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»Wo bleibt er nur?« brummte Harry. »Man sollte meinen, ich hätte mich inzwischen daran gewöhnt. Er konnte noch nie pünktlich sein. Sogar seine eigene Mutter hat zugegeben, daß er mit einer Woche Verspätung auf die Welt kam.«

»Das letzte Mal habe ich Fair gesehen, als er das Pferd mit dem Sehnenbug untersuchte«, sagte Addie, während wieder jemand kam, um ihr zu gratulieren. »Wo er auch ist, Nigel ist vermutlich bei ihm. Er kann auch nie pünktlich sein.«

Mim hob ihr Champagnerglas. »Auf den besten Trainer und den besten Jockey in diesem Sport!«

Die Versammelten jubelten und gratulierten ihr zum Sieg.

Chark hob ebenfalls sein Glas und erwiderte: »Auf die beste Besit­zerin.«

Weitere Trinksprüche hallten von den geschmackvollen Wänden von Mim Sanburnes georgianischer Villa im Nordwesten von Crozet wider.

Jim, ihr Ehemann, mischte sich vergnügt unter die Gäste, die von livrierten Dienern mit Champagner - Louis Roederer Cristal -, Kavi­ar, Hähnchenscheiben, geräuchertem Truthahn, köstlichem geräu­chertem Schinken, Mais- und Bohneneintopf, Aufläufen und Des­serts - hochkarätige Kalorienbomben - versorgt wurden.

Unter dem Bedienungspersonal waren viele Studenten der Univer­sität von Virginia. Trotz ihres ungeheuren Reichtums warf Mim ihr Geld nicht zum Fenster hinaus, und im Hinblick auf zu zahlende Sozialversicherung, Steuern, Arbeitslöhne und Krankenversicherung dachte sie nicht daran, ihre Ausgaben mit einem Haufen Gehälter in die Höhe zu treiben. Für Anlässe wie diesen stellte sie Personal ein, die übrige Zeit begnügte sie sich mit einer Köchin, einem Butler und einem Hausmädchen. Ein Gutsverwalter und zwei Vollzeitarbeiter vervollständigten die Lohnliste.

Charles und Adelia Valiant ritten ihre Pferde zu, aber sie trainierten auch die von anderen Leuten. Einmal im Monat erhielt Mim eine aufgegliederte Rechnung. Da sie das halbe Jahr über von ihren Ein­richtungen profitierten, gewährten sie Mim einen ansehnlichen Ra­batt. Die andere Hälfte des Jahres überwinterten und trainierten sie in Aiken, South Carolina.

Mim bezeichnete Hindernisreiter als langsame Zigeuner, weil sie vier bis sechs Monate blieben und dann weiterzogen.

Reverend Herbert Jones, der mit den Eiswürfeln in seinem Glas klimperte, gesellte sich zu Harry, als Addie von einem Gast fortge­zogen wurde.

»Schöner Tag heute. Immerhin, beim Montpelier-Rennen weiß man nie. Ich habe schon im Schnee und im Regen gestanden, ich habe mich bei fünfundzwanzig Grad in der Sonne geaalt. Der heutige Tag war einer der schönsten.«

Harry lächelte. »Das ist wahr.«

Herb beobachtete Boom Boom Craycroft aus dem Augenwinkel. Sie arbeitete sich im Raum in einem Halbkreis zu Harry vor. Er senkte seine rauhe Stimme. »Boom Boom ist im Anmarsch.«

»Nicht schon wieder.«

»Oh?« Seine Augenbrauen schnellten in die Höhe.

»Sie hat zwischen dem ersten und zweiten Rennen großzügig ihre innersten Gefühle mit mir geteilt. Vergebung und Erlösung sind zum Greifen nahe, wenn man zu>Lifeline< geht.«

»Ich dachte, Vergebung und Erlösung seien mein Ressort.« Reve­rend Jones lachte über sich selbst. »Ach was, lassen Sie sie quasseln. Wer weiß, vielleicht hat>Lifeline< ihr ja wirklich irgendwie geholfen. Ich persönlich ziehe Gebete vor.«

Im Hintergrund klingelte das Telefon. Rick Shaw, der Sheriff von Albemarle County, wurde an den Apparat gerufen.

»Er kommt nie zur Ruhe. Coop auch nicht.« Coop, Cynthia Coo­per, war Shaws Stellvertreterin.

»Nach Montpelier sind immer viele Betrunkene auf der Straße.«

»Die brauchen die Rennen nicht als Ausrede. Die nehmen das Zeug doch bestimmt intravenös zu sich.«

Rick legte den Hörer auf, flüsterte Mim etwas zu und verließ die Party. Mims Gesicht drückte Entsetzen aus. Dann schlüpfte sie rasch wieder hinter ihre Gesellschaftsmaske.

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