Es war der Morgen der Schlacht. Der Schnee war die ganze Nacht hindurch gefallen, nicht sehr dicht, aber beständig, so daß die Pferde jetzt bis weit über die Fesseln in dem weißen Teppich versanken, und hinter dem Vorhang aus sanft fallenden Flocken wirkte das Heer unwirklich und geisterhaft Siegfrieds Nibelungenreiter, er selbst und Hagen hatten sich an die Spitze des Zuges gesetzt und ritten ein Stück voraus. Der Morgen dämmerte. Der Himmel im Osten begann sich grau zu färben, und wären nicht die Bäume auf dem Hügel vor ihnen gewesen, hätten sie jetzt schon den Schein der Lagerfeuer sehen müssen. Das dänische Heer war nur noch durch einen Hügel und einen Streifen Wald, den ein Läufer in wenigen Minuten durchqueren konnte, von ihnen getrennt. Ihre Kundschafter waren zurückgekommen und wieder ausgeschwärmt, um ihrerseits nach dänischen Spähern Ausschau zu halten, und das Tempo ihres Vorrückens hatte sich im gleichen Maße verlangsamt in dem sie sich dem feindlichen Lager näherten. Die Dunkelheit und der Schnee schützten sie, machten sie unsichtbar und verschluckten alle Geräusche. Sie waren zwölfhundert Mann, und trotzdem hätten sie dicht am Lager der Dänen vorüberziehen können, ohne vom schlafenden Feind bemerkt zu werden. Die Männer hatten auf Siegfrieds Geheiß alles Metall mit Stoff umwickelt, damit kein unbedachter Laut sie verriet Eine Armee von Schattenwesen, gespenstisch, lautlos, die die Nacht ausgespien hatte, die Lebenden zu verderben und in ihr finsteres Reich hinabzuzerren... Hagen versuchte diese beklemmende Vorstellung abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht Vielleicht lag es an Siegfrieds Begleitern, jenen zwölf riesenhaften Gestalten, die ihn und den Nibelungenherrscher in weitem Kreis umgaben, daß ihm so sonderbare Gedanken kamen. Jene hatten sich verändert, seit sie Worms verlassen hatten. In der Stadt waren sie schweigsam und düster gewesen, hier draußen, in der Nacht und im Angesicht des Feindes, waren sie bedrohlich geworden; als hätten sie ihre Tarnung abgelegt und wieder ihr wahres Wesen angenommen. Der Wald zog sich wie ein schwarzes Band um die Kuppe des Hügels und hörte auf der Höhe des Kammes auf, eine harte, gerade Linie, an der sich die Schwärze der Nacht vom dämmernden Morgen schied. »Es wird bald hell«, murmelte Hagen. »Zu rasch. Lüdegast wird Wachen am Rand des Waldes postiert haben. Es sei denn, er wäre ein Narr.«
»Das ist er nicht«, antwortete Siegfried. »Natürlich hat er welche aufgestellt.« Er wandte sich an den Reiter an seiner Seite. »Wie viele?« Der Mann wandte flüchtig den Kopf. »Acht, Herr«, sagte er. »Dazu noch zwei, die von Osten kamen und über den Hügel wollten.« Hagen sah fragend zwischen dem Reiter und Siegfried hin und her. Sie waren fast die ganze Nacht zusammen gewesen, und keiner von Siegfrieds Männern hatte sich für längere Zeit entfernt. Siegfried bemerkte Hagens Verwunderung. »Auch ich bin kein Narr, Hagen«, sagte er halblaut. »Aber Ihr habt recht - es wird hell. Wir müssen uns beeilen, wenn wir rechtzeitig dort sein wollen, um ihnen den Morgengruß zu entbieten.« Er überlegte einen Moment und wandte sich dann wieder an den Reiter zu seiner Linken. »Reite zurück und sage Gernot, daß er das Tempo des Heeres beschleunigen soll. Wenn es hell wird, müssen wir den Hügel überschritten haben. Ich reite mit meinen Männern voraus, falls Lüdegast auf den Gedanken kommen sollte, im letzten Moment seine Wachen abzulösen.« Er wandte sich an Hagen. »Begleitet Ihr uns?«
Hagen nickte nach kurzem Zögern. Der Streifen Wald dort oben bereitete ihm ernsthafte Sorgen. Er würde das Heer tarnen und ihnen vielleicht im letzten Moment Deckung bieten, aber er war auch dicht genug, Hunderte von neugierigen Augenpaaren zu verbergen. Spätestens in dem Augenblick, wo sie die weite, ungeschützte Flanke des Hügels hinaufzureiten begannen, mußte der Feind sie erspähen. Undenkbar, daß Siegfrieds Männer alle Wachen aufgespürt und unschädlich gemacht haben sollten. Und doch schien der Xantener davon fest überzeugt zu sein. »Was ist, Hagen?« fragte Siegfried, als er Hagens Zögern bemerkte. »Ihr seht besorgt aus. Bisher ist doch alles nach Plan gelaufen.« »Vielleicht ist es gerade das, was mir zu denken gibt«, murmelte Hagen. »Ich verstehe nicht, wie wir unbemerkt so dicht an das feindliche Lager herankommen konnten.«
»Ihr vermutet eine Falle?« Siegfried lachte. »Keine Sorge, Hagen. Die Dänen schlafen tief und fest und wähnen uns in Worms oder bestenfalls auf halbem Wege hierher.« »Trotzdem...«
»Ihr seid wirklich der unverbesserliche Schwarzseher, als den man Euch bezeichnet«, sagte er. »Seht es von einer anderen Seite, wenn Euch die naheliegende Erklärung nicht genügt. Wir sprachen über Gott, erinnert Ihr Euch? Nehmt einfach an, er sei auf unserer Seite.« Er lachte wieder, gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte los. Der Waldrand kam rasch näher, wuchs von einer dunklen, verschwommenen Fläche zu einer mächtigen schwarzgrünen Mauer heran. Hagen erwartete jeden Augenblick einen Schrei zu hören, das Signal eines Hornes, auf das der gellende Schlachtruf aus dreimal tausend Kehlen antwortete. Aber die einzigen Geräusche, die zu vernehmen waren, waren die gedämpften Tritte und der keuchende Atem der Pferde, als der Boden steil anzusteigen begann. Unbehelligt erreichten sie den Waldrand und hielten an.
