VIERUNDZWANZIG

Die Indianer gehörten zum Stamm der Guato. Sie waren schon lange in dieser Gegend ansässig, lebten wie ihre Vorfahren und mieden Kontakte mit Außenstehenden. Sie fischten in den Flüssen, jagten mit Pfeil und Bogen und bauten auf kleinen Stücken Land Gemüse an.

Sie schienen sich Zeit zu lassen. Nach einer Stunde stieg Jevy Rauch in die Nase. Er kletterte auf einen Baum in der Nähe des Bootes, wo er aus gut zehn Metern Höhe die Dächer ihrer Hütten erkennen konnte. Er forderte Nate auf, gleichfalls nach oben zu kommen.

Nate war seit vierzig Jahren auf keinen Baum gestiegen, aber er hatte gerade nichts anderes zu tun. Er war weniger behende als Jevy und machte auf einem nicht besonders dicken Ast halt, wobei er den Stamm mit einem Arm umschlang.

Sie sahen drei Hütten, deren Dächer aus dicken, sauber aufgeschichteten Strohlagen bestanden. Der Rauch stieg zwischen zwei der Hütten von einer Stelle auf, die ihren Blicken verborgen war.

Waren sie möglicherweise Rachel Lane schon so nahe? Befand sie sich etwa dort unten, hörte zu, was die Indianer berichteten, und überlegte, wie sie sich verhalten sollte? Würde sie einen Krieger schicken, um die beiden Besucher abzuholen, oder zu ihrer Begrüßung selbst durch die Bäume herbeikommen?

»Es ist nur eine kleine Ansiedlung«, sagte Nate und bemühte sich, keine Bewegung zu machen.

»Vielleicht gibt es noch mehr Hütten.«......

»Was tun die Ihrer Ansicht nach gerade?«

»Sie reden miteinander.«

»Ich spreche das nur ungern an, aber wir müssen allmählich an Aufbruch denken. Wir sind vor achteinhalb Stunden losgefahren. Ich würde Welly gern wiedersehen, bevor es dunkel wird.«

»Kein Problem. Auf dem Rückweg fahren wir mit der Strömung. Außerdem kenne ich jetzt den Weg. Da geht es viel schneller. «

»Sorgen machen Sie sich keine?«

Jevy schüttelte den Kopf, als hätte er nie daran gedacht, was es bedeuten könnte, den Cabixa im Dunkeln hinabzufahren. Nate hatte das schon getan. Besonders große Sorge machten ihm die beiden ausgedehnten Seen, die sie

durchquert hatten, mit ihren vielen Zuflüssen, die schon tagsüber völlig gleich ausgesehen hatten.

Sein Plan war einfach. Er wollte Ms. Lane guten Tag sagen, ihr kurz den Hintergrund berichten, die erforderlichen juristischen Erläuterungen abgeben, ihr die Papiere zeigen, ihre wichtigsten Fragen beantworten, sie unterschreiben lassen, ihr danken und die Zusammenkunft so rasch wie möglich beenden. Die fortgeschrittene Tageszeit, das Stottern des Außenbordmotors und die Rückfahrt zur Santa Loura bereiteten ihm Kopfzerbrechen. Wahrscheinlich würde die Frau reden wollen, aber vielleicht ja auch nicht. Vielleicht würde sie kaum etwas sagen, lediglich die Eindringlinge auffordern, zu verschwinden und nie wiederzukommen.

Sie kletterten vom Baum herunter. Kaum hatte Nate es sich zu einem Schläfchen im Boot gemütlich gemacht, als Jevy die Indianer kommen sah. Er sagte etwas, zeigte zum Waldrand hinüber, und Nate sah dorthin.

Hinter ihrem Führer, dem ältesten der Guato, den er bisher gesehen hatte, näherten sie sich im Gänsemarsch dem Fluss. Der Mann war untersetzt, wohlbeleibt und hielt etwas in der Hand, das wie ein langer Stock außah. Eine gefährliche Waffe schien es nicht zu sein. Von der Spitze hingen hübsche Federn herab, und Nate vermutete, dass es sich einfach um eine Art Zeremonialspeer handelte.

Der Anführer fasste die beiden Eindringlinge kurz ins Auge und richtete seine Worte an Jevy.

»Was wollt ihr hier?« fragte er auf portugiesisch. Sein Gesichtsausdruck war nicht freundlich, aber er wirkte auch nicht feindselig. Nate musterte aufmerksam den Speer.

