XLVII

Reiter galoppierten aus dem Lager und tauschten mit Chinua einen Schwall Wörter aus. Der Hauptmann erteilte einen Befehl, und bevor Wayland wusste, wie ihm geschah, hatten ihn vier Reiter umzingelt. Einer nahm die Zügel seines Pferdes und zog es im Trab zwischen den Zelten hindurch. Als er einen Blick zurückwarf, sah er, dass die anderen Seldschuken Syth und Caitlin von den Männern getrennt hatten. Seine Eskorte führte ihn zu einer Freifläche in der Mitte der Zeltstadt, die ein halbes Dutzend Zelte umstand, von denen einige durch überdachte Gehwege mit einem enormen goldgelben Pavillon verbunden waren. Sie überquerten die Freifläche und kamen an einen Truppenübungsplatz, auf dem eine Reitergruppe ihre Schulung unterbrach, um sie vorbeireiten zu sehen. Auf der anderen Seite des Platzes hielt Waylands Eskorte vor einem großen Filzzelt und befahl ihm abzusteigen.

Er ließ sich mit dem Falkenkäfig in der Hand aus dem Sattel gleiten. Einer der Soldaten zog das schwere Tuch zur Seite, das die Tür der Jurte bildete, und winkte ihn hinein. Drei Männer standen am gegenüberliegenden Ende des Raumes, und Wayland sah, dass die Jurte als Stallung und Werkstatt genutzt wurde. Die Männer sahen ihm ausdruckslos entgegen. Der in der Mitte hatte einen dünnen Schnurrbart und schrägstehende Augen. Er hätte zwischen fünfzig bis siebzig jedes Alter von sich behaupten können. Die anderen beiden waren wesentlich jünger. An einer Wand befand sich eine Reihe von Nischen, und jede war von einem hellen Falken auf einem gepolsterten Holzblock besetzt. Wayland musterte sie im Vorübergehen. Sie waren nicht viel kleiner als der Gerfalke, aber schlanker gebaut, mit weicherem Gefieder, und sie hatten kürzere Klauen.

Der Falkenmeister bemerkte sein Interesse. «Saqr», sagte er.

«Saker», wiederholte Wayland. Er hatte andere Falkner über diese Falkenart reden hören.

Auf den Hinweis des Falkenmeisters stellte er den Käfig auf einen Tisch, der mit Falknereiutensilien übersät war. Er zog das Tuch weg und streifte seinen Handschuh über.

Die beiden Gesellen runzelten die Stirn. «Tch.»

Er sah auf. «Stimmt etwas nicht?»

Der Falkenmeister bedeutete ihm mit einer Geste weiterzumachen. Der Falke trat auf Waylands Faust, sobald er sie in den Käfig gestreckt hatte. Er hob ihn heraus, und die Gesellen atmeten scharf ein. Die Augen des Falkenmeister verengten sich. Dann sagte er etwas. Einer seiner Gesellen ging zu einem Regal, auf dem etwas lag, das Wayland wie umgedrehte Ledergeldbörsen erschien, die mit Goldfäden bestickt waren. Der Gehilfe wählte zwei dieser Objekte aus und hielt sie dem Falkenmeister hin. Wayland sah, dass Zugbändchen um die Öffnung liefen und auf der Spitze eine kleine Quaste befestigt war. Der Falkenmeister traf seine Wahl und trat dicht vor den Falken. Die Öffnung der Börse nach oben haltend, hob er sie bis dicht an den Kopf des Vogels. Der straffte das Gefieder, doch bevor er beißen konnte, hatte ihm der Falkenmeister das Gebilde in einer einzigen fließenden Bewegung über den Kopf gestülpt. Mit einem weiteren geschickten Handgriff befestigte er die Zugbändchen. Erst da wurde Wayland bewusst, dass die Börse eine Falkenhaube war. Er hatte noch niemals eine gesehen und auch nicht gehört, dass es so etwas gab. Weil er seine Überraschung bemerkte, sah ihn der Falkenmeister fragend an. Wayland schüttelte den Kopf und ahmte nach, wie er dem Falken die Augenlider zunähte. Die Seldschuken zuckten angesichts der Unwissenheit dieses Ungläubigen nur mit den Schultern.

