Gespräche in der Manyatta

James hat sich in der Zwischenzeit die Hände gewaschen und nun kriechen er und ich in Mamas Hütte und setzen uns auf das Kuhfell. Er wird die Rolle des Übersetzers übernehmen und deshalb ist es gut, wenn er in meiner Nähe bleibt. Klaus folgt uns und setzt sich auf den kleinen Hocker neben der Feuerstelle. Lketinga lässt sich neben dem Eingang nieder, während Albert nach der Begrüßung wieder außerhalb der Hütte im Schatten Platz nimmt. Dort kann er alles genauso gut hören wie drinnen, da eine Manyatta nicht aus richtigen Wänden besteht, sondern lediglich einen Sichtschutz bietet.

Mama schaukelt wie immer das Baby von James, während sie uns begrüßt. Heute trägt sie einen der neuen Röcke. James beginnt das Gespräch, indem er ihr erklärt, dass ich sie noch einiges fragen möchte. Sie schaut mich an und bekundet ihr Einverständnis. Als Erstes möchte ich gerne wissen, was sie empfunden hat, als James ihr mitteilte, dass ich auf Besuch komme. Mama antwortet: „Ke supati pi — sehr schön! Ich habe mich sehr gefreut, aber wie alle anderen konnte ich es nicht recht glauben. Niemand hier im Dorf hat gedacht, dass du nach so langer Zeit wieder zurückkommst. Das nächste Mal aber bringst du Napirai mit, meine kleine Napirai.“

Ich muss lachen, denn meine Tochter ist mittlerweile größer als ich. Doch für Mama bleibt sie die Kleine, so wie sie Napirai zum letzten Mal gesehen hat. Dann fügt sie hinzu, dass es für alle gut sei, mich nach so langer Zeit wiederzusehen. Lketinga nickt und bestätigt sie mit den Worten: „Really, this is very good! Aber niemand hat es geglaubt. Alle Frauen haben nach der Ankunft eures ersten Wagens gesagt: Da stimmt etwas nicht und Mama Napirai kommt doch nicht, wir haben es ja gewusst!“ Dabei schüttelt er schmunzelnd den Kopf. Als James dann noch den Spruch „Only a Queen is mo-ving in this way“ wiederholt, brechen wir alle, sogar Mama, in Gelächter aus.

Klaus erkundigt sich, wie es war, als ich damals nach Barsaloi kam und sie mich zum ersten Mal sah. Mamas Gesicht ist ernst, als sie nach kurzem Überlegen sagt: „Ich hatte einfach nur Angst.“ Ich frage nach, wovor sie Angst hatte. James übersetzt so gut es geht: „Weil eine Weiße etwas Unbekanntes für mich war. Ich dachte, wie soll ich mit ihr sprechen, wenn sie mich nicht versteht? Wer ist sie überhaupt? Ich weiß nichts über sie. Sie ist sicherlich ein anderes Zuhause gewöhnt und jetzt kommt sie hierher und möchte bei uns in einer Rauchhütte leben. Wir haben fast nichts zu essen, trinken stattdessen Milch mit Blut. So viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, dass ich einfach Angst hatte. Ich dachte auch, was kann diese Weiße für mich tun? Jede Frau meiner Söhne ist wie ein Kind für mich. Ihre Sorgen sind auch meine Sorgen und umgekehrt. Bei dir, fürchtete ich, würden die Sorgen noch größer sein. Ich glaubte, du könntest mir kein Feuerholz, Wasser und Essen besorgen, weil du eine Weiße bist. Wer sollte meine Kleider waschen und meine Arbeit erledigen — doch nicht diese Mzungu? Im Gegenteil, wir würden das alles für dich auch noch tun müssen. Ich sah zuerst einfach nur Probleme. Andererseits wusste ich von Lketinga, dass du den weiten Weg von Mombasa gekommen bist, um ihn zu sehen. So musste ich dir auch eine Chance geben — und du bist geblieben. Und du hast hart gearbeitet. Du hast für mich gesorgt und Feuerholz und Wasser gebracht, besser als jedes Kind vor dir. Du hast mir Essen gebracht, wann du konntest, und es ging mir gut. So ist meine Liebe zu dir langsam gewachsen.“