»Still jetzt«, sagte Siegfried. Seine Gestalt schien mit den Schatten des Waldes zu verschmelzen und war selbst aus der Nähe kaum zu erkennen, als schütze ihn ein geheimnisvoller Zauber. »Das Lager der Dänen befindet sich jenseits des Waldes, uns genau gegenüber. Keinen Laut mehr!«
Der Wald erschien Hagen unnatürlich still, als die Reiter ihre Pferde durch das dichte Unterholz drängten. Jeder Laut schien aufgesogen zu werden, kaum daß er entstanden war; selbst das Knacken und Brechen der Zweige und die dumpfen Hufschläge der Pferde. Die Tiere gingen vorsichtig und setzten die Füße behutsam auf, als ahnten sie, daß unter dem trügerischen Weiß, das den Waldboden bedeckte, ein Labyrinth aus Wurzelwerk und jäh aufklaffenden Spalten und Löchern verborgen sei. Hagens Besorgnis wuchs, während er dicht hinter Siegfried ritt, über den Hals seines Pferdes gebeugt, um sein Gesicht vor zurückschnellenden Ästen zu schützen. Der Wald war nicht sehr tief; schon schimmerte es vom jenseitigen Rand dämmergrau durch die Bäume. Sie mochten sich noch so sehr bemühen, leise zu sein - zwölfhundert Reiter, die sich ihren Weg durch das Unterholz bahnten, konnten nicht lange unentdeckt bleiben. Irgend etwas würde sie verraten und ihren ursprünglichen Plan, das Heer in vollem Galopp über den Hügel preschen und über den überraschten Feind hereinbrechen zu lassen, zunichte machen. Siegfried gab das Zeichen zum Anhalten. Sie waren nur noch eine Pferdelänge vom jenseitigen Rand des Waldes entfernt, weit genug, um nicht gesehen zu werden, aber nahe genug, um zu sehen. »Da unten sind sie«, murmelte er. In seiner Stimme schwang etwas, was Hagen erschreckte. Ungeduld, dachte er. Siegfried fieberte nach dem Kampf. Das Heer der Dänen lag wie ein gewaltiges, aus vielen tausend Körpern zusammengesetztes Tier in der Talsenke, eine kompakte schwarze Masse, in der eine Unzahl Feuer wie unregelmäßig verteilte flammende Augen loderten. Siegfrieds Angaben über die Zahl von Lüdegasts Kriegern mochte stimmen, aber erst jetzt, da er sie mit eigenen Augen sah, wurde sich Hagen bewußt, wie groß eine Armee von dreitausend Männern tatsächlich war.
»Dort hinten sind ihre Pferde«, flüsterte Siegfried. Er wies mit der Hand nach Norden, zum gegenüberliegenden Rand des Tales. Die Dänen mußten eine Art Koppel errichtet haben, in der sie ihre Reittiere untergebracht hatten, denn das flache Oval, das sich in sanftem Schwung den Hang hinaufzog, war der einzige Teil des Lagers, der nicht mit flackernden Feuern durchsetzt war. »Nicht mehr als fünfhundert«, fügte Siegfried leise hinzu.
