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Constantin Demiris' Worte klangen noch immer in Lambrous Ohren. Er zweifelte nicht im geringsten daran, daß Demiris versuchen würde, seine Drohung wahrzumachen. Was war mit Rizzoli schiefgelaufen? Alles war sorgfältig geplant gewesen! Aber er durfte sich nicht damit aufhalten, darüber nachzugrübeln. Jetzt kam es darauf an, seine Schwester zu warnen.

Lambrous Sekretärin kam herein.»Ihr Zehn-Uhr-Besuch ist da, Herr Lambrou. Soll ich ihn…?«

«Nein, ich lasse mich entschuldigen. Sagen Sie alle meine Termine ab. Ich komme vormittags nicht mehr ins Büro zurück.«

Er griff nach dem Telefonhörer und war fünf Minuten später unterwegs zu Melina.

Sie erwartete ihn im Garten der Villa.»Spyros! Du hast am Telefon so aufgeregt geklungen! Was ist passiert?«

«Hör zu, wir müssen miteinander reden. «Er führte sie zur Bank einer mit Weinlaub bewachsenen Gartenterrasse. Wie bezaubernd sie ist, dachte er, als sie sich gegenübersaßen. Sie hat stets alle glücklich gemacht, deren Lebensweg sie gekreuzt hat. Sie hat nichts getan, um das zu verdienen, was ihr jetzt droht.

«Willst du mir nicht erzählen, was passiert ist?«

Ihr Bruder holte tief Luft.»Ich fürchte, daß ich dir eine sehr schmerzliche Mitteilung machen muß, Schatz.«

«Du fängst an, mich zu beunruhigen.«

«Das will ich auch. Dein Leben ist in Gefahr.«

«Was? Wodurch denn?«

Er wählte seine Worte sorgfältig.»Ich befürchte, daß Costa dir nach dem Leben trachtet.«

Melina starrte ihn mit offenem Mund an.»Soll das etwa ein Scherz sein?«

«Nein, das ist mein Ernst, Melina.«

«Schatz, Costa hat alle möglichen schlechten Eigenschaften, aber er ist kein Mörder. Er könnte keiner…«»Das ist ein Irrtum! Er hat schon früher gemordet.«

Sie war blaß geworden.»Was willst du damit sagen?«

«Oh, er mordet nicht mit den eigenen Händen. Dafür hat er seine Leute, aber

«Das glaube ich dir nicht!«

«Erinnerst du dich an Catherine Douglas?«

«Die Amerikanerin, die ermordet wurde

«Sie ist nicht ermordet. Sie lebt.«

Melina schüttelte den Kopf.»Sie… das kann nicht sein! Ich meine… ihre Mörder sind doch hingerichtet worden!«

Lambrou griff nach den Händen seiner Schwester.»Melina, Larry Douglas und Noelle Page haben Catherine nicht ermordet. Costa hat sie versteckt gehalten, während die beiden vor Gericht standen.«

Melina saß wie vor den Kopf geschlagen da und erinnerte sich an die Frau, die sie flüchtig in ihrem Haus gesehen hatte.

Costa, wer ist die Frau, die ich in der Eingangshalle gesehen habe?

Sie ist die Freundin eines Geschäftsfreundes. Sie soll in London für mich arbeiten.

Ich habe sie nur flüchtig gesehen. Aber sie erinnert mich an jemanden.

Tatsächlich?

Sie erinnert mich an die Frau des amerikanischen Piloten, der früher für dich gearbeitet hat. Aber das ist unmöglich. Die beiden haben sie ermordet.

Richtig. Die beiden haben sie ermordet.

Sie fand ihre Stimme wieder.»Ich habe sie hier bei uns gesehen, Spyros. Costa hat behauptet, sie sei die Freundin eines Geschäftsfreundes.«

«Er ist geisteskrank. Ich will, daß du ein paar Sachen packst und diesen Ort verläßt.«

Seine Schwester sah ihn an und schüttelte den Kopf.»Nein, dies ist mein Zuhause.«

«Melina, ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustieße!«

Ihre Stimme klang stahlhart.»Sei unbesorgt, mir passiert nichts. Costa ist kein Dummkopf. Er weiß genau, daß er teuer dafür bezahlen muß, wenn er mir etwas antut.«

«Er ist dein Mann, aber du kennst ihn nicht, Schatz. Ich habe Angst um dich!«

«Ich werde mit ihm fertig, Spyros.«

Er starrte seine Schwester an und erkannte, daß er sie nicht würde umstimmen können.»Tust du mir wenigstens einen Gefallen, wenn du unbedingt hierbleiben willst? Versprich mir, ihm keine Gelegenheit zu geben, mit dir allein zu sein.«

Sie tätschelte ihrem Bruder die Wange.»Das versprech' ich dir, Lieber.«

Melina hatte nicht die Absicht, dieses Versprechen zu halten.