Nun, wo der Falke die Haube trug und angeleint war, zog der Falkenmeister eine Ledermanschette übers rechte Handgelenk. Wayland erschien das unpraktisch, aber es erklärte, warum es den Seldschuken missfallen hatte, dass er den Falken auf die linke Faust nahm. Der Falkenmeister schob seine umhüllte Hand hinter die Beine des Gerfalken. Der Vogel trat mit einem Schritt nach hinten darauf, und nur eine leichte Anspannung in seiner Körperhaltung ließ erkennen, dass er sich bewusst war, von jemand anderem getragen zu werden. Der Falkenmeister befühlte die Flugmuskulatur, prüfte, wie viel Fleisch vor dem Kielknochen saß, und nahm die Oberschenkel des Falken zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann ließ er seine Gesellen einen nach dem anderen das Tier halten, sodass sie sich einen eigenen Eindruck verschaffen konnten. Der Jüngste bekam den Vogel als Letzter, und als er sein Gewicht spürte, keuchte er übertrieben auf und ließ seine Faust sinken, so als könne er den Falken kaum tragen.

Wayland grinste. «Ein kräftiger Vogel, oder?»

Der Falkenmeister wedelte schlaff mit der Hand und versenkte die Faust dann in einem Seidenkissen, um anzuzeigen, dass die Muskulatur des Falken weich und untrainiert war.

Er sagte etwas, und einer seiner Gesellen stellte sich mit einem Seidentuch in den Händen hinter den Falken. Er legte es dem Vogel um die Schultern, hob ihn von der Faust und drückte ihn bäuchlings auf das Kissen. Der Falke kämpfte einen Moment und schrie erbärmlich, dann lag er still. Der Falkenmeister fächerte zuerst den einen und danach den anderen Flügel auf. Wayland zuckte zusammen. Alle Schwungfedern waren gebrochen und schartig, die Haut zwischen den Krallen war mit Kotbröckchen verklebt, die so hart waren wie Mörtel. Die Schwanzfedern sahen ebenso mitgenommen aus. Wayland versuchte zu erklären, dass auf solch einer langen Reise, die der Falke im Käfig hatte verbringen müssen, eine ordentliche Gefiederpflege unmöglich war. Der Falkenmeister antwortete ausführlich darauf, und Wayland schnappte mehrfach den Namen des Emirs auf. Aus der Art, wie der Falkenmeister den Kopf schüttelte, schloss Wayland, dass er Suleiman den Falken in seinem derzeitigen betrüblichen Zustand nicht präsentieren konnte.

Der Gehilfe hob den Vogel von dem Kissen. Der Falkenmeister nahm ihn an den Beinen und untersuchte die Fänge auf Zeichen von Sohlengeschwüren. Die Unterseiten zeigten keinerlei Verletzungen oder Entzündungen, die gefurchten Sohlen erinnerten merkwürdigerweise an die Handfläche eines Babys. Dann drückte der Falkenmeister den Vogelschnabel auf, um sicherzugehen, dass kein Befall durch den Gelben Knopf oder andere Infektionen vorlag.

Einer seiner Gesellen stellte einen kleinen Bronzemörser über eine Kohlenpfanne. Während der Mörser erhitzt wurde, ging der Falkenmeister einige Gefäße mit gesammelten Schwungfedern aus der Mauser durch und suchte die hellsten heraus. Dann brachte er seine Auswahl zum Tisch und legte etwa vierzig dreikantige Holznadeln zurecht. Wayland wurde klar, dass die Seldschuken die abgebrochenen Federn des Falken verlängern wollten.

Auf ein Wort des Falkenmeisters breitete einer seiner Gesellen die linke Schwinge des Falken auf einem Brett aus. Der Falkenmeister nahm ein Messer, schliff die Klinge auf einem Lederband nach und schnitt die innerste Schwungfeder unterhalb des gebrochenen Schafts ab. Dann sah er die Mauserfedern durch, wählte eine aus, verglich sie mit der gebrochenen, fand sie nicht passend, nahm eine andere und machte einen neuen Vergleich. Als er zufrieden war, schnitt er die Mauserfeder der Länge nach auf. Der zweite Gehilfe hatte in dem Mörser Harz geschmolzen. Der Falkenmeister nahm eine der Holznadeln, tauchte ein Ende in das Harz und führte sie in den Schaft der Ersatzfeder ein. Dann tauchte er das andere Ende in das Harz und schob es in den hohlen Schaft der abgeschnittenen Schwungfeder. Er wartete ein paar Sekunden ab, dann zog er an der Feder. Die eingepfropfte Feder hielt. Repariert entsprach sie der ursprünglichen Federlänge und war farblich und in ihrer Ausrichtung so gut angepasst, dass man schon sehr genau hinsehen musste, um den Ansatz zu erkennen.

