selbst mit dem vornehmen Manne meinte, den seine Mitbürger haßten und der davonging, um sich die Königswürde eines Reiches, das nicht von dieser Welt ist, verleihen zu lassen. Sicherlich wollte er andeuten, daß er eines Tages wiederkommen und von allen Menschen über die ihnen anvertrauten Gaben Rechenschaft fordern würde, um festzustellen, wie jeder von uns mit seinem Pfunde gewuchert hätte.«

Ich fragte: »Bist du sicher, daß die Geschichte dir genau so, wie er sie erzählt hat, im Gedächtnis geblieben ist?«

Zachäus erklärte: »Zumindest den Gedankengang glaube ich erfaßt zu haben. Viele andere haben das Gleichnis auch gehört und können es bestätigen. Manche sagen, er habe nicht von Pfunden, sondern von Talenten gesprochen; etliche meinen, es seien nur drei Knechte gewesen. Aber über die Moral der Geschichte sind sich alle einig, gerade weil sie so unerwartet, bestürzend und unbillig ist.«

Nach kurzer Überlegung fügte er hinzu: »Ich glaube nicht, daß Jesus überhaupt Geld gemeint hat; ihm muß es um etwas anderes gegangen sein. Er hat doch immer davor gewarnt, Besitztümer auf Erden zu sammeln, wo Motten und Rost daran zehren, und hat gesagt, es sei besser, sich in seinem Reich Schätze anzulegen.«

Plötzlich fiel Simon etwas ein, und er gab Eleasar den Auftrag: »Geh sofort in die Speicher und Vorratskammern. Nimm alles, was du dort an Woll- und Leinensachen findest, und verteile es an die Armen, die in meinem Hofe essen!« Dann starrte er wieder mit düsterer Miene vor sich hin.

Eleasar zögerte, scharrte mit dem Fuß auf dem Boden und sagte schließlich: »Mit deinem Eigentum kannst du ja nach Belieben schalten, Herr. Aber sicherlich darf ich mir doch zuerst für den eigenen Gebrauch einen neuen Mantel und ein Untergewand nehmen. Auch über Kleidungsstücke für meine Kinder und mein Weib wäre ich froh.«

Simon schob die Hände zwischen die Knie, wiegte den Oberkörper hin und her und rief: »Nur zu! Auch die anderen Bedienten sollen sich nehmen, was sie wollen! Plündert mich aus, reißt alles an euch was ich zeitlebens für mich gestapelt habe! Nehmt mir auch diesen zerlumpten Mantel von den Schultern, wenn euch damit gedient ist!«

Zachäus mahnte verwundert: »Übertreibe nicht, Simon! Man muß im Geben wie im Nehmen Maß halten. Im übrigen aber handelst du recht; denn er hat gesagt: ›Was ihr auch nur einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.‹ Dies ist sein Weg.«

Plötzlich aber sprang er erschrocken auf und rief: »Was mag wohl mit meinem Esel geschehen sein, den ich vor dem Hause ließ? Die Gasse war mit Bettlern vollgepfercht, und in dem Durcheinander könnte leicht jemand das Tier losgebunden und entwendet haben!«

Doch dann besann er sich, nahm wieder Platz und meinte: »Was liegt schließlich daran? Ich will dir in Dingen des Reiches nicht nachstehen, Simon. Wenn jemand den Esel gestohlen hat, so offenbar deshalb, weil er ihn nötiger braucht als ich, und ich gedenke nicht, ihm nachzulaufen und ihn zur Rede zu stellen. Er soll das Tier ruhig behalten.«

Simon wiegte sich weiter schwer atmend vor und zurück. Dann aber begann er zu lächeln und sagte: »Das alles kommt mich hart an. Wenn ich höre, wie diese frechen Bettler schmatzend fressen und sich gegenseitig die besten Bissen streitig machen, ist mir, als würde mir Stück für Stück das eigene Fleisch mit Zangen von den Knochen gerissen. Ich bin überzeugt, daß die Kerle in ihrer Gier Brot und Salzfisch fallen lassen und zertrampeln. Aber darein muß ich mich wohl schicken, nachdem anscheinend Jesus selber den Dingen diesen Lauf gegeben hat.«

»Glaubst du denn wirklich«, fragte ich erstaunt, »daß er nach seinem Verschwinden aus deinem Hause, um dich auf die Probe zu stellen, einem Bettler mit der Kunde, du gäbest ein Fest, erschienen ist?«

»Ich weiß schon selber, was ich zu glauben habe«, knurrte Simon wütend. »Aber wenn er mich narrt, dann narre ich ihn wieder; und wir wollen sehen, wer von uns beiden zuletzt lacht.«

Er ging in den Hof, und ich folgte ihm. Dort sahen wir die Bettler manierlich auf dem Boden kauern und das Essen friedfertig miteinander teilen. Sie zankten überhaupt nicht; im Gegenteil, sie boten einander die besten Stücke an, als wären sie tatsächlich Gäste bei einem Bankett. Den Blinden und allen denen, die an die Schüsseln nicht heran konnten, reichte man die Speisen.

