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Im Keller des alten Gebäudes hatte Catherine einige Stunden zuvor verzweifelt versucht, ihre Hände zu befreien. Je mehr sie an den Fesseln zerrte, desto fester wurden die Knoten. Ihre Finger begannen gefühllos zu werden. Immer wieder wanderte ihr Blick zum Kessel hinüber. Die Quecksilbersäule hatte inzwischen 125 °C erreicht. Spätestens bei 200 Grad geht das Ding hoch. Es muß einen Ausweg geben! Es muß einen geben!

Ihr Blick fiel auf die Schnapsflasche, die Atanas auf dem Steinboden zurückgelassen hatte. Catherine starrte sie an, und ihr Puls begann zu jagen. Das ist meine Chance! Wenn ich sie nur… Sie glitt am Stützbalken entlang tiefer, angelte mit den Füßen nach der Flasche und verfehlte sie nur knapp. Sie rutschte noch tiefer, ohne auf die Splitter zu achten, die in ihren Rücken drangen. Jetzt war die Flasche nur mehr wenige Zentimeter von ihren Füßen entfernt. Catherines Augen füllten sich mit Tränen. Noch einen Versuch! Nm noch einen!

Sie rutschte noch tiefer, wobei sich weitere Holzsplitter schmerzhaft in ihren Rücken bohrten, und angelte verzweifelt nach der Flasche. Ein Fuß berührte das Glas. Vorsichtig, damit du sie nicht wegstößt! Sie bugsierte die Flasche ganz langsam ein kleines Stück heran, bis sie ihre gefesselten Knöchel darüber legen konnte. Dann zog sie die Flasche mit den Füßen ganz zu sich heran. Schließlich lag sie neben ihr.

Catherine starrte das Thermometer an. 140 °C. Es fiel ihr schwer, die in ihr aufsteigende Panik zu unterdrücken. Sie schob die Flasche mühsam mit den Füßen um den Balken herum hinter sich. Ihre Finger berührten sie, aber sie waren zu gefühllos und von dem Blut, das von ihren aufgescheuerten Handgelenken tropfte, zu glitschig, um sie richtig fassen zu können.

Im Keller wurde es allmählich unerträglich heiß. Catherine versuchte es wieder und wieder. Die Flasche rutschte ihr weg. Catherine sah hastig zum Thermometer hinüber. 150 °C, und die Säule schien immer schneller zu wachsen. Aus dem Kessel begann jetzt zischend Dampf zu entweichen. Sie versuchte erneut, die Flasche richtig zu fassen zu bekommen.

Endlich! Catherine hielt die Flasche in ihren gefesselten Händen. Sie umklammerte sie, hob beide Arme, ließ sie nach unten fallen und schmetterte die Flasche auf den Betonboden. Aber das Glas blieb heil. Sie versuchte es noch mal. Nichts. Das Thermometer kletterte unablässig. 170 °C! Catherine holte tief Luft und schmetterte die Flasche mit letzter Kraft auf den Beton. Diesmal zersprang sie klirrend. Großer Gott, ich danke dir!

Catherine hielt den abgebrochenen Flaschenhals mit einer Hand umklammert und machte sich daran, ihre Fesseln zu durchschneiden. Die scharfen Glaskanten zerschnitten ihr die Handgelenke, aber sie spürte keinen Schmerz. Und plötzlich waren ihre Hände frei, fetzt die Fuß fesseln!

Das Thermometer stand auf 190 °C. Aus dem Kessel fauchten jetzt armdicke Dampfstrahlen. Catherine kam schwankend auf die Beine. Selbst wenn Atanas die Kellertür nicht verriegelt hatte, würde sie nicht mehr rechtzeitig vor der Explosion aus dem Gebäude kommen.

Catherine rannte zum Kessel hinüber und riß an dem Holzstück, mit dem das Sicherheitsventil blockiert war. Aber es saß unverrückbar fest. 200° C!

Ihr blieben nur noch Sekunden. Sie lief zu der in den Luftschutzkeller führenden zweiten Tür, war mit einem Sprung hindurch und knallte die massive Tür hinter sich zu. Sie warf sich schweratmend auf den Betonboden des riesigen Schutzraums. Sekunden später ließ eine gewaltige Explosion den Raum erzittern. Catherine lag nach Atem ringend im Dunkel und hörte das Brausen der Flammen hinter der brandsicheren Schutzraumtür. Sie war gerettet. Alles war vorüber. Nein, noch nicht. Ich habe noch eine Rechnung offen.

Als die Feuerwehrleute sie eine Stunde später aus den immer noch schwelenden Ruinen führten, war Alan Hamilton da. Catherine warf sich in seine Arme, und er hielt sie an sich gedrückt.

«Catherine… Liebling. Ich hab' solche Angst um dich gehabt! Wie bist du…?«

«Später«, sagte Catherine.»Erst müssen wir Atanas Stavitsch aufhalten!«

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