Feder für Feder baute der Falkenmeister die linke Schwinge wieder auf. Auch wenn sich der Vogel recht ruhig verhielt, machte sich Wayland Sorgen darüber, ob diese langwierige Prozedur das Tier überfordern könnte. Sogar ihm selbst war in dem warmen Zelt leicht übel, und er fühlte sich schwach auf den Beinen. Der Falkenmeister bemerkte, wie er sich über die Stirn fuhr, und befahl einem seiner Gesellen, Wayland etwas zu trinken zu bringen.

Die eiskalte Flüssigkeit war süß und sauer zugleich, wohltuend und erfrischend. Dankend gab Wayland den leeren Becher zurück. Der Falkenmeister unterbrach seine Arbeit und fragte Wayland mit Gesten, ob er müde sei.

«Sehr müde.»

Der Falkenmeister machte ihm verständlich, dass er noch lange nicht fertig sein würde und Wayland sich ausruhen sollte. Ein Nein ließ er nicht gelten, und so führte einer der Gesellen Wayland zu einem Diwan, über den ein Kelim gebreitet war, und drückte Wayland sanft darauf hinunter, damit er die Arbeit der Seldschuken im Sitzen weiterverfolgen konnte.

«Ibrahim», sagte der Falkenmeister.

Wayland sah ihn an.

Der Falkenmeister deutete auf sich selbst. «Ibrahim.»

«Wayland.»

«Wellund.»

Schwarzer Nebel begann durch Waylands Sichtfeld zu ziehen. Die Gestalten am Tisch schienen in einen Tunnel zurückzuweichen. Das Nächste, was er mitbekam, war, dass ihn jemand wach rüttelte.

Es war beinahe dunkel in dem Zelt, und einen Moment lang wusste er nicht, wo er sich befand. Einer der Gesellen bot ihm ein heißes Getränk an. Da fiel ihm der Falke ein, und er stellte fest, dass der Tisch leer war. Der Falkenmeister tauchte aus den Schatten auf und deutete auf eine der Nischen, die von dem Licht der einzigen Lampe erhellt wurde. Dort saß der Falke mit einer Haube auf einem Sitzblock. Wayland kam schwankend auf die Füße und ging hinüber. Die Seldschuken hatten jede einzelne Schwungfeder repariert und seine Krallen und den Schnabel beschnitten, sodass der Falke beinahe so vollkommen aussah wie an dem Tag, an dem er ihn zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Als Wayland den Falknern seinen Dank aussprechen wollte, überrollte ihn eine Woge von Gefühlen, und er begann zu schluchzen.

Die Seldschuken wandten sich ab, um ihre Verlegenheit zu verbergen, und als er sich wieder unter Kontrolle hatte, drängte ihn der Falkenmeister, etwas zu trinken. Der Becher enthielt einen würzigen Aufguss, der den Kopf klar und den Bauch warm werden ließ. Wayland registrierte, dass es inzwischen Abend war und er seit der Mittagszeit geschlafen hatte. Einer der Gesellen brachte ihm eine Schüssel und einen Krug mit warmem Wasser. Die Kleidung, die er für Herrn Vasilis Fest gekauft hatte, lag sauber auf dem Diwan, und der Falkenmeister bedeutete ihm, dass er sich für seine Audienz bei dem Emir umziehen müsse. Sie überließen ihn seiner Toilette. Die Kleidung, die er auszog, war so steif vor Dreck, dass sie von alleine stehen blieb. Er wusch sich Gesicht und Hände und kämmte sein verfilztes Haar. Während er sich anzog, steckte ein Seldschuke den Kopf herein und verkündete, der Emir habe sie zu sich bestellt. Der Falkenmeister winkte ihn fort.

Dann musterte er Wayland und entschied, dass er den Anforderungen genügte. Darauf ging er zu dem Falken und beugte sich zu ihm. Er löste die Kurzfessel und wollte den Vogel gerade auf die Hand nehmen, als er sich anders entschloss. Er streifte seinen Handschuh ab und schob ihn über Waylands Hand.

«Danke», sagte Wayland. «Wir beide haben einen langen gemeinsamen Weg hinter uns.»

Hero stand mit Vallon und Drogo im Thronsaal des Emirs, einem weitläufigen und mit vielen Teppichen ausgelegten Raum im Herzen des goldfarbenen Zeltpavillons. Eine Reihe Wachsoldaten hatte vor ihnen Aufstellung genommen, und noch mehr Wachen standen hinter ihnen. Ein Dutzend Kohlenpfannen und hundert Öllampen verräucherten den Saal. Da erklangen Pauken und Trompeten. Die Wachen nahmen Achtungsstellung an. Durch einen der beiden Eingänge zu dem Raum kam mit langen Schritten ein Offizier, dem ein halbes Dutzend Würdenträger mit hohen Spitzhüten und Seidengewändern mit enorm weiten Ärmeln folgten. Sie postierten sich hinter dem Thron. Die Paukenschläge näherten sich.