Unterdessen brachte Eleasar ganze Armvoll Wollüberwürfe und Leinenkleider und legte sie zwischen die Säulen. Von der Glut der Holzkohlenfeuer stieg Bratenduft auf, und die Bedienten buken, so rasch sie konnten, Gerstenfladen und Weizenbrötchen und Kümmelkuchen. Aber die Torhüterin weinte laut, und der griechische Schulmeister war aufs Dach geflohen und weigerte sich hinunterzukommen.

Die frohe Laune und Ordnung unter den Bettlern ärgerte Simon derart, daß er brüllte: »Freßt und sauft nur, bis ihr platzt! Und was übrigbleibt, nehmt mit! Aber wißt, daß ich, Simon von Kyrene, euch kein einziges Krümchen von dem allen vorsetze. Bei diesem Festmahl heißt der Gastgeber Jesus von Nazareth, den euer Hoher Rat gekreuzigt hat. Mag er euer Essen segnen, auf daß es euch zum Leben und nicht zum Tode gereiche! Ich selber bringe es nicht über mich, den Segen zu sprechen, weil mir bittere Galle aufsteigt und den Mund zusammenzieht.«

Die Bettler dachten, er scherze, und blickten ihn freundlich an; ein paar versuchten zu lachen. Das schürte erst recht Simons Zorn, und er schrie noch lauter: »Jesus von Nazareth, der Sohn Gottes, lädt euch zu allen diesen guten Dingen ein; denn er ist von den Toten auferstanden, und sein Reich bleibt bei uns, solange er in unserer Mitte weilt und nach Belieben kommt und geht – auch durch versperrte Türen.«

Jetzt erschraken die Bettler und blinzelten einander zu. Die beherztesten von ihnen aber lachten laut, und einer rief: »Gesegnet seist du, Simon von Kyrene, unter allen Männern Israels! Aber warum setzt du uns nur sauren Wein vor, wenn du dich, nach deinen Reden zu schließen, mit deinen vornehmen Gästen an süßem Weine gütlich getan hast?«

Vor Wut keuchend, rief Simon den Dienern zu: »Öffnet für sie auch die kleinen Weinkrüge und bereitet ihnen in dem größten Mischkessel einen Trunk, damit sie glauben, daß Jesus von Nazareth, der Sohn Gottes, auch nach seinem Tode noch Wunder wirkt!«

Die Diener taten, wie er befohlen hatte. Aber um zu retten, was noch zu retten war, begannen sie, mit den Bettlern um die Wette zu trinken, und auch Eleasar trank. Inzwischen holte Simon ein Tongefäß mit kostbarer Nardensalbe, brach dem Behälter den Hals ab und schrie: »Dieser Schmutz und Eitergestank und die Fliegen auf euren Augen und Schwären ekeln mich an. Ich kenne den Geruch nur zu gut. Ich fühle mich wieder in ein finsteres Sklavenverlies zurückversetzt, mit einer Kette am Bein. Bestreicht euch mit dieser Salbe Kopf und Gesicht! Sie hat einen starken Duft, um den euch Fürsten beneiden würden.«

Und tatsächlich erfüllte den ganzen Hof ein köstlicher Wohlgeruch, seit Simon das kleine Gefäß aufgebrochen hatte. Er selbst ging umher und strich mit dem Daumen den Bettlern etwas Salbe ins Haar. Er gebärdete sich ganz, als wäre er von Sinnen; bald wieherte er vor Lachen, bald stieß er schreckliche Flüche aus. Als er aber zu einem Knaben kam, der heißhungrig aß, stellte er das Salbengefäß hin, kniete nieder und verlangte mit völlig besonnener Stimme: »Holt mir einen engzahnigen Kamm! Ich möchte diesem Jungen die Läuse aus den Haaren kämmen.«

Als man seinem Auftrag nachgekommen war, begann er wirklich, dem schmierigen Jungen aus dem verfilzten Haar die Läuse zu kämmen und sie zu knacken; er machte das so geschickt, als hätte er sein ganzes Leben lang diese widerliche Arbeit getan. Die Kopfhaut des Knaben war von Ungezieferbissen grindig, und er schrie während des Kämmens immer wieder auf, hatte es aber so eilig, sich den Bauch vollzuschlagen, daß ihm zur Abwehr keine Zeit blieb.