»Wir sind auf der Suche nach einer amerikanischen Missionarin«, erklärte Jevy.

»Woher kommt ihr?« Während der Häuptling diese Frage stellte, sah er zu Nate hinüber.

»Corumba.«

»Und er?« Alle Augen ruhten auf Nate.

»Er ist Amerikaner. Er sucht die Frau.«

»Und warum?«

Das war der erste Hinweis darauf, dass die Indianer möglicherweise wussten, wo sich Rachel Lane befand. Hielt sie sich womöglich irgendwo hinten im Dorf verborgen, oder hörte sie gar, im Wald versteckt, das Gespräch mit an?

Jevy erklärte umständlich, dass Nate eine lange, gefahrvolle Reise hinter sich gebracht und dabei fast das Leben verloren hatte. Die Sache sei für die Amerikaner von großer Bedeutung, etwas, das weder er, Jevy, noch die Indianer verstehen konnten.

»Ist sie in Gefahr?«

»Nein. Überhaupt nicht.«

»Sie ist nicht hier.«

»Er sagt, dass sie nicht hier ist«, sagte Jevy zu Nate.

» Sagen Sie ihm, dass ich ihn für einen verlogenen Mistkerl halte«, forderte Nate ihn leise auf.

»Das glaube ich nicht.«

»Habt ihr je eine Missionarin hier in der Gegend gesehen?« fragte Jevy Der Anführer schüttelte den Kopf.

»Habt ihr je von einer gehört?«

Zuerst kam keine Antwort. Die Augen des Mannes verengten sich, während er Jevy abschätzend ansah, als wolle er fragen: Kann man diesem Mann trauen? Dann nickte er kaum wahrnehmbar.

»Wo ist sie?« fragte Jevy.

»Bei einem anderen Stamm.«

»Wo?«

Er sagte, er sei nicht sicher, wies dann aber nach Nordwesten. Irgendwo in dieser Richtung, sagte er und beschrieb mit seinem Speer einen Bogen über das halbe Pantanal.

»Guato?« fragte Jevy.

Der Mann verzog finster das Gesicht und schüttelte den Kopf, als wohne sie inmitten von Menschen, mit denen er nichts zu tun haben wollte. »Ipicas«, sagte er verächtlich.

»Wie weit fort?«

»Einen Tag.«

Jevy versuchte, ihn auf eine genaue Zeitangabe festzulegen, erfuhr aber bald, dass Stunden den Indianern nichts bedeuteten. Ein Tag hatte weder vierundzwanzig noch zwölf Stunden, sondern war einfach ein Tag. Er versuchte es mit dem Begriff halber Tag und kam ein wenig weiter.

»Zwölf bis fünfzehn Stunden«, sagte er zu Nate.

»Wenn man in einem dieser kleinen Kanus fährt, oder?« flüsterte Nate.

»Ja.«

»Und wie schnell schaffen wir das dann?«

»In drei bis vier Stunden. Immer vorausgesetzt, wir finden die richtige Stelle.«

Jevy holte zwei Karten heraus und breitete sie im Gras aus. Neugierig drängten sich die Indianer herbei und hockten sich dicht um ihren Anführer auf den Boden.

Um zu wissen, wohin sie fahren mussten, war es vor allem wichtig, festzustellen, wo sie sich befanden. Dabei erlebten sie eine böse Überraschung, denn der Anführer teilte ihnen mit, dass es sich bei dem Fluss, auf dem sie gekommen waren, nicht um den Cabixa handele. Irgendwann nach ihrer Begegnung mit dem Angler hatten sie

eine falsche Abzweigung genommen und waren über die Guato gestolpert. Diese Mitteilung traf Jevy schwer, und er gab sie im Flüsterton an Nate weiter. Nate war erschrocken; immerhin hatte er Jevy sein Leben anvertraut. Da bunte Flusskarten den Indianern wenig bedeuteten, verloren sie jegliches Interesse daran, als Jevy begann, seine eigene Karte zu zeichnen. Er fing mit dem namenlosen Fluss an, an dessen Ufer sie sich befanden, und arbeitete sich, während er unaufhörlich mit dem Häuptling redete, allmählich nach Norden vor. Der Häuptling ließ sich von zwei jungen Männern informieren, glänzende Fischer, wie er Jevy mitteilte, die gelegentlich zum Paraguay fuhren.

»Heuern Sie sie an«, flüsterte Nate.

