XX

Lachlans Schiff war schon aus dem Hafen ausgelaufen, als sie am nächsten Morgen aufstanden und sich weiter um ihre Geschäfte kümmerten. Vallon heuerte einen Lotsen an, der sie nach Orkney bringen würde, ohne auf Snorris wütenden Protest zu hören. Der Statthalter hatte darauf bestanden, dass sie einen Steuermann mitnehmen sollten, der mit den trügerischen Strömungen um die Inseln vertraut war. Der Lotse hieß David, ein dunkelhaariger, melancholischer Pikte, der Englisch und Nordisch sprach und auf seinen Handelsfahrten schon jeden Hafen zwischen Lowestoft und den Färöern angesteuert hatte. Der Statthalter hatte sie auch mit Händlern aus der Gegend bekannt gemacht. Am dritten Tag nach dem Hundekampf war der Laderaum mit ihren Waren halb gefüllt. Abgesehen von den Holzbalken, führte die Shearwater Malz, Salz, eine Tonne Roheisen und Dutzende Tongefäße für den Haushalt.

An diesem Abend kam der französischsprechende Sekretär des Statthalters in ihre Unterkunft und bat um ein Gespräch unter vier Augen. Vallon nahm ihn mit hinauf in sein Zimmer und schloss die Tür. Der Sekretär lehnte ein Getränk ab und zog es vor zu stehen.

«Heute Nachmittag», sagte er, «haben wir vom Sitz des Königs in Edinburgh Nachricht von einer Bande Vogelfreier erhalten, die, nachdem sie in England gewütet haben, mit dem Schiff nach Schottland geflohen sind. Da der König die guten Beziehungen mit dem Nachbarn zu erhalten wünscht, hat er Befehl an seine Statthalter erlassen, sämtliche aus dem Süden ankommende Schiffe festzuhalten. Sofern sich der Verdacht ergibt, dass die Besatzung eines Schiffes der Beschreibung dieser Gesetzesbrecher entspricht, sollen sie zur Befragung und bis zu ihrer Auslieferung in die Hauptstadt gebracht werden.»

Vallon ging zum Fenster hinüber und schaute auf den verlassenen Kai hinunter. «Und wie sehen diese Leute aus?»

«Ihr Anführer ist ein französischer Söldner, und seine Mannschaft besteht aus Angehörigen verschiedener Länder. Sie haben sogar einen normannischen Verräter dabei. Und einen wilden Hund von ungewöhnlicher Größe.»

Vallon drehte sich um. «So eine Mannschaft wäre kaum zu übersehen.»

«Nein. Wie es der Zufall will, wurde der Statthalter in Amtsangelegenheiten weggerufen, bevor das Schreiben eintraf, und konnte sich der Sache daher nicht sofort annehmen. Er wird nicht vor morgen früh zurück sein, dann aber, versteht sich, die Befehle des Königs mit aller gebotenen Eile ausführen.»

Vallon schnalzte mit der Zunge. «Wie bedauerlich, dass ich mich nicht von Seiner Exzellenz verabschieden und ihr für all die Freundlichkeit danken kann. Wir haben nämlich unsere Handelsgeschäfte hier abgeschlossen und werden noch heute Abend die Segel setzen. Es bleibt uns lediglich, unsere persönlichen Gegenstände an Bord zu bringen.»

Der Sekretär nickte und ging zur Tür. Dort blieb er mit der Hand auf dem Riegel noch einmal stehen. «Von Süden kommt gutes Wetter. Zwei Segeltage sollten Euch aus der Reichweite des königlichen Erlasses bringen. Wenn ich an Eurer Stelle wäre, würde ich davor nirgends an Land gehen.»

Sie verbeugten sich knapp voreinander, und der Sekretär ging. Vallon wartete am Fenster, bis seine Schritte auf dem Pflaster verklungen waren, dann hastete er an die Treppe und rief hinunter: «Raul! Wayland! Alle hören zu! Bewegt euch! Wir segeln heute Abend ab!»

Als die Waffenknechte des Statthalters früh am nächsten Morgen zum Kai gingen, fanden sie die Unterkunft verlassen und den Liegeplatz der Shearwater leer. Eine Hand deutete in Richtung der aufgehenden Sonne, und der Milizhauptmann konnte gerade noch den Umriss eines Seglers auf Nordkurs ausmachen.

Zurück auf See, musste sich die Mannschaft wieder an die Alltagsroutine auf dem Schiff gewöhnen. In der Woche an Land hatten sie sich erholt, und sie sahen ihrer Reise guten Mutes entgegen. Sie widmeten sich ihren Pflichten, arbeiteten gut zusammen, waren aber auch selbstbewusst genug, um auf eigene Initiative zu handeln. Als Vallon beobachtete, wie Garrick das Ende einer Want um eine Klampe schlug, konnte er kaum glauben, dass dieser Mann vor einem Monat zum ersten Mal den Fuß auf ein Schiff gesetzt hatte. Alles in allem war Vallon zufrieden. Der April war dem Mai mit seinen langen Dämmerungen gewichen. Die Shearwater legte achtzig Meilen am Tag zurück. Am nächsten Tag um dieselbe Zeit wären sie außerhalb von Drogos Reichweite.