Die Bettler wurden unruhig und flüsterten einander zu: »Simon von Kyrene hat wegen Jesus von Nazareth den Verstand verloren. Das ist ja kein Wunder nach der Schmach, die ihm die Römer angetan haben! Das Kreuz dieses Gotteslästerers tragen zu müssen! Wir tun wohl gut, rasch zu essen und zu trinken, seine Geschenke zu nehmen und zu verschwinden, bevor er die Gaben zurückverlangt!«

Der älteste unter ihnen murmelte: »Es ist auch schon vorgekommen, daß reiche Leute zu ihren Festen in Weinlaune ungeladene Bettler zuließen, dann aber in Wut gerieten und so lange auf den Leibern der Armen herumtrampelten, bis sie das Gegessene und Getrunkene wieder von sich gaben. Schauen wir also, daß wir wegkommen!«

Sie blickten Simon von Kyrene verstohlen und ängstlich an; aber er war so in seine Läusesuche vertieft, daß er nichts anderes sah und hörte. Als er den Knaben gründlich gekämmt hatte, schleppte er ihn zu den Wasserbecken, riß ihm seine Lumpen vom Leib und wusch ihm, ohne auf sein Kreischen zu achten, den ganzen Körper. Dann verstrich er ihm den Rest der Salbe auf Kopf, Brust und Füße. Schließlich wählte er aus den Kleidern seiner Söhne ein Untergewand, einen Überwurf und rote Sandalen, bekleidete den Jungen damit und sagte: »Jetzt bist du wie ein Prinz angezogen und duftest auch wie ein Prinz. Wenn du nun nicht stattlich genug bist für sein Reich, soll er mir eins hinter die Ohren geben!«

Die Bettler packten die Kleider, die Eleasar unter sie verteilte, und begannen sich behutsam gegen das Tor hin zurückzuziehen; sie warteten nur noch eine Gelegenheit ab, um den Jungen den Händen des offenbar um den Verstand gekommenen Hausherrn zu entreißen. Aber Simon merkte ihr Vorhaben und schrie: »Geht noch nicht, o Gäste des Jesus von Nazareth! Jeder von euch bekommt ein Abschiedsgeschenk von ihm.«

Er winkte Zachäus und mir, ihm ins Haus zu folgen, und wir halfen ihm, die vielen Schlösser einer eisenbeschlagenen Truhe zu öffnen. Aus ihr nahm er einen versiegelten Lederbeutel, eilte in den Hof zurück, brach das Siegel auf und begann, unter die Bettler, die alle ihre Hände ausstreckten, Silbermünzen zu verteilen. Einigen schenkte er eine Drachme, anderen ein Vier- oder gar ein Zehndrachmenstück; er gab das Geld aufs Geratewohl hin, ohne darauf zu achten, was jeder bekam.

Viele Bettler fingen zu murren an und sagten: »Warum hat der so viel bekommen und ich so wenig?«

Aber Simon erwiderte: »Darüber rechtet mit Jesus von Nazareth! Er sammelt, wo er nicht ausgestreut hat, und erntet, wo er nicht gesät hat.« Und wieder faßte er den Beutel und gab denen, die offenbar am meisten erhalten hatten, noch mehr. Als er aber begann, den Empfängern der kleinsten Münzen diese Geldstücke wieder wegzunehmen, hielten die Bettler es für geraten zu verschwinden, und die ganze Schar entfloh, den Jungen mit sich schleppend, durch das Tor.

Simon wischte sich den Schweiß von der Stirn, klimperte verwundert mit dem Geldbeutel und murmelte: »So etwas ist mir auch noch nicht passiert. Soll ich das als Zeichen und Wink nehmen? Ich war willens, das ganze Geld zu verteilen, und jetzt ist mir die Hälfte noch im Beutel geblieben.«

Ich drängte ihn: »Lege nur schön dein Geld beizeiten in die Truhe zurück und versperre sie. Dann kämme dir den Bart nach Läusen aus und laß den Hof aufräumen! Ob du klug oder töricht gehandelt hast, weiß ich nicht. Aber zumindest werden die Bettler bestimmt zufrieden sein und dürften dich jetzt für lange Zeit nicht belästigen.«

Zachäus saß neben Eleasar auf dem Rande des großen Mischkessels. Er lachte fröhlich und sagte: »Komm her, Römer! Nimm einen Becher und schöpfe dir hier Wein heraus! Am Boden gibt es noch genug davon, und so teuren Wein darf man nicht verderben lassen.«

Er trank selbst und rief: »Gesegnet sei das Gewächs des Weinstockes im Namen dessen, der gestorben und wieder auferstanden ist, um für uns alle ein Reich zu bereiten! Wir drei haben ihn mit eigenen Augen erblickt; und du, Eleasar, sahst wenigstens seine Fußspuren auf dem Steinboden, so daß du, ein simpler Ackerknecht und Hirte, uns, den höhergestellten Männern, glauben mußt.«