Das versuchte Jevy, erfuhr aber im Verlauf der Verhandlungen, dass die beiden die Ipicas noch nie gesehen hatten, keinen großen Wert darauf legten, nicht genau wussten, wo sie sich aufhielten, und auch nicht verstanden, was es bedeutete, für eine Arbeit bezahlt zu werden. Außerdem wollte der Häuptling nicht, dass sie fortgingen.

Die Strecke führte von einem Fluss zum nächsten, wandte sich nach Norden, bis sich der Häuptling und die Fischer nicht mehr darauf einigen konnten, wie es weitergehen sollte. Jevy verglich das von ihm Gezeichnete mit den Angaben auf seinen Karten.

»Wir haben sie gefunden«, sagte er zu Nate.

»Wo?«

»Hier ist eine Ipica-Siedlung«, sagte er und zeigte auf eine Karte. »Südlich von Porto Indio, am Fuß der Berge. Mit der Wegbeschreibung der Indianer hier kommen wir ziemlich nahe dahin.«

Nate beugte sich vor und betrachtete aufmerksam die eingezeichneten Hinweise. »Und wie machen wir das?« »Ich denke, dass wir am besten zur Santa Loura zurückkehren und einen halben Tag lang auf dem Paraguay nordwärts fahren. Dann nehmen wir wieder das kleine Boot, um die Ansiedlung aufzusuchen.«

Der Paraguay kam ihrem Zielgebiet mit einer Flusswindung ziemlich nahe, und Nate gefiel der Gedanke, mit der Santa Loura dort hinzufahren. »Wie viele Stunden im Beiboot sind es dann noch?« fragte er.

»Ungefähr vier.«

Ungefähr konnte in Brasilien alles mögliche bedeuten, doch schien die Entfernung kürzer zu sein als die, die sie seit dem frühen Morgen zurückgelegt hatten.

»Worauf warten wir dann noch?« fragte Nate, erhob sich und lächelte den Indianern zu.

Jevy dankte den Indianern ausführlich, während er seine Karten zusammenfaltete. Jetzt, als die Fremden im Begriff waren aufzubrechen, wurden die Indianer entgegenkommend und wollten sich von ihrer gastfreundlichen Seite zeigen. Sie boten ihnen zu essen an, was Jevy ablehnte. Er erklärte, sie hätten es eilig, da sie den großen Fluss vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wollten.

Nate lächelte ihnen zu, während er sich an den Fluss zurückzog. Die Indianer wollten das Boot in Augenschein nehmen. Sie standen am Ufer und beobachteten mit großer Neugier, wie Jevy den Motor startklar machte. Als er ihn anspringen ließ, traten sie einen Schritt zurück.

Der Fluss, ganz gleich, wie er heißen mochte, sah in der Gegenrichtung völlig anders aus. Als sie sich der ersten Biegung näherten, warf Nate einen Blick über die Schulter und sah die Guatö, die nach wie vor im Wasser standen.

Es war fast vier Uhr nachmittags. Mit etwas Glück konnten sie die großen Seen vor Einbruch der Dunkelheit durchqueren und den Cabixa erreichen. Welly würde mit Bohnen und Reis auf sie warten. Während Nate diese Gedanken durch den Kopf gingen, spürte er die ersten Regentropfen.

Die Störungen am Motor rührten nicht von verschmutzten Zündkerzen her. Fünfzig Minuten nachdem sie die Rückfahrt angetreten hatten, gab er den Geist auf. Das Boot trieb mit der Strömung, während Jevy die Abdeckung abnahm und dem Vergaser mit einem Schraubenzieher zu Leibe rückte. Nate fragte, ob er helfen könne, und erfuhr, dass das nicht der Fall sei. Jedenfalls nicht, was den Motor betraf. Allerdings könne er einen Eimer nehmen und anfangen, das Regenwasser auszuschöpfen. Außerdem könne er mit Hilfe eines Paddels versuchen, das Boot in der Mitte des Flusses zu halten, wie auch immer er heißen mochte.

Er tat beides. Die Strömung trug sie flussabwärts, wenn auch weit langsamer, als es Nate lieb war. Es regnete immer wieder mit Pausen. Die Wassertiefe nahm stark ab, als sie sich einer scharfen Biegung näherten, doch war Jevy so in seine Arbeit vertieft, dass er nichts davon merkte. Das Boot nahm Fahrt auf und wurde von den Stromschnellen einem Dickicht entgegengeschoben.

