Während wir noch unsere Pläne schmieden, vernehmen wir erst leise, dann immer lauter Singen und Klatschen.
Es hört sich nach einem Kriegertanz an und scheint ganz in der Nähe zu sein. Meine Müdigkeit ist wie weggeblasen. Ich schlage vor, uns auf die Suche zu begeben, damit Albert und Klaus auch einmal einen solchen Tanz miterleben können. Ich wickle mir eine dunkle Decke um den Körper, damit ich nicht friere und etwas getarnt bin. Schließlich wollen wir nicht stören. Doch als wir im Dunkeln das Tor des Missionsgeländes erreichen, stellen wir zu unserem Erstaunen fest, dass es abgeschlossen ist. Wir wussten gar nicht, dass wir nachts immer eingeschlossen wurden. Enttäuscht will ich mich zu unseren Zelten zurückbegeben, als in Albert offensichtlich der Krieger erwacht und er trotz später Stunde an die Haustüre der Mission klopft. Tatsächlich wird für uns nochmals geöffnet, damit wir den Tanz nicht verpassen. Früher habe ich viele dieser Tänze miterlebt und war jedes Mal völlig verzaubert, wenn die schlanken, graziösen Männer in die Höhe sprangen, stampften und dabei gesungen und rhythmisch geklatscht wurde.
Wir laufen durch das vom Mondschein erhellte Dorf, immer dem Gesang nach. Nach einigen Minuten erreichen wir die Ebene, wo sich eine kleine Gruppe versammelt hat. Wir setzen uns unter eine Akazie, damit wir nicht gleich erkannt und als störend empfunden werden. Nur wenige junge Männer und Mädchen sind anwesend.
Schnell erkenne ich, dass es sich um Boys, um unbeschnittene Jungen handelt, die noch keine Krieger sind.
Diese Tatsache könnte morgen zwar zu Diskussionen führen, weil es sich nict gehört, dass ich als „verheiratete“ Frau eines ehemaligen Kriegers unbeschnittenen Boys beim Tanzen zusehe, aber ich bin vom Zauber des Tanzes schon zu sehr gefangen. Auch Albert und Klaus sind von dem Schauspiel fasziniert.
Ich erinnere mich an die aufregende Zeit, als Lketinga noch ein starker, schöner Krieger war. Er als der größte von allen sprang meistens am höchsten. Dabei flatterte seine lange rote Haarpracht im Wind. Nach stundenlangem Tanzen sahen die Krieger wild und unnahbar aus. Einige fielen manchmal sogar in eine Art Trance. Diese Boys hier sind von solchen Zuständen noch weit entfernt, da sie gerade erst mit dem Tanz begonnen haben.
Leider werden wir bald wahrgenommen und hören mehrmals das Wort „Mzungu“. Einige kommen herüber und begrüßen uns, andere tanzen weiter und ein paar entfernen sich. Da wir nicht stören wollen, ziehen wir uns zurück. Dennoch war dies ein schöner Abschluss des Festabends.
Als ich kurz darauf wieder in meinem Zelt liege, wird mir mit aller Macht bewusst, dass dies die letzte Nacht vor unserem Abschied ist. Lange kann ich nicht einschlafen und natürlich fließen auch ein paar Tränen. Ich hoffe nur, dass ich morgen beim Abschied nicht weinen muss.