Liebevoll legte er Eleasar den Arm um den Hals, gab ihm einen Kuß und meinte: »Nichts für ungut! Nur hier auf Erden bin ich ja angesehener als du; in seinem Reich wirst vielleicht du den Vorrang haben. Jesus hat gesagt, viele Erste würden zu Letzten werden und die Letzten zu Ersten.«

Eleasar riß sich von ihm los und schalt: »Ihr seid alle wie in Verzückung; besonders mein Herr ist außer Rand und Band. Aber auch ich bin in gehobener Stimmung, seit ich neue Kleider bekommen und so viele gute, teure Sachen an besitzlose Leute verteilt habe. Offenbar ist mir der Trunk zu Kopf gestiegen; so starken Wein bin ich nicht gewöhnt.«

Aber Simon strich sich über den Kopf und sagte: »Friede sei mit euch! Ich bin todmüde und gehe in mein verdunkeltes Zimmer zurück. Die letzten Nächte habe ich über Jesus von Nazareth nachgegrübelt und kein Auge zugetan. Jetzt fühle ich wieder Frieden in meiner Seele und werde wahrscheinlich den ganzen Sabbat durchschlafen.«

Unsicheren Schrittes entfernte er sich. Wir folgten ihm nicht, weil wir beide, Zachäus und ich, einsahen, daß in seiner Verfassung Schlaf das beste für ihn war. Aber er gedachte noch seiner Hausvaterpflichten, drehte sich um, blinzelte uns unter seinem zerzausten Haar von der Tür her an, und sagte: »Ich hoffe, das alles ist nur ein böser Traum; endgültig werde ich das erst wissen, wenn ich erwache und niemanden mehr sehe. Aber du, mein Traum-Zachäus, bleibe, wenn du willst, über Nacht in meinem Gästezimmer! Eleasar soll sich hier mit einem Schläfchen ausnüchtern; dann wird er heimgehen und, ehe noch drei Sterne am Himmel erscheinen, die Sabbatfeier beginnen. Was ich jedoch dir sagen soll, Römer, weiß ich nicht; denn du mußt bestimmt ein Traum sein, und dich werde ich nicht mehr treffen.«

Eleasar gehorchte; er legte sich im Schatten der Säulenhalle auf den Boden und zog sich den Mantel über den Kopf. Wir aber, Zachäus und ich, blieben stehen, wo wir standen, und musterten einander lange. Sein Antlitz schien mir nicht länger ein abstoßendes Zwergengesicht; seine Augen leuchteten und seine Wangen waren rot – wohl vom Wein, ganz wie bei einem beliebigen anderen Menschen.

Er fragte mich, ob ich etwas von den Jüngern wüßte, die Jesus sich zu Sendboten erwählt hatte. Ich teilte ihm mit, was ich erkundet und was Maria Magdalena beobachtet hatte; ich erzählte ihm auch, daß der Auferstandene einigen Jüngern in einem versperrten Raum erschienen war; ich berichtete ihm von meiner Begegnung mit Thomas und Johannes und gab freimütig zu, daß sie mich nur widerwillig empfangen und mir nicht getraut hatten. Schließlich sagte ich: »Mir brennt das Herz in der Brust. Wenn ich aber hinginge und den Jüngern von den heutigen Begebenheiten spräche, würden sie mir nicht glauben. Auf dich werden sie eher hören, weil sie dich kennen. Vielleicht fassen sie dann doch Zutrauen und offenbaren uns ihr Geheimnis. Sie müssen doch mehr wissen als wir und müssen auch Jesu Geheimlehren kennen, die sie natürlich Außenstehenden nicht preisgeben wollen.«

Zachäus erwiderte voll Zuversicht: »Ja, ich suche sie auf. Zumindest Matthäus vertraut mir; er war ja auch Zöllner. Wir verstehen uns, und er kann vielleicht bei den anderen ein Wörtchen für mich einlegen.«

»Sehr gut!« pflichtete ich bei. »Selber will und kann ich mich nicht aufdrängen.« Ich beschrieb ihm, wo ich mit Thomas und Johannes gesprochen hatte. Zachäus schien das Haus und seinen Eigentümer zu kennen, nannte mir aber den Namen nicht.

»Geh in Frieden in deine Wohnung und warte ab, bis ich dir den Weg bereitet habe!« sagte Zachäus.

So schieden wir voneinander, und ich ging heim, voll Verwunderung über all die Dinge, die mir im Hause Simons von Kyrene widerfahren waren.

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