ZWEI

Ich sitze da und starre durch die getönten Glaswände. An klaren Tagen kann ich die Spitze des WashingtonDenkmals sehen, das zehn Kilometer von hier entfernt ist. Aber heute ist der Himmel bedeckt. Es ist unfreundlich, kalt und windig, kein schlechter Tag, um zu sterben. Der Wind reißt das letzte welke Laub von den Zweigen und weht es unten über den Parkplatz.

Warum mache ich mir Sorgen wegen der Schmerzen? Was ist gegen ein bißchen Leiden einzuwenden? Ich habe mehr Elend verursacht als zehn beliebige andere Menschen.

Ich drücke auf einen Knopf, und Snead kommt herein. Er verbeugt sich und schiebt meinen Rollstuhl aus der Wohnungstür in die mit Marmor ausgekleidete Empfangshalle und von dort durch eine andere Tür. Es kommt näher, aber ich spüre keine Beklemmung.

Ich habe die Psychiater über zwei Stunden warten lassen.

Wir kommen an meinem Büro vorüber, und ich nicke Nicolette zu, meiner letzten Sekretärin, einem niedlichen jungen Ding, das ich recht gut leiden kann. Wenn mir Zeit bliebe, könnte sie die Nummer vier werden.

Aber mir bleibt keine Zeit. Es sind nur noch Minuten.

Die Meute wartet - ganze Rudel von Anwälten und drei Psychiater, die darüber befinden werden, ob ich bei klarem Verstand bin. Sie drängen sich um einen langen Tisch in meinem Besprechungszimmer. Als ich hereinkomme, hört ihr Gespräch schlagartig auf. Alle starren mich an. Snead schiebt mich an eine der Längsseiten des

Tisches neben meinen Anwalt Stafford.

Kameras zeigen in alle Richtungen, und die Techniker sind eifrig mit ihnen und den Mikrophonen beschäftigt. Jeder geflüsterte Laut, jede noch so geringe Bewegung, jeder Atemzug wird aufgezeichnet, denn es geht um ein Vermögen.

Im letzten von mir unterschriebenen Testament waren meine Kinder kaum bedacht worden. Wie immer hatte es Josh Stafford aufgesetzt. Ich habe es heute morgen in den Reißwolf gesteckt.

Ich sitze hier, um aller Welt zu beweisen, dass meine Geisteskräfte ausreichen, ein neues Testament abzufassen. Sobald dieser Beweis erbracht ist, kann niemand die Verfügungen anfechten, die ich über mein Vermögen treffe. Mir unmittelbar gegenüber sitzen drei Psychofritzen - jede der Familien hat einen benannt. Auf geknickten Karteikarten, die sie vor sich gestellt haben, hat jeder in Großbuchstaben seinen Namen geschrieben - Dr. Zadel, Dr. Flowe und Dr. Theishen. Ich sehe mir ihre Augen und Gesichter aufmerksam an. Da ich als normal gelten will, muss ich Blickkontakt herstellen.

Sie sind überzeugt, dass ich ein bißchen wirr im Kopf bin, dabei stehe ich im Begriff, sie im großen Stil reinzulegen.

Stafford wird die ganze Sache deichseln. Als alle Platz genommen haben und die Kameras bereit sind, sagt er:

»Ich heiße Josh Stafford und bin der von Mr. Troy Phelan, der rechts neben mir sitzt, bevollmächtigte Anwalt.« Ich nehme mir einen der Psychofritzen nach dem anderen vor, Auge in Auge, bis sie blinzeln oder den Blick abwenden. Alle drei tragen sie dunkle Anzüge. Zadel und Flowe haben Zottelbärte, Theishen, der eine Fliege um den Hals hat, sieht aus, als wäre er höchstens dreißig. Jede der Familien hatte das Recht, einen Psychiater ihres Vertrauens zu benennen.

