23

Harry, Susan, Fair, Big Mim, Little Marilyn und Boom Boom waren untröstlich, weil die lange geplante Fuchsjagd des Keswick- Jagdclubs wegen des Regens buchstäblich ins Wasser gefallen war. Das einzig Gute an dem verregneten Samstag war, daß Harry endlich in den Supermarkt ging. Als sie ihren Einkaufswagen durch den Gang mit Tiernahrung schob, immer ihr erstes Ziel, sah sie Cynthia Cooper Tüten mit Vogelfutter in ihren Wagen laden.

»Coop.«

»He. Da hatten wohl zwei große Geister dieselbe Idee.«

»Mrs. Murphy zertrümmert mir das Haus, wenn ich ihr keinen Thunfisch kaufe. Vorige Woche hat sie die Armlehne vom Sofa he­runtergerissen. Ich hab sie noch nicht wieder festgemacht.«

»Wegen Thunfisch?«

»Nein. Weil ich sie zu Hause gelassen und Tucker mit nach Mont­pelier genommen habe. Da ist sie richtig fies geworden.«

Hätte Cynthia eine solche Geschichte vor fünf Jahren gehört, sie hätte sie für ein Märchen gehalten. Unterdessen hatte sie jedoch Har­rys Katze und Hund und auch andere Tiere in Crozet kennengelernt. Die Geschichten waren wahr. Mrs. Murphy hatte sie sogar einmal bei einem Mordfall in Monticello auf ein Schädelfragment hingewiesen. Es hätte blinder Zufall sein können, aber andererseits.

»Eines Tages schaffe ich mir eine Katze an, aber ich habe unmögli­che Arbeitszeiten. Vielleicht brauche ich vor der Katze einen Ehe­mann. Der kann sich dann um die Katze kümmern, wenn ich im Dienst bin.«

»Hoffentlich hast du mehr Glück als ich.«

»Macht es dich nicht wahnsinnig, daß alle Welt versucht, dich und Fair wieder zusammenzubringen - Fair inklusive?« Cynthia lachte.

Harry stützte die Ellbogen auf den Haltegriff des Einkaufswagens. »Mangelnde Phantasie. Sie glauben nicht, daß sich noch mal ein akzeptabler Mann nach Crozet verirrt.«

»Blair Bainbridge.« Cynthia sprach von dem Model, das vor ein paar Jahren die Farm neben Harrys gekauft hatte.

»Durch seinen Beruf ist er immer so lange unterwegs. Und ich glaube, Marilyn Sanburne die Jüngere hat ihn im Visier.«

»Drolliger Ausdruck.« »Ich bemühe mich, nicht gemein zu sein.« Harry trat unbeabsichtigt gegen den Wagen und fiel fast auf die Nase, als er von ihr wegrollte.

»Wie lange brauchst du noch für deine Einkäufe?« Cynthia deutete auf Harrys umfangreiche Liste.

»Eine Dreiviertelstunde. Warum?«

»Wenn du Nudeln kaufst, koche ich sie.«

»Im Ernst?« fragte Harry bereitwillig. Da sie keine begnadete Kö­chin war, ließ sie sich gern zum Essen einladen oder bekochen.

»Dann können wir uns austauschen.« Cynthia legte den Finger an die Lippen, das>Pst< -Zeichen.

Harry verstand. »Sei in einer Stunde bei mir.«

Als sie flugs in den nächsten Gang einbog, erblickte sie Boom Boom, die ein Ohr gegen Dosen mit gebackenen Bohnen preßte.

»Ich bin jetzt in diesem Gang.« Harry mußte einfach sticheln. »Es sei denn, die Bohnen erzählen dir was.«

»Du mußt etwas gegen deinen Feindseligkeitspegel tun. Ich möchte dich ehrlich und wahrhaftig mit zu>Lifeline< nehmen.«

»Ich tu was gegen meinen Feindseligkeitspegel.« Harry ahmte Boom Booms reifen, verständnisvollen Tonfall nach, den sie für Augenblicke gesellschaftlichen Hochmuts reservierte. Sprach's und schob ihren Wagen weiter.

»Was meinst du damit?« Boom Boom stemmte die Hände in die Hüften. »Harry, komm wieder her.«

Harry bog in den nächsten Gang, ohne zurückzublicken. Boom Boom lief ihr aufgebracht hinterher. »Was meinst du damit?«

»Nichts«, rief Harry über die Schulter, während sie in einem Af­fenzahn Waren in ihren Wagen warf.