Nur eine einzige Wolke verdüsterte die Zukunft. Alle waren sich ihrer bewusst, doch niemand sprach sie an. Schließlich gingen Hero und Richard zu Vallon, der im Bug stand und träumerisch übers Meer sah. Die beiden waren angespannt, keiner von ihnen wollte das Wort ergreifen. Richard hielt ein Bündel Papiere in der Hand. Vallon bat sie, sich mit ihm hinzusetzen.

«Wie ich sehe, habt ihr den Tag damit verbracht, unsere Kontenführung auf den neuesten Stand zu bringen. Wie sieht es aus?»

«Nach all unseren Ausgaben haben wir nur noch etwas mehr als sechzig Pfund übrig. Ich kann die Geldausgänge einzeln nennen, wenn Ihr möchtet.»

«Nicht nötig», sagte Vallon. Sechzig Pfund war weniger, als er erwartet hatte. «Was schätzt ihr, wie viel unsere Ladung in Island einbringt?»

«Wir werden bestimmt Gewinn machen – in Sachleistungen.»

«Und darin besteht das Problem», sagte Hero. «Die Isländer zahlen nicht mit Geld. Wir werden kein Silber einnehmen, bevor wir in Norwegen oder Rus sind. Bis dahin könnte aber möglicherweise unsere Kasse leer sein. Wir werden ein Schiff mieten müssen, um nach Island zu kommen, und dann noch eins, um weiter nach Süden zu fahren. Raul denkt, wir können von Glück reden, wenn wir einen Schiffsmeister finden, der uns pro Überfahrt weniger als dreißig Pfund berechnet. Aber damit fließt unser gesamtes Geld allein in den Transport.»

Syth kochte auf dem Achterdeck, und appetitanregende Düfte zogen zu Vallon herüber. «Ich weiß, dass ihr nicht mit diesem Problem zu mir gekommen wärt, wenn ihr euch keine Lösung überlegt hättet.»

Hero warf Richard einen Seitenblick zu. «Wir sind sicher, dass Ihr schon darüber nachgedacht habt, als Ihr David angeheuert habt.»

Vallon mimte Unverständnis. «Ich habe David nur als Lotsen für das erste Stück bis Orkney angeheuert.»

Die beiden jungen Männer wechselten erneut einen Blick. «Er würde auch bis zu den Färöern auf dem Schiff bleiben», sagte Hero. «Wenn David navigiert, können wir Orkney auslassen.»

Vallon gab seine Schauspielerei auf. «Ihr schlagt vor, dass wir Snorris Schiff stehlen.»

Richards Geburtsmal verdunkelte sich. «Wenn wir nicht auf der Shearwater bleiben, geht uns das Geld aus, bevor wir am Ziel unserer Reise sind.»

«Und was soll aus Snorri werden?»

Hero rückte ein Stück näher an Vallon heran. «Setzt ihn mit dem an Land, was wir ihm schulden. Zahlt ihm einen Ausgleich, wenn Ihr es wünscht. Mit zwanzig Pfund kann er in Norwegen einen sehr guten Neuanfang machen.»

Vallon blickte übers Meer. Sie hatten das Kap umrundet, das die nördlichste Grenze des schottischen Königreichs bildete, und nun standen sie am Anfang der langen Passage westwärts Richtung Sutherland und Caithness. «Unsere nächste Landung wird auf norwegischem Territorium stattfinden. Wenn ich Snorri unter seinesgleichen aussetze, wird er uns wegen Diebstahls verfolgen lassen. Und nachdem Island durch Blutsbande und den Handel mit Norwegen verbunden ist, wird er seine Sache gegen uns auch dort betreiben.»

Hero und Richard sagten nichts darauf.

«Ihr findet, ich sollte ihn umbringen.»

Richard zog den Kopf ein und blinzelte, als hätte er etwas im Auge. Hero antwortete in drängendem Flüsterton. «Wayland und Raul sind sicher, dass uns Snorri aufs Kreuz legen will. Als wir im Hafen gelegen haben, hat ihn Raul mit einer norwegischen Schiffsmannschaft reden sehen, die ein paar Tage vor uns Richtung Orkney abgesegelt ist. Raul sagt, er hätte sich bei den Blicken, die ihm die Männer zugeworfen haben, gefühlt wie eine Gans kurz vor dem Rupfen.»

Vallon musterte das Schiff. Snorri lehnte am Ruder. Raul stand hinter ihm, ließ das Ende eines Taus vor sich kreisen, und beobachtete unauffällig die Zusammenkunft im Bug.

«Wenn wir ihn ermorden, würde dieses Verbrechen unser ganzes Vorhaben vergiften. Wie könnten wir so etwas auf unser Gewissen laden? Und David würde nicht mit Männern arbeiten, die den Schiffsmeister ermordet haben.»