Jetzt redet wieder Stafford. »Zweck dieser Zusammenkunft ist es, Mr. Phelan von einer psychiatrischen Kommission untersuchen zu lassen, die seine Testierfähigkeit feststellen soll. Vorausgesetzt, sie erkennt ihm den Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu, beabsichtigt er, eine letztwillige Verfügung zu unterzeichnen, mit der er für den Fall seines Todes die Verteilung seines Vermögen regelt.«

Stafford klopft mit dem Bleistift auf den gut zweieinhalb Zentimeter dicken Papierstapel, der vor uns liegt: das Testament. Bestimmt fahren jetzt die Kameras mit ihren Gummilinsen zu einer Nahaufnahme darauf zu, und bestimmt läuft meinen Kindern und ihren Müttern, die im ganzen Gebäude verteilt sind, bei seinem bloßen Anblick ein Schauer über den Rücken.

Sie haben es bisher nicht gesehen und haben auch keinen Anspruch darauf. Eine letztwillige Verfügung ist ein privatrechtlicher einseitiger Vertrag, dessen Inhalt erst nach dem Tode des Erlassers bekannt gegeben wird. Diejenigen, die als Erben in Frage kommen, können darüber lediglich spekulieren. Meine Erben haben Hinweise bekommen, von mir sorgfältig in Umlauf gesetzte Falschinformationen.

Daher sind sie überzeugt, dass der größte Teil meines Nachlasses mehr oder weniger gerecht zwischen den Kindern aufgeteilt wird und die Ex-Frauen ebenfalls großzügig bedacht werden. Das wissen sie; sie können es spüren. Seit Wochen, ja Monaten, beten sie inbrünstig darum, dass das Testament, das jetzt vor mir liegt, sie reich macht und dem Gezänk ein Ende bereitet. Stafford hat es aufgesetzt und mit meiner Erlaubnis dessen angeblichen Inhalt im Verlauf von Gesprächen mit ihren Anwälten in groben Zügen dargelegt. Jedes der Kinder darf mit einem Betrag in der Größenordnung von drei- bis fünfhundert Millionen rechnen, und die drei Ex-Frauen mit jeweils fünfzig Millionen. Ich habe bei jeder Scheidung gut für die jeweilige Frau gesorgt, aber das ist selbstverständlich in Vergessenheit geraten.

Der für die Angehörigen ausgesetzte Betrag beläuft sich insgesamt auf rund drei Milliarden Dollar. Was übrigbleibt, nachdem sich die Regierung mehrere Milliarden unter den Nagel gerissen hat, geht an wohltätige Einrichtungen. Man kann also verstehen, warum sich alle herausgeputzt haben und nüchtern (jedenfalls die meisten) hergekommen sind und, den Blick begierig auf die Bildschirme gerichtet, warten und hoffen, dass mir, dem alten Mann, mein Vorhaben gelingt. Bestimmt haben sie ihren Psychoheinis gesagt: »Haben Sie etwas Nachsicht mit dem Alten. Wir möchten, dass er bei klarem Verstand ist.«

Wenn alle so rundum zufrieden sind, warum dann überhaupt diese psychiatrische Untersuchung? Weil ich sie alle ein letztes Mal reinlegen möchte, und zwar nach Strich und Faden.

Die Sache mit den Psychiatern war meine Idee, und meine Kinder und ihre Anwälte haben nicht gemerkt, was dahintersteckt.

Zadel spricht als erster. »Mr. Phelan, können Sie uns sagen, welchen Tag wir heute haben, wie viel Uhr es ist und wo wir uns befinden?«

Ich komme mir vor wie ein Erstklässler, lasse mein Kinn wie ein Trottel auf die Brust sinken und denke so lange über die Frage nach, bis sie sich an den Rand ihres Sessels vorschieben und flüstern: »Los, du verrückter alter Mistkerl! Du weißt doch bestimmt, welchen Tag wir heute schreiben.«

»Montag«, sage ich leise. »Es ist Montag, der 9. Dezember 1996. Wir befinden uns in meinem Büro.«

»Und wie spät ist es?«

»Gegen halb drei«, sage ich. Ich trage keine Uhr am Arm.