Boom Boom, die sich nie einen emotionalen Leckerbissen entge­hen ließ, nahm die Kurve zu eng und rammte einen Ständer mit Toi­lettenpapier, das über den Fußboden, in ihren Wagen und auf ihren Kopf purzelte. Harry blieb stehen und lachte. Sie konnte nicht dage­gen an. Dann wendete sie ihren Wagen, warf ein paar Rollen hinein und sagte zu der wutschnaubenden Boom Boom: »Wisch und weg, Boom.«

»Ach, halt den Mund, Harry.«

»Ha!«

Cynthia johlte, als Harry ihr den Vorfall im Supermarkt schilderte. Sie fischte mit einer Holzgabel ein paar Nudeln aus dem kochenden Wasser. »Noch nicht ganz durch.«

Harry deckte den Tisch. Mrs. Murphy ruhte als Tafelaufsatz in der Mitte. Tucker blickte betrübt auf das karierte Tischtuch.

»Da.« Harry warf der Corgihündin einen grünen Hundeknochen zu.

»Wie kannst du den Fraß essen?« Murphy zog die Vorderpfoten unter die Brust.

»Ich fresse alles, was mich nicht zuerst frißt.«

»Sehr komisch. Der Witz hat soo 'n Bart.« Die Katze zuckte mit dem rechten Ohr.

»So, fertig.« Cynthia stellte die Nudeln auf den Tisch. »Ißt sie mit uns?«

»Na ja, wenn sie dich stört, setze ich sie auf den Boden, aber Nu­deln mit Butter ißt sie zu gern, und sobald sie etwas abgekühlt sind, mache ich ihr einen Teller zurecht.«

»Harry, du verwöhnst die Katze.«

»Nicht genug«, kam die prompte Antwort, als Harry Nudeln für die Katze kleinschnitt und auch für Tucker eine kleine Schüssel zu­rechtmachte. Sie gab Butter auf ihre eigenen Nudeln, Cynthia er­tränkte ihre in einer Muschelsahnesoße.

»Kann ich dich nicht für diese Soße erwärmen?«

»Erwärmen schon, aber ich muß fünf Pfund abnehmen, bevor es richtig Winter wird, sonst werde ich sie vor April nicht mehr los. Susan und ich haben uns letzte Woche geschworen, keinen Winter­speck anzusetzen.«

»Du hast kein Pfund zuviel am Leib.«

»Du mußt dich ja nicht in meine Jeans zwängen.«

»Harry, du liest zu viele Modezeitschriften. Die Models sind ma­gersüchtig.«

»Ich habe keine einzige Modezeitschrift abonniert«, verkündete Harry stolz.

»Natürlich nicht. Du liest, was immer ins Postamt kommt.«

Harry wickelte kleinlaut ihre Nudeln um ihre Gabel. »Na ja, kann schon sein.«

»Du bist die belesenste Person in Crozet.«

Harry lachte. »Das besagt nicht viel.«

»Reverend Jones liest eine Menge.« »Ja, das stimmt. Woher weißt du das?«

»Hab ihm gestern einen dienstlichen Besuch abgestattet.«

»Oh.«

»Ich wollte wissen, wie gut er Coty Lamont, Mickey Townsend und den Rest der Rennbahngesellschaft kannte und ob er Messer­sammler kennt.«

»Ich schwöre, er kennt mehr Leute als sonst jemand, außer Mim und Miranda. Wußte er etwas über diese?«

»Mehr!« bellte Tucker.

»Nein«, wies Harry den gierigen Hund zurecht.