«Ich möchte natürlich keinen einzigen Toten auf dem Gewissen haben», sagte Richard. «Wir dachten einfach, Ihr solltet unsere Bedenken kennen.»

«Ich teile sie, und ich glaube, ich habe eine Lösung. Sie wird allerdings teuer werden. Jetzt schaut nicht mehr so schuldbewusst, und richtet Snorri aus, dass ich mit ihm reden will.»

Als er den Norweger nach vorn kommen sah, fragte sich Vallon, ob Snorri wohl wusste, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing. Er war selbstbewusster geworden und gab sich weniger schmeichlerisch, seit sie aus dem Hafen von St. Andrews ausgelaufen waren.

Vallon heuchelte Freundlichkeit und sprach übers Wetter und den Segelkurs, bevor er zur Sache kam. «Hast du immer noch vor, unsere Zusammenarbeit zu beenden, wenn wir in Orkney sind?»

«Ja, ich will nach Hause zurück.»

«Angenommen, ich erhöhe mein ursprüngliches Angebot – ein Drittel von allem, was wir durch den Handel verdienen. Das sind in jeder Hinsicht großzügige Bedingungen.»

«Ich kann in Orkney eigene Ladung aufnehmen. Um diese Jahreszeit fahren die Handelsschiffe wieder los. Kein Problem, in Kirkwall ein neues Schiff zu finden. Ich such’s selber für Euch.»

«Und wie viel wird es kosten?»

«Zwanzig Pfund.»

«Und noch mal zwanzig bis Norwegen.»

«Ja. So um den Dreh.»

Vallon dachte über die Summen nach. «Ich sag dir was. Ich gebe dir vierzig Pfund als Kaufpreis für die Shearwater. Und zwar zusätzlich zu der Summe, die wir dir schon schulden. Damit haben wir zwar kaum noch etwas in der Kasse, aber wir können uns frei bewegen. Mit fünfzig Pfund in bar kannst du dir ein Schiff kaufen, das genauso gut ist wie die Shearwater, und hast sogar noch Silber übrig.»

Snorri schüttelte schon den Kopf, bevor Vallon zu Ende gesprochen hatte. «Ich verkauf die Shearwater zu keinem Preis.»

Nun machte Vallon sein äußerstes Angebot. «Also gut. Du musst dich nicht von ihr trennen. Wenn du damit einverstanden bist, uns auf unserer Reise zu begleiten, bekommst du die vierzig Pfund – und ein Drittel der Gewinne und dein Schiff zurück, wenn wir in Rus sind. Ein besseres Angebot kann sich niemand träumen lassen. Ich würde den Vertrag in jedem Hafen deiner Wahl amtlich bestätigen lassen. Was sagst du?»

Während er Snorri beim Kopfrechnen zusah, glaubte Vallon, ihn an der Angel zu haben. Er fragte sich, ob er nicht zu viel geboten hatte.

Doch dann verzog sich Snorris Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. «Eure Lage is ziemlich verzweifelt, was? Jetzt ist Euch das Getue von oben herab vergangen.» Er stampfte mit dem Fuß auf. «Ich sage nein zu dem Angebot. Hätt mir’s vielleicht überlegt, wenn Ihr mich nich so schlecht behandelt hättet, mehr Respekt gezeigt hättet, Euer Wort mit dem Mädchen gehalten hättet.»

«Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Grund», sagte Vallon und stand auf. «Als wir uns kennengelernt haben, dachte ich, du willst uns betrügen. Ich habe gehofft, du würdest deine Absichten mit der Zeit ändern, aber es fängt an so auszusehen, als wären meine Befürchtungen berechtigt.»

Das Brandmal auf Snorris Stirn wurde dunkelrot. Er schüttelte seinen guten Arm drohend gegen Vallon. «Ich weiß, was Ihr ausheckt. Ihr wollt mir mein Schiff abnehmen. Aber – damit kommt Ihr nicht durch. Ich habe schon eine Nachricht nach Orkney geschickt. Wenn die Shearwater ohne mich ankommt, werdet Ihr wegen Piraterie und Totschlag in Haft genommen. Egal, wie weit Ihr flüchtet, das Gesetz kriegt Euch doch.»

«Ich werde nicht derjenige sein, der unsere Vereinbarung bricht», sagte Vallon. «Wenn du uns sicher nach Orkney gebracht und uns geholfen hast, ein anderes Schiff zu finden, sind deine Verpflichtungen erfüllt, und ich zahle dir, was ich dir schulde.»

«Das will ich Euch auch raten.» Snorri trat von einem Fuß auf den anderen, er wusste, dass Vallon noch nicht fertig war.

Vallon starrte an ihm vorbei. «Aber wenn ich einen Beweis dafür finde, dass du nicht vorhast, deinen Teil der Abmachung einzuhalten …» Er lächelte, doch es war ein bedrohlicher Gesichtsausdruck..