»Und wo befindet sich Ihr Büro?«

»In McLean, im Staat Virginia.«

Flowe beugt sich über sein Mikrophon. »Können Sie uns Namen und Geburtstage Ihrer Kinder sagen?«

»Nein. Die Namen vielleicht, aber die Geburtsdaten nicht.«

»Na schön, dann die Namen.«

Ich lasse mir Zeit. Noch ist nicht der richtige Augenblick gekommen zu zeigen, wie sehr ich auf Draht bin. Sie sollen ruhig schwitzen. »Troy Phelan jun., Rex, Libbigail, Mary ROSS, Geena und Ramble.« Ich sage die Namen, als falle mir schon der bloße Gedanke an sie schwer.

Flowe hat Anspruch auf einen Nachschlag. »Es gab ein siebtes Kind, nicht wahr?«

»Ja.«

»Wissen Sie seinen Namen?«

»Rocky.«

»Und was ist mit ihm geschehen?«

»Er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.« Ich sitze aufrecht in meinem Rollstuhl, den Kopf hoch erhoben, lasse den Blick von einem der Psychoheinis zum nächsten wandern und demonstriere für die Kameras geistige Klarheit. Bestimmt sind meine Kinder und meine Ex-Frauen stolz auf mich, während sie in kleinen Gruppen vor den Bildschirmen sitzen, ihrem gegenwärtigen Ehegenossen die Hand drücken und ihren gierigen Anwälten zulächeln, weil der alte Troy die Einleitung hingekriegt hat.

Schon möglich, dass meine Stimme leise und hohl klingt, schon möglich, dass ich mit meinem weißen Seidengewand, meinem runzligen Gesicht und dem grünen Turban außehe wie verstört, aber ich habe ihre Fragen beantwortet.

Vorwärts, alter Junge, fordern sie mich auf.

Theishen fragt: »Wie ist derzeit Ihr körperlicher Zustand?«

»Ich hab mich schon besser gefühlt.«

»Es heißt, dass Sie einen bösartigen Tumor haben.«

Na, du redest aber nicht lange um den heißen Brei herum, was?

»Ich war der Ansicht, dass es sich hier um eine psychiatrische Untersuchung handelt«, sage ich mit einem Blick auf Stafford, der sich ein Lächeln nicht verkneifen kann. Aber die Vorschriften lassen jede beliebige Frage zu. Wir sind hier nicht vor Gericht.

»So verhält es sich auch«, sagt Theishen höflich. »Aber dieser Punkt ist sachdienlich.«

»Aha.«

»Wollen Sie also die Frage beantworten?«

»Welche?«

»Die nach dem Tumor.«

»Natürlich. Ich habe einen inoperablen Gehirntumor von der Größe eines Golfballs, und mein Arzt gibt mir höchstens noch zwei Monate.«

Ich kann förmlich die Champagnerkorken unter mir knallen hören. Der Tumor ist bestätigt!

»Stehen Sie im Augenblick unter dem Einfluss irgendeines Medikaments, einer Droge oder von Alkohol?« »Nein.«

»Besitzen Sie irgendein schmerzstillendes Mittel?«

»Noch nicht.«

Wieder Zadel: »Mr. Phelan, vor drei Monaten hat die Zeitschrift Forbes Ihr Nettovermögen mit acht Milliarden Dollar beziffert. Kommt diese Zahl der Wirklichkeit nahe?«

»Seit wann steht Forbes für Genauigkeit?«

»Die Angabe entspricht also nicht der Wahrheit?«

»Der Wert meines Vermögens liegt zwischen elf und elfeinhalb, je nach Marktlage.« Ich sage das betont langsam, aber meine Worte klingen scharf, meine Stimme hat Gewicht. Niemand zweifelt daran, dass meine Angabe stimmt.