«Werft Euch nieder», sagte einer der Würdenträger auf Arabisch.

Mit der Stirn auf dem Teppich erhaschte Hero einen Blick auf den Einzug des Emirs. Er war klein, schlank und hatte die krummen Beine eines Mannes, der den größten Teil seines Lebens im Sattel verbracht hat. Seine Augen waren mandelförmig, und er hatte einen dünnen Schnurrbart. Er erinnerte an einen Luchs.

Suleiman ließ sich im Schneidersitz auf einem Podest mit Kissen nieder, das ein seidener Baldachin überspannte.

«Ihr könnt Euch erheben», sagte der Würdenträger.

Heros Gelenke knackten, als er sich aufrichtete. Ein Diener hielt dem Emir ein Tablett hin. Suleiman nahm eine rohe Knolle Knoblauch und begann zu essen. Er schälte jede Zehe und ließ die Häutchen auf einen Teller fallen, den ein anderer Diener für ihn bereithielt. Einer der Würdenträger flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er lächelte – oder schien zu lächeln. Hero konnte nicht ergründen, was hinter diesen Katzenaugen vor sich ging.

Die Seide des Baldachins bewegte sich in einem Luftzug. Die Seldschuken beugten sich vor, um etwas zu sehen, das sich hinter Hero befand. Er riskierte einen Blick und sah einen älteren Mann, der Wayland nach vorn führte und ihm Anweisungen zuflüsterte. Der Falkner trug den Gerfalken auf der rechten Hand und wirkte sehr besorgt. Als er Hero sah, formte er lautlos mit den Lippen: «Syth?»

«Es geht ihr gut», flüsterte Hero hinter seiner Hand hervor. «Sie ist mit Caitlin bei den Frauen. Knie dich hin und verbeug dich vor dem Emir. Du musst mit der Stirn den Boden berühren.»

Als Wayland seine ungeschickte Verneigung hinter sich gebracht hatte, trat der arabischsprechende Würdenträger vor. Er war beleibt, in prächtige Seidenstoffe gekleidet und trug zu seinem kostbaren Schmuck eine kolossale Selbstgefälligkeit zur Schau.

«Ich bin Faruq al-Hasan-al-Baghdadi, der Hofmeister Seiner Exzellenz.» Er hob eine juwelenblitzende Hand in Heros Richtung. «Tretet vor.»

Merkwürdigerweise war Hero weniger nervös als bei der Ablieferung der Auslöseforderungen an Graf Olbec. Er verbeugte sich vor dem Emir. «Friede sei mit Euch, Herr. Mit der Gesundheit Eurer Exzellenz steht es durch die Gnade Gottes zum Besten, wie ich hoffe.»

Faruq übersetzte Suleimans mattes Wedeln mit der Hand. «Seine Eminenz verfügt über einen starken Körper und einen wachen Geist, Dank sei dem Allmächtigen. Seid so gut und richtet Eure Antworten und Fragen an mich. Und nun legt den Grund Eures Kommens dar.»

Suleiman wusste schon, worum es ging. Hero kam zu dem Schluss, dass diese Audienz nur dazu diente, die Neugier des Emirs zu befriedigen oder ihm einen Eindruck von seinen Gästen zu verschaffen. Er wählte seine Worte mit Bedacht. «Seine Exzellenz wird sich an Ihre großzügige Übereinkunft mit dem Griechen Cosmas erinnern, der es unternommen hat, eine Auslöseforderung für Sir Walter auszuhandeln, einen der Gefangenen Seiner Exzellenz von der Schlacht bei Manzikert, in der die Seldschuken einen wahrhaft großen Sieg errungen haben. Unglücklicherweise ist Cosmas schon bald verstorben, nachdem er Italien erreicht hatte, und er hat mich mit seinen letzten Worten beauftragt, seine Mission fortzusetzen. Ich war zu jung und zu schwach, um diese Aufgabe allein auf mich nehmen zu können, doch die Vorsehung hat mir diesen Mann hier geschickt, Vallon, der sich bereit erklärte, mir beizustehen. Unter seiner tapferen Führung sind wir in die entlegensten Weltgegenden gereist, um die weißen Falken zu suchen, die von Seiner Exzellenz gefordert wurden.»

Der Emir nahm Faruqs Ärmel und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Faruq nickte und wandte sich an Hero: «Sind der Franke und der normannische Gefangene früher Waffenbrüder gewesen?»

Hero zögerte. «Nein, sie sind sich niemals begegnet.»

«Warum hat er sich dann auf dieses Unterfangen eingelassen?»