»Er sagte, er hat Coty Lamont vor Jahren gekannt, als er noch Stallbursche war. Ich habe ihn auch nach Ricks Idee vom Ködern und Vertauschen gefragt. Eine gefälschte Tätowierung auf der Ober­lippe eines Pferdes anbringen und es für einen Haufen Geld verkau­fen. Herb sagte, das würde heutzutage nicht mehr funktionieren. Es fällt Rick sehr schwer, sich von seiner Lieblingstheorie zu trennen, weil wir in eine Sackgasse geraten sind. Der Chef kann sehr bockig sein.«

»Hübsch ausgedrückt.« Harry schaufelte noch Nudeln auf ihren Teller und nahm sich ein kleines bißchen von der Muschelsoße, die köstlich schmeckte. »Hatte Herb eine Ahnung, was da vorgeht?«

»Nein. Du kennst ihn ja, er kramt gern in der Vergangenheit herum. Er schweifte vom Thema ab und erzählte mir von damals, als Arthur Tetrick und Mickey Townsend beide in Marylou Valiant verliebt waren. Coty Lamont hat Mickey für Arthur ausspioniert.«

»Spioniert?«

»Das falsche Wort. Er hat die Stallburschen bei Mickey ausge­quetscht, ob und wann er in dieser Woche mit Marylou verabredet war. Sie ist ungefähr sechs Monate lang mit beiden gegangen und hat dann schließlich mit Arthur Schluß gemacht.« Sie kicherte. »Es fällt schwer, sich Arthur Tetrick als Liebhaber vorzustellen.«

»Marylou wird es vermutlich auch schwergefallen sein.«

Beide lachten.

Cynthia berichtete, was der Pfarrer ihr erzählt hatte. »Herb sagte, als Marylou verschwand, hatte Arthur einen Nervenzusammen­bruch.«

»Stimmt. Er mußte für ungefähr eine Woche ins Krankenhaus, wo­durch er sich nur noch schlechter fühlte, weil er nicht für die Valiants dasein konnte. Larry Johnson hat ihn eingewiesen.«

»Mim hat sich um die Valiants gekümmert. Das hat Herb gesagt.«

»Ja. Es war schrecklich. Sie setzte eine Belohnung von zehntausend Dollar für Informationen über Marylous Verbleib aus. Sobald Arthur entlassen war, wollte er die Valiants bei sich aufnehmen. Mim sagte ihm, eine Frau könne ihnen besser beistehen als ein Mann. Arthur wollte auf keinen Fall, daß Mickey sie sah, und auch damit war Mim nicht einverstanden. Addie hatte genug gelitten. Sie brauchte Mi­ckey. Das führte wieder zu einem Riesenkrach zwischen Arthur und Mickey. Adelia wurde aufs Internat geschickt, Charles machte seinen Abschluß in Cornell und arbeitete eine Zeitlang in Maryland. Addie kam in den Ferien immer nach Hause, um Mickey zu besuchen. Ar­thur und Mickey hassen sich, aber richtig. Mickey hat keinen Cent von Marylou bekommen. Er wurde in ihrem Testament nicht be­dacht. Sie waren wohl nicht lange genug zusammengewesen. Mim hat ihr Bestes für die Valiants getan - hm, für Marylou, würde ich sagen. Sie war eine wahre Freundin.«

Coop fragte: »Hat Mim etwas von Marylou geerbt?«

»Ein Armband als Andenken. Ich glaube nicht, daß Mim von Ar­thur jemals Geld für die Ausgaben der Kinder angenommen hat, außer vielleicht für die Ausbildung. Addie ist allerdings auch nicht lange auf dem College geblieben. Sie hat es gehaßt.«

»Ich hatte gerade erst bei der Polizei angefangen, als das alles pas­sierte... Marylous Verschwinden. Ich hatte mit dem Fall nichts zu tun. Die meiste Zeit habe ich das Telefon bedient und den Computer mit Informationen gefüttert, bis ich Rick die Meinung gesagt habe.«

»Das habe ich gar nicht gewußt.«

»O ja. Ich habe ihm gesagt, er läßt mich Sekretärinnenarbeit ma­chen, ich sei aber Polizistin. Er hat mich überrascht, denn er dachte darüber nach und sagte dann:>Sie haben recht. < Seitdem kommen wir gut miteinander aus. Mehr als das. Ich verehre den Kerl. Wie einen Bruder«, beeilte sie sich hinzuzufügen.

Sie aßen ein paar Minuten schweigend. Mrs. Murphy griff sich eine lange Nudel von Harrys Teller. Harry tat, als merkte sie es nicht. Cynthia hütete sich, etwas zu sagen.