Flowe beschließt, die Frage nach dem Geld noch ein wenig zu vertiefen. »Mr. Phelan, können Sie ganz allgemein den Aufbau Ihres Unternehmens skizzieren?«

»Ich denke schon.«

»Wollen Sie das tun?«

»Nun ja.« Ich mache eine Pause und lasse sie weiter schwitzen. Stafford hat mir versichert, dass wir nicht ins Detail zu gehen brauchen. Nur ein Gesamtbild, hat er gesagt.

»Die Phelan-Gruppe ist eine privatrechtliche Gesellschaft, in deren Besitz sich siebzig verschiedene Firmen befinden, von denen einige an der Börse notiert werden.«

»Ein wie großer Anteil der Phelan-Gruppe befindet sich in Ihrem Besitz?«

»Etwa siebenundneunzig Prozent. Der Rest gehört einer Handvoll Firmenangehöriger.«

Auch Theishen nimmt jetzt die Fährte auf. Lange hat er dazu nicht gebraucht. »Mr. Phelan, ist Ihr Unternehmen an der Firma Spin Computer beteiligt?«

»Ja«, sage ich langsam, während ich Spin Computer im Dschungel meiner Unternehmungen einzuordnen versuche.

»Wie viel davon besitzen Sie?«

»Achtzig Prozent.«

»Und Spin Computer ist eine Aktiengesellschaft?«

»So ist es.«

Theishen macht sich an einem Stapel amtlich aussehender Papiere zu schaffen, und ich kann von hier aus sehen, dass er den Jahres-Abschlußbericht und einige Vierteljahresberichte vor sich liegen hat, Dokumente, die sich jeder des Lesens und Schreibens halbwegs kundige College-Student beschaffen kann.

»Wann haben Sie Spin erworben?« fragt er.

»Vor etwa vier Jahren.«

»Wie viel haben Sie dafür bezahlt?«

»Zwanzig Dollar pro Aktie, insgesamt dreihundert Millionen.« Eigentlich möchte ich diese Fragen langsamer beantworten, bringe es aber nicht fertig. Ich brenne mit meinen Blicken Löcher in Theishen, so ungeduldig warte ich auf seine nächste Frage.

»Und was ist das Unternehmen jetzt wert?«

»Nun, gestern bei Börsenschluss wurden die Aktien mit dreiundvierzigeinhalb notiert, sie waren gegenüber dem Vortag um einen Punkt zurückgegangen. Seit ich das Unternehmen gekauft habe, ist es zweimal zu einem Aktiensplit gekommen, so dass es inzwischen rund achtfünfzig wert ist.«

»Achthundertfünfzig Millionen?«

»Richtig.«

An dieser Stelle ist die Befragung im großen und ganzen vorüber. Wenn es mir meine geistigen Fähigkeiten erlauben, die gestrigen Schlusskurse an der Aktienbörse mitzubekommen, sind meine Widersacher sicherlich zufrieden. Ich kann schon fast ihr dämliches Grinsen sehen und ihr gedämpftes Hurragebrüll hören. Gut gemacht, Troy, gib ihnen Saures!

Zadel greift in die Vergangenheit zurück. Damit will er wohl die Grenzen meines Gedächtnisses ausloten. »Mr. Phelan, wo sind Sie zur Welt gekommen?«

»In Montclair, im Staat New Jersey.«

»Wann?«

»Am 12. Mai 1918.«

»Wie war der Mädchenname Ihrer Mutter?«

»Shaw.«

»Wann ist sie gestorben?«

»Zwei Tage vor dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor.«

»Und Ihr Vater?«

»Was ist mit dem?«

»Wann ist er gestorben?«

»Das weiß ich nicht. Er hat sich aus dem Staub gemacht, als ich ein kleiner Junge war.«

Zadel sieht zu Flowe hinüber, der auf einem Notizblock eine ganze Reihe Fragen stehen hat. Flowe fragt. »Wer ist Ihre jüngste Tochter?«