»Ich brauche Hilfe«, sagte Nate.

Jevy nahm das andere Paddel zur Hand. Er drehte das Boot so, dass es mit dem Bug auflief und nicht kenterte. »Halten Sie sich fest«, sagte er, während sie mit voller Fahrt ins Dickicht rauschten. Ranken und Äste peitschten in Nates Gesicht, und er versuchte, sie mit dem Paddel abzuwehren.

Eine kleine Schlange fiel neben seiner Schulter ins Boot. Er sah sie nicht. Jevy schob sein Paddel darunter und schleuderte sie in den Fluss zurück. Es war am besten, den Zwischenfall nicht zu erwähnen.

Einige Minuten lang kämpften sie mit der Strömung und gegeneinander. Irgendwie schaffte Nate es, Wasser in alle möglichen falschen Richtungen zu schieben; seine Begeisterung für das Paddeln brachte das Boot immer wieder in unmittelbare Gefahr zu kentern.

Als das Boot wieder frei war, nahm Jevy beide Paddel an sich und erteilte Nate den Auftrag, sein Regencape auszubreiten und über den Motor zu halten, damit der Vergaser nicht nass wurde. So stand er wie eine Art

Schutzengel mit ausgebreiteten Armen da, einen Fuß auf einem Benzinkanister und den anderen auf dem Bootsrand, starr vor Angst.

Jetzt konnte sich Jevy wieder an die Reparatur machen. Volle zwanzig Minuten verstrichen quälend langsam, während sie steuerlos den schmalen Fluss hinabtrieben. Mit dem Phelan-Nachlaß hätte man jeden neuen Außenbordmotor in ganz Brasilien kaufen können, und da stand Nate und sah zu, wie ein Hobbymechaniker einen Motor zu reparieren versuchte, der älter war als er selbst.

Nachdem Jevy alles wieder zusammengeschraubt hatte, machte er sich eine Ewigkeit an der Drosselklappe zu schaffen. Nate entfuhr ein Stoßgebet, als Jevy am Anlasserzug riss. Beim vierten Mal geschah das Wunder. Der Motor lief, wenn auch nicht so rund wie zuvor. Es gab immer wieder Zündaussetzer, und Jevy verstellte die Bowdenzüge, ohne dass es viel genützt hätte.

»Wir müssen langsamer fahren«, sagte er, ohne Nate anzusehen.

»Von mir aus. Solange wir nur wissen, wo wir sind.« »Kein Problem.«

Das Gewitter schob sich über die Berge Boliviens heran und stürmte dann ins Pantanal hinab, ähnlich der Front, die sie im Flugzeug fast umgebracht hätte. Nate saß, tief ins Boot gedrückt, in der Sicherheit seines Regencapes und suchte den Fluss im Osten ab, bemüht, irgend etwas zu entdecken, das er schon einmal gesehen hatte. Dann erfasste der erste Windstoß das Boot, und der Regen begann erbarmungslos hernieder zuprasseln. Langsam drehte sich Nate um und blickte hinter sich. Jevy hatte bereits gesehen, was da heranzog, aber nichts gesagt.

Der Himmel war dunkelgrau, fast schwarz. Wolken schoben sich fast in Bodenhöhe heran, so dass man die Berge nicht mehr sehen konnte. Der Regen durchnässte sie immer mehr. Nate fühlte sich ausgeliefert und völlig hilflos.

Nirgendwo gab es einen Unterschlupf, keinen Hafen, in dem man anlegen und auf das Ende des Unwetters warten konnte. Kilometerweit um sie herum war in allen Richtungen nichts als Wasser zu sehen. Sie befanden sich inmitten einer gewaltigen Wasserfläche, lediglich die Spitzen von Buschwerk und Bäumen leiteten sie durch die Flüsse und Sümpfe. Sie hatten keine Wahl, als im Boot zu bleiben.

Eine Bö trieb das Boot voran, während ihnen der Regen auf den Rücken prasselte. Der Himmel wurde noch dunkler. Am liebsten hätte sich Nate unter der Aluminiumsitzbank zusammengerollt, das aufblasbare Kissen umklammert und sich unter seinem Regencape versteckt. Aber zu seinen Füssen stieg das Wasser bereits. Ihre Vorräte wurden nass. Er griff den Eimer und begann, Regenwasser aus dem Boot zu schöpfen.