Eine weitere Sorge – zumindest für Wayland und Syth – war der Hund. Seine Verletzungen waren schwerer, als es zuerst den Anschein gehabt hatte. Am dritten Tag verweigerte er das Fressen und lag schwer atmend auf der Seite. Am nächsten Morgen war sein Kopf stark angeschwollen, aus den halbgeschlossenen Augen lief ein weißliches Sekret. Hero verschrieb eine Flüssigdiät und Umschläge mit warmem Meerwasser. Vallon hatte wenig für das Tier übrig und wünschte es im Stillen dorthin, wo der Pfeffer wächst. Syth war sehr beunruhigt, verbrachte ihre gesamte freie Zeit mit der Pflege des Hundes und legte ihm feuchte Tücher auf den Kopf, um die Schwellungen zu mildern. Als es nicht besser wurde, löste sie einen Salzklumpen in kochendem Wasser auf. Sie ließ die Lösung kurz abkühlen, sodass man gerade eben die Hand hineintauchen konnte, dann hielt Wayland den Hund fest, während sie ein Tuch mit der heißen Lösung um seine Schnauze band. Der Hund gebärdete sich so wild, dass er seine beiden Pfleger über das Deck zog. Als der Wickel ganz abgekühlt war, erneuerte ihn Syth. Sie hatte das Tuch wohl ein Dutzend Mal um die Schnauze des Hundes gewickelt, bevor eine der Wunden aufbrach und eine eitrige Flüssigkeit zusammen mit einem von Dormarths abgebrochenen Fangzähnen freigab. Syth lief mit dem Zahn auf dem fleckigen Tuch übers ganze Schiff, um ihn jedem zu zeigen, als wäre er ein Stück vom Kreuze Christi.

Bald darauf kam der Hund unsicher wie ein neugeborenes Fohlen auf die Beine und schleckte an einer Schüssel Kleie, die mit Brühe angedickt war. Als sie am nächsten Abend an der Küste von Caithness auf den Strand setzten, war das Tier schon beinahe vollkommen wiederhergestellt, rannte Wassertropfen verspritzend durch die Brandung und scheuchte Möwenschwärme auf. Syth hastete mit ausgebreiteten Armen hinterher, und Wayland lief mit einem verlegenen Grinsen am Strand entlang.

Über Nacht ankerten sie in der Mündung des Flusses Berriedale. David sagte, bei gutem Wind würden sie am folgenden Tag Wick erreichen und wären noch einmal zwei Tage später in Orkney. Vallon beschloss, in Wick nicht anzuhalten, und befahl der Mannschaft, die Wasserfässer zu füllen. Als er früh am nächsten Morgen aufwachte, sah er Wayland mit einem Reh über den Schultern ankommen. Er war vor der Dämmerung aufgestanden und hatte den Bock in einem Wäldchen stromauf geschossen. Alle schlugen sich mit dem Rehfleisch die Bäuche voll, und dann ließen sie sich viel Zeit, um am Flussufer entlangzuwandern und in bernsteinfarbenen Seen unter schiefen Eichen zu baden. Es war, als wüssten sie, dass sie zum letzten Mal einen Fuß auf britisches Ufer setzten.

Die Mittagszeit war schon vorbei, als sie wieder absegelten. Sie hielten sich möglichst dicht an den zerklüfteten Küstenklippen, von denen Wildtauben mit rauschendem Flügelschlag flohen, um nach einer Kehre über dem Schiff wieder auf ihren Felsen herabzuflattern. Rußschwarze Vögel nicht größer als Schwalben flitzten über dem Kielwasser der Shearwater und trippelten mit den Krallenfüßen über die Wasseroberfläche, als seien sie zu schwach, um sich in der Luft zu halten.

«Mutter Careys Hühner», sagte Raul. Dann sah er, dass Vallon mit dem Ausdruck nichts anfangen konnte. «Mutter Carey ist die Meereskönigin. Sie sitzt auf dem Grund und kämmt ihr langes, grünes Haar mit den Rippenbögen ertrunkener Seemänner.» Raul nickte in Richtung des Lotsen, der im Bug stand und zu den hintereinander gestaffelten Landspitzen im Norden hinübersah. Leise fuhr er fort: «David hatte drei Söhne, und die See hat sich jeden einzelnen genommen. Zwei in einem Sturm, den anderen, als ein Fischerboot verunglückte. Sie haben nur einen der Toten wiedergefunden, und dessen Aussehen hatten die Krabben nicht gerade verbessert.»

Vallon sagte nichts darauf. Raul hockte sich so vor ihn, dass Snorri ihre Gesichter nicht sehen konnte. «Hauptmann, wir müssen bald handeln. Nickt mir einfach zu. Ich tue es heute Nacht. Niemand wird es mitbekommen. Morgen früh ist Snorri verschwunden, und am Abend haben ihn alle längst vergessen.»

«Ich werde kein Menschenleben aufgrund eines bloßen Verdachts geringschätzen.»

«Hauptmann, Ihr wisst, dass es mehr ist als ein Verdacht.»