»Eher weniger«, gab Hagen ebenso leise zurück. »Ein beträchtlicher Teil wird als Packtiere dienen. Der Däne hat also die Wahrheit gesagt.« Siegfried nickte. »Überzeugt Euch das, daß sie nichts von unserem Hiersein wissen?«
Hagen schwieg. Siegfried hatte recht. Lüdegast hätte sein Heer niemals in diesem Tal übernachten lassen, wenn er mit der Möglichkeit eines Angriffes gerechnet hätte. Das Tal mit seinen sanft, aber hoch ansteigenden Flanken mochte Schutz vor Kälte und Wind bieten - aber es war eine Falle. Hätten sie Zeit, ihre Reiter ringsum auf den Hügelkämmen zu postieren ... Hagen dachte den Gedanken nicht zu Ende. Sie haften keine Zeit. »Wenn es uns gelingt, hundert Mann dort hinüberzubringen, damit sie die Pferde auseinandertreiben, gewinnen wir einen großen Vorteil«, sagte Siegfried.
Hagen schüttelte den Kopf. »Das ist zu gefährlich. Und auch nicht nötig. Sie werden keine Gelegenheit haben, zu ihren Tieren zu eilen oder sie gar zu satteln. Wir...«
Ein Zweig knackte. Hagen verstummte jäh. Siegfried fuhr erschrocken im Sattel herum. »Was war das?«
Hagen sah sich mit neu aufkeimendem Mißtrauen um. Der Wald schien plötzlich voller huschender Gestalten, aber immer, wenn er genau hinsah, war es nichts, nur Leere, die seine überreizten Nerven mit tanzenden Schatten füllten. Siegfried sagte ein Wort in jener dunklen, fremden Sprache, die Hagen nicht verstand. Drei seiner Begleiter zwangen ihre Tiere auf der Stelle herum und verschwanden lautlos im Unterholz. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Die Dämmerung warf ein Netz aus scharf abgegrenzten dunklen Sprenkeln und Flecken flackernder grauer Helligkeit über das Tal und ließ den lagernden Troß in eine Unzahl kleiner schwarzer Klümpchen zerfallen. Es sah aus wie ein fleckiger Ausschlag, der den Talboden bedeckte.
»Dort unten!« sagte Siegfried. »Was hat das zu bedeuten?« Ein einzelner Reiter hatte sich aus dem Lager gelöst und kam ohne sichtliche Eile den Hang heraufgeritten, schwenkte einen Steinwurf vor dem Waldrand ab und ritt in gemächlichem Tempo weiter. Es war kein beliebiger Reiter. Selbst im fahlen Licht des Morgens war die überschwengliche Pracht seiner Kleidung zu erkennen: Sein Hämisch glänzte, als wäre er aus poliertem Gold, und in seinem Umhang und der Decke seines Pferdes funkelten Edelsteine. In seinem rechten Steigbügel stak eine gewaltige, beinah zwei Manneslängen messende Lanze, an deren Spitze ein rotweißer Wimpel flatterte.
»Das ... ist Lüdegast«, murmelte Hagen überrascht, als der Reiter näher kam.
»Lüdegast? Der König der Dänen selbst?«
Hagen nickte. »Ja. Ich bin sicher. Ich bin ihm mehr als einmal begegnet Er ist es.«
»Lüdegast!« Siegfrieds Augen blitzten. Er löste die goldene Spange, die seinen Mantel hielt, warf das Kleidungsstück achtlos zu Boden und streckte fordernd die Hand aus. Einer der Nibelungenreiter reichte ihm einen gewaltigen dreieckigen Schild und eine Lanze, die die Lüdegasts an Größe fast noch übertraf. »Was habt Ihr vor?« fragte Hagen.
Siegfried lachte leise. »Wartet ab, Hagen«, sagte er. »Mit etwas Glück und Gottes Hilfe wird es gar nicht zur Schlacht kommen.« Und mit diesen Worten sprengte er los. Sein Pferd durchbrach mit einem mächtigen Satz das Unterholz, galoppierte aus dem Wald und stieg kreischend auf die Hinterhand, als Siegfried es jäh herumriß, auf den Dänenkönig zu.
Hagen wollte ihm folgen, aber einer von Siegfrieds Männern streckte den Arm vor und versperrte ihm den Weg. Hagen schlug seine Hand wütend beiseite, machte aber keinen Versuch mehr, Siegfried nachzureiten. Sollte der sich doch umbringen, wenn er es unbedingt so wollte, dachte er zornig. per Xantener hatte sich Lüdegast bis auf hundert Schritte genähert und sein Pferd zum Anhalten gezwungen. Auch der Dänenkönig zügelte sein Pferd und blickte zu Siegfried hinüber, eher verwirrt und überrascht als erschrocken.
»Lüdegast!« rief Siegfried mit lauter, weittragender Stimme. Sein Ruf mußte selbst unten im Tal deutlich zu vernehmen sein. »Hier steht Siegfried von Xanten, ein Freund Burgunds und Getreuer seiner Könige! Ich fordere Euch!«
Trotz der Entfernung glaubte Hagen zu erkennen, wie Lüdegast zusammenfuhr, als Siegfried seinen Namen nannte. Aber sein Erschrecken dauerte nur einen Augenblick. Dann löste er mit sicherem Griff seine Lanze aus dem Steigbügel, legte sie an und ritt los. Auch Siegfried senkte seine Lanze und ließ sein Pferd antraben.