»Coop, was ist eigentlich los?« »Verdammt, wenn ich das wüßte. Der Autopsiebericht von Coty Lamont ist gekommen. Vollgekokst. Nigel auch. Keine Fingerab­drücke auf der Leiche. Kein Anzeichen von einem Kampf. Es ist wirklich frustrierend.«

Harry schüttelte den Kopf. »Ich wette, eine Menge von den Bur­schen nimmt Kokain. Vielleicht standen sie bei ihrem Dealer in der Kreide.«

»Rauschgift ist die Ursache der meisten Verbrechen in diesem Land. Noch eine winzige Kleinigkeit, die darfst du aber nicht weiter­sagen, das mußt du mir versprechen.«

»Nicht mal Miranda?«

»Nein.«

Harry seufzte tief. Es bedrückte sie, Miranda oder Susan etwas zu verheimlichen. »Okay.«

»Es gibt keinen Nigel Danforth.«

»Was?«

»Falscher Name. Wir können nicht herausfinden, wer er ist oder war. Wir hofften, daß früher oder später jemand, der nicht weiß, daß er tot ist, nach ihm sucht, eine Vermißtenanzeige aufgibt.« Sie legte die Gabel auf ihren weißen Teller. »Das ist allerdings eine vage Hoffnung.«

»Mickey Townsend weiß auch nicht, wer er ist?«

»Nein. Und Rick hat's ihm unter die Nase gerieben. Nicht eben sanft.«

»Huh, ich wette, Mickey hat dem Vesuv Konkurrenz gemacht.«

»Er hat sich beherrscht.«

»Komisch.«

»Finden wir auch.«

»Mickey hat Angst«, „warf Mrs. Murphy ein.

»Schätzchen, du hast genug gehabt.« Harry dachte, die Katze sprä­che vom Essen.

»Ich wollte, du würdest bloß ein einziges Mal auf mich hören«, murrte Mrs. Murphy.»Er hat Angst, und da ist was in Mims Stall.«

»Undzwar nichts Gutes«, fügte Tucker hinzu.

Harry streichelte die Katze, während Cynthia den Hund mit einem Stückchen Butterbrot fütterte. »Sie hat so ein intelligentes Gesicht.«

»Ach biiitte«, sagte die Katze gedehnt.

»Glaubst du, Mickey hat was mit den Morden zu tun?«

»Ich glaube gar nichts. Ich versuche, Fakten zu sammeln. Er hat für den ersten Mord ein Alibi, weil so viele Leute ihn zur Tatzeit gese­hen haben. Er hat Pferde aus den kleineren Ställen aufgeladen. Aber für diesen Mord hat ja jeder ein Alibi. Was den zweiten Mord angeht - jeder hätte es getan haben können. Und wenn wir uns den zeitli­chen Rahmen der Hauptbeteiligten vergegenwärtigen, hätte fast jeder Nigel Danforth erledigen können. Wir haben sogar rekonstruiert, wo Charles Valiant zur Zeit des Mordes gewesen ist, weil er und Nigel beim Rennen Streit hatten. Alles lose Fäden.«

»Habt ihr die Verbrecherkartei durchgesehen, ob ihr Nigel findet?«

»Wir haben alles in den Computer eingegeben. Nichts. Wir haben seine Zahnabdrücke rausgeschickt. Nichts. Ich glaube, der Junge ist sauber.« Sie zuckte die Achseln. »Allerdings.«

»Vor den Rennen haben Jim Sanburne und Larry Johnson mich ge­beten aufzupassen, weil Charles und Mickey letztes Jahr beim Mary­land Cup aneinandergeraten sind«, sagte Harry. »Sie dachten, es würde Ärger unter den Jockeys geben, aber damals wußten sie nicht, daß Addie sich in Nigel verknallt hatte. Von da ist der Ärger jeden­falls nicht gekommen. Komisch.«

»Linda Forloines und Nigel. Ja, wir haben versucht, das zusam­menzufügen. Frank Yancey hat Will und Linda getrennt verhört. Die kriegen wir. Ricks Instinkt ist messerscharf. Ich wollte gleich die Fifteen North rauf fahren und sie aufscheuchen, aber Rick hat gesagt, >abwarten<. Er glaubt, daß eine andere Spürnase ihnen in die Suppe spucken wird.«

»Glaubst du, die stecken da mit drin? Ehrlich gesagt, ich verab­scheue Linda Forloines dermaßen, daß ich sie schlecht beurteilen kann.«

»Viele Leute verabscheuen sie«, sagte Cynthia. »Sie ist eine kleine Gaunerin, die den Abdeckern Pferde verkauft, während sie den Be­sitzern erzählt, sie hätte einen guten Platz für sie gefunden.«

»Sie ist so durchschaubar, daß es lächerlich ist - wenn man Pferde kennt.« Harry häufte noch Nudeln auf ihren Teller.