Aufgewühlt höre ich zu und mir laufen wieder Tränen über die Wangen. Bis heute war mir nicht klar, wie viele Sorgen sie sich damals gemacht hatte. Sie erzählt weiter, dass auch die Leute aus dem Dorf zu ihrer Manyatta gekommen seien und sie ständig gefragt hätten, was ich für eine Mzungu sei. Wieso sie mir erlaube, in ihrer Hütte zu leben, wenn sie mich nicht kenne. Wie sie es mit mir überhaupt aushalte, wenn sie nicht mit mir sprechen könne. „Mit der Zeit antwortete ich allen: „Ich fühle mich trotzdem gut mit ihr und sie erledigt ihre Arbeit. Sie macht keine Probleme und fängt keinen Streit an.“ Nach einigen Monaten sah ich keinen Unterschied mehr zwischen dir und den eigenen Kindern. Du bist mein Kind geworden. Von da an habe ich die volle Verantwortung für dich und die damit verbundenen Probleme übernommen.“

Ständig wische ich mir die Tränen aus den Augen und schäme mich, weil ich ja nicht heulen soll. Mama schaut zu James und fragt, was mit mir los sei. Schnell bitte ich ihn, ihr zu erklären, dass dies die Art der Mzungus sei, ein gutes Gefühl und starke Emotionen auszudrücken, und sie sich keine Gedanken und Sorgen machen müsse.

James übersetzt lachend und nun kann auch sie lächeln.

Lketinga ergänzt Mamas Erzählung: „Yes, es war sehr schwer am Anfang. Auch zu mir kamen die anderen Krieger und wollten wissen, warum ich eine Weiße nach Hause gebracht habe. Ich war der erste Krieger, der eine Mzungu nach Barsaloi brachte und sie heiratete. Alle Leute kamen aus den Häusern und schauen uns misstrauisch an und sprachen manchmal schlecht über die Weißen. Sogar der Mini-Chief kam und fragte mich, warum ich bei ihm keine Erlaubnis eingeholt hätte, um dich zu heiraten. Ich bin doch ein Mann und soll plötzlich einen anderen fragen, wen ich heiraten kann. Crazy!“ Wieder müssen wir alle lachen.

Nun erzähle ich, dass Napirai, als wir kurz nach unserer Rückkehr in die Schweiz in einem Dorf wohnten, das erste Mischlingskind war. Auch dort liefen die Kinder zusammen oder rannten davon, weil der Anblick eines farbigen Kindes für sie ungewohnt war. Aber heute leben viele dunkelhäutige Menschen selbst in kleinen Dörfern und die Leute haben sich mit der Zeit daran gewöhnt. Mama nickt und sagt: „Eh na, es ist wie hier.“

James berichtet, dass mittlerweile rund um Maralal noch mehr weiße Frauen bei den Samburu leben, wenn auch nicht gerade in einer Manyatta wie dieser hier. Lketinga sorgt erneut für Heiterkeit, indem er mit rauer Stimme ergänzt: „Aber diese Ladies sind meistens alt und nicht so gut wie du. So eine hätte ich nicht geheiratet.“ James gibt ihm Recht und sagt: „Ja, Corinne ist überallhin mitgegangen. Sie hat mit meinem Bruder Verwandte besucht an Orten, wo es kein Wasser gab oder die Kühe mit im Kral lebten wie in Sitedi, und sie hatte keine Probleme damit.“ Na ja, ein bisschen schon, geht es mir durch den Kopf.

Mama schaukelt immer noch das kleine Baby und erzählt: „Ich war so glücklich, als Du mir ein Enkelkind geschenkt hast, und ich war stolz, dass Du mir Napirai anvertraut hast, wenn du fort musstest. Das war der größte Liebesbeweis. Von da an konnte ich dich wirklich voll akzeptieren und sah keinen Unterschied zwischen Weiß und Schwarz. Wir waren eins.“

Mamas Gesicht wird starr und regungslos, und mir ist klar, dass sie versucht, ihre Emotionen zu verbergen.

Schnell wischt sie sich mit der freien Hand über die Augen. Zwar bestand zwischen uns eine tiefe Verbundenheit, die ich immer spürte, aber erst jetzt, nach vierzehn Jahren, erhalte ich endlich die Gewissheit.

Für einen Augenblick schweigen wir alle. Fliegen summen um unsere Köpfe. Draußen gackern die Hühner und einige Zicklein blöken. Albert hören wir draußen vor der Hütte mit den Kindern sprechen. Er scheint mit ihnen etwas auf den Erdboden zu malen.