»Dieser hitzköpfige Narr!« entfuhr es Hagen. »Er wird alles verderben.« Eine Welle von Zorn stieg in ihm hoch. Der Vorteil der Überraschung, den sie - vielleicht - gehabt hätten, war dahin, verschenkt um einer großartigen, doch ganz und gar sinnlosen, eitlen Geste willen. Im Tal unten brach fieberhafte Unruhe aus. Die Männer sprangen von ihrem Lager auf, griffen nach ihren Waffen und eilten zu den Pferden. Bis Gernot mit dem Heer heran war, würde sich der schlaftrunkene Haufen, den sie überfallen wollten, in ein kampfbereites Heer verwandelt haben. Dennoch rührte Hagen sich nicht von der Stelle, sondern blickte gebannt zu Siegfried und Lüdegast hinab.
Die beiden ungleichen Gegner ritten immer schneller. Ihre Lanzen wippten im Rhythmus der Pferde, und das Hämmern der Hufe klang wie dumpfer Trommelschlag herauf.
Der Zusammenprall war fürchterlich. Hagen unterdrückte einen Aufschrei, als die Lanzen mit einem harten, berstenden Laut auf die Schilde krachten. Es ging unglaublich schnell, trotzdem sah Hagen alles mit phantastischer Klarheit, als sorge eine zauberische Kraft dafür, daß den Beobachtern keine noch so geringe Einzelheit des Kampfes entging. Lüdegasts Lanze traf Siegfrieds Schild voll, auf Fingerbreite genau im Mittelpunkt, wo der Stoß die größtmögliche Wirkung erzielte. Siegfrieds Schild knirschte. Lüdegasts Lanze bog sich durch und zerbrach splitternd, aber die Wucht des Aufpralls setzte sich wie eine brandende Woge durch Siegfrieds Arm und Körper bis in den Leib des gewaltigen Schlachtrosses fort und ließ seine Muskeln unter der glatten Haut zittern. Ein keuchender Laut kam über Siegfrieds Lippen und ging im gepeinigten Kreischen des Pferdes unter.
Im gleichen Augenblick traf auch Siegfrieds Lanze ins Ziel. Sein Stoß war ungleich stärker als der Lüdegasts und hätte den Schild und den Körper des Gegners dahinter durchbohrt, hätte er voll getroffen. Aber der Anprall von Lüdegasts Lanzenspitze hatte den Xantener aus dem Gleichgewicht gebracht; seine Lanze traf immer noch den Schild, aber schräg, in falschem, spitzem Winkel, das abgeflachte Ende der Lanze schrammte über den metallverstärkten Eichenschild, riß ein Stück aus seinem Rand und glitt ab. Nur ein Bruchteil der Kraft, mit der die Waffe geführt war, übertrug sich aufs Ziel.
Und trotzdem war der Stoß noch hart genug, Lüdegasts Schildarm hochzureißen und den Dänenkönig halb aus dem Sattel zu werfen. Lüdegast schrie auf. Der Zügel entglitt seinen Händen. Er fiel nach hinten. Einen Moment lang hing er in einer wunderlichen Haltung im Sattel, nur von den Steigbügeln gehalten. Dann richtete er sich auf, riß das Tier herum und fand schwankend sein Gleichgewicht wieder. Im selben Moment entstand im Wald auf dem Hügel eine Bewegung. Gedämpfte Schritte waren zu hören und das Knacken und Bersten von Zweigen. Hagen und die Nibelungenreiter fuhren gleichzeitig herum, griffen zu den Waffen und entspannten sich wieder, als sie Dankwart erkannten. Eine Anzahl Männer begleiteten ihn. In ihren Händen lagen große, gespannte Bogen aus Eibenholz. Alberich hatte also Wort gehalten. Doch daran hatte Hagen im Grunde nie gezweifelt.
Unten auf dem Hang ging der Kampf weiter. Siegfried und Lüdegast hatten ihre Schwerter gezogen und setzten zum entscheidenden Waffengang an. Weit unten, im Tal, schwang sich ein Trupp goldrot gekleideter Männer auf ihre Pferde und bahnte sich eine Gasse durch das Lager. Sie würden zu spät kommen.
Es wurde allmählich hell, und die beiden Kämpfenden waren näher gerückt, so daß Hagen nun auch ihre Gesichter erkennen konnte. Lüdegasts Antlitz war halb unter dem wuchtigen Nasenschutz seines Helmes verborgen. Hagen glaubte zu bemerken, daß er den Schild nur noch mit Mühe halten konnte. Siegfrieds Stoß mußte seinen Arm nahezu gelähmt haben; vielleicht war er gebrochen. Der Däne hockte in merkwürdig verkrampfter Haltung im Sattel.
Siegfrieds Pferd umkreiste das Pferd des Gegners mit kleinen, tänzelnden Schritten. Der Xantener lachte; sein Schwert zuckte immer wieder in Lüdegasts Richtung, ohne ernsthafte Absicht, zu treffen. Lüdegast duckte sich hinter seinen geborstenen Schild und versuchte vergeblich, dem Xantener mit seinem Schwert die Klinge aus der Hand zu schlagen. Er wurde zusehends nervöser, während Siegfried lächelnd sein Spiel mit ihm trieb.