Sie gelangten an eine Abzweigung, von der Nate überzeugt war, dass sie sie auf dem Hinweg nicht gesehen hatten, und schließlich an einen Zusammenfluss, den sie kaum erkennen konnten. Jevy nahm das Gas zurück und betrachtete prüfend die Wasserläufe, dann gab er wieder Gas und fuhr scharf nach rechts, als wisse er genau, wohin sein Weg führe. Nate war überzeugt, dass sie sich verfahren hatten.

Nach wenigen Minuten endete der Fluss in einer Ansammlung verrottender Baumstämme - ein eindrucksvolles Bild, das sie zuvor nicht gesehen hatten. Rasch wendete Jevy das Boot. Jetzt jagten sie dem Gewitter entgegen. Der schwarze Himmel bot einen fürchterlichen Anblick, und das Wasser des Flusses trug weiße Schaumkronen. Als sie die Abzweigung wieder erreicht hatten, berieten sie eine Weile miteinander, gegen Wind und Regen anbrüllend, und entschieden sich dann für einen anderen Fluss.

Unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit durchquerten sie eine große, überschwemmte Ebene, die aussah wie der See, an dessen Rand sie den Angler im Röhricht gesehen hatten. Er war nicht da.

Jevy fuhr in einen der Zuflüsse hinein, als sei ihm dieser Teil des Pantanal von tagtäglichen Fahrten vertraut.

Dann zuckten Blitze auf, und eine Zeitlang konnten sie fast sehen, wohin sie fuhren. Der Regen ließ nach. Allmählich zog das Gewitter ab.

Jevy stellte den Motor ab und musterte die Ufer.

»Was haben Sie vor?« fragte Nate. Während des Gewitters hatten sie sich kaum unterhalten. Es war klar, dass sie sich hoffnungslos verfahren hatten, aber Nate wollte Jevy nicht zwingen, das zuzugeben.

»Wir könnten ein Lager aufschlagen«, sagte Jevy. Es war eher ein Vorschlag als ein Plan.

»Warum?«

»Weil wir irgendwo schlafen müssen.«

»Das können wir doch abwechselnd hier im Boot tun«, regte Nate an. »Da ist es sicherer.« Er sagte das mit der Überzeugung eines erfahrenen Flusslotsen.

»Möglich. Trotzdem denke ich, dass wir hier anlegen sollten. Wenn wir im Dunkeln weiterfahren, könnten wir uns verirren.«

Wir haben uns schon vor drei Stunden verirrt, hätte Nate am liebsten gesagt.

Jevy steuerte auf ein mit Büschen bestandenes Ufer zu. Während das Boot stromab dahintrieb, suchten sie mit ihren Taschenlampen das flache Wasser ab. Zwei unmittelbar über der Wasseroberfläche glimmende kleine rote Punkte hätten bedeutet, dass auch ein Kaiman Wache hielt, aber zum Glück sahen sie keinen. Sie machten das Boot mit einem Seil an einem kräftigen Ast wenige Meter vom Ufer entfernt fest.

Zum Abendessen gab es halbtrockenes Salzgebäck, eingelegte kleine Fische aus der Dose, die Nate noch nicht kannte, Bananen und Käse.

Als der Wind aufhörte, kamen die Moskitos. Nate rieb sich Hals und Gesicht, ja sogar Augenlider und Haare, mit Insektenschutzmittel ein. Die winzigen Tiere waren flink und tückisch und zogen in kleinen schwarzen Wolken von einem Ende des Boots zum anderen. Obwohl es nicht mehr regnete, hatte keiner der beiden Männer sein

Regencape ausgezogen. Soviel Mühe sich die Moskitos auch gaben, dessen Kunststoff konnten sie nicht durchdringen.

Etwa eine Stunde vor Mitternacht klarte der Himmel ein wenig auf, doch war vom Mond nichts zu sehen. Der Fluss schaukelte das Boot sacht. Jevy bot sich an, die erste Wache zu halten, und Nate versuchte, eine Stellung zu finden, in der er ein wenig dösen konnte. Er legte den Kopf auf das Zelt und streckte die Beine aus. Dabei entstand ein kleiner Spalt in seinem Cape, und sogleich stürzten sich ein Dutzend Moskitos darauf, um ihm Blut aus der Seite zu zapfen. Irgend etwas platschte im Wasser, vielleicht ein Reptil. Das kleine Aluminiumboot war nicht dafür geschaffen, dass sich jemand darin ausstreckte.

Von Schlaf konnte keine Rede sein.

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