Als Constantin Demiris an diesem Abend nach Hause kam, erwartete Melina ihn. Er nickte ihr zu und ging an ihr vorbei in sein Schlafzimmer. Melina folgte ihm.

«Es wird Zeit, daß wir mal miteinander reden, finde ich«, stellte sie fest.

Demiris sah auf seine Armbanduhr.»Ich habe nur ein paar Minuten Zeit. Ich muß zu einem Termin.«

«Wirklich? Willst du heute abend wieder mal jemanden ermorden?«

Er drehte sich zu ihr um.»Was quatschst du da?«

«Spyros hat mich heute morgen besucht.«

«Ich sehe schon, daß ich deinem Bruder mein Haus verbieten muß.«

«Dies ist auch mein Haus!«antwortete Melina trotzig.»Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch.«

«Tatsächlich? Worüber denn?«

«Über dich und Catherine Douglas und Noelle Page.«

fetzt sah er sie konzentriert an.»Das sind uralte Geschichten.«

«Tatsächlich? Spyros sagt, daß du zwei Unschuldige in den Tod geschickt hast, Costa.«

«Spyros ist ein Dummkopf!«

«Ich habe Catherine Douglas vor ein paar Monaten hier im Haus gesehen.«

«Das glaubt dir kein Mensch. Außerdem kriegst du sie nie wieder zu sehen. Ich habe jemanden losgeschickt, der sie erledigt.«

Melina erinnerte sich plötzlich an die drei Männer, die er zum Abendessen eingeladen hatte. Sie fliegen gleich morgen früh nach London. Ich bin sicher, daß Sie dort alles Notwendige veranlassen werden.

Demiris trat näher an seine Frau heran und sagte halblaut:»Hör zu, du und dein Bruder, ihr hängt mir allmählich zum Hals heraus!«

Er packte sie am Arm. Sein Griff war wie ein Schraubstock.»Spyros hat versucht, mich zu ruinieren. Er hätte mich besser umbringen lassen sollen. «Er drückte fester zu.»Ihr werdet euch beide noch wünschen, er hätte es getan.«

«Hör auf! Du tust mir weh!«

«Meine liebe Frau, du weißt noch gar nicht, was Schmerzen sind. Aber du wirst es noch erfahren. «Er ließ ihren Arm los.»Ich lasse mich von dir scheiden. Ich brauche ein Vollblutweib. Aber das heißt nicht, daß du mich deshalb aus deinem Leben streichen kannst. O nein! Ich habe wunderbare Dinge mit dir und deinem lieben Bruder vor. So, damit ist unser Schwätzchen beendet. Entschuldige bitte, aber ich muß mich jetzt umziehen. Es wäre unhöflich, eine Dame warten zu lassen.«

Er ließ sie stehen und verschwand in seinem Ankleidezimmer. Melina schlug das Herz bis zum Hals. Spyros hat recht.

Melina fühlte sich völlig hilflos. Um ihr eigenes Leben hatte sie keine Angst. Wofür sollte ich noch leben! dachte sie verbittert. Mein Mann hat mich meiner Würde beraubt und zu sich in den Schmutz herabgezerrt. Sie erinnerte sich an die vielen Gelegenheiten, bei denen er sie erniedrigt und in aller Öffentlichkeit beschimpft hatte. Sie wußte recht gut, daß ihre Freunde sie bemitleideten. Nein, um sich selbst machte sie sich keine Sorgen mehr.

Ich bin bereit zu sterben, dachte sie, aber ich darf nicht zulassen, daß er Spyros etwas antut. Doch wie sollte sie ihn daran hindern? Spyros war mächtig — aber Costa war weit mächtiger. Für Melina stand mit schrecklicher Gewißheit fest, daß ihr Mann seine Drohungen wahrmachen würde, wenn sie ihn nicht daran hinderte. Ich muß es irgendwie verhindern. Aber wie? Wie nur.?

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