»Aus welcher Familie?«

»Äh, der ersten.«

»Das müsste Mary ROSS sein.«

»Stimmt-«

»Natürlich stimmt es.«

»Und welches College hat sie besucht?«

»Tulane, in New Orleans.«

»Was hat sie studiert?«

»Irgendwas Mittelalterliches. Dann hat sie schlecht geheiratet, wie die anderen auch. Das Talent dazu haben sie wohl von mir geerbt.« Ich kann richtig sehen, wie sie erstarren und alle Stacheln ausfahren. Und ich kann fast sehen, wie die Anwälte und die derzeitigen Lebensgefährten und/oder Ehepartner ein leichtes Lächeln unterdrücken, weil niemand bestreiten kann, dass ich in der Tat schlecht geheiratet habe.

Und mit meinem Nachwuchs habe ich mich noch schlimmer in die Nesseln gesetzt.

Auf einmal ist Flowe mit dieser Runde fertig. Theishen, der erkennbar ins Geld verliebt ist, fragt: »Besitzen Sie eine Mehrheit am Unternehmen Mountain Com?«

»Ja. Bestimmt haben Sie es da in Ihrem Papierstapel vor sich. Es ist eine Aktiengesellschaft.«

»Wie viel haben Sie ursprünglich investiert?«

»Zehn Millionen Aktien zu rund achtzehn das Stück.«

»Und jetzt ist-«

»Der gestrige Schlusskurs war einundzwanzig. Nach einem Aktientausch und einem Aktiensplit in den letzten sechs Jahren ist das Unternehmen inzwischen rund vierhundert Millionen wert. Ist Ihre Frage damit beantwortet?«

»Ich glaube schon. In wie vielen Aktiengesellschaften besitzen Sie die Anteilsmehrheit?«

»In fünf.«

Flowe sieht zu Zadel hinüber, und ich frage mich, wie lange das noch dauern soll. Mit einem Mal bin ich müde. »Weitere Fragen?« möchte Stafford wissen. Wir werden die ändern auf keinen Fall unter Zeitdruck setzen, weil wir möchten, dass sie mit mir rundum zufrieden sind.

Zadel fragt: »Haben Sie die Absicht, heute eine neue letztwillige Verfügung zu unterzeichnen?«

»Ja.«

»Handelt es sich dabei um die vor Ihnen auf dem Tisch liegenden Papiere?«

»Ja.«

»Haben Sie in diesem Testament einen beträchtlichen Anteil Ihres Vermögens für Ihre Kinder vorgesehen?«

»So ist es.«

»Sind Sie bereit, das Testament jetzt zu unterzeichnen?«

»Ja.«

Zadel legt seinen Stift auf den Tisch, faltet bedächtig die Hände und sieht nachdenklich Stafford an. »Meiner Meinung nach ist Mr. Phelan zur Zeit hinreichend testierfähig, um in gültiger Weise über sein Vermögen zu verfügen.« Er sagt das mit großem Nachdruck, als seien sie sich ihrer Sache aufgrund meiner Vorstellung nicht so recht sicher.

Die beiden anderen stimmen ihm rasch zu. »Ich habe keinen Zweifel, dass er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist«, sagt Flowe zu Stafford. »Er scheint mir geradezu unglaublich auf dem Damm zu sein.«

»Irgendwelche Zweifel?« fragt Stafford.

»Nicht die geringsten.«

»Dr. Theishen?«

»Wir wollen uns nichts vormachen. Mr. Phelan weiß genau, was er tut. Sein Verstand ist weit schärfer als unserer.«

Vielen Dank. Das bedeutet mir sehr viel. Ihr seid eine Bande von Psychoheinis, die sich abstrampeln müssen, um hunderttausend im Jahr zu verdienen. Ich habe Milliarden verdient, trotzdem tätschelt ihr mir den Kopf und sagt mir, wie klug ich bin.

