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Sheriff Rick Shaw, eine Stablampe in der Hand, zog ein Augenlid zurück. Nichts. Er fuhr fort, die Leiche vorsichtig zu untersuchen, wobei ihn Dr. Larry Johnson beobachtete. Shaw wollte die Leiche noch nicht fortschaffen lassen.

Nigel Danforth saß genau so, wie Fair Haristeen ihn gefunden hatte - aufrecht auf einer Sattelkiste, in seinem roten Seidendreß mit der blauen Schärpe. Ein Messer steckte in seinem Herzen.

Obwohl der Mord offensichtlich in Orange County verübt worden und Rick der Sheriff des Nachbarbezirks war, hatte Frank Yancey, der Sheriff von Orange, ihn hinzugezogen. Rick hatte mehr Erfah­rung mit Morden, und dieser war ein Rätsel, vor allem, weil das Messer eine Spielkarte durchstochen hatte, die Kreuzdame, die Ni­gels Herz bedeckte.

Fair wartete mit verschränkten Armen, sein Gesicht war kreide­bleich.

»Seine Leiche wargenau wie jetzt, als Sie ihn fanden?« fragte Rick den schlaksigen Tierarzt.

»Ja.«

»Haben Sie irgendwas gesehen, irgendwen?«

»Nein. Ich bin durch den Nordeingang hereingekommen und habe Licht gemacht. Alle Pferde hätten inzwischen weg sein sollen, aber ich dachte, ich sehe lieber noch mal nach. Er saß da. Ich habe nicht gemerkt, daß etwas nicht stimmte, obwohl ich es eigenartig fand, daß er im Dunkeln saß. Ich rief ihm etwas zu, und er antwortete nicht. Als ich näher kam, sah ich das Messer in seiner Brust. Ich habe ihm den Puls gefühlt. Aus.«

»Wie war seine Körpertemperatur, als Sie ihn berührten?«

»Noch warm, Larry. Er war vielleicht seit einer Stunde tot. Seine Gliedmaßen hatten sich noch nicht mit Flüssigkeit gefüllt. Es sah wirklich aus, als säße er einfach nur da.«

»Keine Spur von irgendwem - irgendwas?« Rick seufzte. Er kannte Fair seit Jahren, achtete ihn als Tierarzt und daher als einen Mann der Wissenschaft. Auf Fairs Erinnerungsvermögen konnte er sich hundertprozentig verlassen.

»Im Stall war niemand. Ein paar Lastwagen fuhren auf der Straße. Der Lärm hätte jemanden, der weglief, übertönen können. Ich habe in den Boxen nachgesehen, auf dem Heuboden, in der Sattelkammer. Nichts, Sheriff.«

»Die Karte ist ein raffinierter Trick.« Frank Yancey schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist es die Abrechnung für eine Spielschuld.«

»Heftige Abrechnung«, sagte Larry Johnson.

»Heftige Schuld?« Frank hob die Hände.

»Frank, haben Sie die Fotos und Abdrücke, die Sie brauchen?« Als Frank nickte, fuhr Rick fort: »Gut, dann schaffen wir die Leiche fort. Haben Sie was dagegen, wenn Larry bei der Autopsie anwesend ist?«

»Nein, nein, ich bin froh, ihn dabeizuhaben.«

»Schätze, ich kann das aus den Zeitungen raushalten.« George Miller, der Bürgermeister von Orange, rang unbewußt die Hände. Er war wenige Minuten nach Yanceys Anruf eingetroffen. »Colbert Mason und Arthur Tetrick waren entsetzt, wurden dann aber ganz schnell zugeknöpft. Vor allem wollten sie nicht, daß ein Foto von der Leiche in die Zeitung kommt.«

»Ein einziger Mord in Rennbahnkreisen bedeutet nicht, daß sie in Korruption versinken«, bemerkte Larry besonnen.

»Vor fünf Jahren hat es schon mal einen Mord gegeben.« Fairs tie­fer Bariton klang düster in dem Stall.

Frank beugte sich vor. »Wovon reden Sie?«

»Marylou Valiant.«

»Man hat sie nie gefunden, nicht?« erinnerte sich Frank Yancey und blinzelte.

»Nein«, antwortete Rick. »Wir wissen von keiner anderen Verbin­dung zu Hindernisrennen, als daß sie eine Reihe guter Pferde besaß. Das ist kein Motiv für einen Mord. Es gibt auch immer noch Leute, die glauben, daß sie nicht tot ist. Daß sie einfach aus ihrem Leben entschwunden ist.«

»Das haben sie von Elvis auch gesagt«, entgegnete Fair. »Hat je­mand Adelia Valiant verständigt?«

»Warum?« fragten Frank und George gleichzeitig.

»Sie war mit Danforth zusammen, ziemlich ernste Sache, glaube ich.«

Frank musterte den großen Mann. »Hm - können Sie's ihr sagen?«

Rick und Fair warfen sich einen Blick zu, dann sahen sie Larry an.

»Ich mach's«, sagte der alte Doktor leise. »Aber ich möchte, daß Sie mitkommen. Und Rick, fallen Sie nicht gleich mit der Tür ins Haus, ja?«

Der Sheriff verzog das Gesicht. Er bemühte sich, feinfühlig zu sein, aber der Drang, einen Mörder zu schnappen, konnte seine Anstren­gungen zunichte machen. »Ja, ja.«

Zwei Sanitäter schoben die Bahre durch den Südeingang des Stalls herein, während Fair, Larry und Rick durch den Nordeingang hi­nausgingen.

Rick wandte sich an Fair: »War er ein guter Jockey?«

»Nicht schlecht.«

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