«Wir müssen in Orkney unsere Vorräte auffüllen, und wir werden verhaftet, wenn Snorri nicht bei uns ist. Du tust nichts ohne meinen Befehl.» Vallon schob sich an Raul vorbei, um deutlich zu machen, dass die Diskussion beendet war.

Zwei Tage später setzten sie unter einzelnen Sonnenstrahlen, die durch die Wolkenlücken fielen, über die Meerenge zwischen dem Festland und den Orkney-Inseln. Auf der See türmten sich Wellenberge. Kurz waren über den Wellenkämmen Teile der Inselgruppe zu sehen, dann verschwanden sie wieder, während die Shearwater in das nächste Wellental hinabtauchte. David hatte die Überfahrt so geplant, dass sie den heftigsten Gezeitenströmungen, die durch die Passage zogen, nicht ausgesetzt waren. Doch auch so schlingerte und krängte die Shearwater in den Gegenströmungen und wechselseitig gegen das Schiff laufenden Brechern. Sie umfuhren einen Strudel, der David zufolge von einer Seehexe aufgepeitscht wurde, die auf einer riesenhaften Mühle das Salz für die Weltmeere mahlte. Im Osten glitt eine langgestreckte Insel vorbei. Tristes Sumpfland, unterbrochen von grünen Weiden, und gelegentlich eine Torfhütte. Vom Wind gebeugte Krüppelbäume. Zwei Jungen ritten ohne Sattel auf einem Pferd parallel zu ihnen am Strand entlang, bis hin zu dem Vorgebirge am Ende der Insel, von wo aus sie ihnen nachwinkten, bis sie außer Sicht waren.

Die Shearwater segelte zwischen Landspitzen in ein weites Meeresbecken, das von weiteren Inseln umringt war. Die größte erstreckte sich über den gesamten Norden. «Horse Island», sagte Raul. «Kirkwall liegt auf der anderen Seite. David meint, wir brauchen noch den ganzen Tag, um uns um die Insel herumzuarbeiten.»

Vallon fühlte sich von den blitzenden Wellen und den Schiffsschwankungen etwas benommen. «Ich versuche ein bisschen Schlaf zu bekommen.»

Er rollte sich wie ein Hund zusammen und döste unter den Schreien der Möwen ein. Als er leicht tranig wieder aufwachte, fädelte sich die Shearwater gerade in eine Fahrrinne zwischen zwei Inseln ein. Delfine schossen pfeilschnell unter Wasser neben dem Schiff her. David und Raul standen im Bug, helle Aureolen bildeten sich jedes Mal hinter ihnen, wenn die Shearwater einen Wellenkamm durchbrach. Vallon trank eine Schöpfkelle Wasser und ging nach vorn.

Raul nickte zu der Insel auf der Backbordseite hin. «Sind fast da. Wir sind um Horse Island herum. Kirkwall liegt in einer Bucht am anderen Ende dieses Kanals. Aber denkt dran, Hauptmann, sobald wir an Land sind, kann Snorri bestimmen, wie es mit uns weitergeht.»

«Wir werden nicht in den Hafen einlaufen. Frag David, ob er einen Ankerplatz in der Nähe kennt – eine unbewohnte Insel wäre am besten.»

Vallon beobachtete Snorri, während Raul mit David sprach.

Dann kam Raul zurück. «Ein paar Meilen nördlich des Hafens gibt es eine kleine Insel. Früher haben sie dort Diebe und Hexen ausgesetzt. Jetzt sind nur noch Schafe dort.»

Vallon ging zu Snorri. «David kennt eine Insel, bei der wir heute Abend ankern können. Ich laufe nicht in Kirkwall ein, solange ich nicht weiß, mit was für einem Empfang wir dort rechnen müssen. Du kannst an Land gehen, wenn du willst.»

«Ihr haltet mich wohl für einen Schwachkopf. Sobald ich von Bord bin, sucht ihr das Weite.»

«Snorri, wenn ich dein Schiff stehlen wollte, hätte ich nicht gewartet, bis mir deine Landsleute dabei zusehen können. Übrigens geht David. Wir werden ohne Lotsen niemals nach Island finden.»

Eine Gestalt tauchte auf einer Klippe von Horse Island auf. Vallon sah, wie sich der Mann umdrehte und ein Signal landeinwärts gab.

«Thieves Holm», rief Raul. Sie waren an der Diebsinsel.

Die Insel bestand nur aus ein paar Morgen Land, das sich wenige Fuß über die Flutlinie hob und mit grobem Dünengras bewachsen war. Als sie darauf zufuhren, kam am Ende einer Richtung Süden gelegenen Bucht Kirkwall in Sicht. Vallon sah eine Kirche und weit auseinanderliegende Bauerngehöfte. Im Hafen ankerten ein paar Schiffe. Raul und Wayland begannen, das Segel herunterzulassen. Seehunde zogen sich ins Wasser, und eine Herde verwilderter Schafe, die Tang gefressen hatte, sprang davon. David ließ den Anker fallen, und sie ruderten ans Ufer. Vallon ging an Land und stellte fest, dass ihm seine Füße nicht gehorchten und in Luft traten, statt fest auf dem Boden aufzukommen. Er fiel hin. Die Übrigen sammelten sich um ihn. Nur Snorri war an Bord der Shearwater geblieben.