»Was macht er da, bei Thor?« Dankwart hatte sein Pferd neben das seines Bruders gelenkt und schüttelte verständnislos den Kopf. »Warum beendet er den Kampf nicht? Lüdegast ist längst besiegt!« »Er spielt mit ihm«, antwortete Hagen. »Wie die Katze mit der Maus.« »Dann sollte er sich beeilen«, knurrte Dankwart, »damit der Mäuse nicht zu viele werden.« Er wies zum Lager hinab. Die Reiter - es mochten ihrer dreißig sein - hatten das freie Feld erreicht und sprengten jetzt in vollem Galopp heran, um ihrem Herrn zu Hilfe zu eilen. »Hast du Grimward gefunden?« fragte Hagen. »Ja, Herr.« Es war nicht Dankwarts Stimme, die antwortete. Hagen wandte den Blick und lächelte, als er den Langobarden erkannte. »Du weißt, was du zu tun hast«, sagte Hagen. Grimward nickte, schwang sich vom Rücken seines Pferdes und nahm eine Handvoll Pfeile aus dem Köcher an seinem Sattel. Lautlos entfernte er sich, gefolgt von den übrigen Bogenschützen.
Siegfried schien den Trupp Reiter aus Lüdegasts Leibgarde jetzt ebenfalls bemerkt zu haben; vielleicht war er auch einfach nur des Spielens müde. Wie auch immer - er schien entschlossen, dem Kampf nun rasch ein Ende zu bereiten. Er rannte mit seiner ganzen Kraft gegen den Dänen an und trieb ihn mit wütenden Hieben vor sich her. Er focht nicht; er drosch einfach mit seiner ungeheuren Körperkraft auf den Gegner ein und nahm ihm so jede Gelegenheit zur Gegenwehr. Lüdegasts Schwert zerbrach schon unter dem ersten gezielten Hieb des Bahnung, der zweite zerschmetterte den Schild; selbst das Pferd strauchelte unter der ungeheuren Wucht des Schlages. Lüdegasts Panzer war plötzlich besudelt von Blut, das aus zwei tiefen Wunden in seinem Schildarm und seiner Schulter strömte. Dann traf der Balmung Lüdegasts Helm. Es war kein schwerer Schlag: die Spitze des Nibelungenschwertes streifte den Helm anscheinend nur flüchtig. Dennoch klaffte der vergoldete Stahl plötzlich wie unter einem Axthieb auseinander, und ein fingerdicker Blutstrahl schoß hervor und übergoß Lüdegasts Gesicht. Er wankte. Langsam kippte er nach vorne. Seine Hände suchten zitternd am Zaumzeug und an der Mähne des Pferdes Halt und glitten ab.
Aus der Reihe der heranstürmenden Reiter drang ein vielstimmiger, entsetzter Aufschrei. Sie verdoppelten ihre Anstrengungen, kamen rasend schnell näher; gleichzeitig fächerten sie auseinander, um dem Xantener jeglichen Fluchtweg abzuschneiden.
»Grimward!« rief Hagen. Das Unterholz raschelte, Schnee rieselte von den Ästen. Und plötzlich war die Luft vom Peitschen der Bogensehnen und dem Sirren der Pfeile erfüllt. Zwanzig Pfeile, die den heransprengenden Reitern gleichzeitig entgegenflogen, um ihnen einen tödlichen Empfang zu bereiten.
Fast alle trafen ihr Ziel. Die geordnete Formation der Dänen barst auseinander. Ein halbes Dutzend Reiter stürzte, mitunter von zwei oder drei Pfeilen getroffen, aus den Sätteln, andere verloren den Halt, als sich ihre Tiere, vom Pfeilhagel getroffen, aufbäumten oder einfach in blinder Panik durchgingen, gerieten unter die wirbelnden Hufe oder verletzten sich beim Sturz auf den hartgefrorenen Boden. Siegfrieds Arm schoß vor. Blitzschnell versetzte er Lüdegast einen Hieb mit der bloßen Faust, der ihn vollends aus dem Sattel warf und über den Hals seines Pferdes sinken ließ, riß sein Schwert in die Höhe und jagte den Dänen entgegen, einen gellenden Kampfschrei auf den Lippen. Wieder sirrten die Bogensehnen, und wieder fanden die Pfeile mit tödlicher Sicherheit ihr Ziel. Dann war Siegfried heran und fuhr wie ein zorniger Gott unter das knappe Dutzend verstörter Männer, das den Pfeilregen überlebt hatte. Siegfried tötete sie alle.