James kommt noch einmal auf den Mini-Chief, der hier eine Art Dorfpolizist ist, zu sprechen: „Er wollte sicher nur Geld von euch. Hier denken nämlich die Leute, alle Mzungus hätten viel Geld, lebten in großen Häusern, besäßen Autos und hätten immer etwas zu essen und keine Sorgen. Sie meinen, alle lebten wie ein Präsident. Ich versuche immer wieder, sie aufzuklären, indem ich sage, dass die weißen Leute auch Sorgen haben, sie aber nicht allen erzählen. Bei den Samburu ist es Tradition, dass du mit jedem, dem du begegnest, ein oder zwei Stunden sprichst. Erst beginnt der Ältere zu berichten, woher er kommt, wer er ist, wie es seinen Tieren und seiner Familie geht, wer krank ist und was er hat, was in seinem Dorf oder Kral gerade passiert ist, und zum Schluss, wohin er geht und weshalb. Der Erzahlende erwähnt jedes Detail und das kann schon mal eine Stunde dauern. Danach wiederholt sich das Ganze auf der anderen Seite.“

James spielt uns eine solche Begegnung in einem erfundenen Dialog wie in einem Kabarett vor und wir lachen erneut Tränen. „Hier ist das normal“, erzählt er weiter, nachdem wir uns etwas erholt haben, „denn die Leute sind manchmal stundenlang zu Fuß unterwegs und sehen niemanden. Deshalb sind sie glücklich, wenn sie sich mit jemandem unterhalten können, auch wenn sie sich nicht kennen. Wenn sie dann am Ziel ihrer Reise angekommen sind, berichten sie dem nächsten, wen sie alles getroffen haben und was derjenige ihnen erzählt hat. So wird das Gespräch immer länger und die Nachrichten verbreiten sich in ein paar Stunden über viele Kilometer. Und dann sehen sie ab und zu Weiße, die sich nur ein paar Minuten unterhalten und gleich weiterfahren oder — gehen. So denken sie, diese Menschen hätten keine Probleme, weil sie sich nicht lange unterhalten müssen. Dabei erzählen sich die Weißen nur nicht alle Probleme.“

Wie unterschiedlich die Dinge doch aufgefasst werden können! Unsere Gesellschaft ist dabei, zwischenmenschlich zu verarmen, weil immer weniger Kommunikation zwischen den Menschen stattfindet und viele dadurch krank werden. Die Einheimischen hier dagegen sehen gerade in unserer Sprachlosigkeit ein Zeichen dafür, dass wir keine Probleme haben.

Schon höre ich James weitersprechen: „Ich bin nun auch schon fast wie ein Mzungu. Ich arbeite viel und bin nur noch mit dem Motorrad unterwegs, weil ich eine Menge erledigen muss. Wenn ich dabei Leuten begegne, halten sie mich an der Straße an. Am Anfang dachte ich, es sei wichtig, und stoppte mit dem Motorrad. Aber meistens wollen sie nur wissen, woher ich komme und wohin ich fahre. Oder sie wollen mein Motorrad sehen und alles darüber wissen. Doch ich habe keine Zeit und annvorte nur knapp mit ja oder nein. Manchmal erzähle ich nicht einmal, wenn zu Hause jemand krank ist, weil es zu lange dauern würde. Wenn allerdings derjenige später erfährt, dass ich das nicht erwähnt habe, bekomme ich das nächste Mal Vorwürfe. Die Leute können einfach nicht verstehen, dass ich einen Zeitplan einhalten muss, weil ich Verpflichtungen habe. Für sie spiele es keine Rolle, ob sie eine Stunde länger hier stehen oder nicht.“

Bei dieser Beschreibung merkt man ihm an, dass er auch stolz daraufist, hier im Busch einer der Ersten zu sein, die ein neues, ein moderneres Leben führen. Mich stimmt es nachdenklich, weil es den beginnenden Zerfall der natürlichen Kommunikation andeutet. Letztendlich wird es wahrscheinlich für viele wie in Europa in der Einsamkeit enden.

Klaus spricht ihn darauf an, dass er die kleinen Dinge doch gar nicht mehr mitbekommen kann, wenn er mit seinem Motorrad so schnell durch die Gegend braust. Darauf entgegnet James, dass sich die Zeit eben auch schnell verändert. Lketinga widerspricht: „Mir gefällt das aber nicht. Heute haben viele Moran keine langen Haare mehr, wie ich sie früher hatte. Sie wollen das nicht mehr, auch weil sie zur Schule gegangen sind. Die Mädchen tragen nicht mehr so viel Schmuck, weil die Schulboys ihnen keinen schenken. Die Schulmädchen, wie meine Tochter Shankayon, haben gar keinen Schmuck mehr, weil das verboten isr. Sie wollen sich auch den roten Ocker nicht mehr auf die Haut reiben. Sogar die, die nicht zur Schule gehen, wollen lieber die Hautcremes aus Nairobi benutzen. Kein Mädchen trägt mehr einen Rock aus Tierhaut, der mit Perlen verziert ist, wie du das noch bei meiner Schwester erlebt hast. Nur noch bei Zeremonien werden diese Sachen angezogen.“ James fügt hinzu: „Auch das wird in fünf oder zehn Jahren vorbei sein. Schon heute gibt es kaum mehr den traditionellen Halsschmuck aus Giraffen haaren oder die Elfenbeinohrringe der Krieger.“

Alle diese Aussagen machen mich traurig, obwohl ja auch wir moderne Gegenstände hierher gebracht haben.