Vallon beobachtete ihn dabei, wie er sie beobachtete. «Raul, ich will, dass David mit Snorri an Land geht und ihm heimlich folgt. Ich will wissen, mit wem er sich trifft und ob er sich bemüht, ein Schiff für uns zu suchen.» Vallon tastete unter seinem Kittel herum und zog einen Beutel hervor. «Das ist doppelt so viel, wie wir ausgeben wollen.»

«Segelboot von Kirkwall kommend», sagte Wayland.

Vallon sah dem Boot entgegen. «Neun Männer an Bord. Für ein Fischerboot sind das zu viele.»

«David meint, es ist der Hafenmeister», sagte Raul.

«Alle zurück aufs Schiff.»

«Und was, wenn sie versuchen, uns zu verhaften?», sagte Raul.

«Da wären sie mit einem größeren Schiff gekommen, glaube ich. Haltet eure Waffen bereit, aber lasst sie nicht sehen, bevor ich es sage.»

Das Boot kämpfte sich gegen Rückstrudel voran. Die gesamte Besatzung war bewaffnet. Im Bug stand ein Mann mit kantigem Gesicht und einem Backenbart. David rief ihm einen Gruß zu, und der Mann riss erstaunt die Augen auf.

«Er heißt Sweyn», sagte Raul. «Markiert gern den starken Mann.»

Der Hafenmeister rief Fragen herüber. «Sag ihm, er soll uns nicht näher kommen», sagte Vallon.

David rief etwas. Das Boot kam dennoch näher.

Vallon zog sein Schwert. «Ich meine es ernst. Niemand kommt ohne meine Erlaubnis an Bord. Raul, zeig ihnen mal deine Armbrust.»

Beim Anblick der Waffen scherten die Norweger aus und hielten sich in der Strömung. Der Hafenmeister schüttelte drohend die Faust und rief etwas. David sah Vallon erschreckt an.

«Es ist keine gute Idee, den Hafenmeister zu beleidigen», sagte Raul.

«Wir sind nicht in seinem Hafen, und ich entscheide, wer auf dieses Schiff kommt. Sag ihm, er soll an der Insel ankern, dann lassen wir ihn und zwei seiner Männer an Bord. Erklär ihm, dass ich ein verrückter Ausländer bin und Fremden nicht vertraue. Wenn er nicht einverstanden ist, holen wir den Anker ein und sind weg.»

Snorri schrie wütend auf, als er dieses Ultimatum hörte und unterstützte David, indem er dem Hafenmeister zurief, dass ihm das Schiff gehöre, dass er Verwandte in Orkney habe und dass er sich für die friedlichen Absichten seiner Mitfahrer verbürgen könne. So ging es hin und her, bis der Hafenmeister nicht länger streiten wollte und seiner Mannschaft befahl, ihn und zwei Wachen an Land zu bringen. Dort holten Wayland und Garrick sie mit dem Beiboot ab.

Sweyns grimmiger Blick ließ vermuten, dass er Vallon am liebsten gevierteilt hätte. Während Raul ihm ihr Reisevorhaben erklärte, ließ er seinen Blick über das Schiff und seine Besatzung schweifen und betrachtete die Ladung. Bevor Raul fertig war, ging er wieder zur Reling und winkte die Mannschaft der Shearwater hinter sich her.

«Er gibt uns Anweisung, in den Hafen zu kommen», sagte Raul.

«Ich gehe nirgends hin. David und Snorri sind die Einzigen, die gehen.»

Erneut folgte ein hitziger Wortwechsel, bis der Hafenmeister schließlich aufgab. Dann schnippte er unter Vallons Nase mit den Fingern.

«Wir müssen trotzdem die Hafengebühren entrichten», sagte Raul. «Am besten zahlt Ihr sofort.»

Vallon spielte den Erbosten, bevor er sich von dem Geld trennte. Sweyn steckte es ein und stieg mit David ins Beiboot. Snorri zögerte.

«Wir können ohne Lotsen nirgendwohin», erinnerte ihn Vallon.

Snorri ging, und das Segelboot kehrte zum Hafen zurück. Es war Abend geworden, die Inseln lagen schwarz unter der sinkenden Sonne.

Raul legte seine Armbrust weg und rollte mit den Schultern. «Wir haben uns hier keine Freunde gemacht. Wir sollten Wache halten.»

Die schweren Wolken hingen niedrig am Morgenhimmel. Böen von Westen ließen die Shearwater um ihre Verankerung herumtanzen. Einige Fischer warfen im Schutz der Bucht von Kirkwall ihre Netze aus. Im Lauf des Vormittags nahm der Wind zu.

«Was ist, wenn David nicht zurückkommt?», fragte Raul.

«Dann segeln wir ohne ihn ab. Wir können uns auf den Färöern einen anderen Lotsen suchen oder auf einen Schiffsverband aus Norwegen warten.»