Er hatte den Schild weggeworfen und schwang den Balmung mit beiden Händen. Die Wunderklinge zerbrach Schwerter, zertrümmerte Schilde und Brustpanzer und Helme und mähte eine blutige Gasse durch die Reihe der Dänen. Der Balmung fuhr wie ein Blitz unter sie, schlug einen nach dem anderen und ließ ihn zu Tode getroffen aus dem Sattel stürzen. Die beiden letzten Überlebenden des Gemetzels ergriffen in panischer Angst die Flucht, aber Siegfried setzte ihnen nach, schmetterte dem einen seine gewaltige Faust in den Nacken und tötete den anderen mit einem mühelosen Schwertstreich. Dann zwang er sein Pferd herum und jagte in gestrecktem Galopp zu Lüdegast zurück Kaltes Entsetzen hatte Hagen gepackt, eine nie gekannte Furcht, die etwas Neues, Schreckliches in seiner Seele weckte. Zum zweiten Mal hatte er Siegfried ernsthaft kämpfen gesehen, nicht wie ein Mensch kämpft, sondern das Toben eines zornigen Gottes, der seine Feinde zerschmettert. Wer immer Siegfried war, dachte Hagen, und die Ahnung wurde für ihn zur Gewißheit - wer immer er war, er war kein Mensch. Im Lager der Dänen brach ein Tumult los, als Siegfried Lüdegasts Pferd am Zügel herumriß und dann, während er mit der linken Hand den König stützte, mit der rechten sein Schwert hochriß. »Männer Lüdegasts!« rief er, und seine Stimme schnitt durch die Luft wie sein Schwert und drang bis in den entferntesten Winkel des Lagers. »Männer aus Dänemark!« Es kam Hagen so vor, als würde Siegfrieds Stimme immer noch lauter. »Legt die Waffen nieder! Das Kämpfen hat ein Ende!« Er stieß sein Schwert in die Scheide zurück und umfaßte nun mit beiden Händen Lüdegast, um ihn im Sattel aufzurichten. Hagen konnte nicht erkennen, ob der Dänenkönig noch lebte; sein Kopf pendelte haltlos hin und her, und sein Gesicht war eine Maske aus Blut. »Ich bin Siegfried von Xanten! Euer König ist besiegt und unser Gefangener! Ihr habt keinen Grund mehr, in die Schlacht zu ziehen. Geht nach Hause zu euren Weibern und Kindern!«
Es war nicht ganz klar, wie die Dänen auf Siegfrieds Aufforderung reagierten. Die meisten waren wie erstarrt, gebannt von Siegfrieds Erscheinung und dem, was geschehen war, andere rannten zu ihren Pferden oder liefen einfach ziellos hin und her. Aber keiner dachte ernsthaft daran, Lüdegast zu Hilfe zu eilen.
Siegfried wartete ihre Entscheidung nicht ab. Behutsam ließ er Lüdegast wieder nach vorne sinken, griff dessen Pferd und sein eigenes am Zügel und ritt den Hügel herauf.
Zwei der Nibelungenreiter sprengten ihm entgegen und nahmen Lüdegast in die Mitte. Siegfried gab seinem Pferd die Sporen und jagte das letzte Stück in vollem Galopp heran. Dicht vor Hagen brachte er sein Tier mit einem harten Ruck zum Stehen.
»Wo kommen diese Männer her?« fragte er und deutete auf Grimwald und seine Bogenschützen. »Wer hat sie gerufen und ihnen befohlen, sich einzumischen?«
»Ich«, antwortete Hagen. Siegfrieds Zorn überraschte ihn. »Ich dachte, Ihr könntet ein wenig Unterstützung brauchen.«»So?« schnappte Siegfried. »Fragt mich das nächste Mal, bevor Ihr Euch so etwas ausdenkt, Hagen von Tronje. Ich wäre auch allein mit diesen dänischen Schwächlingen fertig geworden.«
Hagen wollte ihn fragen, ob das sein Ernst sei, besann sich dann aber eines Besseren. Seit er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Siegfried die Überlebenden von Lüdegasts Leibwache niedergemacht hatte, erschien ihm nichts mehr unmöglich.
»Laßt uns zum Heer zurückkehren«, sagte er und fügte mit Blick auf das dänische Lager hinzu: »Bevor sie es sich anders überlegen.« »Das werden sie bestimmt nicht«, entgegnete Siegfried verächtlich. »Wir haben ihren König gefangen. Für sie ist der Krieg zu Ende.« »Vergeßt nicht die Sachsen«, erinnerte Hagen. »Sie sind noch ungebrochen, und es ist das größere der beiden Heere. Lüdeger wird es nicht so einfach hinnehmen, daß wir seinen Bruder gefangen und gedemütigt haben.«
»Sie liegen zwei Tagesmärsche von hier«, meinte Siegfried achselzuckend. »Und vergeßt nicht, wir haben seinen Bruder als Geisel. Aber Ihr habt recht - reiten wir zurück zum Heer. Wir haben einen Sieg zu feiern.«
»Einen Sieg?« Hagen schüttelte ärgerlich den Kopf. »Verkauft nicht die Haut des Bären, bevor Ihr ihn gefangen habt«, sagte er. »Lüdegast ist geschlagen, aber Lüdeger ist der gefährlichere von den beiden. Ein zweites Mal wird uns ein solcher Handstreich kaum gelingen. Und der Großteil der Dänen wird zu Lüdegers Heer laufen und sich ihm anschließen, sobald wir abgezogen sind.«
»Dann schlagen wir sie eben in der Schlacht«, sagte Siegfried. »Fünftausend Mann?«
»Fünftausend Sachsen«, erwiderte Siegfried, als wäre dies ein Unterschied. »Ich fürchte sie nicht. Mein Schwert hat Blut geschmeckt, und es dürstet nach mehr. Wir werden sie schlagen.« Hagen verzichtete auf eine Antwort.