Jetzt wird mir bewusst, dass ich keine jungen Mädchen oder Krieger gesehen habe, die noch die volle und ursprüngliche Pracht an Schmuck und Farben tragen, wie es noch vor vierzehn Jahren üblich war. Gerade diese fröhlichen und intensiven Farben des Schmuckes und der Kangas verkörpern die Heiterkeit und das intensive Lebensgefühl dieser Menschen. Sollte mit der Zeit das schöne Rot und das satte Blau und Gelb der Tücher und Decken weichen und sich stattdessen die europäische Eintönigkeit der Kleidung breit machen, wie wir dies bereits in Maralal gesehen haben, werden wohl auch der Optimismus und die Fröhlichkeit der Menschen schwinden. Nicht wenige konsumieren bereits heute Alkohol in rauen Mengen. Von den Jugendlichen haben zwar viele mittlerweile eine Schulausbildung, aber zum Erlernen eines Berufes oder zum Studieren fehlt ihnen das Geld. So leben sie mit dem erworbenen Wissen und einer eher westlichen Einstellung in ihrer Kultur und geben die traditionelle Lebensweise immer häufiger auf. Mir scheint, als verlören sie dabei ihre Wurzeln.

Je länger wir uns unterhalten, desto gelöster wird die Stimmung, so dass ich es wage, Lketinga noch einmal zu fragen, wie es damals für ihn war, als er erfuhr, dass ich nicht mehr zurückkehren würde. Er schaut mich an und sagt ernst: „Ich habe es lange nicht geglaubt, weil du vorher immer zurückgekommen bist. Ich hatte bald Probleme mit dem Shop, weil kein Geschäft mehr zu machen war und ich deshalb Geldsorgen bekam. Alle wollten mich betrügen. Als auch noch das Auto gebrannt hat, hatte ich kein Geld, es reparieren zu lassen.

Deshalb verkaufte ich das große Auto und bekam dafür ein kleineres. Mit diesem fuhr ich Taxi, bis ich einen Unfall hatte und ins Gefängnis musste. Ich hatte wirklich viele Probleme und möchte gar nicht mehr daran denken.“

James ergänzt: „Ja, als ich drei Jahre, nachdem du in die Schweiz zurückgegangen warst, davon hörte, fuhr ich wieder nach Mombasa, um ihn zu suchen. Lketinga ging es sehr schlecht, als ich ihn fand. Ich bat ihn, mit mir nach Hause zu kommen, was er auch wollte. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, um mit dem Bus gemeinsam nach Maralal zu fahren. Doch er kam nicht und ich fuhr allein zurück, denn ich musste wieder mit der Schule beginnen. Als ich aber einen Tag danach in Maralal auf eine Mitfahrgelegenheit nach Barsaloi wartete, kam Lketinga plötzlich ganz allein daher und wir gingen zusammen nach Barsaloi. Er hatte natürlich kein Haus, wo er bleiben konnte, und auch sonst nichts, außer vielen Tieren. In all den Jahren, in denen er nicht zu Hause war, hatte sich seine Ziegen- und Kuhherde sehr vergrößert. Unser älterer Bruder hat sein Vieh gehütet. Es ist bei uns üblich, dass die Tiere eines anderen nicht geschlachtet oder verkauft werden.

Auf diese Weise war Lketinga trotz allem reich, als er nach Hause kam. Wir beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn er eine Frau sucht, die ein Haus bauen und Kinder bekommen kann. So heiratete er nur einen Monat später seine zweite Frau, Mama Shankayon. Sie bekam aber nach dem ersten Kind viele Probleme. Alle weiteren Kinder sind gestorben. Jetzt ist sie zurück nach Hause zu ihren Eltern gegangen und wir wissen nicht, wann sie wiederkommt.“