Vallon hatte in Spanien ausreichend Arabisch gelernt, um dem Gespräch folgen zu können. «Sag ihm, ich habe es für Geld getan. Halt es einfach, sonst dauert das hier die ganze Nacht.»

Der Emir dachte über Heros Antwort nach, und Faruq verlieh seinen Zweifeln Ausdruck. «Seine Exzellenz ist erstaunt, dass Eure Mission nicht von dem Bruder des Gefangenen, sondern von einem Söldner angeführt wurde, der Walter noch niemals gesehen hat. Des Weiteren kann sich Seine Exzellenz des Eindrucks nicht erwehren, dass die Haltung des Franken einen Mann zeigt, der mit sich zufrieden ist, während Walters Bruder aus dem Leidensbecher getrunken zu haben scheint.»

«Die beiden Brüder sind von sehr verschiedenem Temperament. Drogos Schwermut ist der großen Sorge um das Wohl seines Bruders geschuldet. Er ist …»

Vallon schnitt ihm das Wort ab. «Lüg nicht. Das finden sie heraus, und es wird sich zu unseren Ungunsten auswirken.»

Hero nickte. Schweiß stand auf seiner Stirn. Er atmete tief ein und sprach weiter. «Wir sind mehr als ein Jahr unterwegs gewesen. Während dieser Zeit haben wir keine Nachrichten aus zivilisierten Gegenden erhalten. Cosmas hat mir versichert, dass Seine Exzellenz Sir Walter mit Wohlwollen behandeln wird. Kann ich davon ausgehen, dass er unter dem Schutz Seiner Exzellenz noch am Leben ist?»

«Ihm ist nichts Böses geschehen.»

«Ist er von unserer Ankunft unterrichtet worden?»

«Nein.»

«Wann wird es uns gestattet sein, ihn zu sehen?»

«Das hat Seine Exzellenz zu entscheiden. Es ist unhöflich, so viele Fragen zu stellen. Die Einzelheiten Eurer Reise können warten. Sagt dem jungen Mann mit dem gelben Haar, er soll Seiner Exzellenz den Falken zeigen.»

Hero setzte sich erleichtert. Wayland wurde nach vorn geführt und rechtsherum und linksherum gedreht, sodass der Emir den Gerfalken von allen Seiten begutachten konnte. Er befahl dem Falkenmeister, dem Tier die Haube abzunehmen. Der Falke krallte sich fester in den Handschuh und schlug mit den ausgebreiteten Schwingen, sodass der Luftzug ein Dutzend Lampen zum Verlöschen brachte und sich der Seidenbaldachin blähte. Der Falkenmeister schob die Haube wieder über den Kopf des Vogels und gab ihn dem Emir weiter. Suleiman hielt ihn lächelnd hoch und redete lebhaft auf seine Gefolgschaft ein. Schließlich reichte er den Falken zurück, und seine Miene nahm wieder ihre alte Undurchdringlichkeit an. Faruq straffte sich.

«Wo sind die anderen Falken?»

«Sie sind, Gott sei es geklagt, gestorben. Wir sind aus den Nordländern mit acht Falken aufgebrochen. Es war eine lange und schwere Reise, und einer nach dem anderen ist krank geworden.»

«Die Auslöseforderung setzt zwei Paare fest.»

«Und die wollten wir auch abliefern. Wir bedauern es zutiefst, dass wir die Bedingungen nicht in vollem Umfang erfüllen können. Vielleicht wird Seine Exzellenz den Ausfall weniger streng beurteilen, wenn sie erfährt, dass es mehr als ein Menschenleben gekostet hat, den Falken hierherzubringen. Von der ursprünglichen Gruppe, die zu der Falkensuche ausgezogen ist, sind drei tot, einschließlich meines teuersten Freundes, Sir Walters jüngstem Bruder. Wir haben großen Gefahren getrotzt. Oft haben wir darüber nachgedacht aufzugeben. Stattdessen aber sind wir unserer Aufgabe treu geblieben, denn wir haben darauf vertraut, dass Seine Exzellenz unsere Anstrengungen mit Großmut vergelten würde.»

In einer Kohlenpfanne knisterte die Glut. Suleiman bohrte sich mit dem Fingernagel zwischen den Zähnen herum. Dann streckte er die Hände aus. Einer seiner Diener übergoss sie mit Wasser aus einem bronzenen Aquamanile in Löwenform. Der Emir spülte sich die Hände ab, und der Diener trocknete sie ihm mit einem Tuch.

«Seine Exzellenz wird überdenken, was Ihr gesagt habt, und Ihre Entscheidung morgen bekannt geben.»

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