Sie ritten zurück. Ein Teil von Siegfrieds Männern blieb auf dem Hügel, um die Dänen im Auge zu behalten, der Rest und Grimwards Bogenschützen schlössen sich zu einem dichten Ring um Hagen, Siegfried und den gefangenen Dänenkönig, um sie abzuschirmen, als sie den Hang hinab - und dem Heer entgegenritten. Es war inzwischen heller Morgen, wenngleich die Sonne noch tief stand und nur blaß durch den Frühnebel schien. Die Kette des zwölfhundert Mann zählenden Heeres zog sich wie eine endlose glitzernde Schlange durch das Tal. Es kam Hagen so vor, als wäre der Zug nicht viel weitergekommen, seit sie sich von ihm getrennt hatten. Aber dann fiel ihm ein, wie wenig Zeit inzwischen vergangen war.
Siegfried wies auf einen kleinen Trupp Berittener, die sich ein Stück vom eigentlichen Heereszug abgesondert hatten. Das mußten Gernot und Volker mit ihren Getreuen sein. Die Entfernung war noch zu groß, um Einzelheiten zu erkennen, aber Hagen glaubte zu bemerken, daß sich die Gruppe in heftiger Erregung befand.
Sie ritten schneller, und Siegfried durchbrach den Ring von Reitern und setzte sich an die Spitze des Zuges.
»Sieg!« rief er Gernot und Volker entgegen, als sie nahe genug waren. »Der Sieg ist unser!« Gernot und Volker reagierten gar nicht so, wie es auf diese freudige Nachricht hin zu erwarten gewesen wäre. Sie wirkten angespannt und bedrückt, und ihre Mienen erhellten sich nicht. Selbst der Anblick des Dänenkönigs, als die Reiter auseinanderwichen, schien sie nicht gebührend zu beeindrucken. In ihrer Begleitung befand sich ein gutes Dutzend Reiter, Haupt- und Unterführer der Truppe zumeist, und sowie Hagen und Siegfried den kleinen Troß erreicht hatten, sprengte Giselher in scharfem Tempo herbei, gefolgt von Rumold und Sinold, die auch hier im Feld unzertrennlich waren. Gernot mußte alle Edelleute zusammengerufen haben. Siegfried sah von einem zum anderen, nachdem sie alle ihre Pferde gezügelt hatten. »Es wird keinen Kampf geben, Gernot. Wir haben Lüdegast gefangen«, sagte er und wies auf die beiden Reiter, die den Dänenkönig stützten. »Der erste Gang ist vorüber. Wir...« Er stutzte, da Volker und Gernot keinerlei Regung zeigten. »Was ist mit euch?« fragte er. »Freut ihr euch nicht über den Sieg?«
»Ich fürchte, die Freude wird nicht sehr lange anhalten«, antwortete Gernot brüsk. »Ihr sagtet, der dänische Kundschafter habe Euch den genauen Standort von Lüdegers Heer verraten?«
Siegfried nickte. Zwischen seinen Brauen bildete sich eine tiefe Falte. »Das hat er.«
Gernot lachte bitter. »Nun, Siegfried - entweder war er falsch informiert, oder er hat Euch belegen.« Er drehte sich im Sattel herum. »Sprich, Thomas.« Hagen fiel der Mann erst jetzt auf. Anders als die anderen hockte er vornübergebeugt, zusammengesunken im Sattel. Sein Atem ging schnell, und sein Pferd dampfte vor Schweiß. Als der Krieger den Blick hob, sah Hagen, daß sein Gesicht verdreckt und von Erschöpfung gekennzeichnet war. Auf seiner linken Wange war eine frische, noch blutende Wunde. »Sie sind... nicht weit hinter jenen Hügeln dort, Herr«, sagte er und deutete mit einer Kopfbewegung nach Osten. »Mehr als fünftausend Mann, die Hälfte davon beritten. Sie rücken schnell vor. Spätestens zur Mittagsstunde sind sie hier.«
»Die Sachsen?« Es gelang Siegfried nicht ganz, sein Erschrecken zu verbergen. »Lüdegers Heer?« Thomas nickte. »Haben sie dich bemerkt?«
»Wir... wir waren drei, Herr«, antwortete der Krieger stockend. »Die beiden anderen sind tot. Ich konnte mit knapper Not entkommen. Aber ich bin sicher, daß Lüdeger von unserem Nahen unterrichtet ist« »Woher willst du das wissen?«
