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»Sie hat Susan rumgekriegt, uns und die Pferde zu versorgen«, stöhnte Tucker.»Sie packt ihre Sachen. Was sollen wir tun?«

»Ich kann mich unter dem Sitz vom Ford verstecken und dann in den Pferdeanhänger springen.« Mrs. Murphy legte sich auf die Seite. Sie hatte sich so viele Gedanken gemacht, daß sie erschöpft war.

»Aber ich passe nicht unter den Sitz«, jammerte Tucker.»Und du brauchst mich. Mutter braucht mich, sie weiß es bloß nicht.«

»Ich überlege.«

Tucker ließ den Kopf zwischen ihre weißen Pfoten sinken, so daß ihr Gesicht Mrs. Murphys gegenüberlag.»Es werden noch mehr Morde geschehen! Alle werden sterben!«

»Du darfst dich da nicht reinsteigern. Und sei mal eine Minute still. Ich überlege noch.« Fünf lange Minuten vergingen.»Ich habe eine Idee.«

»Ja?« Tucker sprang auf.

Mrs. Murphy setzte sich ebenfalls auf. Sie konnte es nicht leiden, wenn Tucker auf sie herabsah.»Geh in ihr Schlafzimmer und bettle, flehe, heule. Mach, daß sie dich mitnimmt.«

»Und was ist mit dir?« Tuckers sanfte braune Augen waren voll Besorgnis.

»Sie wird mich nicht mitnehmen. Das wissen wir beide. Ich kann genauso gut reisen wie du, aber Mutter hat es sich in den Kopf ge­setzt, daß Katzen nicht gerne reisen.«

»Ja, weil du...«

»Das habe ich bloß einmal gemacht!« brauste Mrs. Murphy auf. »Ich wünschte, du würdest das vergessen.«

»Mutter vergißt es nicht. Ich versuche zu denken wie sie«, redete Tucker sich heraus.

»Wenn der Tag kommt, wo wir denken wie ein Mensch, sind wir in Schwierigkeiten. Wir sind ihnen geistig überlegen, das ist der Clou. Sie wird mich nicht mitnehmen. Wenn sie dich mitnimmt, ist wenig­stens eine von uns bei ihr. Sie braucht einen Aufpasser, weißt du. Wenn sie was Unbesonnenes tut, könnte sie wirklich in Teufels Kü­che kommen. Aber eigentlich mache ich mir viel mehr Sorgen um Mim.«

»Mim?« Tuckers Zunge schnellte einen Moment heraus, ein rosa Ausrufezeichen.

»Marylou Valiant ist in ihrem Stall vergraben. Coty Lamont und jemand namens Sargent haben den Leichnam vor fünf Jahren dorthin geschafft. Richtig? Also, Mim mag ja heil und gesund sein, aber Tat­sache bleibt, daß eine ermordete Frau, eine gute Freundin von ihr, auf ihrem Grund und Boden vergraben ist. Was, wenn sie es heraus­findet?«

Tucker, die ihre Freundin gut kannte, nahm ihren Gedankengang auf.»Es ist ein kleiner Kreis, diese Rennbahngesellschaft. Mim ist wichtig in dieser Welt.«

»Eins ist mal sicher.«

»Was?«

»DerMörder hat ein Kartenspiel bei sich.«

»Das hat halb Amerika.« Murphy rieb sich an Tuckers Brust und kitzelte die empfindliche Hundenase mit ihrem Schwanz.

»Eins läßt mir wirklich keine Ruhe: Wenn ein Mord begangen wur­de, ist das letzte, was ein Mörder will, die Leiche auszugraben. Die Leiche ist es doch, die die Mörder belastet.«

»Vielleicht haben sie vergessen, ihr den Schmuck abzunehmen, oder es wurde Geld mit ihr vergraben.«

»Möglich, wenn der oder die Mörder nervös waren. Ja, es ist mög­lich, aber Coty hatte Zeit genug, seine fünf Sinne einzusammeln. Er hat ihr alle Wertsachen abgenommen, darauf geh ich jede Wette ein. Andererseits wissen wir nicht sicher, ob Coty oder der andere Typ sie umgebracht hat.«

»VergißMickey Townsend nicht.«

»Hab ich nicht vergessen.« Murphy wanderte auf und ab, ihr Schwanz zuckte bei jedem Schritt.»Mickey weiß aber, wo Marylou ist. Warum hätte er sonst Coty neulich nachts vom Graben abgehal­ten?« Sie ging noch ein paar Schritte hin und her.»Aber das ist nicht plausibel, Tucker. Mickey hat Marylou geliebt.«

»Vielleicht hat sie sich in letzter Minute überlegt, daß Arthur die bessere Wahl ist. Vielleicht hat sie 's ihm gesagt, und er hat den Kopf verloren und sie umgebracht - Liebhabers Leidenschaft«, sagte Tu­cker nüchtern.