«Hauptmann, diese Färöer sind nicht mehr als ein Fliegenschiss im Ozean.»

«David hat dir doch bestimmt den Segelkurs erklärt.»

«Oh, klar. Von einer Insel zur anderen bis rauf zu den Shetlands, dann Richtung Nordwest, wobei der Vordersteven eine Handbreit links vom Polarstern gehalten werden muss. Am Tag darauf muss im Wasser nach einer helleren Strömung Ausschau gehalten werden, und wieder einen Tag darauf geht es in Richtung eines Luftschlosses, aber man muss trotzdem ständig darauf achten, ob Seegras nach Süden getrieben wird … Hauptmann, diese Zeichen zu lernen ist eine Lebensaufgabe. Sogar mit erfahrenen Seeleuten schaffen es nicht einmal die Hälfte der Schiffe bis nach Island. Die meisten kehren um. Von den übrigen hört man nie wieder etwas.»

«Boot hält auf uns zu!», rief Wayland.

An Bord desselben befanden sich David und zwei Männer. Sie beachteten Vallons Gesten nicht, mit denen er sie aufs Schiff bat, sondern fuhren vorbei zu der Insel.

«Der Hafenmeister hat David verboten, an Bord zu gehen, damit wir nicht einfach verschwinden können», erläuterte Raul. «Sweyn sagt, wir müssen vorm Dunkelwerden im Hafen sein, sonst beschlagnahmt er die Shearwater

«Zum Teufel mit dem Hafenmeister. Stellen wir lieber fest, was Snorri getrieben hat.»

Sie ruderten zu der Insel und fragten David aus. Mit selbstgerechter Miene drehte sich Raul zu Vallon um. «Ich hab’s Euch ja gesagt. Snorri steckt bis zum Hals drin. Zuallererst ist er in eine Bierschwemme gegangen. David war zu schlau, um selbst reinzugehen. Stattdessen hat er einen Mann bezahlt, der ein bisschen die Ohren offen halten sollte. Und das Geld war gut angelegt. Zunächst hat sich Snorri nach seinen Angehörigen aus Hordaland erkundigt. Irgendwer ist losgegangen, um sie zu holen, und nach einer Weile sind zwei Brüder aufgetaucht, und die drei haben die Köpfe zusammengesteckt. Dann kam noch ein Mann, und sie haben weitergeredet.»

«Irgendeine Vorstellung davon, worum es ging?»

«Sie haben gut aufgepasst, dass keiner mithören konnte. Später sind sie von dem Gasthaus weggeritten. Es sollte zum Bauernhof der Brüder gehen. Mehr konnte der Lauscher nicht erfahren, also ist er zurück zu David und hat ihm erzählt, was er mitbekommen hatte. Es ist allerdings so, dass von den Männern, mit denen sich Snorri getroffen hat, keiner ein Schiff besitzt, abgesehen von einem kleinen Fischerboot vielleicht. Und David hat den Vormittag im Hafen verbracht und sich umgehört, ob jemand nach Schiffen gefragt hat, die man mieten kann. Snorri selber hat seine hässliche Visage die ganze Zeit nicht am Hafen sehen lassen. Ich habe Euch ja gesagt, was für ein schamloser Lügner er ist.»

«Da kommt er», sagte Wayland.

Ein Fischerboot mit vier Männern an Bord näherte sich. Vallon und seine Leute kehrten auf die Shearwater zurück.

«Drei von denen sind die Kerle, mit denen sich Snorri getroffen hat. Hauptmann, wir können das Segel setzen und hier weg sein, bevor sie beim Schiff sind.»

Vallon schüttelte nachdenklich den Kopf. «Noch nicht. Ich habe Snorri gewarnt und ihm gesagt, was passiert, wenn er die Vereinbarung bricht.»

Snorri kam grinsend längsseits. Seine Begleiter hatten ebenfalls so übertrieben fröhliche Mienen aufgesetzt, dass Raul verächtlich ausspuckte. «Seht euch die an. Und erzähl mir keiner, das wären keine Gauner.»

Vallon beugte sich über die Reling. «Snorri, sag deinen Freunden, sie sollen im Boot bleiben.»

Snorri kletterte immer noch grinsend an Bord. «Ich hab ein Schiff gefunden, genau wie ich’s gesagt hab. Und es is richtig gut.»

Vallon deutete mit dem Kopf auf die Norweger. «Gehört es diesen Männern?»

Snorri schaute zu ihnen hinunter. «Nein, aber sie haben es mir gezeigt.»

«In Kirkwall?»

«Nein. Es liegt ein Stückchen die Küste runter.»

Es stand also nicht fest, ob Snorri einen Betrug plante. «Bring das Schiff hierher, damit wir es uns ansehen können.»

«Gegen diesen Wind? Hauptmann, wir sollten hier weg, bevor er noch stärker wird.»

«Wir müssen das besprechen», sagte Vallon. Er zog Raul und Wayland zur Seite.