»Ihr habt nicht gesehen, wie er sein Heer antreibt, Herr. Die Fußtruppen rennen im Laufschritt, und die Reiterei...« Thomas unterbrach sich, um keuchend Atem zu schöpfen. »Alles deutet darauf hin, daß sie auf eine Begegnung vorbereitet sind. Sie wollen sich mit den Dänen vereinen.« Hagen, der bisher geschwiegen hatte, warf mit finsterer Miene ein: »Vor einer Stunde hatten wir die Dänen noch in der Falle, und jetzt sitzen wir selbst darin.«
»Aber wie kann das sein?« ereiferte sich Siegfried. Zorn flammte in seinen Augen. »Wir sind verraten worden!«
»Unsinn«, entgegnete Hagen. »Wir sind mehr als zwölfhundert Mann. Ihr könnt nicht im Ernst erwarten, ein solches Heer zehn Tage über Land zu führen, ohne daß es jemand merkt Es gibt keine Verräter unter uns.« Hagen sah, daß Siegfried nahe daran war, die Beherrschung zu verlieren. Der Xantener tat Hagen in seinem hilflosen Zorn fast leid. Soeben erst war er als Held zurückgekommen, als der Mann, der ganz allein die erste Schlacht gewonnen hatte. Jetzt, nach dem kurzen Bericht des Spähers, zählte seine Tat nichts mehr. Hätten sie mehr Zeit gehabt, hätten sie vielleicht mit Lüdeger verhandeln können, indem sie seinen Bruder als Geisel benutzten. Aber so - mit einer samt Lüdegasts Kriegern sechsfachen Übermacht - würde er sie zermalmen.
»Wir müssen aus diesem Tal heraus«, fuhr Hagen, an Volker und Gernot gewandt, fort »Mit den Dänen vor uns und den Sachsen im Rücken wird es wirklich zu einer Falle.«
»Ich fürchte, es bleibt uns gar keine andere Wahl mehr, als Lüdeger direkt anzugreifen«, murmelte Gernot Hagen schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir nicht«, sagte er. »Die Sachsen sind viermal so stark wie wir. Und wenn uns die Dänen in den Rücken fallen...«
»Ein Grund mehr, keine Zeit zu verlieren und unverzüglich zu handeln«, sagte Siegfried. »Was hat sich schon geändert? Sind wir nicht hierhergekommen, um die Sachsen und die Dänen zu schlagen?« Hagen sah ihm fest in die Augen, konnte aber nur Hochmut und Trotz in ihnen lesen. »Nacheinander und nach einem wohldurchdachten Plan«, sagte er. »Aber nicht so. Die Dänen werden nicht lange brauchen, um sich von ihrem Schrecken zu erholen.« »Worauf warten wir dann noch?« fragte Siegfried kühl. Hagen zögerte mit der Antwort Es gab viele Gründe, die gegen einen sofortigen Angriff sprachen. Aber im Grunde hatten Siegfried und Gernot recht Es war ein verzweifeltes Unterfangen - und trotzdem der einzige Ausweg, der ihnen blieb, wollten sie nicht den Rückzug antreten und sich damit geschlagen geben. »Also gut«, sagte Hagen.
Siegfrieds Haltung entspannte sich, und Hagen mußte an dessen Worte vom vergangenen Abend denken. Jedermann weiß, daß Ihr der wahre Herr von Burgund seid, hatte Siegfried gesagt. Wenn das stimmte, dann lag die Verantwortung jetzt in seinen Händen.
Plötzlich fühlte er sich von einer wohlbekannten, zitternden Spannung erfüllt; jetzt, da die Entscheidung gefallen war, spürte Hagen wieder die alte Entschlossenheit und Tatkraft, die ihn zu so vielen Siegen getragen hatte.
»Volker!« befahl er. »Sagt den Männern, was sie zu tun haben. Alles, was nicht für den Kampf gebraucht wird, bleibt hier: Decken, Nahrung, Wasser, Feuerholz - alles, außer den Waffen. Sinold, Ihr sucht hundert Mann aus und schickt sie auf jene Anhöhe dort. Sie sollen sich den Dänen zeigen und glauben machen, das ganze Heer wäre noch hier. Jeder Augenblick, den wir sie noch aufhalten, zählt. Wenn wir zwischen die beiden Heere geraten, sind wir verloren. Gernot - gebt Befehl, daß eine Abordnung von einem Dutzend Reitern Lüdegast nach Worms bringt. Wenn wir geschlagen werden, ist er Gunthers letztes Faustpfand.« Gernot lächelte. »Jetzt erkenne ich den alten Hagen wieder«, sagte er. »Wir haben ihn lange vermißt.«
Hagen schnaubte. »Dann betet zu Eurem Gott, daß Ihr noch lange Gelegenheit haben werdet, ihn zu vermissen.« Er löste seinen Schild vom Sattelgurt. »Und nun kommt«, sagte er. »Wir haben einen Krieg zu gewinnen.«