Lketinga nickt abwesend und Mama hört stumm zu. Ich spüre deutlich, dass mein Ex-Mann über seine Vergangenheit nicht mehr sagen kann oder will. Stattdessen erwähnt Lketinga wieder das Buch und den Film und fordert James auf, uns über die Vorkommnisse hier in Barsaioi aufzuklären. So beginnt James, etwas ausführlicher zu erzählen: „Ja, wie ihr wisst, kommen immer wieder fremde Leute hierher, meistens Journalisten aus Kenia. Sie wollen erfahren, ob wir den Inhalt des Buches kennen. Ob wir wissen, dass diese Corinne die Samburu schlecht gemacht hat und viel Geld dafür bekommt. Doch wir sagen immer, dass wir den Inhalt des Buches kennen und auch wir Geld bekommen und keine Probleme haben. Sie hat über unsere Familie geschrieben und nur wir können beurteilen, ob es gut oder schlecht, richtig oder unwahr ist. Wir haben sogar bei einem kenianischen Botschafter, der ein Samburu ist und deutsch spricht, nachgefragt und er hat uns ebenfalls versichert, dass alles in Ordnung ist. Wenn sie das hören, ziehen die meisten Journalisten wieder ab. Es gibt aber auch welche, die unbedingt wollen, dass wir etwas Schlechtes über das Buch oder den Film sagen, und wollen uns Geld dafür geben. Einer von ihnen hat sogar zu Lketinga gesagt, er müsse zum District-Officer gehen und verlangen, dass man diese Corinne in der Schweiz ins Gefängnis bringen müsse. Da ist Lketinga sehr böse geworden und hat sie aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen. Doch er wurde weiterhin belästigt.“

Lketinga mischt sich ins Gespräch und bestätigt: „Yes, die waren wirklich verrückt. Ich habe ihnen immer wieder gesagt, dass ich das nicht will. Dass du meine Frau bist und es in Ordnung ist, wenn du ein gutes Leben in der Schweiz führst. Ich möchte auch, dass es meinem Kind gut geht. Mir geht es gut und ich brauche nicht so viel zum Leben wie du in der Schweiz. Du hast ja auch keine Kühe und Ziegen. Aber diese Leute haben nicht aufgegeben, bis ich ihnen drohte, sie zu verprügeln, wenn sie nicht verschwinden, denn sie haben die Menschen hier in Barsaioi verunsichert.“ James fügt hinzu: „Auch unser Priester, der das Buch in Spanisch gelesen hat, hat mit den Leuten gesprochen und ihnen gesagt, dass nichts Schlechtes in dem Buch steht. Nun ist alles wieder normal hier und alle freuen sich sehr, dass ihr, du und der Verleger des Buches, hierher gekommen seid.“

Nun kriecht auch Albert in die Manyatta und erklärt, dass er mich schon lange kenne und wisse, wie sehr ich an meiner afrikanischen Familie hänge und wie besorgt ich war, als es ihnen nicht gut gegangen ist. Unser gemeinsames Schicksal beschäftige ihn und seine Familie bereits viele Jahre und deshalb fühle auch er mit den Menschen hier in Barsaioi eine enge Verbundenheit. Für ihn sei es sofort klar gewesen, dass er diese Reise antreten würde, denn er wollte die Familie und die wunderbare Mama wiedersehen. Auch ihm sei es ein Anliegen, zu helfen, wo er könne. James übersetzt für Mama und sie bedankt sich bei Albert mit einem Händedruck und den Worten "Asche oleng“.

Zum Schluss möchte Albert von Mama wissen, was sie von ihrer Zukunft erwarte oder sich wünsche. Sie denkt kurz nach und antwortet: „Es geht mir wirklich gut. Ich wünsche mir, dass ich gesund bleibe und meine Augen noch lange sehen können. Aber auch wenn ich einmal blind werde, möchte ich weiterhin ein so gutes Leben führen wie jetzt und hoffe, dass es immer so bleibt. Mehr brauche ich nicht.“ James bestätigt das, indem er erzählt, dass er ihr ein Häuschen bauen lassen wollte, doch sie hätte abgelehnt. Sie möchte nur in ihrer Manyatta sein und ist glücklich, dass nun alle wieder zusammen sind. Manchmal verlässt sie drei Tage die Hütte nicht, ist aber zufrieden, weil immer Kinder oder Besucher bei ihr sind. Es ist schön zu sehen, dass nach wie vor die alten Menschen so gut ins Alltagsleben integriert werden.

Lketinga, nach seinen Wünschen befragt, erklärt zu meiner Verwunderung: „Ich möchte, dass du nicht sagst, dass du nicht mehr meine Frau bist. Das gibt es bei uns nicht. Egal, wo du lebst, du bleibst meine Frau. Ich möchte nicht hören, dass ein anderer Mann bei dir lebt. Es ist okay, aber ich möchte es einfach nicht hören. Ich denke immer daran, dass du meine Frau bist. Ich hoffe, du kommst jetzt öfter, denn Samburu gehen nicht auseinander.“

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