«Er lügt», sagte Raul. «Warum sollen wir noch mehr Zeit mit ihm vergeuden?»

Wayland nickte zustimmend.

Vallon biss mehrfach klackend die Zähne aufeinander. «Dann haben wir keine andere Wahl, als uns die Shearwater zu nehmen. Raul, versuche, David davon zu überzeugen, uns bis zu den Färöern zu lotsen. Er kann dafür seinen Lohn in angemessenem Rahmen erhöhen.»

«Das habe ich schon versucht. Er will mit Piraterie nichts zu tun haben, und er wird nicht gegen den Befehl des Hafenmeisters ablegen. Er muss schließlich an seinen Lebensunterhalt denken.»

«Dann machen wir es ohne ihn.»

«Das ist jetzt ein verdammt schlechter Zeitpunkt, Hauptmann. Dahinten braut sich schlechtes Wetter zusammen.»

Die See begann schon ihre Zähne zu zeigen. «Das ist eben nicht zu ändern.»

«Und was habt Ihr mit Snorri vor?»

«Den müssen wir loswerden.»

«Wurde auch Zeit.»

Vallon ging wieder zu Snorri zurück. «Wie viel will dein Freund für sein Schiff?»

«Darüber kann man reden, schätze ich.»

«Wir sehen es uns einmal an. Von deinen Freunden lasse ich keinen an Bord. Sie können entweder nach Kirkwall zurückrudern oder sich von uns ins Schlepptau nehmen lassen.»

Die Norweger knoteten ein Tau ans Heck der Shearwater. Die Mannschaft holte den Anker ein, brachte das Schiff längsseits und setzte Segel. Die Shearwater nahm Geschwindigkeit auf. David blieb auf der Insel und reagierte nicht auf Vallons Winken.

Snorri hatte das Ruder genommen.

«Warum lasst Ihr seine Kumpane mitkommen?», fragte Raul.

«Das wirst du noch sehen», sagte Vallon. Er beobachtete das Ufer auf der Steuerbordseite. Sie passierten eine schmale Bucht. Er drehte sich um und rief gegen den Wind. «Wie weit noch?»

«Hinter der nächsten Landspitze.»

Und tatsächlich sah Vallon am Ende einer Bucht ein Schiff liegen, als sie um die Landspitze herumgesegelt waren.

Snorri lenkte das Schiff in die Bucht. «Ich hab Euch ja gesagt, dass ich eins finde.»

«Kapp das Tau», sagte Vallon zu Raul. «Wayland, bereite dich darauf vor, das Ruder zu übernehmen.

Raul rannte zum Heck und schlug das Tau durch, an dem das Boot nachgezogen wurde. Die Männer in dem Boot schrien auf, und Snorri stürzte vom Ruder weg und packte Raul. «Was tust du da?» Mit blitzenden Augen drehte er sich zu Vallon um. «Was tut Ihr da?»

Vallon kam zu ihm und warf ihm einen Beutel Silber zu. «Das ist deine vollständige Bezahlung.» Er schob Snorri Richtung Heck. «Spring, solange deine Freunde noch nahe genug sind, um dich zu retten.»

«Ich soll von meinem eigenen Schiff springen?»

Die Männer in dem Boot legten die Riemen ein.

«Du wirst ertrinken, wenn du noch lange wartest.»

Snorri betastete den Beutel mit dem Silber. «Ihr habt gesagt, Ihr gebt mir vierzig Pfund für mein Schiff. Das hier ist nicht mal ein Viertel davon.»

«Vierzig Pfund Silber würden dich auf den Grund ziehen. Raul, wirf ihn über Bord.»

«Wartet! Ich bringe Euch nach Island, wie Ihr’s gewollt habt.» Snorris Stimme wurde zu einem Kreischen, als ihn Raul unter den Armen packte, seine Beine strampelten. «Verflucht sollt ihr sein! Allesamt sollt ihr verflucht sein!» So schrie er immer weiter, sogar noch, als Raul ihn ins Meer warf.

Er verschwand, und Vallon dachte schon, er wäre ertrunken. Dann aber tauchte sein Kopf wieder über Wasser auf. Die Männer in dem Boot ruderten auf ihn zu. Die Shearwater lief schnell mit dem Wind, und Vallon sah nicht, ob das Boot rechtzeitig bei Snorri ankam.

Raul funkelte Vallon wütend an. «Ihr hättet ihn genauso gut aufknüpfen können. Ihm vor dem Hafenmeister den Hals lang zu machen, hätte uns auch nicht mehr Ärger eingebracht, als das, was Ihr gerade getan habt. Ihn vor Zeugen von seinem Schiff zu werfen … Warum habt Ihr mich nicht ohne Aufsehen seine Kehle durchschneiden lassen?»

«Denk daran, mit wem du sprichst», schnauzte Vallon. Die Inseln verloren sich in einem zunehmend trüben Dunst. Der Wind sang in den Wanten und peitschte Gischt aus den graugrünen Wellen. «Ich ernenne dich zum Segelmeister. Bereite das Schiff auf den Sturm vor.»

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