»Sie verkauft wieder Kokain. Rick meint, sie wird uns zu dem Mörder führen - oder zu den Mördern.«

»Ihr denkt also, sie steckt da mit drin.« Harry senkte die Stimme, obwohl sonst niemand da war.

»Linda war es, die Fair indirekt beschuldigt hat, er würde Pferde dopen.«

»Ich bringe das Miststück um!«

»Nein, das tust du nicht«, mahnte Cynthia. »Frank Yancey hat sie sofort durchschaut, als sie ihren>Verdacht< äußerte. Als Colbert Ma­son vom Verband ein bißchen unruhig wurde, haben wir abgewartet, was er tun würde. Mims Fax vom Brief des Anwalts hat Colbert veranlaßt, sich mit Linda in Verbindung zu setzen und ihr zu sagen, sie müsse formell Klage einreichen. Da hat sie schleunigst einen Rückzieher gemacht.«

»Was ist sie doch für ein jämmerlicher Mensch.«

»Wohl wahr, aber warum hat sie das gemacht, Harry?«

»Weil sie gerne Schlamm aufwühlt, im Trüben fischt, such dir aus, welchen Spruch du willst.«

»Laß dir was Besseres einfallen.« Cynthia räumte das Geschirr zu­sammen.

»Sie bringt euch von der Spur ab.«

»Wir haben sie beobachtet. Sie ist umgehend zu ein paar von den Leuten geeilt, die sie beliefert. Weniger, um sie zu warnen, als um ihnen das Maul zu stopfen. Das glauben wir zumindest. Wir können allerdings nicht rund um die Uhr jemanden auf sie ansetzen. Wir haben nicht genug Leute in der Abteilung. Wir hoffen, daß sie uns zu dem Lieferanten führt.«

»Hat sie Coty Lamont Koks verkauft?«

»Ja. Sie hat auch Nigel Danforth welches verkauft. Auch sein Blut war voll mit dem Zeug. Jockeys werden stichprobenartig getestet, und wir glauben, sie haben einen Tip gekriegt, wann immer sie gete­stet wurden.«

Harry stieß einen erstaunten Pfiff aus. »Arme Addie.«

»Wieso?«

»Mein Gott, Cynthia, sie war drauf und dran, sich mit einem Dro­genabhängigen einzulassen.«

»Mein Gefühl sagt mir, daß sie auch wieder Drogen nimmt.«

»Da mag ich gar nicht dran denken.«

»Du kannst mir helfen.« Cynthia beugte sich vor. »Das Stilett, das bei diesen Morden benutzt wurde, ist ein sogenannter Silver Shadow. Sie kosten zwischen neunzig und hundertzehn Dollar. Ich habe bei allen Händlern von Washington bis Richmond und Charlotte, North Carolina, nachgefragt. Sie führen keine Listen darüber, wer Messer kauft. Es ist nicht wie bei Schußwaffen. Offensichtlich ist ein Stilett kein Verkaufsschlager, weil es nicht so nützlich ist wie ein Jagdmes­ser. Nur sechs sind in den diversen Geschäften, die ich angerufen habe, verkauft worden. Ich überprüfe es noch weiter, aber es rutscht auf meiner Liste nach unten, weil wir nach dem zweiten Mord über­lastet sind. Der Druck der Presse hat uns gerade noch gefehlt. Rick möchte den Streifenwagen am liebsten gegen einen Panzer tauschen und die Pressegeier überrollen.« Sie hielt inne. »Wenn du irgendwas über Messer sehen oder hören solltest - sag's mir.«

»Klar.«

»Noch etwas.« Harry machte ein fragendes Gesicht, und Cynthia fuhr fort: »Wenn hier Rauschgift im Spiel ist, könnte es sein, daß die Person, die diese Verbrechen begangen hat, nicht rational handelt.«

»Kann ein Mörder überhaupt rational handeln?«

»Absolut! Ich sage ja nur, spiel lieber mit verdeckten Karten.« Sie zuckte zusammen. »Ich wünschte, das hätte ich nicht gesagt.«

»Ich auch«, fiel die Katze ein.

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