»Ich weiß nicht, aber du mußt nach Camden, Tucker. Mickey wird dort sein. Alle werden dort sein - und das ist es, was mir angst macht.«

»Ich werde mein Bestes tun.«

»Geh ins Schlafzimmer und zieh eine Schau ab.«

Tucker trottete in Harrys Schlafzimmer. Harry hatte ihren Match­sack auf den Boden gelegt. Ihre Kleider lagen auf dem Bett, und sie legte sie gerade zusammen.

Tucker kroch in den Matchsack.»Mom, du mußt mich mitnehmen.«

»Tucker.« Harry lächelte. »Geh da raus.«

Mrs. Murphy sprang aufs Bett.»Nimm sie mit, Harry.«

»Murphy.« Harry scheuchte sie von einer Bluse. Die Katze setzte sich auf eine andere. »Also, das geht zu weit.«

»Tucker muß unbedingt mit dir gehen.«

»Ja, es ist sehr wichtig«, winselte der Hund.

»Wirf den Kopf zurück und heule. Das macht Eindruck«, befahl die Katze.

Tucker warf den hübschen Kopf zurück und stieß ein markerschüt­terndes Geheul hervor.»Ich will mit!«

Harry kniete sich hin und nahm den kleinen Hund in die Arme. »Ach, Tucker, es ist doch bloß fürs Wochenende.«

Tucker wiederholte ihre dramatische Vorstellung.»Ich will mit! Laß mich nicht hier!«

»Aber, aber, komm her«, tröstete Harry den Hund.

»Huu-uu-uu!«

»Das ist gut.« Mrs. Murphy legte sich auf die nächste Bluse. Konn­te sie schon nicht mitkommen, so konnte sie wenigstens so viele Katzenhaare wie möglich auf Harrys Kleidern deponieren.

»Also...« Harry wurde schwach.

»Ach bitte, ich bin der beste kleine Hund der Welt. Ich bettel auch nicht, daß du mit mir Gassi gehst. Ich esse nicht mal. Ich werde ein ganz billig...«

»Jetzt übertreibst du, Tucker«, murrte Mrs. Murphy.

»Sie schluckt es.«

»O Tucker, ich hab so ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich hier­lasse.«

»Huu-uu-uu!«

Harry nahm den Hörer vom Telefon am Bett ab und wählte Mims Nummer. »Hallo, Mim, ich habe hier den unglücklichsten aller Hun­de vor mir, er hat sich in meinem Matchsack zusammengerollt. Darf ich Tucker mitbringen?« Sie lauschte auf die zustimmende Antwort. »Danke. Und Dank auch in Tuckers Namen.« Dann rief sie Sally Dohner an, die sich bereit erklärte, im Postamt für sie einzuspringen.

»Ganze Arbeit!« beglückwünschte Murphy ihre Freundin.

»O Mann!« Tucker sprang aus dem Matchsack und rannte in klei­nen Kreisen herum, bis ihr schwindlig wurde und sie hinplumpste.

»Woher weißt du, daß du mitkommst?« sagte Harry lachend zu dem Hund. »Manchmal glaube ich, ihr zwei versteht meine Spra­che.« Sie tätschelte Mrs. Murphy, die sich in einen Pullover kuschel­te. »Tut mir leid, Murphy, aber du weißt ja, wie du dich auf einer langen Fahrt aufführst. Du paßt auf Susan auf - sie wird übers Wo­chenende hier wohnen. Sie sagt, sie freut sich auf eine Pause von ihrem Dasein als Ehefrau und Mutter.« Harry setzte sich aufs Bett. »Ich wette, sie bringt trotzdem die ganze Familie mit. Nun, du kennst sie ja alle.«

»Ja. Ich werde eine brave Mieze sein. Sag ihr nur, ich will massen­haft Brathühnchen.«

»Sie hat sogar versprochen, dir Schweinekoteletts zu braten.«

»Ooh, ich liebe Schweinekoteletts«, schnurrte Mrs. Murphy, dann rief sie Tucker zu:»Tucker, du mußt dir alles einprägen, was du siehst, riechst oder hörst.«

»Kapiert.«

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