Wir beschließen, einen Eintopf aus Reis, Karotten, Kohl und Fleisch zu kochen. In der kleinen Küche hängt an einem Nagel neben dem Fenster das Vorderbein der gestern geschlachteten Ziege. Stefania nimmt es herunter und drückt es mir in die Hand. Mit einem großen Buschmesser schneidet sie, haarscharf an meinen Fingern vorbei, kleine Stücke ab. Ich darf nicht daran denken, dass dieses rohe Fleisch den ganzen Tag in der Hitze ohne Kühlschrank überdauert hat. Wir kochen alles zusammen in einem großen Topf und zu meiner Verwunderung streut Stefania ein fertiges Gewürzmittel darüber. Zu meiner Zeit würzte man ausschließlich mit Salz.
Ich versuche, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, aber es gestaltet sich schwierig, obwohl sie gut Englisch spricht.
Sie beantwortet zwar meine Fragen, von sich aus jedoch spricht sie mich nicht an. Die jungen Frauen sind es einfach nicht gewöhnt, mit Fremden oder gar Männern zu diskutieren.
Als ich später James zu diesem Thema befrage, bestätigt er meine Beobachtung: „Ja, es ist normal, dass Samburu-Frauen nicht viel sprechen. Mit Gebildeten wie mit Stefania ist es besser. Wir beide besprechen einiges miteinander. Aber meine Brüder, eigentlich alle der älteren Generation, sind der Auffassung: Wenn du mit deiner Frau sprechen musst, benutze nur wenige Worte und bilde kurze und exakte Sätze. Ein Mädchen oder eine Frau, die viel und laut spricht, ist keine gute Frau und wird nicht gehorchen. Es ist fast immer der Mann, der ein Problem löst und entscheidet. Die Frau hat sich daran zu halten und diskutiert nicht.“
Erneut wird mir klar, dass ich in ihren Augen wohl nicht dem idealen Frauenbild entsprochen habe. Meistens war ich die Problemlöserin und dabei wurde es hin und wieder ziemlich heftig und laut.
Trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen habe ich auch bei James noch nicht erlebt, dass er mit seiner Frau länger gesprochen oder sie zu einer Unterhaltung eingeladen hätte. Sie steht fast immer mit den Kindern abseits, hört wortlos zu oder kocht für uns Tee. Da sie auch nie gemeinsam mit uns isst, lässt sich eine gewisse Distanz nicht überwinden.
Während das Essen auf der Feuerstelle kocht, kommt Lketingas Schwester herein und bittet mich, in Mamas Hütte zu kommen. In der Manyatta finde ich Mama dösend auf dem Kuhfell liegen. Sie richtet sich sofort auf und lacht mich an. Lketingas Schwester bläst gekonnt in die Glut und die Manyatta füllt sich kurz mit Rauch, bevor das Feuer sich entfacht. Sie stellt einen Topf mit kleinen angebratenen Fleischstückchen auf die Feuerstelle und gibt mir zu verstehen, dass diese für mich sind.
Mama hat mein Lieblingsfleisch gekocht! Sie hat sich daran erinnert, dass ich dieses von ihr gebrutzelte Fleisch am liebsten mochte. Voller Freude fange ich an zu essen. Für einen kurzen Moment muss ich mit schlechtem Gewissen an Albert und Klaus denken, denen sicher der Magen knurrt, während ich es mir hier gut gehen lasse. Mama schaut mir gelassen zu und sagt immer: „Tamada, tamada — nimm, nimm.“ Sie lächelt über meine Komplimente, obwohl sie diese nicht wörtlich versteht.
Es irritiert mich, dass ich nach vierzehn Jahren ohne fremde Hilfe keine Unterhaltung führen kann. Wie habe ich das nur früher gemacht? Die Schwester spricht etwas Kisuaheli und so verstehe ich ab und zu etwas, kann aber nicht antworten. Irgendwie erahne ich, dass sie mich unter anderem um Geld bittet. Ich krame zwei Scheine hervor und schenke den einen der Schwester und den größeren Mama. Die Jüngere stopft das Geld sofort unter ihren Halsschmuck, Mama schiebt es mit dem Fuß unter das Kuhfell, ohne einen Blick darauf zu werfen.
Obwohl es umgerechnet nur etwa zehn Euro sind, bin ich sicher, dass sie einen so großen Geldschein noch nie gesehen hat. Woher auch sollte Mama so viel Geld bekommen? James versorgt sie mit allem, was sie braucht.
Freudig bedanken sie sich mit „Asche oleng“.