»Ihr Votum ist also einstimmig?« fragt Stafford.

»Ja. Absolut.« Sie können gar nicht schnell genug nicken.

Stafford schiebt mir das Testament herüber und gibt mir einen Stift. Ich sage: »Das ist das Testament von Troy L. Phelan, mit dem alle früheren letztwilligen Verfügungen und Testamentsnachträge hinfällig werden.« Der Stapel umfasst neunzig Seiten, die von Stafford und einem seiner Mitarbeiter aufgesetzt worden sind. Ich verstehe, worum es im großen und ganzen geht, kenne aber nicht alle Einzelheiten. Ich habe sie nicht gelesen und werde es auch nicht tun. Ich blättere nach ganz hinten, kritzele einen Namenszug, den niemand lesen kann, und lege dann erst einmal meine Hände darauf.

Die Geier werden das nie zu sehen bekommen.

»Die Sitzung ist geschlossen«, sagt Stafford, und alle packen rasch zusammen. Gemäß meinen Anweisungen werden die drei Familien aus ihren jeweiligen Räumen geleitet und aufgefordert, das Gebäude zu verlassen.

Eine Kamera bleibt auf mich gerichtet, die Bilder, die sie aufnimmt, sind ausschließlich für das Archiv bestimmt. Die Anwälte und Psychiater verlassen den Raum unverzüglich. Ich fordere Snead auf, sich an den Tisch zu setzen. Stafford und einer seiner Sozii, Durban, bleiben da, sie sitzen ebenfalls. Als wir allein sind, greife ich unter mein Gewand und hole einen Umschlag hervor, den ich öffne. Ich nehme drei Bogen gelbes Stempelpapier heraus und lege sie vor mich auf den Tisch. Nur noch einige Sekunden, und ein leichter Schauer der Furcht durchläuft mich. Das wird mehr Kraft kosten, als ich in Wochen aufgebracht habe.

Stafford, Durban und Snead starren verblüfft auf die gelben Blätter.

»Das ist meine letztwillige Verfügung«, erkläre ich und nehme einen Stift zur Hand. »Ein eigenhändiges Testament, das ich Wort für Wort erst vor wenigen Stunden verfasst habe. Es trägt das heutige Datum und wird unter diesem Datum von mir unterzeichnet.« Ich kritzele meinen Namen. Stafford ist so baff vor Staunen, dass er kein Wort herausbringt.

»Hiermit widerrufe ich alle früheren Testamente, einschließlich dessen, das ich vor weniger als fünf Minuten unterzeichnet habe.« Ich falte die Blätter und stecke sie wieder in den Umschlag.

Ich beiße die Zähne zusammen und denke daran, wie sehr ich mich danach sehne zu sterben.

Ich schiebe den Umschlag über den Tisch Stafford zu und erhebe mich im selben Augenblick aus dem Rollstuhl. Meine Beine zittern. Mein Herz hämmert. Nur noch Sekunden. Bestimmt werde ich tot sein, bevor ich auf dem Boden lande.

»He!« ruft jemand, vermutlich Snead. Aber ich entferne mich von ihnen.

Der Lahme geht, rennt beinahe an der Reihe von Ledersesseln vorüber, an einem meiner Porträts, einem schlechten Gemälde, das eine meiner Frauen in Auftrag gegeben hat, an allem vorüber, zu den Schiebetüren, die nicht abgeschlossen sind. Ich weiß das, weil ich das Ganze vor ein paar Stunden geprobt habe.

»Halt!« schreit jemand, und jetzt sind sie hinter mir her. Seit einem Jahr hat mich niemand gehen sehen. Ich greife nach der Klinke und öffne die Tür. Die Luft ist bitterkalt. Ich trete barfuss auf die schmale Terrasse im obersten Stockwerk meines Gebäudes. Ohne nach unten zu sehen, stürze ich mich über das Geländer.

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