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Das Strandhaus lag verlassen, als Melina es erreichte. Die halbstündige Fahrt hierher hatte sie damit verbracht, die Jahre mit Constantin Demiris noch einmal schmerzvoll vor ihrem inneren Auge Revue passieren zu lassen.

Der Himmel war wolkenverhangen, und vom Meer her wehte ein kalter Wind.

Ein schlechtes Omen, dachte sie.

Sie betrat das behaglich eingerichtete, vertraute Haus und sah sich ein letztes Mal darin um.

Dann machte sie sich daran, das Inventar zu zertrümmern. Sie riß sich ihr Kleid vom Leib und warf es auf den Fußboden. Nachdem sie die Geschäftskarte des Detektivbüros auf ein Tischchen gelegt hatte, versteckte sie den abgerissenen Wappenknopf unter der Teppichkante.

Als nächstes nahm sie ihre goldene Armbanduhr ab, die Costa ihr geschenkt hatte, und zertrümmerte sie auf der Marmorplatte des Couchtischs.

Mit der von zu Hause mitgenommenen Badehose ihres Mannes ging sie zum Strand, tauchte sie ins Wasser und kam damit ins Haus zurück. Zuletzt blieb nur noch eins zu tun. Jetzt ist es soweit/ Melina. holte tief Luft und wickelte das Tranchiermesser aus, wobei sie darauf achtete, daß der Griff weiter mit Papier bedeckt blieb. Dann starrte sie das Messer in ihrer Hand an. Dies war der entscheidende Punkt. Sie mußte sich schwer genug verletzen, um einen Mord glaubhaft vorzutäuschen — und trotzdem noch die Kraft haben, den Rest ihres Plans in die Tat umzusetzen.

Sie schloß die Augen und stieß sich das Messer unterhalb des Rippenbogens tief in den Leib.

Der Schmerz drohte ihr das Bewußtsein zu rauben. Aus der Wunde quoll ein Strom Blut. Melina drückte die feuchte Badehose gegen die Wunde, wankte dann an den Kleiderschrank und warf sie hinein. Ihr schwindelte. Sie vergewisserte sich mit einem Blick in die Runde, daß sie nichts übersehen hatte, und taumelte dann, eine Blutspur, die den Teppich scharlachrot färbte, hinter sich herziehend, auf die zum Strand hinausführende Tür zu.

Der Weg zum Wasser schien ihr endlos. Ihre Wunde blutete so stark, daß sie dachte: Ich schaff's nicht! Zuletzt bleibt Costa doch Sieger. Das darf nicht sein. Noch einen Schritt. Noch einen Schritt.

Melina wankte, gegen den stärker werdenden Schwindel ankämpfend, weiter. Vor ihren Augen verschwamm alles.

Sie sank auf die Knie. Vorwärts/ Sie kam wieder auf die Beine und stolperte weiter. Dann spürte sie kaltes Wasser an ihren Füßen. Als das Salzwasser ihre Wunde erreichte, schrie sie laut auf, so unerträglich war der Schmerz. Ich tu's für dich, Spyros. Lieber, lieber Spyros.

In der Ferne sah sie eine niedrige Wolke unmittelbar über dem Horizont hängen. Sie begann darauf zuzuschwimmen. Das Wasser hinter ihr färbte sich rot. Und dann geschah ein Wunder. Die Wolke sank zu ihr herab, und sie fühlte, wie ihr sanftes Weiß sie aufnahm, sie umhüllte, sie liebkoste. Die Schmerzen waren verschwunden, und sie empfand nur noch wundervollen Frieden.

Ich kehre heim, dachte Melina glücklich. Ich kehre endlich heim.

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